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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.10.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190010219
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19001021
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19001021
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-10
- Tag1900-10-21
- Monat1900-10
- Jahr1900
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.10.1900
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Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzerle 25 H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4gespalten» 7.'» H, vor den Familiennach» richten ^«gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zissernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 85 H (excl. Porto». (krtra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung .sL Ü0.—, mit Postbesörderung 70.—. Ilnnahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 537. Sonntag den 21. October 1900. 31. Jahrgang. Äus -er Woche. Einer nicht mehr jungen, aber auch nicht gerade lieb gewordenen Gewohnheit gemäß sei der Ueberblick über die Vorkommnisse auch dieser lebhaften Woche mit der Feststellung eröffnet, daß die Wirren in China nur langsam oder gar nicht vom Flecke kommen. Graf Waldersee ist in Peking. Prinz Tscking bat mit einer geradezu unverschämten Note die FriedeaSverhandlungen einzuleiten versucht, und wenn diese doch beginnen, wer traut chinesischen Unterhändlern ehrliche FrietenSabsickten zu? Die bedächtigeren Politiker in Deutschland, die von Anbeginn wußten, daß daS Kaiserreich China kein Haiti ist, sind von der Langsamkeit des Verfahrens nicht überrascht, geschweige denn in Ungeduld versetzt. Aber in der vom Grafen Waldersee vor der Ausfahrt ausgezeichneten deutschen Sensationspresse spiegelt sich deutlich die Empfindung wider, daß ihr in französischer Manier auf militärische und diplo matische SiegeSeilmärsche vorbereitetes Publicum durch den langsamen Fortgang der ostasiatischen Dinge gelangweilt wird. Diese Sorte Zeitungen spart mehr und mehr mit dem der früher so eifrig „poussirten" Angelegenheit zugemessenen Raume, eingedenk des NatheS, den Mephisto der Trödelhexe auf der Hexenmesse giebt: „Verleg' sie sich auf Neuigkeiten." Sie versucht sich damit zu entschuldigen, daß auch nationale Preßorgane neuerdings über allzu spärliche amtliche Bericht erstattung aus China Klage führen, eine Bersäumniß, die die deutschen Zeitungen zwingt, mit unzuverlässigen und meist tendenziösen Miltheilungen englischer Deprschenbureaur ihren Tisch zu bestellen. Die Berechtigung dieser Beschwerde wird zwar von officiöser Seite bestritten, aber mit Unrecht. Allerdings bat man die Langsamkeit und Unzuverlässigkeit der Nachrichtenübermittelung in China genügsam kennen gelernt und es ist möglich, daß wichtige Meldungen schon lange unterwegs sind. Aber wenn die deutschen amtlichen Organe nichts Neues zu berichten haben, warum lassen sie es an Erläuterungen älterer Meldungen fehlen, die so nötbig sind? Gerade weil solche Ergänzungen von deutscher Seite fehlen, kommt man in Gefahr, auf die falschen Nachrichten der englischen Bureaux hineinzusallen. Den hier und dort geäußerten Verdacht, die deutsche Regierung unterdrücke ibr zugekommene und ohne Gefährdung der diplo matischen Interessen veröffentlichung-fähige Mlttheilungen, tbeilen wir nicht. Hat man günstige Nachrichten in Berlin, so wird man sein Licht ganz gewiß nicht unter den Scheffel stellen, und unerfreuliche, statt sie löffelweise anzugeben, sich anbäufen zu lassen, etwa bis der Reich-tag Zusammentritt, wäre eine llnklugheit, die wir dem Grafen v. Bülow nicht