Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.10.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001023029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900102302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900102302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-10
- Tag1900-10-23
- Monat1900-10
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Brzug»-Pret- b« zweimalig« ttgkich« Zustelluug ins Hau» ul 8.80. Lurch di« Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. ^l«. Ma» abonnirt ferner mit entsprechendem Postaufschlag bei d«» Postaustalten i» der Schweiz Italien, Belgien, Hollaud, Luxem- dura, DLuemark, Schweden und Norwegen, Rußland, de« Douaustaateu, der Europäischen Türkt, Egnpteu. Kür alle übrigen Staaten ist der Bezug nur mtter Kreuzband durch die Expedmo» diese» Blatte» möglich. Die Moraen-Autaabe erscheint »m '/,7 Uhr, die LbeudÄuSgabe Wochentag» nm 8 Uhr. NrLactiou uud ErpeLMon: JohanniSgaffe 8. /Male«: Alfred «ahn vorm. O. Klemm'» Sortim. UurversitätSftraße 3 (Panliuum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, uud Königsplatz 7. Abend-Ausgabe. UchWcrTaMalt Anzeiger. Amtsökatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ruthes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. 5^l. Dienstag dm 23. October 1900. Anzeige«-PretS die 6 gespaltene Petitzeile 2S H. Reklame» unter demR-daction»strich (»gespalten) 78 L,. vor den Famtliennach- richten (8 gespalten) 80 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osferteuaunahme 38 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürdlernng .Xl 60.—, mit Postbesörderuug ^l 70.—. Itunahmeschluk siir Ätyeize»: Abend-LuSgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde fmher. Anzeige» sind stets au die ExpUdittv» zu richte». Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck uud Verlag von E. Pol» in Leipzig. 94. Jahrgang. Die Wirren in China. FricdeuSvcrhandluugeu. Die Mächte sind sich darüber schlüssig geworden, daß Li- HurA-Tschana mitgetheilt werde, was der wesentliche Inhalt der an China zu stellenden Forderungen ist. In jedem Falle soll dies durch die Vertreter aller Großstaaten in Peking geschehen. Man in sich nur noch nicht darüber einig, ob dies in wirksamerer Weise durch ein« Collectivnote oder durch einzelne identische Noten ge schieht. Daß die Mächte insgesammt auf der Bestrafung der Schuldigen bestehen, ist der chinesischen Regierung durch Mac Kinley und durch ein« jüngst erfolgte Kundgebung des Kaisers von Japan mitgetheilt worden. Die Bestrafung soll nach den in der deutschen Circularnote festgestellten Grundsätzen erfolgen. Aranzöstsche und amerikanische Rote». Das Staatsdepartement in Washington veröffentlicht zwei Noten aus dem diplomatischen Schriftwechsel der Vereinigten Staaten und Frankreichs seit dem Eingänge der ursprünglichen französischen Note. Die eine Note ist von dem französischen Geschäftsträger Thißbaut unterzeichnet und vom 12- October datlirt, Vie andere stammt von dem Staatssekretär Hay und ist vom 19. October datirt. Jene drückt den Dank Frankreichs für die Antwort Amerikas auf die französische Note vom 4. October auS und fährt fort: Alle betheiligten Mächte hätten dem wesentlichen Puncteder französi- schenNotezuge stimmt. Die Hauptsache sei, der chinesi schen Regierung zu zeigen, daß die Mächte von demselben Ge fühle durchdrungen seien, und daß sie zwar entschlossen seien, die Integrität Chinas und die Unabhängigkeit der chinesi schen Regierung zu achten, aber nichtsdestoweniger festen Willens seien, die Genugthuung durchzusetzen, auf die sie Anspruch hätten. Wäre Frankreichs Vorschlag als Grundlage der Ver handlungen