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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.08.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010807014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901080701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901080701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-07
- Monat1901-08
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ÄintsvtaLt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigeit-Prel- die -gespaltene Petttzetle >S H. Rerlame» unter dem Rebarrtonöstrich («gespaUr») 75 vor den Familieuuacht richten («gespalten) KV H. Dabellarischer uud Ztfferusatz entsprechend Häher. — Gebühren str Nachweisung«» und Offertenannahme SK (rxck. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur «U der Morgeu-Au-gab«, ohne PostLefärderung »0.—, mit PostbesSrdernug 7V^-. Aanahvuschluß fvr Anzeigen: «bend-Nusgaber Bormtttag» lv Uhr. M»rg«»-AuSgad«: Nachmittag« 4 Uhr. Bet de» Filiale» und Annahmestelle» t« «dm halb« Stunde früher. Anzeige» Pud stet« an die Expedittoo zu richte». Di« Expeditio» ist Wochentag« Ununterbrochen geöffnet vou früh S bi« Abend« 7 Uhr. Drillt »ad Verlag vou E. Gol» t» Leipzig Mittwoch dm 7. August 1901. 95. Jahrgang. Kaiseriu Friedrich -j-. D ikronderg, 6. August. (Telegramm.) DaS Leben in der Stadt trägt heute das Gepräge tiefer Trauer. Die meisten Häuser haben halbmast geflaggt oder tragen anderen Trauerschmuck. In den Schulen wurden heute Bormittag Gedächtnißseierlichkeiten abgehalten. Die aufliegende Trauer» liste füllt sich schnell. Heute früh wurde auch daS Garten personal zum Sterbelager zugelassen. Ob die Leiche aus gestellt wird, ist nock unbestimmt. Am Schloßportal ist seit heute Vormittag ein Unterofficier-Doppelposten aufgezogen. Der Kaiser unternahm im Laufe veS Vormittags einen Spaziergang mit dem Kronprinzen, dem Reichs kanzler Graf v. Bülow und den Herren des Hauptquartiers. Der Kaiser hörte heute den Vortrag des Cbefs de« Militär- cabinetS. Prinz Christian von Schleswig-Holstein, dessen Gemahlin bereits hier weilt, wird heute auch noch erwartet. (-) Berlin, 6. August. (Telegramm.) Tausende finden sich heute Unter den Linden ein, wo das Schloß und das Palais der Kaiserin Friedrich die Standarten auf Halbmast gehißt hatten. Auch sämmtliche Staatsgebäude haben halb mast geflaggt, das Rathbaus, die städtischen Gebäude und- Schulen tragen Trauerfahnen, viele Privathäuser zeigen Trauerzeichen. (-) Berlin, 6. August. Der „R-ichS- und Staatsanzeiger" veröffentlicht folgenden kaiserlichen Erlaß: Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Friedrich, Meine innigst geliebte Mutter, ist nach Gottes unerforschltchem Rathschluß heute verschieden. Ich bestimme, daß um die Verklärte eine mit dem morgigen Tage beginnende Landestrauer von sechs Wochen eintritt. Oefsentliche Musik, Lustbarkeiten und Schauspiel-Vorstellungen sind bis zum Ablauf deS Tages der Beisetzungs-Feier einzustellen. DaS StaatS-Ministerium hat hiernach das Weitere zu veranlassen. Schloß Friedrich-Hof, den 5. August 1901. Wilhelm. An das Staats-Ministerium, Berlin. Nach dem Trauerreglement vom 7. October 1797 sind in sämmtligen Kirchen des Landes die Glocken vierzehn Tage lang Mittags von 12 bis 1 Uhr zn läuten. BcileidSkundgcbungcn. * Homburg v. d. H., 6. August. (Telegramm.) Von sämmtlichen deutschen und außerdeutschen Souve ränen und Staats-Oberhäuptern sind in den wärmsten Worten abgefaßte BeileidS-Telegramme eingelausen, darunter solche vom König von England, dem Kaiser von