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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.10.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001018025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900101802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900101802
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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8238 Getreidehandels hinauslief, an der Schwelle abgewielr» wurde. Sind schon diese wenigen Tdatsacheo und Erfolge beträchtlich ge nug, um den Fürsten mit Befriedigung aus seine jetzt sechsjährige Thätigkeit zurückblickrn zu lassen, so ist diejenige dämvsrnde und zurückhaltende Thätigkeit, die der Fürst in der Stille seinr- ArbeitszimmerS ousgrübt hat und die wohl erst späteren Genera tionen in ihrem ganzen Umfange bekannt werden wird, zum Nutzen von Kaiser und Reich noch weit höher rinzuschätzea." Wohl dem deutschen Reiche und wohl dem neuen Reichs kanzler selbst, wenn von ihm dereinst dasselbe wird gesagt werden können. Oie Wirren in China. TaS französische Memorandum. Der französische Geschäftsträger in Washington über reichte dem Staatssekretär Hay ein Memorandum der französischen Regierung, in dem verlangt wird, daß die Friedensverhandlungen mit China gemäß der günstigen Aufnahme, die die französische Note tn dieser An gelegenheit bei den Mächten gesunden habe, sofort be ginnen. Der Gesandte Wu-ting-fang besuchte gestern daS Weiße Haus und überreichte dem Präsidenten Mac Kinley eine Botschaft des Kaisers von China, in der dieser dem Präsidenten für die Rücksichtnahme dankt, die die Vereinigten Staaten während der chinesischen Wirren ge zeigt hätten. Vorschlag einer Chinaconfcrcnz. Aus London, 17. October, wird uns geschrieben: Die englische Regierung läßt bei verschiedenen Cabinetten auf ver traulichem Wege die Einberufung einer Chinaconferenz in An regung bringen. Als Ort empfiehlt England Parts, man glaubt Frankreich hierdurch geneigt zu machen und den voraus sichtlichen Widerspruch Rußlands zu schwächen. Die Haupt aufgabe der Conferenz soll augenscheinlich die sein, Rußland zur Räumung der Mandschurei zu zwingen und die offenkundige militärische Vorrangstellung Deutschlands in Peking einzu schränken. Die SchreckenSzeit in Peking. (Fortsetzung.) Tie Stärke der Besatzung. Um den 20. Juni, beim Beginn der Belagerung, betrug die Gesammtstärke der vereinigten Gesandtschaftswachen 18 Offi- ciere und 389 Mann mit folgender Vertheilung: Amerikaner: 3 Officicre (Capitän Myers als Commanbairt, Capitän Hall, Chirurg Lippett) und 53 Matrosen von der „Newark"; — Oesterrcicher: 5 Officiere (Capitän Thomann, Commandant der „Zenta", Flaggleutnant von Wintcrhalder, Leutnant Kollar, 2 Fähnriche) und 30 Mann von der „Zenta"; — Briten: 3 Officier« (Capitän 'B. M. Strouts als Commandeur, Capitän Halliday, Capitän Wray) und 79 Seesoldaten von I. M. S. „Orlando" und 49 Seesoldatrn aus Wei-hai-wei; — Franzosen: 2 Officiere (Capitän Darry und Fähnrich Herber) und 45 Mann vom „d'Entrecafteaux" und „Descartes"; — Deutsche: Leutnant Graf von Soden und 51 Seesoldaten vom 3. Seebataillon aus Kiautschau; — Italiener: Leutnant Paolini und 28 Matrosen von der „Elba"; — Japaner: Leutnant Hara und 24 Mann vom „Atago"; — Ruffen: 2 Officiere (Leutnant Baron von Rahden und Leutnant von Dehn) und 79 Mann, nämlich 72 Matrosen vom „Sissoj Weliki" und „Navarin" und 7 Gesandt- schaftskosacken; zusammen 18 Officiere und 389 Mann. Hierzu sandten die Franzosen Leutnant Henry und 30 Mann zur Be wachung der Poitangkathedrale, und die Italiener comman- dirten einen Officier, Leutnant Cavalieri, und 11 Mann zu dem selben Zweck. Die Bewohner des Fremdenviertels mußten sich für ihre Bertheidigung auf diese unbedeutende Truppe von 18 Officieren und 389 Mann von acht Nationalitäten verlassen. Zum Glück Ovaren verschiedene Gäste und Ansiedler militärisch geschult; sie wurden zur