angenommen, so würde er den chinesischen Bevoll mächtigten mitgetheilt werden. Davon wäre ein günstiger Ein fluß auf die Entschließungen des Kaisers von China uikd der chinesischen Regierung zu erwarten. Ein solcher gemeinsamer Schritt würde in keiner Weise di« Prüfung derjenigen Puncte stören, bezüglich deren gewisse Regierungen Vorbehalte gemacht hätten. Staatssekretär Hay drückt in seiner Antwort das Ver trauen auS, die Mächte würden gemeinsam den chinesischen Bevollmächtigten die Puncte vorlegen, über die sie sich als die ersten Schritt« bei -den Verhandlungen geeinigt hätten. Die Ant wort Hay's stimmt den in der französischen Note enthaltenen An schauungen zu und bemerkt, der Gesandte Conger sei angewiesen, den chinesischem Bevollmächtigten die Puncte, über die eine Eini gung erzielt worden sei, vorzulcgen. Die Note regt ferner an, diesen Puncten eine gemeinsame Erklärung der Mächte beizufügen, daß diese entschlossen seien, di« terri toriale IntegritLt und 'die administrative Ungetheiltheit Chinas aufrechtzuerhalten und für die chinesische Nation, wie für sich selbst einen offenen, gleichen Handelsverkehr zwischen China und der übrigen Welt zu sichern. Der Schlußparagraph, der die Antwort Hay's enthält, ist vor dem Bekanntwerden des eng lisch-deutschen Abkommens geschrieben worden. — Am Schluffe der gestrigen Sitzung des Cabinets wurde erklärt, das Abkommen sei gerade fürAmerika in hohem Grade zufriedenstellend, besonders, da es die in der Note des Staatssekretär Hay vom 3. Juli enthaltenen Grundsätze aner kenne. * Vie», 22. October. Die „Wiener Abendpost" verüffentlilbt einen Auszug auS dem Berichte de- Commandeurs des österreichisch ungarischen Detachements, Winterhalden, über die Belagerung der Gesandtschaften. Darin wird mitgetheilt, daß am 22. Juni die vier in der englischen Gesandtschaft untergebrachten Gesandten an Macdo- nald den Oberbesehl übertrugen, obwohl sie in der Nacht vorher dem Detachementscommandanten Tbomann die Leitung der Ber- theidigung übertragen hatten. Trotzdem hatte Thomann bis zu seinem Tode die Bertheidigung in den Händen. Ferner veröffentlicht das Blatt ein Schreiben des englischen Admirals Seymour an Thomann und rin Schreiben des Brigadegenerals Doward an den commandirenden Linienschisssleutnant Jndrak in Tientsin, worin die beiden englischen Militärs der ausgezeichneten militärischen Unter stützung und der hervorragenden Tapferkeit der österreichisch-unga rischen Truppen die höchste Würdigung zollen, und wobei Admiral Seymour die Hoffnung aussprach, daß seine Expedition zur Festigung der glücklicher Weise zwischen beiden Staaten bestehenden Freund schaft und Achtung beitragen werde. (Wiederholt.) Plünderungen. Aus Tientsin wird dem „Ostasiat. Lloyd" geschrieben: 26. August: Freitag Morgen war ich auf meinem Speicher, um etwas aufzuräumen; den größten Theil der Zeit habe ich in dessen darauf verwenden müssen, um Soldaten, welche sich zum Plündern einschlichen, hinauszuwerfen. Kaum war ein Trupp Japaner fort, da waren auch gleich schon wieder die Russen da, um ihren Sold aufzubessern. Daran, ob ein Speicher ver schlossen ist oder nicht, kehrt sich das Militär wenig. Er wird eben dann einfach aufgcbrochen, und so kam es, daß ich inner halb vier Tagen drei neue Schlösser verbrauchte! Und alles dies geschieht unter den Augen einer französischen Wache, welche drei Schritte von meinen Gebäuden entfernt ist. Und mit eigenen Augen habe ich gesehen, wie französische Soldaten einen „Hong", der meinen Lagern gegenüber liegt, einer gründlichen Prüfung unterzogen. Wenn Soldaten, die zum Schutze unseres Eigen- thums dienen sollen, bei uns Diebstahl und Einbruch verüben, dann