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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.10.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001030026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900103002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900103002
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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Amtsblatt des Hönigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Dienstag den 30. October 1900. Anzeige«-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Nedactionsstrich (4 gespulten) 75 H, vor den Familiennach richten l« gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahine 25 H (excl. Porto). Srtra Neilagen lgesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./t 00.—, mit Postbesörderung .U 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck uud Verlag von E. Polz in Leipzig. SL Jahrgang. Die Wirren in China. Zur Ermordung de» Freiherrn von Krittler veröffentlicht der „L.-A." einen eingehenden Bericht seines Sonderberichterstatters Herrn Hauptmann O. Dannhauer auS Peking vom 30. August. Wir entnehmen dem Schreiben zunächst die Mittheilung, daß die Leiche des Ermordeten jetzt im Garten der deutschen Gesandtschaft beigesetzt ist. Als dann schreibt Herr Dannhauer: „Dank den unausgesetzten Nachforschungen des Dol metschers Herrn CordeS aber wird eS neuerdings mehr und mehr zur Gewißheit, daß der AnstifterderMord- that kein Geringerer, als der Vater des Thronfolgers und zugleich Hauptprotector der Boxer, der enrazirte Fremden basser Prinz Tuan gewesen ist, der sich zur Ausführung seines scheußlichen Vorhabens deS Polizeiministers Ts Sun gli und dessen Kreaturen bediente. Unter diesen Umständen halten eS auch hiesige genaue Kenner der Ver hältnisse für sehr wahrscheinlich, daß auch die Kaiserin- Regentin von dem Mordplan Kenntniß erhielt und ihn sanctionirt hat. Greisen wir bis zum 13. Juni zurück. Peking, die Riesenstadt, befand sich schon seit vielen Tagen in fieber hafter Erregung. Uebten in ihr doch bereits große Horden von Boxern ihr licktscheueS Treiben mit Brandstiftung, Mord, Raub und Hetzereien, ohne irgendwie darin von der Regierung gestört zu werden, trotzdem diese fort gesetzt versprach, gegen sie einzuschreiten. Mit jedem Tage wurden die Kerle frecher. In größeren und kleineren Haufen durchzogen die Boxer die Straßen — leicht kenntlich an ihren rothen turbanartigen Kopftüchern, dem rothen Strickgürtel und den alten Schwertern und Spießen, die sie als Waffen führten! Sie predigten dem Volk, gemeinsam mit ihnen die fremden rotbeu Teufel todt zu schlagen und zu verbrennen. Bis ins eigentliche Europäer viertel, bis in die Gesandtschaftsstraße hatten sie sich bisher doch uoch nicht gewagt. Da tauchten am 13. Juni, gegen 9 Uhr Morgen-, plötzlich auch zwei dieser fanatischen Kerls in der Gesandtschaftsstraße auf. In Begleitung eines jungen Mädchens fuhren sie auf einer chinesischen Karre am Thor der deutschen Ge sandtschaft vorüber, in welchem der Kanzleischreiber Piffer- ment stand und durch welches eben der Gesandte Frbr. v. Kettcler auf die Straße hinaustrat. Der Gesandte zögerte keinen Augenblick, persönlich einzugreisen. In Gemeinschaft mit Pifferment versuchte er das Kleeblatt fest- zunehmeu, was jedoch nur bei einem der Boxer gelang; der andere und das Mädchen entkamen leider. Der Ge fangene, ein gut gewachsener Bursche von etwa 18 Iabren, mit einem