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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.10.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001018010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900101801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900101801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Morgen-Ansgave v. »I-S»L s. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Donnerstag den 18. October 1900. ' 94. Jahrgang ripWtr TagMa Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännatimetchlub für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr- Die Expedition unseres Blattes ist heute Donnerstag wegen der Leier der Grundsteinlegung zum Völkerschlacht-Denkmal von ,2^0 Aho Vorm. bis 2 Ahr Aaehin. geschlossen. w.vp.Nl W.0P.3V 6 6. Anzeiger. Amtsblatt des Hömgkicherr Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Volizei-Amtes der Ltadt Leipzig. 6 6. 6. 8. 8. 8. > 6. 6 8. 6. 8 8. 8. 5. 6. 6. d-6. t»8. 8. tl.135,-8 «. 6. d-8, 6. 5. 8. 6. b»S. Älnzeiflen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrich (»gespalten) 7K L,, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) KO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme LS H (excl. Porto). VezngS-Preis kn der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Au-- aaoestellen abgeholt: vierteljährlich 4 SO, bei zweimaliger täglicher Zustellung tn- Haus K.KO. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: viertrljährl. ^ll S. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Eg pten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese« Blatte- möglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Lb«nd-Au-gaoe Wochentag- um S Uhr. Ledaciion und Expedition: JohanniSgasse 8. Filialen: Alfred Sahn vorm. O. Klemm'» Sortim. Unloersitätsstraße S (Paulinum), Louis Lösche, Latharinenstr. 14, part. und König-Platz 7. r.' lioiivu. 8. 6. «. ü. L 6. U. 8 6. 8. 8 6. 8 6. 8. e»r.87 — 8 8. 6. 8 r. 8 8. 8. 8. 8. L 8 S. L 3 Jur GruMeinweihe , Les Völkerschlacht-Denkmals. K Heute wird der Grundstein geweiht zu einem deutschen Denkmal der Völkerschlacht bei Leipzig. Kein neuer Stein. Ihn baden vor langen Jahren deutsche Städte in die Erde senken lassen, auf daß er ein gewaltige-, eindringliche- Denkzeichen der Befreiung Deutschland- von der Fremdherr- schäft trage. DaS war am 19. Oktober l863, dem fünfzigsten ErinnerungSlage deS weltgeschichtlichen R'nzenS. Damals barg der Gedanke an die Leipziger Schlackt den ganzen Schatz fruchtbaren nationalen Gedenken- in sich und damals war dieser Gedanke der einzige Anker deutscher Hoffnung. Und weil er der Hoffnung diente, blieb der Plan der deutschen Städte unverwirklicht. Denn an die Stelle des Wünschen- und SebnenS trat da- Tbun, trat noch ein mal ein die bitteren Erinnerungen an die Zeit vor 1813 aufrüttelnder, aber reinigender Kampf und trat, sieben Jahre später, die Erfüllung. Wa- bei Leipzig gesäet, war bei Sedan aufgegangen: ein einige-, ein unabhängige- Deutschland hatte von dem nationalen G>ückSgesübl unsere- Volke- ungetbeilten Besitz genommen. So war eS gut und so war e- auch zu seiner Zeit gerecht. Denn der unvergleichlich thatenvollen Gegen wart gebührte der Anspruch auf die unbegrenzte Bewunderung und Dankbarkeit der Lebenden, und eS wäre wider die Natur gewesen, wenn die Deutschen von und nach 1870 da- vor ibren Augen für'- Vaterland vergossene Blut nicht ältere Opfer auf eine Weile batte vergess n machen. Die- nicht allein: die Schlacht bei Leipzig schlug da- deutsche Volk nicht ohne fremde Hilfe, e» hatte fremdeBundeSgenofsen,die sich nach dem entgilkigen Siege über den Corsen al- Herren aufspielten, und während Sedan Kaiser und Reich gebar, zogen Leipzig und Waterloo die Wiener Congreßactr mit dem deutschen Bundestage nach sich. Aber auf