Dienstleistung herangezogen und be währten sich sehr. Hauptmann Perry Smith, zuletzt im Süd- staffovdshire--Regrment, befand sich in Peking zu Besuch, als seine Mitwirkung angerufen 'wurde. Hauptmann F. G. Poole vom Ostyorkshire-Regiment, der in Mittelafrika gefochten hatte, weilte hier zum Studium der chinesischen Sprache, ebenso Leut nant Wrublewski vom 9. ostsibirischen Schützen-Regiment. Herr Nigel Oliphant, der bei den Scots Greys gedient hatte, war bei der kaiserlichen chinesischen Bank angestellt. Hauptmann Labrousse, von der französischen Mavine-Jnfanterie, hatte erst kürzlich nach Ablauf seines Kommandos Tonking verlassen, und befand sich in Peking, in der Absicht, über Sibirien heimzureisen. Herr von Strauch, ein früherer deutscher Garde-Officier, lebte hier als Beamter der Seezollverwaltung; cr hatte den Vortheil, chinesisch zu sprechen, da er früher militärischer Jnstructeur bei Tschantschitungs Armee war. Auch fast sämmtliche japanische Officier« sprach«« chinesisch. Der japanische Militär-AttachS, Oberstleutnant G. Schiba, übernahm sofort das Commando. Er war erst kürzlich nach Peking zurückgekehrt. Er kannte China recht gut, da er hier stüdirt und in dem japanisch-chinesischen Kriege mitgefochten hatte. Oberleutnant Schiba war einige Jahre Militär-AttachS in London gewesen und hatte den kuba nischen Feldzug an der Seite des Generals Shafter verfolgt. Vor seiner Rückkehr nach Peking hatte er di« Befestigungen der Nordwestgrenze Indiens studirt. Er ist Artillerist. Der ihm beigegebene Hauptmann Marita war seit sechs Jahren in Peking. Hauptmann Ando, der aus japanischen Freiwilligen eine sehr leistungsfähige Truppe bildete und commandirte, war erst zwei Tage in Peking, als der Abbruch -der Verbindungen ihn zwang, hier zu bleiben. Freiwillige und Irreguläre. Ein« Freiwilligen-Truppe von inSgesammt 75 Mann, da runter 31 Japaner, wurde gewonnen und mit allen vorhandenen Gewehren bewaffnet. Sie trug sehr viel zur Verstärkung der Garnison bei, indem sie die Wachen ebenso regelmäßig bezog, wie di« Regulären, hinter den Barrikaden focht und vor keiner der ihr auferlegten Aufgaben zurückscheute. Daneben gab es eine irreguläre Streitmacht von 50 Herren verschiedener Nationen, die Garnisonwachtdienst in der britischen Gesandtschaft ver richteten und sich als sehr nützlich erwiesen. Mann benannte sie nach dem Herrn, der sie anführte, „Thornhill's Roughs", und sie benahmen sich wie die rechtmäßigen Nachfolger von Roosevelt's Rauhreitern, wenn auch zu Fuß. Mit allen möglichen Waffen versehen, vonder Elephantenbüchse bis zu dem mit einrrAbbildung des Grand Prix versehenen französsichen Jagdgewehr, auf die sie dann allerhand Taschenmesser als Bajonette aufgebunden hatten, waren sie auch als die Carving Knife Brigade bekannt. Sie waren für Freund und Feind gleich fürchterlich. Da sie nämlich allesammt mit der Kriegskunst nicht im Mindesten ver traut waren, — di« Sachverständigen unter ihnen hatten einmal der Fahwenparade (trvoping of tds coloar) im St. James Park zugesehen —, so hatten sie «in« Weise an sich, daS Gewehr wagerecht über der Schulter zu tragen, daß, wenn sie rasch Kehrt machten, die Klinge dem Hintermann in den Hals gerathcn mußte. Eine andere Schwierigkeit ergab sich auS der Verschiedenheit der Zungen. Mit diesen Streitkräften mußten wir rechnen. Sie waren mit vier Geschützen versehen, einem italienischen Einpfünder mit 120 Patronen, einem amerikanischen Colt'schen Maschinen gewehr mit 25 000 Schuß, einem österreichischen Maschinen- gewehr und einem britischen fünfläufigen Nordenfeldt Ll 87. Die Japaner hatten nur 100 Patronen auf den Mann, die Russen 145, die Italiener 120, während die bestversorgten Mannschaften der anderen Truppen über nur 300 verfügten; daS war nicht eine zuviel für eine Belagerung, deren Dauer sich nicht absehen ließ. Punct 10 Uhr begannen die chinesischen Soldaten auf unS zu feuern, nachdem