Oesterreich, dem König von Italien, dem Kaiser von Rußland, dem Präsident Loubet, vom König und dem Kronprinzenpaar von Dänemark, dem Großberzog und der Großherzogin von Baden, dem KönigSpaare von Portugal, dem König und der Königin von Württemberg, der Königin von Italien, der Königin-Regentin vonSpanien, derKönigin und der Königin Mutter der Niederlande, dem Großberzog vonMecklen- burg-Streliy, dem Herzogpaar von Connaught, der Königin von Rumänien, dem Kronprinzenpaar von Schweden, der Kaiserin-Mutter von Rußland, den Großfürsten Michael von Rußland, dem König von Griechenland, dem König der Belgier und dem Fürsten von Bulgarien. D Berlin, 6. August. (Telegramm.) Der Magistrat und die Stadtverordneten haben beschlossen, eine ge meinsame Beileidsadresse an den Kaiser zu richten. (-) TreS-e», 6. August. (Telegramm.) Der könig liche Hof legt für die verstorbene Kaiserin Friedrich von morgen, dem 7. August, ab Trauer auf die Dauer von sechs Wochen an. (D München, 6. August. (Telegramm.) Kaiser Wilhelm machte dem Prinz-Regenten von dem Ab leben der Kaiserin Friedrich sofort Miltheilung, worauf der Prinz-Regent folgendes Beileidstelegramm sandte: „An Seine Majestät den Kaiser Wilhelm II., Schloß Friedrichs- Hof. Schmerzlich ergriffen durch die Nachricht von dem Ableben Ihrer Majestät, der Kaiserin Friedrich, Deiner unvergeßlichen Mutter, drängt cs Mich, Dir meine innigste und aufrichtigste Theilnahme auszujprechrn. DaS Andenken an die Verblichene, der ich von Herzen ergeben war, wird ein gesegnetes bleiben, (gez.) Luitpold." In einer Sitzung des Magistrats widmete der Bürger meister Brunner der verewigten Kaiserin einen tiefgefühlten Nachruf, in dem er ihre edlen Eigenschaften, insbesondere ihren WobltbätigkeitSsinn hervorhob, der ihr ein ehrendes Andenken sichere. Die Stadtgemeinde sendet an den Kaiser und die kaiserliche Familie für die verblichene Kaiserin einen Lor beerkranz. Zum Zeichen der Trauer wurden die aus Anlaß des deutschen GastwirthstageS gehißten Fahnen und Flaggen wieder eingezogen. T Paris, 6. August. (Telegramm.) Präsident Loubet sandte ein Beileidstelegramm an den deutschen Kaiser. Außerdem erschien heule Morgen der Protokollches LeS Auswärtigen Amtes in der deutschen Botschaft, um dem Geschäftsträger Minister v. Schlözer im Namen des Prä sidenten Loubet, der sich im Laufe des gestrigen Tages wiederholt theilnahmSvoll erkundigt hatte, sein Beileid aus zusprechen. In die in der Botschaft aufliegenden Liste trugen sich zahlreiche hervorragende Persönlichkeiten ein. (-) San Sebastian, 6. August. (Telegramm.) Die Königin-Regentin sandte an Kaiser Wilhelm und an König Eduard Beileidstelegramme und beauftragten den Herzog von Sotomayor, in der deutschen und in der englischen Botschaft ihrem Beileide Ausdruck zu geben. (D Blon, 6. August. (Telegramm.) Der Bundes rath richtete an den deutschen Kaiser ein Beileids telegramm aus Anlaß des Ablebens der Kaiserin Friedrich. (-) Windsor, 6. August. (.Telegramm.) Der Mayor von Windsor brachte in Depeschen an den König Eduard nach CoweS und an den Kaiser Wilhelm nach Cronberg seine tiefe Theilnahme am Hinscheiden der Kaiserin Friedrich zum Ausdruck. O Rom, 6. August. (Telegramm.) Auf allen Lffent- licheu Gebäuden und vielen Privatbäusern wehen die Flaggen halbmast. —Die Regierung beauftragte den Botschafter in Berlin, der deutschen Regierung Beileid auSzusprecken. Der Minister deS Auswärtigen, Prinetti, that letzteres dem deutschen Botschafter gegenüber persönlich. (-) Kopenhagen, 6. August. (Telegramm.) Morgen Mittag wird an Bord des deutschen Schulschiffes „Moltke" Trauergottesdienst abgehalten, an dem der König, der Kronprinz und andere Mitglieder der dänischen KönigS- familie theilnehmen werden. Pretzstimmen -es Auslandes. (D London. 