zutrauen. Er wird e« im Gegentheil dem Reichstage so leicht als möglich machen, sich conciliant zu geben. Auf dies» Absicht deutet u. a. die auS Homburg v. d. H. datirtr „Information" der „Köln. Ztg." hin, in der die Ausgaben für die China-Expedition als zweifellos „verfassungswidrig" bezeichnet werden, aber der Zuversicht Ausdruck gegeben wird, der Reichstag werde mit der Ertheilung der Indemnität nicht zurückhalten. Würde eS auch ohne dieses, staatsrechtlich unseres Erachtens mindesten- nicht vollauf motivirte, xator peceavi nicht thun. Von der Chinapolitik bi- zu dem so geräuschlos iewrrk- stelligten Kanzlerwechsel ist nur rin Schritt. Der Rücktritt deS Fürsten Hohenlohe vor dem Zusammentritte de» Reich-tag« wurde al» wünschenSwerth erachtet, ob von ihm selbst, steht freilich noch dahin. Der von un» in diesem Betracht schon leise angedeulete Zweifel wird von der „Freis. Ztg." ziemlich laut geäußert. Und deren Leiter, Herr Eugen Richter, hat sich bei größeren innerpolitischen Wendungen, auch vor der Ent lassung de» Fürsten Bismarck, noch immer gut unterrichtet gezeigt. Daß, wie versichert wird, Asthma und Schwerhörig keit gerade in diesem Augenblick als „Kanzlerstürzer" sunc- t'vnirt haben, erscheint nicht sehr wahrscheinlich. Und die Thatsacbe, daß Fürst Hohenlohe vor Kurzem rin Wohn bau« Unter den Linden anzekauft, beweist gar nicht-. Denn eine längere Fortsetzung seiner Kanzlerschaft batte der Hochbetagte natürlich nicht in Aussicht genommen. Aber über die Cbinapolitik sich vor dem Reichstage zu äußern, dürfte er noch gewünscht haben, gleichviel, wie er zu ihr ge standen, ob billigend oder nicht. Im letzteren Falle mag da» Bedülfniß, einzugrrifen, vielleicht noch stärk«» gewesen sein. Es war des Fürsten, der sich über sein Nichtköunen, aber auch über sein Können, allezeit ohne Eitelkeit orientirte, Stolz, be gütigend und beruhigend wirken zu können. Daß er hierin auch al- Kanzler vielfach erfolgreich gewesen, giebt sogar Herr Eugen Richter zu. Hohenlohe besaß Vertrauen, daS Rhetorik nicht ersetzen kann. DaS wußte er und diesen Um stand, so scheint »S, hätte er gern noch einmal genützt, nicht zum Wenigsten im Interesse der in der Chinapolitik so viel genannten obersten Stelle im Reiche. Dem dritten Kanzler wurden bei seinem Rücktritt wenn nickt durchweg sympathische, so doch anständig gehaltene Ge leitsworte von der Presse mitgrgrde». Eine Ausnahme machte nur die extrem-agrarische und «in Thril der conservativen Presse, jene ungescheut, dieser etwa» verhüllt. Dem Nach- folger gegenüber nimmt man, soweit di» i«n»r» Politik in Frag» komm», ziemlich allgemein eine abwartend» Stillung ein, auf freihändlerischer Seite jedoch nicht ohne Bekundung bandrl«politischrr Frlibling-gefüdlr. Diese Richtung, di« seit Jahrzehnten ihr« Existenz von Enttäuschung«« fristet, w,rd wohl auch dirSmal di« gewohnt« Nahrung finden. Wenn ge sagt wird, Graf Bülow könne al- preußischer Ministttpra- sident viel sür den inneren Frieden thun, so ist dem »izu- stimmen. Cr braucht nur einerseits jeder Hoffnung auf Ver quickung «ine- Gesetzes Uder di» B»rth«ilung dir Sckullast«u mit gräflich Zedlitz'fchin Brllritäti« durch «in eatschi»d»n ab- weisende» Wort ein End« zu machen, and«r«rsrit» die Canal- Vorlage nicht etwa zu zertrümmern, nein, nur in ihre vielen Tbeil« zu zerlegen und den dringlichsten dieser Theil» drn zeit lichen Vorzug zu geben. Herr v. Miquel ist zwanzig und etliche Jahre älter al« Graf v. Bülow. Di« Dummheit der UuSstrruung, er, als mehrjähriger Viceprästvent te- TlaatSmiuistrriumS, sei nicht gesonnen, sich rm«n viel jüngeren Mann als Präsidinten vor die Nase setzen zu kaffen, lag also ziemlich nabe und sie hat auch