wilden, fanatischen Ausdruck in seinem sonst hübschen Gesicht, war mit einem alten, verrosteten Schwerte bewaffnet. Daö wurde ihm abgenommen, er selbst gebunden in die Gesandtschaft gebracht, dort hinter Schloß und Riegel gesetzt und ihm ein Posten vor die Tbür gestellt. Dann schickte der Gesandte sofort den Dolmetscher vr. Cordes in das Tsung li Damen mit dem Auftrage, dort das Vorgefallene mitzutheilen und zugleich anzukündigen, daß er (Baron Ketteler) den Boxer am nächsten Tage werde erschießen lassen. Sehr bemerkenSwerth erscheint, daß die chinesischen Straßenpassanten, die der Arretirungs- scene beiwohnten, dieselbe durchaus zu billigen und sich über die Festnahme zu freuen schienen. Kurz zuvor hatten die Boxer an sie eine Ansprache gebalten und sich dabei verschiedener von ihnen begangener Morde gerühmt. Nicht lange danach kehrte vr. Cordes vom Tsung li Namen mit dem Bescheide zurück, der Polizei Minister Tschung li werde am Nachmittage selbst zur Ver handlung über den Boxer in die Gesandtschaft kommen. Gegen r/z3 Uhr traf dieser unter Eskorte von 30 Reitern ein, begleitet von den beiden Polizeipräfecten, von denen einer, der Herzog Lau, ein Bruder des Prinzen Tuan ist. Der Empfang, den diese Herren bei dem deutschen Ge sandten fanden, war keineswegs der beste. Als sie baten, ihnen den Boxer auszuliefern, verweigerte Frbr. v. Ketteler das nicht allein aufs Bestimmteste, sondern er sagte ihnen auf den Kopf zu, daß sie falsches Spiel trieben, mit den Boxern unter einer Decke steckten, und den Gefangenen nur haben wollten, um ibn sofort wieder in Freiheit zu setzen. Alle ihre gegentbeiligen Versicherungen balfen den schlauen Man darinen nichts; der Gesandte blieb fest. Wohl aber ließ er schließlich den Boxer vorfübren, und nun geschah etwas, waS der Polizeiminister sicherlich nicht erwartet hatte. Als nämlich der Letztere den Gefangenen fragte, wie er sich zu solchem Treiben in der Gesandtenstraße habe erfrechen können, antwortete dieser lakonisch: »Der Polizei wachtmeister in der Hatamen-Straße hat eS mir selbst befohlen, im Gesandten» iertel Brandstiftungen vorzunebmen!" Großes Tableau für einen Moment; dann zogen die chinesischen Polizei gewaltigen ab. Nachdem Herr Dannhauer verschiedene Einzelheiten über die Vorgänge, die sich in den Tagen unmittelbar vor Er mordung des Gesandten abgespielt haben, mitgetheilt, kommt er auf die bekannte Besprechung der Gesandten zu reden, in der beschlossen wurde, an den Tschung li Damen eine gemein same Note zu richten und gleichzeitig anzufragen, ob eine mündliche Unterredung am nächsten Morgen um 9 Uhr möglich sei. Der Bericht fährt sodann fort: „Frhr. v. Ketteler ließ es aber bei dieser bloßen An frage nicht bewenden, sondern theilte außerdem in einem zweiten persönlichen Schreiben nach dem Damen mit, daß er am nächsten Morgen um 9 Uhr bestimmt sich im Damen einfinden würde und bitte, daß dann einer der Prinzen anwesend sei, um mit diesem Rücksprache nehmen zu können. Die übrigen Gesandten riethen Herrn v. Ketteler von diesem Besuch entschieden ab; er aber blieb fest, und seine Mittheilung ging ab." So wußten denn — und das ist hochwichtig — die höchsten Würdenträger bereits am 19. Abends, daß der deutsche Gesandte am andern Morgen zwischen 8>/s und 9 Ubr den Weg von derGesanvt- schaft zum Damen zurücklegen würde. Vor Kurzem ist nun auch bekannt geworden, daß noch am späten Abenddeö 19. Juni demPolizeiministerTschung li vom Prinzen Tuan