allerdings müssen wir das französische Sprichwort all mählich verstehen lernen, welches sagt: Gott schütze mich vor meinen guten Freunden! Dies Alles aber waren ja nur meine persönlichen Beob achtungen. Anvere wissen vielleicht lieblichere Thatsachen zu berichten. Das Schönste aber von allen Stückchen ist (und bleibt hoffentlich) das, was sich auf der Russisch-Chinesischen Bank ab gespielt hat. Dorthin hatte man, um ja recht sicher zu sein, eine Officierswache befohlen, die ihren Dienst so tadellos versah, daß man eines Tages den Tresor erbrochen und seines Inhaltes beraubt vorfand! 29. August. Vor einigen Tagen sind neue fran zösische Truppen von Hause angekommen; das erste, was sie thun, ist, daß sie am Hellen Tage, zwischen 12 und 2 Uhr, einen französischen Laden aufbrechcn, denselben theilweise plün dern, und einen daneben gelegenen chinesischen Fleischladen ganz ausrauben. Französische Wachen stehen in jeder Straße, und dem Schreiber dieser Zeilen ist es, wie auch verschiedenen anderen Herren, deren Speicher in der französischen Niederlassung liegen, vorgekommen, daß ihnen der Eintritt in ihre eigenen Baulich keiten verweigert worden ist, mit der Begründung, vaß strengster Befehl ertheilt sei, Niemanden in die bezüglichen Gebäude hin einzulassen. Wenn dieser Befehl auf das Genaueste durchge führt würde, so wäre uns das natürlich äußerst lieb, weil wir dann ja die Gewißheit hätten, daß uns der Rest der Maaren, der uns bisher noch nicht gestohlen war, sicher bliebe. Wenn man dann aber am folgenden Tage sehen muß, wie trotz dieses Verbotes die Wachen ruhig Japaner und Franzosen hineinlassen, um Sachen zu stehlen, so setzt daS doch Allem die Krone auf, was man von dem uns gewordenen Schutze erwartet hatte. Als er läuternde Thatsache füge ich noch hinzu, daß die französischen Soldaten von dem Zucker, der auf meinem Speicher liegt, eine größere Menge gestohlen haben und an Läden weiter verkauften. Einem meiner -Bekannten wurden vor einigen Tagen 30 Sack zum Kauf von französischen Soldaten angebotcn. EL fehlt nur noch, daß sie Auctionen abhalten! Der Krieg in Südafrika. General Buller. In der Ansprache, die General Buller in Pietermaritzburg am 17. October gelegentlich der Entgegennahme eines von der Bevölkerung Natals ihm gestifteten Ehrensäbels hielt, sagte er der „Daily Mail" zufolge: „Ich landete am 31. October vorigen Jahres in Capstadt, ein General ohne ein Heer. Meine Armee sollte mir folgen. Ich glaube nicht, daß irgend ein General mit Heer je einer so schwierigen Lage gegenüberstand, wie ich, als ich in Capstadt landete. Zu der Zeit waren Mafeking und Kimberley belagert, die zwei Hauptzugänge durch den Oranje-Freistaat — Bethnlie Bridge und Norvals Pont — in den Händen des Gegners, und Ladysmith war in solcher Lage, daß die Antwort auf mein erstes Telegramm dorthin mir sagte, daß cs nicht lange dauern würde, bis auch dieser Ort belagert sei. Zu der Zeit standen in der Capcolonie 2sH Bataillone Infanterie und ein Cavallerie- regiment, und in Natal, südlich von Ladysmith, 2 Bataillone Infanterie und einige Freiwillige, die sich zur Bertheidigung ihres Herdes gesammelt hatten. Meine Armee sollte nicht vor dem 22. December — also in sieben Wochen — eintreffen, und ihr wichtigster Bestandtheil, die Cavallerie und Artillerie, sollte in Folge der zur Einschiffung der berittenen Truppen erforderlichen Zeit zu allerletzt ankommen. Was sollte ich thun? Sieben Wochen warten? Und nach sieben Wochen? Die zwei Hauptzugänge in den Freistaat waren in den Händen des Gegners, und, einschließlich der Reise von 600 'AHleu durch die Capcolonie, würde es mindestens fünf Wochen in Anspruch genommen