nicht verfehlt, in di: Erscheinung zu treten. Gerüchte von einer „Miquel-KrisiS" wurden und werben unterstützt durck wiederholte Angriffe auf den Finanzminister, die bre „Köln. Ztg ", die in der Lage war, die erste Mittheilung über den Kanzlerwechsel zu machen, gleichzeitig mit diesen Nachrichten veröffentlichte. Nickt unmöglich, daß auf die Dauer der neue Ministerpräsident und Herr v. Miquel nicht an einem Strange ziehen können, aber kein Ernsthafter glaubt daran, daß ein in preußische Dienste tretender Staatsmann seine ersten Kraft anstrengungen gegen das geistig bedeutendste und einfluß reichste unter den bisherigen Mitgliedern der Negierung richten werde. Die „Köln. Ztg." ist dem Finanzminister seit Langem abhold und sie hat vielleicht geflissentlich den Augen- blick de« Antritts eines neuen ManneS benutzt, um hinter der Aeußerung ihrer Gefühle die Wünsche deS nunmehrigen Prä sidenten des Staatsministeriums vermutben zu lassen. Den Dank de« Grafen v. Bülow bat sich das Blatt damit aber kaum erworben, und dieser dlufte noch geraume Zeit zögern, wegen der Nichtberufung deS von der freisinnigen Presse der Krone als Finanzminisler präsentirten Herrn v. Siemens die CabinetSsrage zu stellen. Die Wirren in China. * Berlin, 20. October. Daö deutsch-englische Ab kommen besprechend, sagt die „Nordd. Allgem. Ztg.": Auf den ersten Blick ist es klar, daß der Schwrrpunct de« Abkommens auf wirthfchaftlichem Gebiete liegt. Es war eine wichtige Aufgabe der deutschen Politik, unseren dort sich entwickelnden Handel mit China, insbesondere mit dem Vangtsr-Grbirt«, vor der Gefahr einer «inseitigen Begünstigung des Handels anderer Länder dadurch zu sichern, daß der Grundsatz der offenen Thür praktische Geltung in bindender Form erlangte. Wir begrüßen eS als ein beruhigende« Moment sür den Weltfrieden, daß England ebenso wie Deutschland auf die Ausnutzung der chinesischen Wirren zu Sondervortheilen ausdrücklich verzichtet und für seine wirthschaftlichen Bestrebungen an dem Grundsätze der Gleich, berechtigung Aller festhiilt. Beide Theile wollen für die Durch führung des PrincipS der offenen Thür in ollen chinesischen Territorien wirken, wo sie einen Einfluß ausüben können. Deutsch, land übernimmt nicht die Verpflichtung, seinen Einfluß da geltend zu machen, wo andere Mächte bereits besondere Rechte erworben haben. Die Bestimmungen in Art. 2 und 3, die sich gegen die Zerstückelung des chinesischen Reiche» richten, entsprechen einem leitenden Gesicht«, puncte der deutschen Politik, der in einem Rundschreiben de« Grasen Bülow an di» deutschen Bunde-regierungen aufgestellt ist und durch drn sich das Reich in U-bereinstimmung mit seinen Verbündeten und Nachbar» in Europa, wir mit drn übrigen intrressirtrn Mächten befind«». Mit der jetzt getroffenrn Urbrreinkunft ist ein bebrütender Schritt zur baldigen Herstellung friedlicher und geordneter Zustände in China erfolgt. * Berlin, so. October. Der Kreuzrr „Hansa" ist am iS. Oktober in Taku angekommen. Der Kreuzer „Fürst Bismarck" ist mit den Torpedobooten „8 SO", „3 91" und „8 92" am SO. Oktober von Taku nach Tsingtau gegangen. Da« Panzer, sckiff „Kurfürst Friedrich Wilhelm" ist am 20. Oktober in Tsingtau eingrtroffen und beabsichtigt, am 22. Oktober nach Wusung zu gehen. * Tirnlsin, 19. Oktober. (Reuter'S Bureau.) Die Nachricht von der Besetzung Paotingfu« einschließlich der Eisenbahn durch die Franzosen bestätigt sich. Di» Stadt wurde von einem Bataillon Zuaven, zwei Geschützen und einer Schwadron beietzt. Der Feind leistete während de« Marsche« keinen Widerstand; al« die Truppen anlangten, wehi» di» w»itz» Fahn» von den Stadtwällen. * Reto Aork, 20. Oktober. (Telegramm.) Sin