befohlen wurde» jeden Europäer, der am anderen Morgen versuchen sollte, sich dem Tsung li Damen zu nähern, einfach niederschießeu zu lassen! Damit ist der bündige Beweis erbracht, daß Prinz Tuan persönlich die Mordlhat angestiftet hat. Tie militärischen Operationen. AuS Tientsin, 28. October, meldet „Reuter'S Bureau": Die Expedition, die von hier am 22. October nach Hsing ho und Paoti abging, kehrte heute hierher zurück, ohne zu einem Kampfe gekommen zu sein. 4000 Boxer batten, wie berichtet worden war, bei Paott sich der dem Herannahen der Erpedition zerstreut. Man befürchtet hier, daß sich jede Expedition gegen die Boxer als verfehlt erweist, da diese, obwohl sie nach wie vor die eingeborenen Christen verfolgen, sich zerstreuen und die Waffen verbergen, sobald sie von der Annäherung der fremden Truppen Kenntniß erhalten. General Gaselee meldet aus Paotingfu unter dein 24. Ortober: Nach den Anordnungen deS^ Feldmarschalls Graf Waldersee kehren die britischen Truppen nach Peking und Tientsin zurück, wo sie am 6. November eintreffen. Sie werden mit den deutschen und italienischen Truppen gemeinsam operiren. Die nach Peking zurückkehren den Abkheilungen marschiren in drei parallelen Linien, um auf dem Wege befindliche Boxer abzufangen. General Richardson befehligt die Hauptcolonne. Tie unter dem Befehle deS Generals Campbell stehenden Truppen kehren ohne besondere Beschleunigung nach Tientsin längs deS rechten Ufers des Flußlaufs, der von Paotingfu nach Tientsin führt, zurück. Auch diese Truppen fahnden auf Boxer. Eine Recognoscirungsabtheilung bengalischer Lanzenreiter traf am 22. October 30 Meilen von Paotingfu auf Boxer und tödtete etwa 20. Die Gesundheit der Truppen ist gut. Nach dieser Meldung gewinnt eS den Anschein, daß ein weiteres Vordringen auf Taiyanfu dock nicht beabsichtigt ist. Es wäre wohl auch zwecklos, da die Boxer sich auch dort den Verbündeten nicht stellen würden und ein weiteres Verfolgen derselben in das Innere Chinas mit schon wiederholt erörterten großen Gefahren verknüpft wäre. Ermordete Missionare. Nach der Eroberung von Paotingfu kommen neue Nach richten über die namenlosen Greuel, welche Boxer und reguläre chinesische Truppen unter Zulassung der verantwort lichen Behörden an Missionarfamilien verübt haben. Es wird hierüber aus London, 29. October, gemeldet: AuS Peking wird gemeldet: Die in Paotingfu geretteten Missionare erzählen folgende Einzelheiten: Sie wären von den Boxern bei den Haaren von Paotingfu nach Sinan geschleift und drei Meilen weit mit zusammengebundenen Händen und Füßen au Pfählen getragen worden. In Sinan wurde der Kopf von Miß GreigS auf einen Stein gelegt, und ein Henker that, als wollte er sie köpfen, als Befehl auS Paotingfu kam, sie dorthin zu bringen, Green, der in den Kopf geschossen war, erhielt keinerlei Pflege und soll jetzt schwer an Dysenterie krank sein. Folgende andere Missionare wurden ermordet: Taylor, das Ehepaar Sincox und drei Kinder wurden lebendig verbrannt; Miß Morrow wurdeNacktS durch die Straßen geschleift, vergewaltigt und dann enthauptet. Toctor Hovge und Frau und eine Dame wurden lebendig verbrannt. Miß Gould starb vor Entsetzen, als sie auf die Straße gezerrt wurde. Mr. Pilkin wurde beim Predigen überfallen und erschossen, als er nach Hause lief. Das Ehe paar Vognel floh mit seinem Kinde zu den kaiserlichen Truppen, welche sie den Boxern auslieferten. Diese köpften das Kind und spießten die Anderen auf. Der