haben, nach Bloemfontein oder weit genug vorzurücken, daß man hätte hoffen können, die Situation in Natal zu beeinflussen. Hätte ich auf mein Heer gewartet und wäre dann vorgerückt, was wäre dann in der Zwischenzeit von zwölf Wochen in Natal geschehen? Was würde dem britischen Reiche in Südafrika zugestoßen sein? Ich glaube nicht, daß ein vernünftiger, mit den Verhältnissen vertrauter Mann hier ist, der nicht gesagt haben würde, daß, wenn kein: weiteren Truppen in Natal innerhalb zwölf Wochen angekommen wären, die Boeren ganz Natal besetzt haben würden. Und wenn sie es gethan hätten, welchen Einfluß hätte das in Europa und auf die Leute daheim ausgeübt? Welches Elend hätte die Bevölkerung Natals erdulden müssen! Sogenannte militärische Kritiker in englischen, französischen und italienischen Zeitungen haben mich getadelt. Man hat mir gesagt, daß ich dem Gegner gestattet habe, mir meine Strategie zu diciiren, daß ich unfähig war, die Pläne auszuführen, die ich vor der Abreise von England ge macht hatte, aber man hat mir nicht gesagt, was die Wahrheit ist, daß die Verhältnisse sich während meiner Reise von England völlig geändert hatten. Die Regierung ließ mir völlig freie Hand. Ich hoffe, ich bin nicht indiscret, fühle mich jedoch gedrungen, eine Geschichte von einem Manne zu erzählen, der mehr für Natal gethan hat als ich, der mein Vorgesetzter ist, und von dem ich viel gelernt habe. Nach meiner Ankunft in Südafrika erhielt ich ein Tele gramm von Sir Evelyn Wood, der die Schwierigkeiten mit mili tärischem Blick erkannte, die ich zu überwinden hatte. Er bat mich, ihn unter mir dienen zu lassen. Niemals in meinem Leben war ist so versucht, Jemanden beim Worte zu nehmen. Ich hatte mein Werk in Natal als verlorene Liebesmüh« anzu sehen begonnen und wußte, daß ich, wenn mir mein erster Versuch, Ladysmith zu entsetzen, nicht gelang, zu riskiren hatte, daß ich das Obercommando der Armee in Südafrika verlor. Ich kam hierher, mein Bestes zu thun, und that e». Ich denke, es wäre feig gewesen, hätte ich Sir Evelyn Wood Her kommen lassen, damit er das Risiko übernähme, während ich selbst sehr um mich besorgt war. Ich kam hierher, und mein erster Versuch, Ladysmith zu entsetzen, mißlang mir. Ich ver lor das Obercommando in Südafrika, und denke, mit Recht. Ich hatte mir eine Aufgabe gesetzt, und mußte sie lösen. Ich bin jetzt sehr froh, daß ich kam, da ich dadurch Gelegenheit erhielt, mit der tapfersten Armee vereint zu werden, die irgend ein General zu führen je die Ehre und daS Vergnügen hatte." Weiter sprach General Buller von den Schwierigkeiten des Feldzuges und Geländes. Der einzelne Soldat sei täglich im Feuer gewesen, und wohl kein Soldat in der Geschichte der Welt hätte derartiges durchmachen müssen. Kein General hätte bessere Informationen als er erhalten, und zwar von den Colonisten in den Districten, durch die er gekommen sei. Er hätte den englischen Zeitungen und den deutschen Kritikern sagen wollen, daß Leute, die an Ort und Stelle lebten, am besten wüßten, was hätte geschehen sollen, und was gethan worden sei. Wenn General Hildyard nicht Ende November in Estcourt gewesen wäre, würden die Boeren Pietermaritzburg genommen haben. Das wäre ein schreckliches Unglück gewesen, und er (Buller) hätte sich seiner selbst geschämt, wenn er und Hildyard's Leute in Capstadt stillgesessen hätten. Die „Westminster Gazette" sagt bei Besprechung dieser Ansprache, in Wirklichkeit hätte sich in den Verhältnissen während Buller's Reise überhaupt nichts geändert, das mit ein wenig Intelligenz nickt hätte vorausaesehen werden können. Sir Redners Buller füge sich durch obige Behauptung der langen Liste jener Personen an, die sich grob« und unger«chtfertigie Rechnungsfehler hätten zu Schulden kommen lassen. " Kapstadt, 22. October. Infolge der neuerdings wachsenden Thätigkeit der Boeren im Oranjefreistaat und der zunehmenden Geneigtheit derjenigen Boeren, die den NeutralitätSeid geleistet haben, die Boeren zu unterstützen, entschieden sich die Militär behörden für kräftige Maßnahmen, um die marodirenden Truvps niederzuwerfen und jede Verletzung deS EideS streng zu be- strafen. (Wiederholt.) Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. October. Daß vaS deutsch-englische Abkommen von dem größten Tbeile der deutsche" Presse günstig besprochen wird, babcu wir schon gestern feststellen können. Heute, nachdem sicb über blicken läßt, was die von der Mehrheit abweichenden Blätter auf die Kritik ihrer Auslassungen und Ausstellungen zu ent gegnen wissen, läßt fick sagen, daß daS Abkommen im Bater- lande überall da gebilligt und begrüßt wird, wo man es richtig verstanden bat. Dem neuen Reichskanzler wird es nickt schwer werden, im Reichstage dieses Berständniß aus allen Bänken des HauseS zu erwecken, auf denen überhaupt Neigung vorhanden ist, sich belehren zu lassen. Die „Nat.- isj Der Lundschuh. Roman von Woldemar Urban. Nachdruck »erbvl«. „Aber was soll ich denn in Hohnack?" „Sanz einfach. Veit wird erfahren, daß Du in Hohnack bist. Ich sorge dafür. Er wird sich nach Hohnack, wo er nichts zu fürchten hat, eher finden, als nach RappoltSweiler, wo er mißhandelt und wahrscheinlich auch bedroht worden ist und wo man- ihn jedenfalls Lieder ins Loch steckt, sobald er sich sehen läßt. Hier wirst Du ihn nie sehen, Friedel, dort aber sehr bald. Mein Wort darauf. Du gehst also mit nach Hohnack? He?" „Wann gehtS fort?" „Morgen, mit Tagesanbruch." „Ich komme mit. Lieber heute als morgen." „Ich wußte eS", sagte Laufbartel und strich sich zufrieden über den Bauch, als ob er bon seiner diplomatischen Begabung soeben wieder eine schwere Probe abgelegt hätte. „Run aber noch EinS", fuhr er dann fort, „Du mußt sofort mit unS auf- Schloß, Friedel. Willst Du?" „Natürlich. Warum soll ich denn nicht wollen?" „Sehr richtig, damit Du aber auch weißt, um was es sich handelt, so muß ich Dir noch erklären, daß eS sich als nöthig erwiesen hat, daß die Frauensleute die Reise verkleidet machen müssen." „verkleidet?" „Ja. Nur keine Angst. Du setzest Dich als fahrender Gcholast oder al» war immer auf» Pferd, und in fünf Stunden bist Du in Hohnack. Aber eine Verkleidung muß sein, zunächst um so wenig Aufsehen wie möglich zu machen. Man will die Stadt nicht beunruhigen. Dann aber auch, weil sich in der Umgebung allerhand Dieb»- und Räubergesindel zeigt. Alle Straßen und Weiler liegen voll verdächtiger Gesellen, denen nicht zu trauen ist. Aber Du wirst da» schon Alle» von unserem gnädigen Fräulein erfahren. Sie erwartet Dich. Komm." Da e» sich nicht ziemte, daß ein ehrbare» Bürgermädchen allein mit einem Manne — und wenn e» auch der Laufbartel war — über die Gasse ging, so wurde die alte Machtild herbei geholt und ihr der Fall auteinandergesetzt. Sie machte zwar den Einwand, daß e» Freitag sei, ein Tag, an dem man wichtige Sachen keinenfall» unternehmen dürfe, aber Bartel beruhigte sie, indem er ihr_sagte,_d«ß heute.der erste Tag de» zunehmenden Mondes fei, ein Zauber, der stärker als jener deS Freitages sei und ihn also aufhebe. DaS leuchtete der alten Machtild ein und mit neuen diplo matischen Lorbeeren geschmückt, machte sich Laufbartel mit den zwei Frauen auf den Weg. Auf dem Schlosse angekommen, brachte ein Diener Friedel allein sofort zu Fräulein Edelinde, wie es ihm befohlen war. Friedel fand diese in einem hohen, mit dem