sie uns er sucht hatten, friedlich in Peking zu bleiben. Gleich darauf wurde die österreichische Gesandt sch aft verlassen, Ueber die Ursache, warum sie aufgegeben wurde. verlautet nichts; nur wurde sie so eilig verlassen, daß auch nicht ein Gegenstand gerettet worden ist. Die Gesandtschaft blieb dem guten Willen der Chinesen preisgegeben, und die Wache zog sich nach der Ecke der Zollstraße zurück, die westlich nach dem Palast des Prinzen führt. Dies bedeutete die Preisgebung der Wohnung Sir Robert Hart's und der sämmtlichen Gebäude der Zollverwaltung, und beschleunigte daS Vorrücken der Chinesen nach Westen. Wie vorher abgemacht, waren die Gebäulichkeiten der amerikanischen Mission am Morgen aufgegeben worden, da sie nicht zu halten waren. Sämmtliche Missionare, ihre Frauen und Kinder kamen nach der britischen Gesandtschaft herüber. Chinesische Christen, mehrerer Hundert an Zahl, stießen zu den übrigen Flüchtlingen. Der amerikanische Capitän kehrte mit 20 Mann von seinen Leuten nach der amerikanischen Ge sandtschaft zurück. In Folge eines Mißverständnisses des Capitäns wurde die Mission schließlich in einer Panik verlassen. Die britische Gesandtschaft war nun über füllt. Selten hat sich in einer Umhegung eine mehr kos mopolitische Menge zusammengefunden. Dort befanden sich sämmtliche Frauen und Kinder, sämmtliche Missionare, Ameri kaner, Briten, Franzosen und Russen, der ganze Stab der Zoll verwaltung, die Gesandten Frankreichs, Belgiens, Rußlands, der Vereinigten Staaten, Spaniens und Japans mit ihren An gehörigen, dann die ganze nichtamtliche Ausländerschaft Pe kings mit Ausnahme des Herrn Chamot, der die ganze Zeit über in seinem Gasthof blieb, obwohl das Hotel an dem am heißesten umstrittenen Puncte des Belagerungsgebietes lag. Der erste der Gesandten, der Schutz suchen kam, war der franzö sische Gesandte Pichon, obschon keine unmittelbare Ursache dafür vorzuliegen schien, daß cr seine Gesandtschaft ver ließ; sein hastiger Rückzug gleich beim Beginn der Belagerung wäre geeignet gewesen, weniger beherzte Leute, als die treffliche Matrosentruppe, die seine Gesandtschaftswache bildete, zu ent mutigen. Die französischen Freiwilligen blieben tapfer in ihrer Gesandtschaft, und der österreichische Geschäftsträger v. Rosthorn und seine Gattin blieben dort, so lange noch ein Raum be wohnbar war. Der erste Sekretär der amerikanischen Gesandtschaft, Squicrs, der Dolmetscher Cbeshire und der bekannte Privatsekretär Li-Hung-Tschang's, Pethick, blieben in der amerikanischen Gesandtschaft; auch der Stab der deutschen Gesandtschaft blieb mannhaft auf seinem Posten. Unter den lebhaften Gästen der britischen Gesandtschaft gab es manche bekannte Persönlichkeiten. Herr Pokotilow, der Leiter der Russisch-Chinesischen Bank, der die ostasiatische Frage wahr scheinlich besser beherrscht, als sonst einer unserer Zeitgenossen; Herr Podsnejew, gegenwärtig die größte Autorität über die Mandschurei; vr. W. A. P. Martin, der gelehrte Professor am Tungwenkuan (Universität); vr. Smith, der Verfasser der „Chinese Characteristics", und manche Andere waren darunter. Nach 40jähriger Dienstzeit unter der chinesischen Regierung sah Sir Robert Hart sich aus seinem Hause Vertrieben, um Schuh in der britischen Gesandtschaft zu suchen; sämmtliche Acten und Briefschaften der großen Verwaltung, die unter seiner Leitung steht, blieben zurück und wurden von den Soldaten der Regierung zerstört, der cr mit unerreichter Treue und An hänglichkeit gedient hat. In Erwartung der Feindseligkeiten. Als die Oesterreicher ihre Gesandtschaft aufgaben, zog sich der britische Posten auf der Nordbrücke auf daS Haupt« thor zurück, wo eine Schanze gebaut und der Nordenfeldt in Stellung gebracht wurde. Vorräthe wurden rcquirirt und die Läden in der Gesandtschaftsstraße wurden ausgeräumt. Das Schießen begann und hörte nicht wieder auf, bis die Entsatz- colonnc eingetroffen war. Spät am Abend wurde Herr Huberty James, Lehrer deS Englischen an der Pekinger Universität, getödtet. Er hatte uns große Dienste geleistet, denn seinem Einfluß bei dem Prinzen Su war es zu verdanken, daß der Palast den christlichen Flüchtlingen geöffnet wurde. Er schien von einem blinden Vertrauen auf die Chinesen beseelt zu sein. Prinz Su hatte ihm versichert, Dunglu habe ihm sein Wort gegeben, daß kein Soldat auf einen Aus länder schießen werde, und er glaubte ihm mit dem verhängniß- vollen Zutrauen, das sein Unglück wurde. Um von dem Palaste zur britischen Gesandtschaft zu gelangen, machte er den Umweg über die Nordbrücke, obschon er wußte, daß die Brücke geräumt worden war. Auf der Brücke feuerte ein Soldat auf kurze Entfernung auf ihn, er lief offen bar unverletzt zurück und erhielt jetzt Feuer von einer anderen Seite. Er streckte die Hände empor, um zu zeigen, daß er un bewaffnet sei, und stürzte dann, von Kugeln durchbohrt, in den Canal, wo auf die Leiche vom Wasserthor unter der Mauer der kaiserlichen Stadt aus noch Salven abgegeben wurden. Von der britischen Gesandtschaft aus hatte man seiner Ermordung zugesehen. Mit Unterbrechungen dauerte das Feuer die ganze Nacht fort, ein russischer Matrose wurde erschossen, die Kugel war ihm durch die Stirn gegangen. Morgens erreichte ein Brief von einem der Officiere des E n t s a tz c o r p s die amerikanische Gesandtschaft. Er war vom 14. Juli, an einem Orte geschrieben, der nur 56 Kilometer von Peking entfernt ist. Der Brief enthielt nebensächliche Dinge im Plauderton, aber kein Wort deutete da rauf hin, daß man bei der Entsahabtheilung den Eindruck habe, daß EileNoththue. An der britischen Gesandtschaft wur den nun die Befestigungsarbeiten mit vollem Ernst in Angriff genommen, und die Flüchtlinge arbeiteten wie Kulis. Sandsäckc wurden zu Tausenden angefertigt und rund um die Legation wurden Posten aufgestellt. Durch die Häuser wurde ein Weg zur russischen Gesandtschaft gebrochen, so daß die Amerikaner, wenn sie sich zurückziehen mußten, von dort zur britischen Ge sandtschaft gelangen konnten. Den Tag über war jede Legation fortwährend dem Feuer von den Dächern der umliegenden Häuser ausgesetzt und auf die britische wurde vom Dache der kaiserlichen Wagenremise auS geschossen. Die Chinesen legten Brand an die verlassenen Gebäude und die belgische Gesandt schaft, die österreichische Gesandtschaft, die Methodistenmission und einige Privathäuser brannten nieder. ' Deutsches Reich. L. Berlin, 17. Oktober. (Die Einberufung des Reichstags.) Mit der Bekanntgabe des Termins der Eröffnung des Reichstages scheidet die Frage, wann der deutschen Volksvertretung Gelegenheit gegeben werden soll, Stellung zu den weltgeschichtlichen Ereignissen der Gegenwart und der ihnen gegenüber von Seiten Deutschlands befolgten Politik zu nehmen, aus der öffentlichen Discüssion aus. Wir möchten auch die Erörterung der Frag«, warum nicht ein früherer Zeitpunkt dafür gewählt wurde, vorläufig zurückstellen. Diese Frage wird zweifellos ihre Beantwortung schon bei der Eröff nung des Reichstages finden und ihre weitere Behandlung kann erst dann eine zweckdienliche sein, wenn von berufener und ver antwortlicher Seite eine Klarstellung der Gründe und Verhält nisse erfolgt ist, welche für die Wahl d«S jetzt bestimmten Zeit punktes maßgebend gewesen sind oder doch als maßgebend er achtet wurden. Wir unterschätzen die Nothwendigteit einer völligen Klarstellung nach dieser Richtung hin keineswegs, zuma konstitutionell« Fragen von größter Bedeutung dabei in« Spiel kommen. Immerhin aber wrrd diese Angelegenheit an Wichtig keit durch die Frage weit übertroffen, welche Stellung die Ver tretung des deutschen Volkes zur deutschen Politik der letzten Monate selbst «innehmen wird. Und hier hegen wir nur den «inen Wunsch, daß der Reichstag der Bedeutung der weltge schichtlichen Entwickelungsphase, welch« die Gegenwart und nächste Zukunft umfaßt, sich völlig bewußt und gewachsen zeigen möge. Mehr alt vielleicht je zuvor wird in der kommenden Session auch die Aufmerksamkeit des Auslandes auf die deutsch« Volks vertretung gerichtet sein. Möge sie ein Parlament finden, das seiner Aufgabe und Stellung würdig ist. 6. 