6. August. (Telegramm.) Die Morgen- blätier, die mit Trauerrand erscheinen, veröffentlichen Artikel, in welchen sie dir hervorragenden Eigenschaften der verewigten Kaiserin Friedrich bervorheben. „Daily Ne WS" sagt, hinsichtlich ihrer Verstandeskraft und Charakterstärke habe Kaiserin Friedrich Karoline von Ansbach, der Ge mahlin deö Königs Georg II., geglichen. Wie Königin Karoline sei Kaiserin Friedrich überdies von einer vor- urtheilsfreien Wahrheitsliebe beseelt gewesen, und wenn ihr Gemahl nicht vorzeitig, fast ehe noch seine Regierung begonnen hatte, abberufen worden wäre, würde sie eine ebenso große Rolle wie jene auf der Weltbübne gespielt haben. „Standard" schreibt, von allen Kindern ihres Vaters sei Kaiserin Friedrich dasjenige gewesen, welches Wohl im weitesten Umfange dessen künstlerische und geistige Begabung geerbt. Sie würde vielleicht glücklicher gewesen sein, wenn diese Begabung weniger hervorragend gewesen wäre. Tie „Times" sagen, das Leben der Kaiserin Friedrich habe etwas nahezu Tragisches. Es sei ein Leben gewesen, daS mit glänzenden Versprechungen, großen Hoffnungen und hohen Idealen begonnen habe, aber ein hartes Geschick babe es unbarmherzig beherrscht. Die Versprechungen hätten sich niemals ganz erfüllt, die Hoffnungen seien zum großen Theil weggestorben, die Ideale seien nicht völlig verwirklicht worden. In einem Puncte sei Kaiserin Friedrich freilich im höchsten Grade glücklich gewesen, der Ehcbund zwischen der Kaiserin und ihrem Gemahl scheine so eng und vollkommen gewesen zu sein, wie je ein solcher zwischen zwei Menschen herzen bestanden habe. (-) Wien, 5. August. (Telegramm.) Die meisten Blätter gedenken der verstorbenen Kaiserin Friedrich in warmen Nachrufen. Die „Neue Freie Presse" schreibt: Sie war die Gattin deS Kaisers Friedrich und als solche wird sie in die Weltgeschichte eingehen. Kein schlichtes HauSmütterchen ohne persönliche Prägung, sondern eine Frau von den höchsten geistigen und poli tischen Interessen, war sie die Bekennerin der gleichen Welt anschauung wie ihr Gatte. — DaS „Fremdenblatt" sagt: Der Tod der edlen, tapferen und hochbegabten Frau wird nicht nur in Deutschland und Englard mit aufrichtiger Betrübniß vernommen werden. Ueberall hatte man ihrem Schicksal, al« sie so schwer betroffen wurde, Theilnahme zu gewendet und überall wird man bedauern, daß ihr Leben ver- hältnißmäßig so kurz zugemeffen war und daß e« nach all den seelischen Qualen auch noch von körperlichen verdüstert werden mußte. — Das „Neue Wiener Tagblatt" sagt: Die Kaiserin wurde als Gattin eines unvergeßlichen Monarchen, als deutsche Mutter und Hausfrau und als fürstliche Dame, die iu der Pflege alles Schönen, insbesondere der bildenden Künste, Freude und Erholung fand, geliebt und verehrt. (-) Pest, 6. August. (Telegramm.) Alle Blätter bringen für die verewigte Kaiserin Friedrich Nachrufe, in denen der hervorragenden Tugenden der entschlafenen Fürstin gedacht wird. „Pester Lloyd" schreibt: Die Heim gegangene, gleich ausgezeichnet durch ungewöhnliche Gaben deS Geistes wie des Charakters, die sie insbesondere während der traurigen Zeit deS Martyriums ihres edlen kaiserlichen Gatten bethatigte, erfreute sich der innigsten Liebe und Verehrung des deutschen Volkes, welches jetzt sicherlich von ganzem Herzen die Trauer seines Kaisers