Leipzig- Kampfgefilden wurde da- Rei» gepflanzt, da-, zum Baume erwachsen, bei Sedan, wenn auch hier noch blutgerötdeten Händen, die goldene Frucht bot. Leipzig machte da- geknechtete Deutschland frei; nach diesen Tagen bat kein feindlicher Fuß wieder den Mutterboden betreten, und die Befreiungskriege, deren Krone nicht Waterloo, sondern die Schlacht bei Leipzig bildet, haben den deutschen VaterlandS- gedanken, daS Gefühl der Zusammengehörigkeit der deutschen Ländrrstämme, das Bewußtsein deutscher Ehre wieder er stehen lasten. Die KriegStbaten Friedrich'S II., denen, weil sie ein stärkeres Preußen schufen, ein un bestrittene» Verdienst an der Wiederaufrichtung eines deutschen Reiche- zukommt, hatten außerhalb deS engen Herrschergebietes de- großen Hohenzollern im Volke kaum mehr al- den kriegerischen Stolz des Deutschen neu belebt. Durck die Befreiungskriege erst und ihren geistigen Choru-, die Fichte, Körner, Schenkendorf, ist der Gemeinschaftsgedank: gezeugt worden und daS Leipziger Gefilde wurde seine Wiege. Nach dreißigjährigem Genüsse deS scheinbar im Fluge er rungenen Gutes sind wir Deutschen, müssen wir Deutschen reif sein, die Zusammenhänge zwischen den beginnende« und den abschließenden Dingen zu erkennen und, wie es Wilbelm I., der Zeitgenosse, und wie eS Bismarck, der durchdringende Kenner seine- BildnerstoffcS, de- deutschen Volke-, gethan» den Freiheitskämpfern von 1813 die Ehre zu geben al» den nie im Streite, ost im Dulden übertroffenen Gräbern de-Schacht», in den späterhin die Grundsteine de- deutschen Hause» ein gelassen werden konnten; vor allen den Streitern und Tobten von Leipzig. Sie gebörea in unseren Herzen »eben die Sieger de- ErfüllungSjahreS, und wenn von diese« noch Zebn- tausende geehrt unter un- wandeln, deS letzten Veteranen von 1813 Auge aber gebrochen ist, um so größer ist die Dankesschuld gegen da» Gebächtniß der Hinweggenommenen, um so ehrenvoller da- Besinne» auf die alte deutsche Tugend de» deutschen Volke-, ,daS im tausendstimmigen Bunde seine alten Helden preist". Auf dem Schlacktfelde zu Leipzig soll solcher Preis uod Dank i« Stein erklingen, ein Denkmal für den blutig erkauften Beginn einer neuen, bessere« Geschichtsepoche. Wenn die Deutschen im Glücke sich nicht selbst vergessen, so wird der Grundstein, den wir heute weihen, seinen voll endeten Schmuck tragen, noch ehe der hundertjährige Er- iuaerung-tag der Völkerschlacht wrederkehrt. Die Schule und ihr Einfluß in Syrien. Au- Beirut, 25. September, wird der „Welt-Corresp." geschrieben: Es ist eine bekannte Thatsache, daß Frankreich seit langen Jahren daran arbeitet, seinen Einfluß in Syrien zu befestigen und zu erweitern; das Fundament dieser Be strebungen liegt in den Schulen und wissenschaftlichen An stalten, welche, mit französischem Gelbe unterhalten bezw. unter stützt, die ganze Provinz überziehen und die Bevölkerung mit französischer Sprache und Denkweise bekannt machen. Daß der Erfolg nicht ausgeblieben ist, geht am besten aus dem Umstande hervor, daß heute in Syrien nach der Landes sprache — dem Arabischen — das Französische am meisten gesprochen wird, und es giebt in den Städten wenig junge Leute mehr, die der französischen Sprache nicht mächtig wären. Für diese Leute bedeutet Frankreich selbstredend Europa, und alle Weltereignisse werden vom französischen Gesichtswinkel aus bemessen und beurtheilt. Kommt nun Frankreich auch auf seine Kosten? Wir können uns die Beantwortung ersparen, da Frankreich selbst diese Frage nicht aufwirft und sich bei Bewilligung der bedeutenden Sub- sidien zu Schulzwecken lediglich von Gründen der hohen Politik leiten läßt. Daß man aber andererseits auch nicht rundweg von Loucks psrckus sprechen kann, hat man am besten in diesen Monaten gesehen, wo Tausende von Syriern die Welt-AuSstellung in Paris besucht