Provinzial kämmerer von Paotingfu wurde deswegen von dem Com- mandeur der Verbündeten verhaftet. Tas -entsch englische Abkommen. Staatssekretär Hay ließ, wie unS auS Washington, 29. October, berichtet wird, gestern Nachmittag nach Berlin und London die Antwort der Regierung der Vereinigten Staaten auf die Noten der deutschen und der englischen Regierung, betreffend das deutsch-englische Abkom men, abgeben. Die Antwort wird erst, nachdem sie in Berlin und London auSgehändigt sein wird, veröffentlicht werden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. Oktober. In der „Germania" wirft sich ein Correspondent aus Plauen i. V. zum Vertheidiger des Priester Prinzen Mar auf. Er giebt zunächst Auslassungen des Herrn Super intendenten Lieschke wieder, mit denen dieser auf der vor wenigen Tagen in Plauen abgebaltenen Diöcesanversammlunz die Erregung kennzeichnete, die sich ter Stadt Planen wie der ganzen Epborie in Folge der die protestantischen Ge- müther aufs Tiefste verletzenden Predigt des Prinzen Max vom 14. d. Mts. in Plauen bemächtigt hat, und knüpft daran Folgendes an: „Woher es nur kommt, daß die protestantischen Pastoren sich so häufig mit den Predigten beschäftigen, welche in katholischen Kirchen gehalten werden? Oder ist es etwa nicht an dem, daß sie „Anders- gläubige" sind, als die Katholiken? Es ist doch wahrlich keine Groß- that, immer und immer wieder über die Handvoll Katholiken herzu ziehen, die froh wären, wenn man sie alle nach ihrer Weise leben lassen wollte. (Vergl. Wechselburg rc.) Ob sich die Bewegung in Plauen wie in der ganzen Ephorie auch der Socialdemokraten bemächtigt hat, die der Hirtensorge des Herrn Superintendenten unterstehen?" Es ist eine Nnwahrhaftigkeit sondergleichen, den Prote stanten in Sachsen oder den protestantischen Geistlichen zu unterstellen, daß sie aus reiner Lust am Streite immer und immer wieder über die „Handvoll Katholiken" herfielen und diesen das Leben verleideten. Das heißt denn doch mit jesuitischer Geläufigkeit den Spieß umdrehen, denn bei allen Anlässen, die eine tief gehende Bewegung in protestantischen Kreisen hervorriesen, waren diese die Angegriffenen und Anhänger der katholischen Kirche die Angreifer. Sich dagegen zu wehren, ist nicht nur ein gutes Recht, sondern angesichts der besonderen Verhältnisse in Sachsen, bei denen unter Um ständen ganz Anderes auf dem Spiele steht, eine heilige Pflicht. Wir wollen uns das Vertrauen, das das protestantische sächsische Volk mit seinem katho lischen Königs Hause verbind et, durch Nie manden, er sei wer er wolle, erschüttern lassen. Wenn die „Handvoll Katholiken" in Sachsen das berechtigte Bedürfniß empfinden, nach ihrer Weise zu leben, so mögen sie nur dafür sorgen, daß man auch die Protestanten nach ihrer Weise leben läßt. DaS ist nicht geschehen, als von der Kanzel der katholischen Hofkircke in Dresden durch den Prinzen Max die Aufforderung an die evangelischen Sachsen erging, römisch-katholisch zu werden; das war nicht der Fall in der sog. „Kniebeugungs frage", die dann durch daS hochherzige Eingreifen deS Königs zur allgemeinen Zufriedenheit gelöst wurde; daS ist ferner nicht geschehen in der vielberufcnen Plauener Predigt. Es wird zwar behauptet, Priester Prinz Max habe in einem nach Plauen gerichteten Briefe erklärt, er habe mit der Be zeichnung „inücketi" lediglich Ungläubige und Gottesleugner, nicht aber die Protestanten gemeint. Aber wer weiß denn nickt, daß die römische Kirche gerade auf die Protestanten diese Bezeichnung anwendet? Und wenn der prinzliche Redner die Italiener nicht vor den Protestanten und dem Umgang mit ihnen gewarnt haben will, wo ist dann in Frnrlleton iss Der Lundschuh. Roman von Woldemar Urban. Nachdruck «erboten. Nun waren in dem Tannenwald«, durch den er, eifrig spähend, ritt, «ine Menge kleiner, kaum fußhoher Hügelchen von herunter gefallenen und getrockneten Tannennadeln, wie sie in solchen ein samen Waldungen di« Ameisen Zusammentragen, um ihren Bau gegen Frvst und'Schnee zu schützen. Diese Hügelchen standen bald an den Füßen alter Baumstämme, bald in wind- und wetter geschützten FelShöhlungen, in altem Wurzelwerk, hinter gefallenen und schon wieder verwitttrttn und verwachsenen Bäumen- Ein solches Hügelchen, das hinter einem wohl schon vor Jahrhunderten gestürzten Baumriesen lag, wählte Wolf Haßflug zu seinem Ver steck. Der Ort war leicht zu merken, kheils eben dieses alten Baumes wegen, theils aber auch wegen gewisser absonderlicher Felsbild'ungen in der Nähe deS Verstecks. Deshalb wählte Wolf Haßflug wohl auch d«n Ort, den er sich trotz der Finsterniß genau ansah, um ihn seinem Gedächtniß einzuprägen und später wiederzufinden. Rings umher herrschte tiefes Schweigen, nur der Wind pfiff leise durch die Baumkronen und warf die Wipfel rauschend und Prasselnd aneinander. Endlich machte sich Wolf daran, den Haufen zur Seite zu werfen, dann ein etwa fußtiefes Loch in den Boden zu graben, sein Gold, in einen Tuchfetzen gewickelt, hinein zu senken und dann Alles wieder herzurichten, wie es vorher war. Auch die Nadeln ihürmte er wieder über dem zu geworfenen Loch zusammen, um auch für den Fall, daß sich Jemand zufällig hierher verirrte, jede Spur deS frisch gegrabenen Loches zu verwischen. Das Schicksal oder der Zufall wollt«, daß Wolf Haßflug sich seinen Versteck kaum hundert Schritte entfernt von dem Orte wählt«, an dem vor einiger Zeit Veit Led mit Hilf« d«S Ein siedlers Domenico semam Vater, dem alten Jorrg, dir letzte Ruhe stätte bereitet. Wäre «» Tag gewesen, so hätte Wolf Haßflug den Drabeshügel mit dem unscheinbaren Holzkreuz darauf viel leicht ziehen Vielleicht hätte Wolf dann auch di« lange dunkle Gestalt deS Ginsiedlers bemerkt, die, aufmerksam geworden durch daS Geräusch, ntit dem Wolf sein Pferd anbanv. und dann arbeitete, herbeigekommen war und nun den Landsknecht bei seinem nächtlichen Thun, hinter einem Baumstamme stehend, be lauschte. Aber Wokf sah nicht». Für ihn war innen und außen Nacht. Er taumelte in wilder, leidenschaftlicher Tollheit, wie blind, seine Ledensstraße dahin. Ira Domenico sagte natürlich auch nichts. Er sah ja sehr Wohl, wie das ungestüme, sturmbewegte Meer des Lebens bald das, bald jenes des armen, in Schmerz und Freude, in Lust und Uebermuth, oder in Trauer und wildem Herzweh zappelnden Menschenkindes in seine schweigend« Einöde, in sein lebendiges Grab warf. Er sah den Traum der Leidenschaft, der das Leben für ihn war, die Traumgestalten, die an ihm vorüber wankten wie Schemen, die wilde Wuth wie di« sinnverlorene Trauer, kalt und leidenschaftslos hörte er das Getöse des Lebens, sah das leidenschaftliche Hasten und Jagen der Menschen wie das Fauchen des Sturmes, das über das Meer fährt, der auch daher braust, man weiß nicht, woher und wohin, ohne Zweck und Sinn. Keuchend und schnaubend stand Wolf Haßflug endlich Wied«: auf und schaute sich nach gethanrr Arbeit noch einmal suchend und prüfend um. Er wollte sich den Ort so genau wie möglich einprägen, damit er auch später seinen Schatz wiederfinoen könne. Endlich haschte er wieder nach seinem Pferd, schwang sich in den Sattel und jagte davon. Er hatte es eilig. Der Junker von Hohnack, der sich nach seiner Flucht aus Rappoltsweiler an die Spitze des schon in den Nachmittagsstunden abmarschirten Bauernhaufens gesetzt hatte, sollte ihn nicht vermissen. Wolf war in dieser Nacht einmal im Zug« und hatte sie ihm so viel gewährt, so sollte sie ihm auch noch Weiteres gewähren. Vogt von Hohnack oder etwas dergleichen hoffte er, so sein« Roll« in Rappoltsweilrr nun doch ausgespielt war, mindestens zu werden. Am Kloster Alspach holte Wolf Haßflug drn Bauernhaufen wieder ein, der ihm schon hier stark gelichtet erschien. Offenbar hatten Viel« von ihnen der in Rappoltsweilrr erhofften leichten Beute wegen den Haufen wieder verlassen und waren umgekehrt. Zudem waren sie hier und dort verzettelt, nach Reichenstein, Alt- wihr und in di« benachbarten Gehöfte abgeschwenkt, um sich für die entgangene Beute schadlos zu halten. Auch dem Kloster Als- pach hatten sie einen Besuch ^ibgestattet, und es war zu fürchten, daß man bis nach Hohnack noch mehr von den Mannschaften verlor und zu schwach oder gar nicht dort ankam. Aber sowohl Wolf Haßflug wie auch der Junker von Hohnack hatten Eile, weil sie wohl wußten, daß ihr ganzer Erfolg von der Schnellig keit adhing, mit der sie sich der Burg bemächtigten. Verging die Nacht, ohne daß etwas Entscheidender geschah, so wurde di« ganze Unternehmung zweifelhaft, weck jede Smnde dann der Vurg- b-satzung Verstärkung bringen konnte, während ihr Haufen immer schwächer zu werden drohte. .Ruft Surr Leute zusamm«n, Hauptmann", hörte Wolf drn Junker von Hohnack laut scheltend zu Lenz Mayer sagen, „wir müssen vorwärts, wenn wir überhaupt etwas ausrichten wollen." Lenz Mayer hielt unten an der Klosterschänke und schien wertig genügt, Befehle von irgend Jemand anzunehmcn. „Reitet Jyr immer zu, Herr Junker, wenn Ihr so eilig seid", erwiderte er, leicht spöttelnd, „wir haben Zeit." Der Junker wurde hitzig. „Was soll das heißen?" entgegnete er scharf. „Wenn Ihr gedenkt, Euch meinen Befehlen zu widersetzen, so sollt Ihr gleich merken, wie Ihr mit mir dran seid." „Jyr habt nichts zu befehlen", warf der Schneider von Huna- Weier dazwischen. Junker Neidhart sah sich den Mann zornig vom Kopf bis zu den Füßen an. Ein zum Bauernhauptmann avamirter Dorf schneider wollte ihm imponiren! So war das nicht gemeint. Er 'betrachtet« sich als Einzigen Anführer des Hausens. So war die Abmachung, und nur unter dieser Bedingung hatte er es unternommen, den Bauern die Thore von Rappoltsweiler zu öffnen und ihnen die Stadt sozusagen an Händen und Füßen gebunden zu überliefern. „Ruft die Leute zusammen, oder " begann er drohend und legte die Hand an den Degengriff. Wolf Haßflug kam gerade zur rechten Zeit, sonst wäre schon hier der Conflict zwischen den Beiden ausgebrochen. „Vorwärts", rief er geschäftig und anfeuernd dazwischen, „wollt Ihr Euch den fettesten Bissen der Nacht durch unzeitiges Hadern untereinander entgehen lassen? Habe ich r» nicht selber gesehen, wie sieben Wagenladungen voll Gold- und Silbergeschirr, Wein und Fleisch aus dem Schloß von Rappoltstein nach Burg Hohnack übergrfiihrt wurden? Wären Eure Leut« von Altweiler damals nicht zu dumm und zu betrunken gewesen, so hätten die Rappoltsteiner Schätze Hohnack nie g«sehrn. Es ist All«- hinauf gebracht worden, waS man in der Stadt nicht für sicher genug hielt, und Ihr wollt nun in Zank und Streit Euch selbst um den Lohn der ganzen Unternehmung bringen?" Das zog schon eher. Wolf war auch nicht blöde. Er halt« angeblich dabei gestanden, wie zwölftausend Gulden haaren Geldes, in grau« Leinwand-Säcke verpackt, im Schlosse zu Rappoltstein verladen worden waren, nicht zu gedenken der kost baren Geschirre im getriebenem Silber, der Humpen, jeder für sich an die zwanzig Gulden Werth, der Schmucksachen, theuren, mit Gold und Elfenbein ausgelegien Waffen, der vornehmen Kleider und Aehnlichem. Wolf wurde nicht müde, dem gierigen Schneider von Hunaweier mit mehr Phantasie als Wahrheitsliebe all' di« flitzenden Herrlichkeiten zu schildern, die man angeblich im Rappoltsteiner Schlosse auf sieben Wagen geladen und mit- sammt den Frauen des Herrn nach Burg Hohnack gebracht. „Und das soll uns Allen entgehen, Lenz?" predigte er halb laut und vertraulich in diesen hinein, „wegen einiger lausiger Kannen sauren Weines von Alspach? Fort, fort! Noch diese Nacht und wir sind Alle gemachte Leute." So brachte Wolf den Zug in verhältnißmäßig kurzer Zeit wieder auf die Beine. Er kannte seine Leute schon. Er brauchte ihnen nur reiche und leichte Beute oorzulügen, um sie in Feuer und Flammen zu versetzen. Natürlich war auch die Ueber- rumpelung der Burg nach ihm nur ein Kinderspiel, und wer ihm zuhörte — es spitzten bei seinen Erzählungen nicht W«nige die Ohren —, der kam zu der Ueberzeugung, daß man in oer Burg Hohnack nur zuzugrvifen brauch«, um als gemachter Mann aus der Affäre hervorzugehen. Indessen sollte sich die Sache doch «twas anders abspielen, als Wolf mit so vieler Bercdtsamkeii prophezeit hatte, und manches arme Bäuerlein, dessen Habgier und Raublust durch solche Ver heißungen aufgestachelt war, und nun munter, den Spieß in der Hand, dem Felsenneste zutrabte, sollte die Sonne nicht mchr auf gehen sehen. Keine halbe Stunde war-veraangen, seitdem der Versuch des Junkers von Hohnack, sich der Burg durch einen Handstreich zu bemächtigen, mißlungen war, als von allen Seiten, auch an den steilsten und unzugänglichsten, die Bauern auf die Burg anstürmten. Wir Mancher sank in der Nacht rn die Schluchten, mit zerbrochenen Gliedern und eingeschlagener Hirnischalr, ohne überhaupt einen Frrnd gesehen zu haben, wie Mancher rollte, wenn er schon glaubte, die Mauer erstieg«» zü haben, von einem unsichtbaren Schützen getroffen, wie ein Sack wieder den Felsen hinunter. Die Finsterniß trug auch dazu bei, den Kampf, das planlckse Sturmlaufen, zu einem furchtbaren zu machen. Der Himmel hatte sich mit Wolken umzogen, so daß auch der schwache Sternen schein verhüllt war, und die Stürmenden nicht sahen, toas rechts und links von ihnen passirte. Dadurch hörte jedes einmüttzrge Vorgshen auf, und di« Leute, aufgestachelt durch die Beutegier und von dem Wunsche erfüllt, der Erste in der eroberten Burg sein zu wollen, stürmt«» all« auf eigene Faust, ohne jede Kennt- niß der Oertlichkeit, ohne jede Unterstützung untereinander. Wäre eS hell gewesen, so daß dir Bauern hätten sehen können, welche gräßlichen Verluste ihnen dieser rasende und unüberlegte Sturm kostete, so würden sich die Uebrigdleibenden wohl zu einem gemeinsamen Vorgehen entschlossen haben. So aber verlor Jeder di« Uebrrsicht und blieb nur auf daS Nächstliegende angewiesen.
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