Telegramm an» Tientsin vom IS. Oktober besagt: Nach veriäßlichen, wenn auch nicht offieieklen Berichten rückte die Avantgarde derVer- kündete» am 17. Oktober in Paotingfu ein. Di« Stadt war fast völlig verlass»», und e» wurde kein Widerstand ge leistet. Die britische Colonn« nahm 17 Mann von den kaiserlich chinesischen Trupp«» am 16. Oktober in Minanfihen gesangrn. Dies« bild»t«n ,in«n Theil der 2000 Mann starken Trupvenabthrilung, die ausgesandt war, um die Boxer in jener G«g»nd zu zerstreu«». Li« Gefangenen behaupt««, sie hätten 200 Boxer getödtet; sir seien auf der Rückkehr nach Pachan begriffen gewesen, als sie von d«r franzäsischen Colonne beschossen und zer- str»»t Word«» sei«». Die Tngländ«r confi-cirten die Waffen und Pferd« dieser Leute uud ließen die Leute laufen. Die EcheeSen-zeit 1« Peking. (Fortsetzung.) Sin« Nachricht von Vor Anbenwelt. Derselbe Bote bracht« eine chiffrirte Depffche an den ameri- kanffchen Gesandt«» Tonger. Sie besagte: „Gebt Eure Nach richten dem Ueberbringer." Das stand da in der amtlichen Chiffre de» ameritamschen Auswärtigen Amte» geschrieben, aber weder Datum noch Absrnderwaren angegeben. Eongerantwortetein der selben Chiffre: Seit einem Monat sind wir in der englischen Gesandt schaft unter fortgesetztem Feuer von chinesischen Truppen belagert. Nur schnelle Hilfe kann ein« allgemeine Metzelei verhindern. Er sagte, man solle diese Antwort an die Adresse senden, von der die Mittheilung ge kommen sei. Am nächsten Tage ließ da» Tsung li Damen sagen, daß die Botschaft befördert morden sei, und ließ eröffnen, daß jene» Tel^ramm in einem Telegramme Wutingfang'S, des chine. fischen 'Gesandten in Washington, vom II- Juli, enthalten ge wesen sei, welche» lautete: „Die Bereinigten Staaten stehen China freundschaftlich bei, doch ist man in Sorge Uber den Ge- sandten Conger. Der Staatssekretär fragt nach ihm in dem Telegramm, da» ich zu übirnmteln und durch ihn beantworten zu 1-ffen bitte." Nu» kannten »t, un» denken, w«» für ver. sicherungen Wutingfang Herrn Hay gegeben haben mochte; er hatte -ihm salbungsvoll versichert, daß im Norden Chinas zucht lose Banden in bedauerlichem Aufruhr seien, die die Regierung bekämpfe, daß die fremden Gesandten und Gesandtschaften unter dem wohlwollenden Schutze der chinesischen Regierung ständen, daß jedoch Hilfe Noth thäte, um den Aufruhr zu unterdrücken u. s. w. Wir gaben uns indeß der Hoffnung hin, daß die Bot schaft Conger's den Werth jener Versicherungen klarlegen würde. (Diese Depesche Conger's war bekanntlich die erste, die von der Lage in Peking der Außenwelt berichtete; sie wurde damals all gemein, da sie kein Datum trug, als Fälschung betrachtet. Die besonderen Umstände, unter Venen sie aufgesetzt wurde, erklären jetzt nachträglich die Formlosigkeit.) Tie Eitlstellttu- Ser Feindseligkeiten. Vom 17. Juli ab wurden die Feindseligkeiten ein gestellt, nicht daß Niemand mehr verwundet und auf die chinesischen Kulis nicht mehr geschossen worden wäre, wo sie sich zeigten, aber die organisirten Angriffe hörten auf, und die Krupp schen Kanonen schwiegen. Da wir aber Verrath fürchteten, ließ unsere Wachsamkeit nicht nach. Wo Minen vermuthet wurden, wurden 'Gräben ausgehoben. Alle Mauern und Zufluchtsorte wurden so verstärkt, daß sie thai-sächlich bombensicher waren, doch galten unsere Vorbereitungen nur der Vertheidigung, die Chinesen indeß arbeiteten an ihren Barrikaden weiter. Von ihren Schanzen auf der Mauer bei der deutschen Gesandtschaft rückten sie nach Westen vor, so daß sie gerade in die deutsche Gesandtschaft hinein feuern und die Leute Wegschießen konnten, die die Treppe zur Wohnung des Ge sandten hinaufgingen. Sie bauten ferner