8. verlt«, 17. Oktober. (Anarchistisches.) Ar« beitg« der, die in anarchistischen Blättern Arbeiter suchen, sind glücklicher Weis« selten« Menschen; einer wohnt im Wiirttem- bergsschrn, in Bietigheim, er sucht einen Bürstenmacher« Gehilfen, Arbeitsbedingungen „nach eigener Regelung". In Bietigheim scheint überhaupt der Anarchismus zu wuchern; denn dort hat sich ein AgitationS-ComitS gebildet, „um in Süd deutschland eine freiheitliche. Gewerk- und Genossenschafts- Bewegung inS Leben zu rufen, um planmäßig dafür agitiren zu iönnen, um die einzelnen Arbeiterorganisationen mit einander in Fühlung zu dringen, um so «ine „Föderation süddeutscher Arbeiter-Vereine" zu gründen " „Genossen", so heißt es weiter, in dem Aufrufe, „sucht überall Discus'sions-Clubs zu gründen, um unser: Ideen auszuarbeiten und zu vertiefen. Sucht freie locale Gewerkschaften zu gründen, um die Arbeiter von den Ver- banospäpsten frei zu machen. Sucht die Genossenschafts-Idee auszubre.iten und errichtet von unserem Geiste getragene Con- üm- und Produktionsgenossenschaften. Die Antwort auf die Imtriebe der Rcaction sei vermehrte Agitation." Auch andere Anzeichen sprechen dafür, daß gerade in Süddeutschland die Anarchisten sich wieder stark zu regen anfangen. Um zwei Mit glieder sind sie allerdings ärmer geworderndie bekannte Anarchistin Margot Kühn hat sich einen Tag nach ihrer Trauung vergiftet, nachdem ihr Mann am Tvauungstage selbst sich eine Kug:l in den Kopf gejagt hatte- Sic scheinen Beide ganz be- onders berechtigt gewesen zu sein, sich über die „Verderbtheit >er bürgerlichen Gesellschaft" zu entrüsten. L. Berlin, 17. October. (Politische Gesinnung und Socialdemokratie.) Zwischen dem früheren Vor sitzenden der Berliner „Freien Volksbühne", dem „Genossen" Mehring, und dem jetzigen Vorsitzenden, „Genossen" Con rad Schmidt, ist aus einem literarisch-theatralischen Anlaß eine Fehde entbrannt, in deren Verlaufe jetzt politisch bemerkens- werthe Thatsachen bekannt werden. Mehring hat es getadelt, daß Schmidt der Generalversammlung der „Freien Volksbühne" einen vr. Berthold als Ausschußmitglied vorschlug, ohne ihr zu sagen, daß vr. Berthold „frischweg vom Re dactionssessel der „Zukunft"" berufen werden solle. Gegen diesen Tadel hat „Genosse" Schmidt eine Erklärung vr. Berthold's geltend gemacht, deren Inhalt Mehring wie folgt angieüt: „Erstens will Herr Berthold Mit glied des s o c i a l d e m o k r a t i s ch e n Wahlvereins im ersten Berliner Wahlkreise sein, zweitens will er die Redaction der „Zukunft" übernommen haben, damit sein Freund Harden nicht genöthigt gewesen sei, während einer mehr monatigen Festungshaft das Blatt fremden Händen anzuver trauen, und drittens will ersichnichtmitderpolitischen Richtung der von ihm redigirten „Zukunft" identificirt haben." — „Genosse" Mehring gießt über die vorstehende Erklärung die Schale seines Zornes aus, indem er u. A. bemerkt, daß er „vergebens in der Geschichte der deut schen Presse nach einem gleich cynischen Bekenn tniß politischer Gesinnungslosigkeit gesucht habe." — Offenbar hat sich „Genosse" Mehring noch eine bürgerlich- rück ständige Auffassung von der Bedeutung politischer Ge sinnung bewahrt, eine bürgerlich-rückständige Auffassung, über welche die „Genossen" vr. Berthold und Schmidt, wie man sieht, gründlich hinaus sind. — Die Verleidung deS Präsentationsrechts für das preußische Herrenbaus an daö Geschlecht Derer v. Zitzewitz wird in der heutigen Ausgabe des „Staats- anzeigerS" veröffentlicht. Ter Kaiser tbeilie die Verleihung dem Kammerherrn Wilhelm v. Zitzewitz auf Zezenow im Kreise Stolp durch folgendes Telegramm mit: „Ich habe dem Geschlecht Derer v. Z'tzewih auS Anlaß seines 600jährigen Besitzstandes in Pommern das Präsentationsrecht für das Herrenhaus verliehen, und eS gereicht mir zur Freude, Ihnen als dem Familienvorsteher am heutigen JubiläumStage hiervon mit meinen wärmsten Segenswünschen Kenntniß zu geben. Möge die Treue zu König und Vaterland, welche von den v. Zitzewitz' seit Jahrhunderten im Kriegs- und Friedensdienste belbätigt und auch in neuer Zeit durch ein meinen persönlichen Diensten leider zu früh entrissenes Mitglied de: Familie in unvergeßlich bleibender Weise bewiesen worden ist, allezeit ein unveräußerliches Erbtheil der Familie bleiben. Wilhelm I. R." — Zur Verlobung der Königin Wilhelmina schreibt dir „Nordd. Allz. Ztg": „Eine frohe Kunde kommt auS dem Königreich der Niederlande. DaS Amtsblatt im Haag vom DicnStag veröffentlicht eine Pro» clamation der Königin Wilhelmina, in welcher sie ihre Verlobung mit dem Herzog Heinrich zu Mecklenburg-Schwerin anzeigt. Die Sympathie für die junge anmuthige Herrscherin, die seit dem 31. August 1898 daS Scepter ihres Landes führt, ist in Deutsch land bei vielen Gelegenheiten zum Ausdruck gekommen, so daß die Verlobung der erlauchten Monarchin mit dem Angehörigen eines deutschen Fürstenhauses aller Orten bei unS mit Freuden begrüßt werden wird und der herzlichen Glückwünsche für das hohe Braut paar sicher sein darf." — Der preußische CultuSminister hat anläßlich eines die austragSweise Beschäftigung militärdienst pflichtiger Lehrer betreffenden Specialfalles betont, daß nach der Absicht seines früheren, diese Frage betreffenden RunderlasseS die diensttauglichen Lehrer durch die Hinaus schiebung ihrer einstweiligen Anstellung über den jetzt üblichen Zeitpunkt hinaus keine finanziellen Nachtheile erleiden sollen. Insbesondere sollen sie durch die von der Militärbehörde angeordnete Zurückstellung nicht schlechter gestellt sein, als die überhaupt nicht militärpflichtigen Lehrer. — Dem Berliner Lette-Vcrein hat der Kaiser zur Förderung eine« neuen Lcltehauses, verbunden mit einer HauShaltungS- schule, 50 OVO geschenkt. — Die Vorlage deS Magistrats wegen Baues und Be triebes von neuen Straßenbahnlinien für Rechnung der Stadtgemeinde ist am Dienstag Abend von den Fraktionen der Stadtverordneten-Versammlung mit Ausschluß der Fraktion der Freien Vereinigung xurs angenommen worden. — Der Ober-Hosprediger und Schloßpsarrer, General-Super- intrndent v. Dry an der ist nach Homburg v. d. H. abgereist. — Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, mecklenburgische Ober-Zoll- director Kunckel ist in Berlin eingetroffen. * Hamm i. W., 17. Oktober. Die hiesige Lehrerschaft bereitet, dem „B. T." zufolge, «inmüthig eine Huldigung für den verstorbenen früheren CultuS Minister vr. Falk vor, die mit einem Protest gegen die Verweigerung eine« Denkmals für den verdienten einstigen Leiter der Schul- aagelegenbeiten verbunden werden soll. * Loburg, 17. Oktober. Die von Staatswegen hier er richtete landwirthschaftliche Winterschule wurde am Montag in Gegenwart deS Regierungsverweser« feier lich eröffnet. Zn seiner Ansprache hob Geheimer StaatSrath v. Wittken hervor, daß von den 62000 Einwohnern deS HerzogthumS nicht weniger als gegen 20 000 sich mit Land- wirtbschaft beschäftigen; innerhalb dieser finden sich 9000 selbstständige Betriebe. Und gerade diesen kleinen Betrieben sei e- zu danken, daß hier die Laudwirth- schäft fick in einem befriedigenden Zustande be finde. Hierbei gedachte er der Förderung, welche die Herzöge Ernst II. und Alfred der Landwirtbschaft angedeibea ließen, und wie die Regierung ihr zu Hilfe aekommen. Die Zunahme des Diebstande- und die landwirtbschaftlichen Neu bauten bewiesen den gesteigerten Wohlstand der Landwirthe, der auch weiter durch dle LandwirihschaftSschule gehoben werden würde, die er dem Schutze de« Regierungsverweser« empfoblen halte. Dieser nabm hierauf da« Wort und gedachte zunächst de- warmen Interesse« de« Herzog« Alfred für die Laodwirthschaft und betonte, daß Industrie und Landwirtb schaft nicht im Gegensatz zu einander, sonder» einmütbig zu- sammensttben sollen, e« bedürfe aber zur Zeit die Landwirtb schaft de« besonderen staatlichen Schutze«; er wolle gern ihr zu Hilfe kommen und auch bei dem jungen Herzog da« Interesse für die Landwirtbschaft Wecken und beleben. Die neue Winterschule beginnt ihre Wirksamkeit mit 15 Schülern. (-) Homburg ». d. Höhe, 17. Oktober. Zur Abendtafel bei dem Kaiser und der Kaiserin waren die hier an wesenden Mitglieder de- königlichen Hause« und die hier versammelten Würdenträger geladen. Gestern Mittag empfing der Kaiser den Fürsten zu Hohenlohe und hörte gestern Abend den Vortrag des Chef- deS MarinecabinetS, Bice- Admirals Freiherr» von Senden-Bibran. * Nürnberg, 17. Oktober. Der Flaschner Paul krau-, der bei der Landtagswadl socialdemokratilcher Wohlmann war, siel lpäter bei der Parteileitung in Ungnade, weil ihm vorgeworsea wurde, er habe bei der letzten LondtaqSwahl den Namen deS socialdemokratischen Canbidaten Freiherru von Haller aus dem Wahlzettel gestrichen; dann war er auch im Be» dachte, Artikel gegen die Parteileitung geschrieben zu hoben. Der Schlosser Wolfgang Erber, der bei der Parteileitung steht, führte dann üble Nachreden über Krau« io einer socialdrmo- kratischen Versammlung und bei sonstigen Gelegenheiten. Arau- b,zeichnete hieraus in einer an die Vorstandschast deS socialdemo kratischen Vereins gerichteten Zuschrift den Erber alS professions- mäßigen Ehrabschneider und Verleumder. Vom Schöffengerichte wurde KrouS wegen Beleidigung zu LO Geldstrafe, Erber zu einer Gesängnißsirase von einer Woche verurtheilt. — Gegen den protestantischen Hilssgeistlichen Winter wurde die DiSciplinar- untersuchung eingeleitet, weil er beim Religionsunterricht in der Volksschule eine die Konitzer Affäre betreffende antisemitische Aeußerung gethau haben soll. („Münch. N. N.") * Kalmar, 17. Oktober. Heute Vormittag fand vor der Strafkammer der Proceß Schlumberger-Wetterlö statt. Die Zeugen sollen bekunden, daß nach Miltbeilung Schlum- berger'S Kreisdirector Hartenstein bis zum Iabre 1888 fünfzehn junge Mülbauser Notable mit Ausweisung bedroht habe. Zunächst wird der Rcichstagsabgeordnete AbbS Wette rls vernommen. Er räumt ein, den incriminirten Artikel im „Journal de Colmar" verfaßt zu baden. Es sei jevock nicht von ihm behauptet worden, daß daSMinisterium von Elsaß - Lothringen um diese Vorkommnisse gewußt habe. Es habe ihm daher auch die Absicht ferngelegen, die reichsländische Regierung zu beleidigen. Der Vorsitzende schlug hierauf einen Vergleich vor, wonach da- Ministerium den Strafantrag zurückziehe, falls Wetterlö eine zufriedenstellende Erklärung abgebc. Wetterlö erklärte sich zu einer solchen Erklärung bereit. Ebenso gab dasMiniste- r ium teIegraphis ck s eine Zustimm un g zu dem Vergleich. Die von Wettei lö nach Maßgabe dieses Vergleiches zu veröffent- lickende Erklärung hat nacksolg-nden Wortlaut: „AbbeWetterl- erklärt, baß er durch seinen Artikel vom 5. und 22. Juli d. I. nickt beabsichtigte, das Ministerium von Elsaß-Lotbringen zu beleidigen, und daß er, sofern in diesen beiden Artikeln die unrichtige Beschuldigung gefunden werden könne, als ob KreiSdirector Hartenstein im Iabre 1888 im Auftrage oder mit Genebmigung des Ministeriums gegen Schlumberger die von diesem behauptete Drohung gebraucht habe, die betreffende Beschuldigung zurücknehme." Die Kosten deS Verfahrens hat die Staatskasse zu tragen. (Frkf. Ztg.) Frankreich. * Paris, 17. Oktober. Der König von Griechen land stattete heute in Begleitung des Prinzen Nico lan dein Präsidenten Loubet einen ofsiciellen Besuch im Eiysee ab. Niederlande. Tic Verlobung der Königin. * Die lebhaften Sympathien, die das deutsche Volk der jungen Königin d e r Niedcrlandeentgegenbringt.fickern der Kunde von ihrer Verlobung mit einem deutschen Fürsten- sobne eine warme Aufnahme. Die Verbindung des letzten Sprosses deS Hauses Naffau-Oranien mit einem Prinzen aus einer deutschen Herrscherfamilie, die stets eine treue nationale Gesinnung an den Tag gelegt bat, knüpft ein neues Band zwischen den beiden nabe verwandten VolkS- stämmen, deren geschichtliche Entwickelung sie politisch ver schiedene Wege geführt hat, obne doch jemals die Beziehungen der Cultur vollständig lockern zu können. Der Einzug eines deutschen Prinzen als Gemahl der Königin wird liiu so sympathischere Aufnahme finden, als in den letzten Jahren der Gedanke einer engerenAnnäberung an Deutschland in den Niederlanden wachsende Volkstbümlich- keit gewonnen bat. In London wird die Verlobung in Folge der temporär dort berrschenden Entfremdung wegen der Sympathie der Königin für den Präsidenten Krüger und die Bocren etwas kühl ausgenommen. Auch die Verbindung mit einem deutschen Fürstenhause und einem preußischen Officier berührt dort nicht gerade sympathisch. Von den leitenden Blättern nehmen allein die „Times" und die „Morninz Post" von dem Ereiqniß Notiz. Die „Times" erklären, die englische Tbeilnahme für daS Ereigniß würde durch die jüngste und hoffentlich vorübergehende Entfremdung der Gefühle Hollands für England nicht ver mindert werden. Diejenigen Holländer, welchen die deutsche Verbindung nicht paßre, sollten sich damit trösten, daß heut zutage Familienbande nur sehr indirekten und entfernte« Einfluß auf die Politik hätten. Die „Morning Post" meint, die Verlobung interessire England nicht so sehr von irgend welchem politischen, wie vielmehr vom GefühlS-Standpunct auS. Beide Blätter sprechen der Königin persönlich warme und sympathische Glückwünsche auS. Großbritannien. * London, 17. Oktober. Die Mitglieder de- Bunde- der AuSlader auf der Themse und des Bunde- der Dock wächter, von denen bereits 1300 ausständig sind, ver sammelten sich heute, um Vorbereitungen zu treffen, daß der Ausstand weiter dauere und sich auf alle Firmen erstrecke, die Vie von den beiden Vereinigungen aufgestellten Lohnsätze nicht zahlen. Orient. * Konstantinopel, 17. Oktober. Der türkische Militär attache in Brüssel, Brigadegeneral Tewfik Pascha, hat um Enthebung von seinem Posten mit der Begründung ersucht, daß finanzielle Gründe ihm nicht gestattete», sein Amt länger zu versehen. * Belgrad, 17. Oktober. Der verantwortliche Re dakteur und der Hilfsrcdacteur deS kürzlich eingegangenen Blatte- „Male Novine" wurden beute von dem diesigen Gerichtshöfe wegen einer in dem erwähnten Blatte begangenen MajestätSbeleidigung, jener zu fünf, dieser zu sieben Jahren Gefängniß verurtheilt. Amerika. * Philadelphia, 17. Oktober. „Reuter'r Bureau" meldet: Ein« Conferenz von in der Kohlenindustrie betheiligter Einzel unternehmer, sowie der Vertreter der großen Gesellschaften be schloß, die von dem Grubenarbeiterverdande ausgestellten For derungen anzunehmen. Dieser Beschluß bedeutet die unmittelbare Beendigung des AuLstandeS. s(Wdhlt) Militär und Marine. * Die Au-gabe von neuen Waffen an die Garde truppen nimmt ihren Fortgang; binnen 14 Tagen dürfte da gelammte Gardecorps damit ausgerüstet sein. Mit den Gewehren werden auch neue Seitengewehre au-gea-bea. Die R-croteo der Gard« werden sämmtlich mit den neuen Waffen ausgebildet, ebenso die der Artillerie mit de» neneo Geschützen. » G Berlin, 17. Oktober. Der Ablösungstransvortdampser „Adolf Woermanu" ist am IS. Oktober von Wilhelmshaven nach Kamerun io See gegangen. * München, 17. Oktober. D«r Geveraladjutaat de« Prinz- rrgeotrn von Bayern, Generalleutnant Frhr. v. Zoller, ist leit einige« Tagen an einem Herzleiden bedenklich erkrankt. Boa gestern auf beute hat sich jedoch da- Befinden des Patienten soweit gebessert, daß, wenn keine Tomvlicatioa rintritt, Aussicht auf weitere, an haltende Besserung besteht.
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