theilen wird. Aber auch die ungarische Nation nimmt tiefen Antheil an dem schweren Verluste, von welchem daS deutsche Kaiserhaus heimgesucht worden ist, und hegt den lebhaften Wunsch, der schwergebeugte Herrscher möge Trost schöpfen auS der Hingebung seines Volkes und auS de« Sympathie der befreundeten Nationen. (-) Petersburg, 6. August. (Telegramm.) In der gesummten hiesigen Presse werden der verstorbenen Kaiserin Friedrich sympathisch gehaltene Nekrologe gewidmet. „Nowoje Wremja" betont besonders den großen WohlthätigkeitSsinn der Heimgegangenen Fürstin. — „Herold" sagt, bei den herz lichen Beziehungen, welche zwischen den Herrscherhäusern Deutschlands und Rußlands bestehen, werde der schmerzliche Verlust, welcher das Herrscherhaus Hohenzollern betroffen, auch in Rußland aufrichtige Theilnahme erwecken. D Part«, 6. August. (Telegramm.) Sämmtliche Blätter widmen der Kaiserin Friedrich ehrende Nachrufe, indem sie betonen, daß sie ein Recht habe auf die achtungs volle Sympathie der Völker. „Matin" sagt, die Geschichte werde ihr Liebe und Achtung bezeugen, noch mehr aber tiefstes Mitleid. „Eclair" schreibt, der Kaiserin Friedrich folge die allgemeine Sympathie der Völker. Frankreich und be sonders Paris empfangen die Nachricht von ihrem Tode mit der schmerzlichsten Bewegung. „Figaro" hebt ihren klaren Ver stand und ihre Energie hervor und sagt dann weiter, sie war eine liebende und ernste Mutter und eine treue Freundin. Sie war eine Frau im vollen Sinne des Wortes in den über menschlichen Leiden, die sie hat durchmachen müssen; wir können unS nur beugen vor dieser kaiserlichen Märtyrerin. (-) Rom, 6. August. (Telegramm.) „Fracassa", „Messagero" und „Voce della veritü" widmen der verewigten Kaiserin Friedrich Nachrufe, in denen sie unter Ausdrücken der Sympathie und Verehrung ihre hohen Eigen schaften hervorhebeu. Fruilleton. Im Luruszuge. Ein Bild des modernen Verkehrs von Otto Sperber. ruaicnv» »kidvini. Als Vor 31 Jahren gelegentlich der Eröffnung der ersten transamerikanischen Pacificbahn von New Jork nach San Fran cisco die europäischen Gäste von dem Luxus und der Bequemlich keit berichteten, mit welcher dort die Passagiere mit fünftägiger Eilfahrt quer über den nordamerikanischen Continent befördert würden, konnte sich unser einheimisches Reisepublicum nnes gewissen Neidgefühls nicht erwehren, daß ihre Lettern jenseits des Oceans wie in vielen anderen neu zeitlichen Dingen, so auch im Comfort auf Reisen dem alternden Europa weit vorangeeilt waren. Die Herren Beschwichtigungshofräthe aus staatlichen und prwaten Eisenbahndirectionen waren natürlich alsbald bet der Hand, um nachzuweisen, daß derartiger sybaritischer Luxus nur den Reisen den gebühre, welche in tagelang währender Fahrt die Eisenbahn benutzen, daß aber bei den geringeren Entfernungen in Deutsch land — man fuhr damals von Eydtkuhnen über Berlin und Frankfurt a. M. nach Basel ja nur die kurze Zeit von 36 Stunden — kein Bedürfniß für bequemere Fahrgelegenheit vorliege. Der deutsche Michel zog, nachdem er für diesen belehrenden Nasenstüber dankend quittirt hatte, seine Schlafmütze auf weitere 15 Jahre ruhig über die Ohren. Die Erfindung des Amerikaner« Pullmann, der durch den Bau eleganter und be quemer Speisewagen, Schlafwagen und Salonwagen ein viel facher Millionär wurde, war aber viel zu praktisch, um sich nicht auch anderwärts Eingang zu verschaffen, und heute sind trotz des passiven Widerstandes der bevormundenden Generalgewal- tigen die mächtigen Luruszüge auf den Hauptlinien des Verkehrs keine ungewohnte Erscheinung mehr. Die Anfänge waren freilich schwer. Es bedurfte auch in Europa eine» hervorragenden technischen und organisatorischen Talente», um die Sache in Fluß zu bringen und eine der be deutendsten Verkehrseinrichtungen der Jetztzeit zu schaffen. Als solche» bewährte sich der Gründer und gegenwärtige Director der Schlafwagen-Gesellschaft, George Nagelmackers, ein Belgier von Geburt, der in Amerika die ungeheuren Fortschritte auf dem Gebiete des Personenverkehrs studirt batte und in Verbindung mit dem Rheinländer Schröder da» kühne Waaniß unternahm, die europäisch«» Eis«nbahnverwaltung«n zur Aufnahme eine» Verkehrsmittel» zu zwingen, welch«» sich in Amerika so glänzend bewahrt hott«, Im Jahre 1-73 wurden die ersten Schlafwagen auf der Linie Aachen-Berlin eingestellt und bald darauf bi» Ostend« weitergrfübrt; eit folgt« di« Strecke Kb'ln-Pari» und Wien- Mllnchen-Port». Wie jede Neuerung, so hatte auch der Schlaf- wagenbetrieb mit Schwierigkeiten zu kampfrn; bald aber traten zwei Umstände ein, welche die Aspecten der Unternehmung von i Grund aus änderten. Der erste war, daß sich König Leopold II. I von Belgien, ein Fürst, der mit lebhaftem Interesse alle modernen f Unternehmungen verfolgt, mit einem namhaften Capital an die Spitze der Aktiengesellschaft stellte, welche nun mit bedeutend er höhtem Capital ihren Betrieb erweitern konnte; der zweite, fast noch wichtigere Umstand aber war, daß man die nothwendige Ergänzung des Schlafwagens, den Speisewagen schuf. Dies ge schah im Jahre 1883, in welchem die Gesellschaft auch ihren heutigen Namen „OompL^via Intornntionnlo llc>8 ^VaSmstits ot civs Orancis-^xpress-Iiuropsns" annahm. Es bedurfte nun nur noch der fast selbstverständlichen Angliederung comfortabler Salonwagen, und der Luxuszug war fertig, der es heute ermög licht, viele hundert Meilen fast ohne nennenswerthe Ermüdung zurückzulegen. Der erste ditser Züge war der seiner Zeit sattsam bewunderte Orientexpreß, welcher die Fahrtdauer auf der Strecke Paris- Konstantinopel um 30 Stunden abkürzte. Nach seinem Muster wurden dann die anderen Luxuszllge geschaffen, von denen die wichtigsten folgende sind: 1) Ostende - Brüssel - Köln- Frankfurt a. M. - Wien - Pest. 2) Der Nordexpreß Petersburg - Berlin - Köln - Brüssel und Paris bezw. London. 3) Der sogenannte kleine Orient - Expreß Hamburg-Berlin-Breslau-Oderberg-Pest. 4) Der Peninsular- Expreß Calais-Paris-Montc6nis-Bologna-Brindisi mit An schluß an die Eildampfer nach Egypten und Indien. 5) De: Slldexpreß von Paris nach Madrid und Lissabon. 6) Der Nord- südexpreß Berlin-Leipzig-MUnchen-Jnnsbruck-Verona nach Mai land bezw. Rom. Hierzu treten als Sommerzüge 7). der Luxus zug Wien-Karlsbad. 8) Der Zug von Calais-Paris nach der Schweiz und 9) der Luxuszug Paris-Straßburg-Stuttgart- Karlsbad und die Winterzüge 10) Wien-Pontebba-Vencdig mit Anschluß nach Mailand und Nizza. 11) Der Zug Bologne- Paris-Genua-Rom und endlich 12) Calais-Paris-Marseille- Niz,a-San Remo. Außerdem cursiren natürlich auf einer viel größeren Anzahl Strecken einzelne Speisewagen und Schlaf wagen, welche in Verbindung mit den Wagen der O-Züge an nähernd denselben Comfort bieten. Billig ist das Fahren in diesen Zügen allerdings nicht, und der Reisende, welcher seinen Voranschlägen die Fahrpreise für die 2. und 3. Classe im Schnellzuge zu Grunde legt, wird auf dieses Beförderungsmittel verzichten müssen; denn zu dem Fahrpreise 1. Classe tritt noch eine Kuschlagsgebühr von 20—30 Procent; Speisen und Getränke kosten ebenfalls das Anderthalbfache bis Doppelte der sonst üblichen Preise in guten Wirthshäusern, und auch für Trinkgelder muß man erheblich mehr in Ansatz bringen al» gewöhnlich. Da» sind aber Dinge, die man eben in Kauf nehmen mutz, wenn man mit einem Luxu» reisen will, wie ihn sich vor 30 Jahren kaum Fürsten gestatten könnten. Uebrigen» kann man dir Preise auch nicht al» übertriebene bezeichnen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß ein einziger Wagen fast auf 100000 -F zu stehen kommt und daß in einem solchen Luxu». I zuge also ein Tapital von mindesten» einer halben Million Mark I angelegt ist. I Und nun laden wir den Leser rin, im Seist« einmal di« Fahrt im Nordsüdexpreß von Berlin nach Rom mitzumachen, der Abends um 10 Uhr 15 Minuten Berlin vom Anhalter Bahnhofe aus verläßt. Der Zug besteht aus der mächtigen Schnellzugs- locomotive, dem Packwagen, welcher den Zugführer sammt einigen Revisionsbeamten aufnimmt, und einem Postwagen; diesem Fahrmaterial, welches vom Staate gestellt wird, folgt der von der Internationalen Schlafwagengesellschaft gestellte Theil des Zuges, nämlich zwei Schlafwagen, ein Speisewagen, ein Küchen wagen und ein Gepäckwagen, die sämmtlich schon äußerlich durch ihre braune Holzverkleidung in schindel- oder dachziegelartigen Stücken sich von den gewöhnlichen O-Wagen unterscheiden, aber ebenso lang sind wie diese und auf Drehgestellen ruhen. Während das Gepäck unter voller Verantwortlichkeit der Ge sellschaft in den Gepäckwagen übernommen ist, nimmt der Reisende in einem Coupö Platz, welches nur für 2 Personen be rechnet ist und in dem sich die Betten übereinander befinden, so daß er, wenn er in Gesellschaft eines zweiten Familienmitgliedes oder eines Freundes reist, von den übrigen Zuginsassen gänzlich unbehelligt bleibt. Diese Coupes sind ebenso, wie die Gänge des Wagens, mit dicken Teppichen belegt, die Wände mit gepreßtem Leder verkleidet; als Holz ist nur Nußbaum und Mahagoni ver wendet, und ein mächtiges breites Fenster gestattet den unge hinderten Ausblick in die durchfahrene Gegend, wenn man cs nicht vorzieht, auf dem aufklappbaren Tischchen sich die Zeit mit Lesen, Schreiben oder Kartenspielen zu vertreiben. Fast ge räuschlos geht der braune Zug aus der Halle; bald erscheint zur Fahrkartencontrole ein Schaffner, der des Italienischen, Eng lischen und Französischen ebenso mächtig ist, wie des Deutschen, und sich nach den Wünschen des Passagiers hinsichtlich der Tem peratur im Coup« und dergleichen erkundigt. Dann wird es still im Zuge, der nur in Leipzig, Reichenbach, Hof und Regensburg hält, ehe am anderen Morgen um 8 Uhr 40 Minuten München erreicht ist. Nachdem man den zwischen je zwei Abtheilen befind lichen Toilettenraum benutzt hat, dessen Einrichtung aus ele gantestem Nickelgeschirr besteht und wo man kaltes und warmes Wasser in reicher Menge zur Verfügung findet, setzt man sich in den von 8 Uhr früh bis 11 Uhr AbentdS geöffneten Speisewagen, in dem man Frühstück mit frischem Gebäck für 1,50 erhält. Hinter München kommt der Conducteur, um, falls der Reisende bei der Revision seines großen Gepäcks in Kufstein, welche im Zuge selbst erfolgt, nicht zugegen sein will, sich die Kofferschlüssel zu erbitten. Man kann dies ohne Besorgniß thun, da di« Ge sellschaft in vollem Umfange für khre Beamten haftet und be kommt dann, wenn man etwa» Zollpflichtige» bei sich führte, ein halbe» Stündchen hinter Kufstein die Schlüssel sammt der Zoll quittung zurück, deren Betrag der Packmeister der Gesellschaft breit» im Vorau» für den Reisenden entrichtet hat. Reist man übrigens ohne Aufenthalt durch Tirol nach Italien durch, so erfolgt österreichischerseitS überhaupt keine Revision, sondern nur ein« Plombirung des Gepäcke», welch« vor Ala, wo di« italienischen Grenzbeamten bereit» in dem Zuge sind, wieder beseitigt wird. Haben wir «» uns nach der Sitte der allzeit durstigen Münchener etwa einfallen lassen, schon früh zwischen 9 und 10 Uhr ein Gla» Bier zu trinken, so wird der di»nstb«fliss«nt Kellnir es nicht versäumen, uns vor Kufstein darauf aufmerksam zu machen, daß jenseits der österreichischen Grenz« nur Getränke dortiger Provenienz verschenkt werden; denn bevor wir nach Oesterreich hineinfahren, wird der die deutschen Getränke ent haltene Schrank unter amtlichen Verschluß genommen und es beginnt das Regime des Vöslauer Rothen, der SeibenfrofUschen „Donauperle", des Pilsener und des Dreher'schen Bieres, ein Vorgang, der sich mntatis mutanckis an der italienischen Grenze wiederholt. Vom Betreten des fremden Landes an wird Alles Verzehrt« in Valuta desselben berechnet, doch können wir natürlich auch in Oesterreich oder Italien mit deutschem Gekde bezahlen, in welches von dem Bedienungspersonal mit «irrer Fixigkeit um gerechnet wird, um welche dieses von manchem Bankangestellten beneidet werden könnte. Wir bezahlen also, derweil wir das schöne Land Tirol durch fahren, unser warmes Frühstück mit 3 Kronen oder, falls wir erst, den Brenner passirend, diniren, das Mittagbrod mit 5 Kronen und entrichten unsere Schuldigkeit für das auf italie nischem Grund und Boden nach der Karte eingenommrne Abend brot» in Lire und Centesimi. Dann folgt ein« zweite Nacht, gleich der ersten, und, während die Morgenglockn von den Thürmen der Siedenhügesstadt läuten, fahren wir, ohne sonderlich ermüdet zu sein, um 6 Uhr 40 M nuten in die Stazion« centrale von Rom ein. Die Internationale Schlafwagengesellschaft hat es sich mit dem bisher Erreichten noch keineswegs genügen lassen; denn ihre Wagen rollen auch auf dem egyptischen Netze von Alexandria und Kairo bis Luxor, und der Traum ihres Gründers geht dahin, auch noch den Luxuszug von Alexandria nach Capstadt einzu richten, so bald die transafrikanisch« Bahn vollendet s«in wirs. Wahrscheinlich aber wird man andere ferm Ziele viel eher er reichen, bevor man — mit nur dreitägig«! Unterbrechung durch die Seefahrt im Mittelländischen Meere — mit dem Luxuszug nach Deutsch-Ostafrika und noch w«ider südlich gelangen wird; denn bereits seit drei Jahren hat die Gesellschaft einen Vertrag mit Rußland abgeschlossen, nach welchem man, so bald di« sibi rische und mandschurische Eisenbahn vollendet sein wiüd, in 14 Tagen von Lissabon, bezw. London über Berlin und Moskau durch das europäische Rußland und ganz Asten in ei». Fahrt von fast 14 000 Kilometern Länge nach^ Port - Arthur, Peking und Shanghai wird fahren können. Schon jetzt geht einmal wöchentlich der Luxuszug in neuntägiger Fahrt jeden Sonnabend von Moskau nach JrkutSk und folgt in Etappe» dem fortschreitend den Bahnbau. Das gesammk Heer der Angestellten der Gesellschaft um faßt heute bereits 6500 Personen, von denen 2700 dem Fahr personale angehören. Befördert wurden im Jahre 1900 nicht weniger al» 630 000 Reisend«, wclche rund - Million» Mittag». Mahlzeiten einnahmen. Datz N«tz ab«r, auf welchem enchv«der ganze Züge oder Speise« oder Schlafwagen der Gesellschaft liefen, betrug in demselben Jahr« 123 000 Kilometer, also fast 2Vzmal so viel, al» die gesammten Bahn«» de» deutschen Reiche» betragen.
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