Luxus jener Zeit auSgestatteten Gemach im ersten Stock. Auch Herr Ulrich war da, und eS schien Friedel, obgleich sie wenig darauf Acht gab und sie ganz andere Dinge im Kopfe hatte, als ob die Geschwister eben eine heftige Scene gehabt und mit einander unzufrieden seien. Schon an der Thür hörte sie Herrn Ulrich mit starker Stimme zornig sagen: „So will ich eS und so geschiehts. Das wäre neu, daß im Rappoltsteiner Schlosse das Frauenzimmer den Ton angäbe, nach dem gespielt wird. Hier bin ich Herr. Ich muß wissen, was die Zeit verlangt und die Noth gebeut, und Du hast nichts zu thun, als zu gehorchen." Als Friedel eintrat, sah sie, daß Edelinde weinte. Hastig stand sie auf und eilte auf Friedel zu, die sie noch viel herzlicher und stürmischer empfing, als das erste Mal. Ulrich ging fort und ließ die beiden jungen Mädchen allein. DaS war ein Fragen und Forschen seitens Edelinde'S, wie es Friedel noch nicht vorgekommen war, eine Aufregung, eine ge wisse kummervolle Angst, wie Friedel sie wohl an sich selbst kannte, aber an dem vornehmen Edelfräuleiu nicht für möglich gehalten hätte. Aber Friedel merkte doch recht bald, daß Fräulein Edelinde sich in derselben Herzensnoth befand, wie sie selbst. Daher da» lebhafte Interesse, die stürmische Zärtlichkeit, daS athemlose Fraaen. Nur konnte Friedel, so gern sie sich hatten, auf die meisten Fragen Edelinde'» keine Antwort er- theilen. Wa» Beit im Thurm vaffirt sei, wa» er von dem Junker von Hohnack und Wolf Haßflug erzählte, waS er mit diesem vorgehabt und Aehnliche» wollte Edelinde von Friedel wissen, und diese wußte nichts davon. WaS wußte sie denn überhaupt von Beit? Wenn Edelinde nach dem Ton seiner Stimme, nach dem Hellen, herzlichen Aufleuchten seiner Augen, nach dem zierlichen Schwung seiner Lippen, nach der frischen, weichen Art seiner Züge und seines ganzen Wesens gefragt hätte, würde sie von Friedel namentlich eine sehr umfängliche und genaue, wenn auch etwas schwärmerisch« Antwort erhalten haben, aber von dem, waS Edelinde fragte, wußte Friedel nicht viel. Daß Diepold von Andlau als zukünftiger Herr und Ge mahl Edelinde'» betrachtet worden, war in her ganzen Stadt bekannt, und auch Friedel hatte davon gehört. Nun war aber dieser Herr mit seinem Gefolge bei Nacht und Nebel auS RappoltSweiler fortgezogen und Friedel hatte in der Stadt selbst gehört, daß die Leute darüber sehr froh waren 'sind dem „Der- räther" Verwünschungen der schrecklichsten Art nachgerufen, aber es war ihr neu und verwunderlich, daß diese Vorgänge auf Edelinde offenbar, einen ebenso niederdrückenden kummervollen Eindruck gemacht, als etwa die Flucht Veit's auf sie. „Wir werden das Alles wissen", sagte endlich Edelinde mit einer ge wissen Resignation. „Hat Dir Bartel von Veit erzählt?" „Nein. Er wußte ja nichts", antwortete Friedel unschuldig. „Er hat Dir nichts sagen wollen, weil er gefürchtet, Du plauderst es unbedachtsam aus. Aber wenn Du mir schwörst, Friedel, nichts zu verrathen, so will ich Dir sagen, was Bartel von Veit erfahren hat." „Ich schwöre, bei was Ihr wollt, und ich werde ganz ge wiß nichts verrathen", betheuerte Friedel mit leuchtenden Augen. „Also höre. Veit hat nach seiner Flucht aus dem Thurm bei dem Einsiedler unterhalb der Giersbura Zuflucht und Schutz gefunden. Da er sich al» Pfeifer der Gilde Rappolts- weiler ausgewiesen und sehr krank und hilfsbedürftig gewesen ist, so hat sich Fra Domenico an den Pfeiferkönig Bartel gewandt und dieser hat zunächst mir davon Mittheilung ge macht." „Krank und hilfsbedürftig? Wir müssen sogleich —" „Sei nur still und sag' kein Wort. Er ist schon Alle» be sorgt. Wenn Du ein Wort sagst, Friedel, so ist Veit verloren, denn