eine Mauer mit Schießscharten quer über die Gesandtschaftsstraße, etwa 16 Meter von der russischen Barrikade. Der Feind war fast so nahe, daß man hätte in di« -Gewehrmündungen schießen können, die aus den Schießscharten 'heroorragten. Der Cordon um uns ward immer enger gezogen, und wir wurden eingeengt, um unser Eingreifen beim Anmarsch der Entsatzkräfte zu verhindern. E« wurde uns nicht erlaubt, Lebensmittel zu fassen, nur eilt paacEier für die Frauen und Kinder wurden uns heimlich von chinesischen Soldaten verkauft. Alle wurden auf kleinere Ration gefetzt und die Kost für die 2750 eingeborenen Christen, für die wir zu sorgen hatten, genügte gerade, um sie vor dem Verhungern zu retten. Ihre Leiden waren groß, die Sterblichkeit unter den Kindern und den alten Leuten schrecklich. Niemand hätte vorhersehen können, daß mit solch kargen Mitteln 473 Eioilisten (davon in der britischen Gesandtschaft 414: 1S1 Männer, 147 Frauen, 76 Kinder), eine Besatzung von 400 Mann, 2750 Flüchtlinge und etwa 400 eingeborene Diener eine Belagerung von zwei ganzen Monaten aushalten würden. Zum Glück befand sich in der Gesandtschaft selbst eine Mühle, und ein« größere Menge «Getreide; man mahlte täglich über acht Centnrr Mehl, und theikt« es zwischen 'der Gesandtschaft und dem Gasthofe. Eines Tages sandte uns daS Tsung li Damen -zum Schimpf ein Geschenk von 1000 Pfund Mehl nebst etwas Eis und Gemüse; Nie mand hätte indeß gewagt, von dem Mehl zu genießen, aus Furcht, es könnte vergiftet sein. Man war damals wieder in fast täglichem Verkehr mit dem Tsung li Damen oder den Beamten, die ihre Briefe mit „Prinz Tsching und Andere" unterzeichneten. Am 17. Juli beantwortete Sir Claude Macdonald die Zu- muthung, die Gesandten möchten ihre Truppen davon abhalten, auf die Chinesen zu feuern. Er rrllärte, die fremden Truppen hätten von Anfang an auS Nothwehr gehandelt, und würden fortfahren, so zu handeln; die Chinesen müßten jedoch einsehen, daß die früheren Ereignisse das Vertrauen erschüttert hätten, und daß, wenn in der Umgebung der Gesandtschaften Barrikaden errichtet würden oder Truppenbewegungen stattfänden, die frem den Schutzwachen genöthigt seien, Feuer zu geben. Am Nach mittag erwiderten Vie Chinesen. Sie legten die Lage dar und schrieben die Feindseligkeiten wieder den früheren Angriffen durch die -Gefcmdtschaftswachen zu. Sie verzeichneten mit Genug- thuung, daß man beiderseits übereingekommen sei, das Feuer einzustellen, forderten aber, daß die fremden Soldaten von der Mauer östlich des Tschienmen, weil sie von dort geschossen hätten, zurückgezogen würden. Am nächsten Tage erwiderte Sir Claude Macdonald, indem er seinerseits die Lage von dem Standpunkte der Fremden aus darlegte. Am 19. Juni habe das Damen den -Gesandten angekündigt, daß sie Peking zu verlassen hätten, worauf die fremden Gesandten in ihrer Antwort darauf hin'wiesen, daß es keine Verkehrsmittel gebe. Das Damen habe daraufhin die Frist verlängert, trotzdem fei am 20. Funi das Feuer auf die Gesandtschaft eröffnet worden, und seither seien letztere beständig unter dem Feuer der Regierungstruppen gewesen, eine Lage, wie sie in der Weltgeschichte ganz einzig da stehe. Srr Claude erwähnte den Zwischenfall mit dem Schilde, da» am 25. Juni ausgehängt worden war, die dadurch verur sachten freien Bewegungen der chinesischen Truppen und die er neuten Angriffe, di« erfolgten, nachdem die Vorbereitungen auf diese Weise vervollständigt worden waren. Er hoffe, daß daS gegen seitig« Vertrauen wi»d«r hergestellt werden könne; mittlerweile wie» er jedoch abermals darauf hin, daß di« Vorkehrungen zum Kampf sowohl als das Feuer der chinesischen Truppen ein gestellt werden müßten, bevor er die Versicherung geben könne, daß Vie fremden Truppen nicht mehr feuern würden. Was daS Ersuchen betreffe, daß die fremden Truppen die Stadtmauer verkästen sollten, so sei es unmöglich, dem zuzustimmen, da die Angriffe gegen die -Gesandtschaften zum größten Theile von der Mauer aus erfolgt seien. Sir Claude schloß mit dem Ersuchen, daß den Händlern mit Früchten und Eis gestattet werden möge, die Europäer aufzusuchen. Sie erhielten jedoch niemals die Er- laübmß, zu un» hereinzükommin. Die Chinesen zeigen Neue. ES war unS jedoch klar, daß sich anderwärts Ereignisse zu trugen, die dem kaiserlichen Hofe Sorge bereiteten. Am Nach mittage deS ersten TageS, der sogenannten Waffenstillstander, ging H«rr Pelliot, »in Franzose au» Tonking, zu den Chinesen hinüber und blieb zu unserer großen Besorgniß fünf Stunden lang auS. Er wurde von -den Soldaten zum Damen eines der großen Generäle geführt — welcher eS war, wußte er nicht —, wurde mit Fragen bestürmt, die er, da er etwas chinesisch sprach, beantworten konnte, und wurde schließlich unbehelligt zurück gesandt unter der Bedeckung von 1ö Soldaten, die den Auftrag hatten, „ihn gegen die Boxer gu schützen". Diese ungewohnte Milde legten wir günstig aus: es war offenbar, daß die Chinesen eine schwere Niederlage erlitten hatten, und daß der Entsatz heranrückte. Am folgenden Tage traten, wir zum ersten Male wieder in Verkehr mit einem Beamten oes Tsung li Damens. Der Sekretär Wenjui tam, um Sir Claude Macdonald zu sprechen, der Eintritt wurde ihm aber nicht gestattet, und der Gesandte empfing ihn vor dem Thore. Er sagte, daß an den bedauerlichen Vorfällen die „Ban diten oes Ortes" die -Schu-lv trügen, daß die -Regierung eifrig darauf bedacht sei, die Fremden zu schützen, daß die „Banditen des Ortes", die den Freiherrn v. Kettelrr ermordet hätten, -dessen Leiche abgeliefert hätten, und daß sie in einen werthvollen Sarg gelegt worden sei. -Er betonte, daß es durchaus nicht mehr nöthig sei, fremde Truppen auf der Stadtmauer aufzustellen, und bat, daß diese Posten eingezogen -werden möchten. Es wurde ihm jedoch bedeutet, daß uns das nicht rathsam schiene, weil wir beständig von der Stadtmauer, vom Hatamen sowohl als vom Tschienmen aus, beschossen worden seien. Als er ersucht wurde, uns -die letzten Nummern der Pekinger Zeitung zu senden, stutzte er einen Augenblick und stammelte dann, er habe selbst die Zeitung seit Langem nicht mehr zu Ge sicht bekommen, aber er werde nachforschen und sehen, ob er sie kaufen könne. Der Mann ist nie zurückgekommen, und hat nie eine Zeitung geschickt. Sein Name ist, wie ich schon sagte, Wenjui. Als wir später die Zeitungen erhielten, fanden wir darin zwei Stellen, die der Mann allerdings Ursache hatte, uns vorzuenthalten. Wir fanden darin einen Erlaß vom 24. Juni, der die Anführer für die Boxer oder „vaterländische Miliz" er nannte, und unter diesen Anführern war auch Wenjui. Der Be such Wenjui's fand am 18. statt; bis dahin war, obschon seit der Unthat mehr als vier Wochen verflossen waren, in der Pekinger Zeitung der Ermordung des Herrn v. Ketteler nicht einmal mu einer Andeutung Erwähnung gethan worden. An jenem Tage jedoch -ließ die Kaiserin unter dem Druck ihrer Furcht eine An spielung auf den Mord machen. Wird der deutsche Kaffer sich mit dieser verspäteten Erwähnung der rohen Ermordung seiner Gesandten durch einen kaiserlickcn Officier begnügen? Die Be merkung lautet: „Im vorigen Monat würde der Kanzler der japanischen -Gesandtschaft getödtet. Die That geschah gänzlich unerwartet. Ehe diese Angelegenheit beigelegt war, wurde der deutsche Gesandte getödtet. Daß Wir auch dieser Sache UnS so plötzlich gegenübersahen, verursachte Uns großen Kummer. Mr bemühen Uns nach Kräften, Den Mörder ausfindig zu machen, um ihn zu bestrafen." Mehr nicht. Und das war am 18. Juli. Der Mord geschah am 20 Juni! Ver Krieg in Südafrika. Abreise Krüger». * Lourcnyo Marques, 20. Ociober. (Reuter s Bureau.) DaS Kriegsschiff „Gelderland" geht beule Mittag in See und wird die Häfen Dar-eS-Salaam, Tanger, Dschibuti und Marseille anlaufen. Englische vrsatztruppc». Obgleich sowohl vom britischen Oberbefehlshaber in Süd- afrika als auch von den Londoner Kriegscorrespondenten im Felde fortwährend betont wird, daß der Krieg mit den Süd afrikanischen Republiken beendigt sei, werden doch noch jede Woche Verstärkungen und Ersatztruppen von England nach dem Kriegsschauplätze verschifft, und erst am 17. wieder gingen im Ganzen 2000 Officiere und Mannschaften verschiedener Waf fengattungen dorthin ab. Alles in Allem sind nicht weniger als ca. 60000 Mann hinausgesandt worden, um die Abgänge der Original-Cadres zu ersetzen und die Feldarmee in der nöthigen Stärke zu erhalten, und diese Zahlen besagen am Besten, in welch' umfangreicher Weise England sich von Truppen hat ent blößen müssen, um gegen 50 000 Boeren zu Felde zu ziehen. Obwohl also die kanadischen Freiwilligen nach Hause gesandt worden sind, obwohl die Garde-Jnfanteric-Brigade, die selbst in Kriegszeiten mit ganz besonderen Vortheilen ausgerüstet ist und jeden denkbaren Vorzug erhält, auf dem Heimwege ist, und selbst die famosen „City of London Imperial Volunteers" von Lord Roberts entbehrt werden können und sich bald in London ver göttern lassen werden, so scheint andererseits die Anspannung der militärischen Leistungsfähigkeit Großbritanniens noch lange nicht beendet zu sein. Man behilft sich an allen Ecken und Kanten in der großen Maschinerie der englischen Heerekein- ricktung mit Reservisten, Milizleuten und Volunteers, und das Kriegsamt hat in dem vergangenen Jahre einige Hundert Offi- ciers-Patente an die Hochschulen und die irregulären Truppen- theile vergeben, damit wenigstens die schlimmsten und unerträg lichsten Lücken im Officiercorps nothdürftig ausgefüllt werden konnten, was natürlich nur auf Kosten der Qualität geschehen konnte. Dabei mußte dann das Kriegsamt oder besser gesagt die Nation die betrübende Erfahrung machen, daß die zur Ver fügung gestellten Officiers-Patente nicht einmal zu zwei Dritteln „Abnahme" fanden, mit anderen Worten, daß sich hierfür nicht einmal genügend junge Männer in England fanden, die ihre CivilcarriSre aufzugeben bereit gewesen wären, um den Degen für ihre Königin und ihr Vaterland zu tragen, obwohl keinerlei militärisches Examen verlangt wurde, und die betreffenden „Officiere" nur auf eigenen Wunsch außer Landes verwendet werden sollten und durften. Auf diese Weise sollen über 150 „Commissions" keine Abnehmer gefunden haben, wozu allerdings auch noch bcigetragen haben mag, daß viele junge Engländer, die sonst freudig für ihr Heimathland zur Waffe gegriffen hätten, diesen Raubkrieg in Südafrika verurthellten und sich nicht mit dem großen Haufen als Kanonenfutter für die Ziele und Zwecke der Jingos und der Minensvecukanten hergebrn wollten. — Derartiges wird natürlich nur selten in der englischen Presse vernehmbar, aber diese Thatsachen lassen sich deßhalb nicht wegleugnen, und im kommenden Parlamente werden sic eine große Rolle neben den vielen anderen Anklagen und Ent hüllungen der ehrlichen Opposition bilden. Suerilakrlek,. Jeden Tag treffen jetzt wieder Depeschen vom Feldmarschall Lord Robert» ein, die fast ausschließlich von regelrechten Se fechten zu melden haben, in denen meisten» dir betreffenden
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