haben. Bei Vielen handelte es sich ja allerdings um eine einfache Vergnügungsreise, aber Viele verbanden damit auch geschäftliche Zwecke, und es unterliegt keinem Zweifel, daß ein guter Posten syrischen Geldes in Frankreich Zurückbleiben wird, nicht nur für Vergnügungs-Zwecke, sondern auch für Ein käufe aller Art Maaren, deren Bezug aus Frankreich sich viel leicht auf Jahre hinaus sicherstellen wird. Und wie viele von diesen syrischen AusstellungS-Besuchern haben einen Abstecher nach Deutschland gemacht? Die Antwort ist leicht gegeben: „von Hunderten kaum Einer", und die Be gründung noch leichter: „weil sie der deutschen Sprache nicht mächtig sind". Warum? Weil es in Syrien — ich rechne Jerusalem und Haiffa zu Palästina —- keine einzige deutsche Schule giebt. Allerdings haben die hiesigen KaiserSwerther Diakonissen ihrer Niederlassung ein Pensionat beigcfügt, in welchem die deutsche Sprache erlernt werden kann, aber eS handelt sich nur um eine Mädchenschule — Knaben werden nur bis zum Alter von 10 Jahren behalten —, deren Bedeutung für daS öffentliche Leben ganz unerheblich ist. Wollen wir der deutschen Sprache in Syrien zu einer weiteren Verbreitung verhelfen, so thut eine Knabenschule noth, oder vielmehr eine Art „Bürgerschule", in welcher sich die jungen Leute nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch eine allgemeine Bildung und specielle Vorkenntnisse zum Eintritt in den Kaufmann« st and aneignen könnten. ES liegt mir fern, befürworten zu wollen, daß Deutschland den Bahnen Frankreichs folgen und in Syrien Millionen für Schulzwecke verausgaben möge; nicht einmal Rußland und Italien möchte ich als Vorbilder anführen, welch' beide Staaten ebenfalls seit einigen Jahren große Aufwendungen zur Ver breitung ihrer Sprachen in Syrien machen — Italien allein läßt sich die hiesigen italienischen Schulen ca. 80 000 Franken pro Jahr kosten —, sondern ich will lediglich in Anregung bringen, daß Deutschland, in Verfolgung einer praktischen Politik, in Syrien eine Gelegenheit zur Erlernung der deutschen Sprache und Aufnahme deutscher Bildung schaffen und damit ein wirksames Förderungsmittel für die angestrebte engere Ver bindung beider Nationen einrichten möge. Für diesen Zweck scheint die Errichtung einer Bürgerschule mit einer guten Vorbereitung für daS praktische Leben völlig ausreichend, mit dem Sitze in Beirut, und da eS der hiesigen Bevölkerung, schon im commerziellen Interesse, an der Neigung zum Besuche einer derartigen Anstalt nicht fehlen würde, so wäre begründete Hoffnung vorhanden, daß diese Schule, nach Verlauf von einigen Jahren, eine genüaende Fre quenz aufweisen würde, um aus sich selbst bestehen zu können. Die Wirren in China. -p. Jetzt stellt sich, wa- wir immer angenommen haben, berau-, daß die chinesische Regierung mitsammt dem spielt. Wie .Reuter'» Bureau" au» Peking, 15. October, meldet, wird dort da» Edict, welche- die Bestrafung der an den Unruhen betbeiligten hohen Staatsbeamten anordnet, für eine Fälschung gehalten. Die Bicekönige Ticking und Li-Hung-Tschang stellen jede Kenntmß von dessen Existenz in Abrede. L» besteht einiger Grund zur Annahme, daß da- Edict ersonnen ist in der Hoffnung, den Vormarsch der Verbündeten auf Paotingfu zu verhindern. Kein Schritt von irgendwelcher Bedeutung wird in Peking bi» zur Ankunft de» GeneralfeldwarschallS Grafen von Waldersee, die für Mittwoch erwartet wird, unter nommen. Graf Waldersee wird in dem kaiserlicken Palast Ouartirr nehmen. Kleine marodirendr Boxerbanden verursachen in der Nabe de« Sommerpalaste- Beun ruhigung. Gegen sie wird eiue kleine Sbtheiluog entsaadt werden. . - . Wie au» Tieutsiu gemeldet wirb, räumten dre Ameri ¬ kaner das Arsenal und Übergaben eS der provisoischen Stadt verwaltung. * Berlin, 17. October. (Telegramm.) DaS Kriegs- Ministerium theilt über dir Fahrt der TruppentranSportickifse mit: „Hannover" ist am 17. October in Shanghai, „Ereseld" am 16. October in Shanghai und „Palatin" am 14. Lctober in Tsingtau eingetroffen. Die Lchrccken-zeit in Peking. Tie chinesische Regierung und die Vcsan-tschaftcn. Während der Nacht hielten die Amerikaner, weil sie einen Angriff von der Straße im Rücken ihrer Gesandtschaft sürckteten, diese Straße bi- Tagesanbruch frei. Während sie eine ihrer Salven abfeuerten, waren vier Minister des Tsung li Aamens bei dem amerikanischen Gesandten. Sie versicherten ibm mit den sanftesten Worten, daß Alle- ruhig sei, daß er sich keine weitere Sorge zu machen brauche und daß die zäitlicke Fürsorge de- Tbrones für die Männer aus der Fremde groß sei. So weit waren sie gekommen, als die Gewebrsalve krachte. Sie machte sie sprachlos vor Furcht und plötzlich waren sie verschwunden. Die Versicherungen, daß der Thron uns so überaus woblwolle, täuschten uns nicht. Allent halben wurden unsere Barrikaden noch mehr befestigt und andere VcrtbeidigungSwerke wurden systematisck geplant, denn bald erreickte uns da- Gerückt, daß die Entsatz truppe nach Tientsin zurückgedrängt wordeu sei, und auck das trug nicht dazu bei, die Sicherheit unserer Lage zu vermehren. Innerhalb der Mauer der kaiserlicken Stadt, etwa 100 m von der britischen Feldwache auf der Nordbrücke entfernt, wurde ein großes chinesisches Lager errichtet. In Peking herrschte der Schrecken, alle Straßen in der Um gebung des Frembenviertels waren leer und die Bewohner flohen aus der Stadt. Die Banken wurden bestürmt, die Ssuiaheng, die vier großen, leitenden Banken Pekings, schlossen ihre Tbore und Papiergeld war nicht im Umlauf. Der Palast des Prinzen Su wurde mit Flüchtlingen gefüllt und seine Vertbcidignng, die für die britische Gesandtschaft geradezu eine Lebensfrage war, wurde dem Obersten Schiba mit japanischen Seesoldaten und Freiwilligen anvertraut. Die Krisis kam näher. Am Morgen deS 19. Juni war Herr Corde-, der Dolmetscher der deutschen Gesandtschaft, im Damen und dort erzählte ihm der Sekretär, die ver bündeten Flotten hätten die FortS von Taku am 17. Juni genommen. Um 4'/, Ubr Nachmittags wurde den Ge sandten ein Ultimatum überreicht; es kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel; sie sollten Peking binnen 24 Stunden verlassen. Der Text lautete: „Es ist eine Depesche des Vicekönigs Julu eingetroffen, der eine Note des Doyens des ConsularcorpS in Tientsin, deS französischen Grafen du Cbaylard, übermittelt deS Inhalts, daß die Forts von Taku beschossen werden würden, falls den fremden Truppen nickt sofort gestattet würde, in Tientsin zu landen. Da Va ri nerKrieg-er klär ung gleicht om in t, so theilt das Tsung li Jamen hierturck den fremden Gesandten mit, daß sie Peking binnen 24 Stunden zu verlassen haben. Geschieht daS nick», so kann ihnen weiterer Sckutz nicht gewährt werden. Sie sollen freies Geleit und Transportmittel erhalten." Es entsprach so reckt dem chinesischen Brauch, daß in dieser Note gesagt wurde, die Besetzung der Fort» von Taku sei angedroht worden, während man wußte, daß sie schon erfolgt war. WaS dem Chinesen unangenehm ist, sagt er eben überhaupt nickt. Eine sofort berufene Versammlung deS diplomatischen Corps beschloß, Vas Ultimatum anzu- nebmen. Die chinesiscke Regierung batte den Gesandten die Pässe zugestellt: was war also ander- zu tbun? Sie setzten folgenden Brief auf und sandten ihn in daS Damen: Peking, 19. Juni 1900. Hoheiten und Excellenzrnl Die fremden Gesandten haben mit großem Erstaunen die Note erhalten, die das Tsung li Kamen ihnen unter dem heutigen Datum zugestellt bat. Sie wissen durchaus nicht- von dem, wa- die Note über die Begebnisse bei den FortS von Taku erwähnt. Die fremden Gesandten können nicht- thun, al« die Erklärung und die Forderung de- Tsung li Damen annehmen, und sie sind bereit, Peking zu verlassen. ES ist indessen unmöglich, die Abreise binnen 24 Stunden vorzubereiten. Die chinesische Regierung muß in Betracht ziehen, daß eine große Anzahl grauen und Linder bei un- sind und daß »in lehr großer Wagenzug zusanimengestrllt werden muß.Da«Tsung liPamen lagt un-, e- werde un- Sicherheit für den Weg verbürgen. Die Gesandten möchten indessen gern wissen, worin diese Sicherheiten bestehen, da dieGegend voller Rebellen ist. Wir zweifeln nicht, daß die chinesische Regierung un- gegenüber vom besten Willen beseelt ist,da aber fremde Truppen aus dem Wege nach Peking sind, um bei Wiederher stellung der Ordnung freundschaftlich mit den Truppen der Regierung zusammenzuarbeiten, so wünschen dir Gesandten, daß jene Truppenabtbeiluageo eiligst benachrichtigt werden, daß sie sich mit un« vereinigen sollen, damit wir zusammen obziehen. Die Gesandten müssen ferner um Transportmittel, Karren, Boote und Borräide bitten und wünschen, daß einige Minister de- Llung li Kamen sie begleiten. Um olle diese Fragen zu regeln, bitten dir Gesandten, daß die Prinzen Ticking und Tuan sie morgen, Mittwoch, 9 Uhr Morgen- empfangen möchten. Da diplomatische Lorp- erwartet umgehend Antwort. Die Kunde, daß Vorkehrungen getroffen werde« sollten, um Peking am nächste» Tage zu verlassen, sprach sich schnell herum. Der amerikani che Gesandte Herr Conger bat um 100 Karren, und seine Gcsandtsckafl verbrachte fast die ganz« Nackt mit Vorbereitungen. Auf der britischen Gesandtschaft batte man noch nicht mit Packen begonnen; denn hier hielt man es für unfaßbar, daß China darauf be stehen solle, den Gesandten ihre Pässe zuzustellen. Noch vor zwei Tagen, am 17. Juni, war tn der Pekinger Zeitung amtlich verkündet worden, daß der Weg nach Tientsin unsicher sei. „Wenn die Gesandten und ihre Familien", so hieß cs da, „eine Zeit lang nach Tientsin zu geben wünschen, so müssen sie auf dem Wege dabin geschützt werden. Indessen, die Eisenbahn kann augenblicklich nicht benutzt werden; wollten sie aber den Fahrweg wäblen, so ist c- schwierig und zu befürchten, daß ihnen voller Sckutz nicht gewäbrleistet werden kann. Tie Gesandten und ihre Familien werden deshalb besser daran tbun, ruhig wie bisher hier zu bleiben und zu warten, bis die Eisenbahn wieterber- gestellt ist." Als der Entschluß des diplomatischen Corps in Peking bekannt geworden, wurde überall tiefste Entrüstung laut über eine so unwürdige Entscheidung und unbegrenztes Staunen darüber, daß ein solcher Schritt von dem fran zösischen Gesandten, Herrn Pickon, dem krotooteur ckes )I>8- sious catstoliczuos eu Odios, und von einem so menschlich denkenden Manne wie Herr Conger, der amerikanische Ge sandte, ist, gebilligt worden sein sollte. Denn Peking ver lassen, bedeutete, Daß man die Tausende chinesischer Christen, die ihr Vertrauen und ibren Glauben auf die Fremden gesetzt hatten, sofort ans Messer lieferte. Tic Ermordung des Freiherr» v. Ketteler.*) Früh am Morgen deS 20. Juni hielt das diploma tische CorpS eine Zusammenkunft in der französischen Gesandtschaft. Auf das Gesuch um eine Audienz batte das Tsung li Damen nicht geantwortet, und der Vorschlag, daß alle Gesandten sich gemeinsam zum Jamen begeben möchten, fand keine Unterstützung. Wäre er ansgeführt worden, so hätte sich eine furchtbare Mordthal ohne gleichen zu getragen. Später sah man zwei Trag st üble den Weg zum Damen einschlagen. Im ersten saß der deutsche Gesandte Freiherr v. Ketteler, der vor seinen College» den Vortheil hatte, daß er flüssig chinesisch sprach; im zweiten saß der Dolmetscher der deutschen Gesandtschaft, Herr Cordes. Nettigkeiten haben auch in Peking lange Beine. Ein paar Minuten mochten vergangen sein, da stürzte mein Boy (Diener) in mein Zimmer und platzte heraus: ^o^ mau 8peaks6 bavs makoe kill 6ermao Limiten! (d. h. auS dem Pidschin-Englisch inS Deutsche übertragen: Alle behaupten, man habe den deutschen Gesandten ermordet.) Es war wahr. Ter deutsche Gesandte war von einem kaiserlichen Officier ermordet worden. Der Dolmetscher war schwer verwundet, er war aber, als er floh, um sein Leben zu retten, obschon auS hundert Gewehren auf ihn geschossen wurde, fast wie durch ein Wunder entkommen. Eine Patrouille von 15 Mann unter dem Befehlshaber der Sckutzwache Grafen von Soden ging vor, um die Leiche zu bergen, da aber chinesische Sol daten von allen Seiten auf die Leute schossen, mußten sie sich zurückziehen. Herr Cordes schilderte mir, als er noch krank im Spital lag, den Hergang folgendermaßen: Am Nachmittag des 19. Juni sandte Frhr. v. Ketteler mich zum Dung li Damen, um, wie schon Tags zuvor, zu fordern, daß die Kansutruppen Tungsuhsiangs, die wenige Schritte von unfern Posten in den Elektriciiätswerken standen, zurück gezogen würben. Der Sekretär, der mich empfing und den ich seit langen Jahren kenne, war außerordentlich aufgeregt. Es ist eine große A-nderung in der Lage eingetreten, sagte er. Die fremden Admiräle hätten die Forts von Taku genommen, und es wäre schwer, die chinesischen Truppen in der Hand zu behalten. Eine weitere Erörterung schien überflüssig. Ich hinter ließ meine Botschaft mit dem Auftrage, sie dem Oberbefehls haber Dunglu zu übermitteln, und kam zurück. Um b Uhr wurde den Gesandten das Ultimatum des Tsung li Namen übermittelt, das ihnen 24 Stunden Frist gab, bis sie Peking ver lassen sollten. In dem Glauben, daß die Note in einem Augenblick der Verrücktheit abgesagt worden, und in der Hoffnung, daß China noch zur Verminst zu bringen sei, sandte Herr von Ketteler Abends eine Mutbeilung an da? Damen und erklärte, daß er die Prinzen und Minister des Namens am anderen Morgen um 9 Uhr zu sprechen wüniche. Die unterzeichnete Empfangsbescheinigung dieser Mittheilung be findet sich in der deutschen Gesandtschaft. Da am andern Morgen (20. Juni) vom Damen keine Labinlautende Botschaft eingetroffen war, daß die Prinzen und Minister meinen Gesandten nicht empfangen könnten, so machten sich Herr v. Ketteler und ich nach der Beraihung mit den übrigen Äe- sandten in zwei Sänften aus den Weg. Eine bewaffnete Bedeckung, beitehend auS einem Unterossicier und vier Mann, stand zu unserer Begleitung bereit. Herr v. Ketteler entschied aber, daß die Leute besser zurückblieben, theils weil es Aufregung verursachen möchte, wenn die bewaffneten fremden Soldaten sich in den Straßen zeigten, bewnders aber, weil das Tsung li Damen ja wußte, daß der Gesandte kam und folglich ihm auch den einem fremden Ver treter schuldigen Schutz ongedeiden lassen würde. Wir hatten Beide keine Waffen; unsere Sänften begleiteten zwei reitende chinesisch» Boten der Gesandtschaft. Wir gingen von ter französischen Legation, wo die B-rathung stattgefunden hatte, aus, kamen an der österreichischen Gesandsckast vorüber und bogen, nachdem wir die Tschanyanstraße hinter uns hotten, in die Hatamenstraße ein. Unsere Studlträger gingen auf dem erhöhten Wege in der Mitte der Straße, wie üblich ritt ein Mas» lPserdeknecht) voraus, der andere hinter tuns. Wir hatten den Eurenbogen bei der belgischen Gesandtschaft durchschritten und waren ganz nahe bei der Polizeistation zur Linken. Ich beobachtete eine Karre mit einigen Lanzenträgern, die eben vor der Sänfte des Ge andten vorüberkam, al- sich mir ein Anblick bot, der mir da- Herz zum Stocken brachte. Ter Tragstuhl deS Gesandten war drei Schritte vor mir. Da sah *) Hierüber haben wir schon in einem kurzen AuSzug berichtet, geben ober doch noch die solaende ausführliche Schilderung wegen ihrer großen Anschaulichkeit wieder.
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