er hat sehr heftige Feinde." „Aber er ist doch wieder gesund?" „Sei nur ohne Sorge. Wir haben seine Spur, und wer weiß, wie bald Du ihn wiedersiehst, wenn Du mit un» nach Burg Hohnack ziehst. Du kommst doch mit?" Natürlich ging Friedel mit. Keine vier Pferde hätten sie zuriickgehalten, und wenn Herr Richbert etwa Umstände machen sollte, so würde sie so lange betteln und schmeicheln, bi- er keine mehr machte. Sie hatte darin eine große Uebung und Meisterschaft, so daß sie in dieser Hinsicht ziemlich sicher war, und die beiden jungen Mädchen machten stch sehr aufgeregt unv eifrig darüber her, ihre Vermummung für morgen zu besorgen. Die Urberführung der Frauen auS dem RappoltSweiler Schlosse nach der damals für uneinnehmbar gehaltenen Burg Hohnack sollte ohne alles Aufsehen vor sich gehen. Nur schwer hatte sich Herr Ulrich dazu entschlossen. Aber rings um daS Rappoltsteiner Gebiet tobt« die Flamme de» Aufruhr» immer drohender und gefährlicher, so daß e» die klug« Vorsicht gebot; Frauen und Kinder der am meisten bedrohten Herrenfamilien in Sicherheit zu bringen. Gewissenhaft, wie Ulrich von Rappolt stein war, glaubte er die schwere Verantwortung, die auf ihm nicht nur in Bezug auf sein Haus, sondern auch in Bezog au* Stadt Rappoltswerler und die ganze Rappoltsteiner Herrschast, lag, nur bei größter Umsicht und Vorsicht tragen zu können, und so wollte er nichts versäumen, was zur Sicherung seiner Familie beitrug. Aber man sollte diese Vorsicht nicht al» Sturmsignal auffaffen. Man sollte nicht sagen: „Der Herr bringt seine Frauen fort. Nun geht'» loS." Deshalb hatte er befohlen, ohne jedes Aufsehen zu verfahren. So öffnete sich denn noch lange vor dem ersten Dämmer schein des Morgens die Ausfallpforte deS Schlosses, durch die man direct ins Freie gelangte, ohne die Stadt zu berühren, und aus ihr heraus bewegte stch die kleine Karawane, voran einige Landsknechte zu Pferde, dann Laufbartel, ebenfalls hoch zu Roß, so beschwerlich ihm das auch war, hinter ihnen die Herrin von Rappoltstein, Frau Anna Alexandrina mit ihrem kleinen Töchterchen in einer Sänfte. Sie war nicht verkleidet. In dem Zustand, in dem sie sich gerade zu jener Zeit befand und der Herrn Ulrich auch veranlaßt, Rücksicht zu nehmen, hätte ihr eine Verkleidung nichts genützt. Aber die Sänfte war tief ver hängt. Dann folgten Edelinde von Rappoltstein und Friedel als Scholaren in lange schwarze Talare gekleidet, da» Haar unter breiten schwarzen Hüten aufgebunden, ebenfalls zu Pferde, Koffer und Kasten auf Maulthierwagen, auf denen wieder Pferdejungen, Küchenpersonal und sonstige Dienerschaft Platz genommen hatten. ' Heimlich sprach Herr Ulrich noch am Thor mit seiner Ge mahlin. „Der Vogt von Hohnack ist ein treuer Mann", sagte er. „Du kannst Dich unbedingt auf ihn verlassen. Würde ich Euch sonst dorthin schicken? Du hast ihn ja noch in voriger Woche hier ge sehen. Also nur Muth, Anna." „Leb' wohl. Und sende mir alle Tage Voten, Vie e» Such hier geht." „Ade! Grüße meinen Vogt Cilg auf Hohnack." So bewegte sich der Zug daS Strengbachthal hinauf und war bald in dem schwarzen Tann, der sich fast bi» zum Schloß heran zog, verschwunden. Die Stadt lag noch im tiefen Schlafe, al» ob Niemand auch nur eine Ahnung von dem Vorgang hätte, nur die Lerchen schmetterten hoch in der Luft, Luch» und Fuch» strichen schon zwischen den Baumstämmen umher, nach Beute lugend, hier und dort balzte ein Auerhahn, hämmerte ein Specht — lauter Zeugen, von denen (in Verrath nicht zu fürchten war. Wer auch a» man schon »eit entfernt von der Stadt war, so daß man sich wohl ein laute» Wort und eine aufmuntrrnda
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite