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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.08.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010803022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901080302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901080302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-03
- Monat1901-08
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Anzeigen »PretS die 6 gespaltene Petitzeile SS Reklame» »ntrr demRedactiovSstrich (»gespalten) 7S vor den Familirnnach» richten (»gespalten) SO Tabellarischer und Ztffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme LS H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbesörderuug 70.—. Anuahmeschluß sür Anzeigen: Nb end-Ausgabe: vormittag» IO Uhr. Morgea-AuSgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je «in« halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 382. Sonnabend den 3. August 1901. 85. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Aus London wird der Wiener „N. Fr. Pr." berichtet: Der Brüsseler Correspondent der „Standard" meldet von gestern, er höre aus bester Quelle, daß die Königin Wilhelmina jüngst geneigt war, durch eine hochgestellte Persönlichkeit die Einstellung der Feindseligkeiten in Südafrika vorzuschlagen, wenn Krüger einwilligen würde, die Autonomie unter Englands Suprematie anzunehmen und den Anspruch auf Unabhängigkeit, der von der holländischen Regierung jetzt als undurchführbar erachtet werde, aufzugeben. Als Krüger von der Absicht der Königin verständigt worden war, lehnte er mit seiner üblichen Hartnäckigkeit jede Intervention, welche den Boerenstaaten nicht völlige Unabhängigkeit gewähren würde, ab und führte das Beispiel Washington's an, welcher unter ungünstigeren Verhältnissen als die der Boeren viele Jahre für die amerikanische Unabhängigkeit kämpfte und schließlich seinen Zweck erreichte. Krüger scheine sich fortgesetzt an die Hoffnung zu klammern, daß internationale Verwickelungen den Boerenrepubliken schließlich Hilfe bringen dürften. Der Brüsseler Correspondent der „Daily Mail" erfährt, Krüger's Besuch bet Mac Kinley sei nunmehr fest beschlossen. Der Präsident werde die Amerika reise wahrscheinlich Mitte September in Begleitung von Fischer, Wessels und Wolmarans antreten. Eine Brüsseler Depesche der „Morning Post" meldet, im jüngsten Boerenkriegsrath in Ermelo unter Vorsitz Botha's wurde beschlossen, nun eine neue Taktik einzuschlagen, die einen Einfall auf portugiesisches Gebiet in sich schließe. Der Entschluß sei verursacht durch den zu nehmenden Mangel an Lebensmitteln im Boerenlager. Bei dieser Meldung scheint der Wunsch der Vater des Ge dankens zu sein. Die Boeren werden schwerlich geneigt sein, sich auch noch die Portugiesen auf den Hals zu ziehen, wobei nicht ausgeschlossen ist, daß einzelne bedrängte Abtheilungen es vorziehen, sich lieber den Portugiesen, durch Uebertritt auf por tugiesisches Gebiet, als den Engländern zu ergeben. Chamberlain über die Lage. In der gestrigen Sitzung des Unterhauses richtete bei der Debatte über das Colonialbudget Campbell Bannermann eine Reihe von Fragen an die Regierung über die gegenwärtige Lage in Südafrika. Er tadelte das dort verfolgte System, das Land zu verwüsten und Flüchtlingslager zu bilden. Vom militärischen Gesichtspunkte mögk' Vieles dafür sprechen, vom politischen Gesichtspunkte sei ein solches Vorgehen verwerflich, da dies auf Seiten der Boeren einen unauslöschlichen Haß er rege. Chamberlain erwiderte hierauf, daß es sich bei der Schaffung von Flüchtlingslagern um eine Maß regel der Humanität handele. Was die Verwüstung des Landes betreffe, so könne doch wohl Niemand dazu rathen, daß die Engländer Vorräthe zurücklassen, damit diese dann in die Hände des Feindes fallen. Der Krieg sei jetzt in seine dritte Periode eingetreten, und zwar in eine Periode der Räuberei und des Verbrecherthums. (Einspruch der Iren.) Dieser Wechsel in der Kriegführung der Boeren mache einen Wechsel im System der militärischen Operationen und in der Haltung der Briten gegenüber den noch im Felde stehenden Boeren nothwendig. Im Durchschnitt nähmen die feindlichen Truppen um 2000 Mann monatlich ab; doch wenn auch die Zahl der feindlichen Truppen jetzt verhältnißmäßig ge ring sei, so müsse doch ein großer Theil der britischen Truppen für polizeiliche Zwecke und zum Schutze des offenen Landes verwendet werden. Die Errichtung Tausender von Block häusern und die so geschaffenen Schutzdistricte seien von so gutem Erfolge gekrönt, daß die Regierung glaube, und sowohl Roberts wie Kitchener stimmten ihr darin voll zu, daß es mög lich sein werde, eine beträchtliche Anzahl Trupp exi mit Schluß der W i n t e r c a m p a a n e oder Ende September in die Heimath zu senden. Kitchener werde erst zurückkehren, wenn er sowohl wie die Regierung die Ueberzeugung hätten, daß es ohne Nachtheil geschehen könne. Mit dem Dersöhnungswerk könne die Regierung erst beginnen, wenn die industriellen Unternehmungen des Landes in einem gewissen Umfange wieder im Gange seien. Ein Theil dcS Feindes werde ja unversöhnlich bleiben, aber ein großer Theil der Bevölkerung beider Staaten sehne die Gelegenheit zu einer friedlichen Regelung herbei. Es sei Unsinn, von Friedens unterhandlungen zu reden, wenn keine von den Bedingungen, die England stellen könne, von dem im Felde stehenden Feinde angenommen werde. Der Feind sage, der Krieg müsse ein Ent-'scheidungskampf sein; das sei auch die Ansicht der Regierung. Die Regierung unterscheide jetzt zwischen Burghers, die im Felde stehen, und Aufständischen der Capcolonie, wo der Stand der Dinge sich geändert habe, weil die Aufständischen die Rebellion als ein billiges Vergnügen an sähen. Die Politik m i ß v e r st a n d e n e rM i l d e sei jetzt zu Ende. Die den Boeren angebotenen Friedens bedingungen seien zurückgezogen worden, doch wenn der Krieg vorüber sei, werde das Land die Regierung unterstützen, wenn sie großmüthige Bedingungen stelle. Die öffentliche Meinung Europas, welche in anderer Hin sicht England nicht freundlich gesinnt gewesen sei, habe sich aber dahin ausgesprochen, daß die jetzt zurückgezogenen Friedens bedingungen großmüthig gewesen seien. Itzt würde jede An regung zu einem Friedensschluß als eine Schwäche aufgefaßt werden und die Regierung sei im Recht, wenn sie energischer gegen die im Felde stehenden Boeren vorgehe, um den Feind seligkeiten ein Ende zu machen. Die Lage der Dinge in der Capcolonie sei nicht zu friedenstellend, wegen der dort umherstreifenden Banden von rohen Gesellen, wie sie Milner nannte. (Einspruch der Iren.) Es sei eine absolute Rohheit, wenn Kruitzinger drohe, jeden bewaffneten oder unbewaffneten Kaffern niederzuschießen. Großbritannien sei durchaus nicht verpflichtet, keine Eingeborenen einzustellen (?), aber unter den besonderen Umständen in Südafrika würde das eine schlechte Politik sein. Doch schaffe die Regierung dadurch keinen Präcedenzfall bezüglich der Anwendung von schwarzen Truppen in einem zukünftigen Kriege. Die Regierung werde nicht zögern, die vorzüglichen indischen Truppen in irgend einem Kriege zu benutzen, natürlich unter der Bedingung, daß sie im Einklänge mit den Gebräuchen einer civilisirten Krieg führung kämpfen und von britischen Officieren gehörig über wacht werden. Macneill fragt, ob indische Truppen auch in Europa benutzt würden. Chamberlain bejaht dies. Dillon ruft unter lautem Beifall der Iren: „Das ist ein Skandal!" Schließlich kommt Chamberlain nochmals auf Kruitzinger's Drohungen zu sprechen und erklärt, die Regierung habe Kitchener angewiesen, Kruitzinger darauf aufmerksam zu macken, daß Acte, wie die angedrohten und wie die, welche, wie berichtet wurde, gegen einen Desman und gegen eingeborene Schützen begangen worden seien, gegen die Kriegsgebräuche civilisirter Völker verstoßen (Und die Bewaff nung von Kaffern? D. Red.) und daß alle Personen, welche solche Acte begehen oder die Ermächtigung dazu ertheilen, vor ein Kriegsgericht gestellt und, wenn überführt, mit dem Tode be straft werden würden. (Beifall bei den Ministeriellen.) D i e militärische Lage sei jetzt hoffnungsreicher, als sie seit Langem gewesen sei. Er glaube, daß die Verheerungen, welche der Krieg mit sich gebracht habe, schnell wieder gut gemacht werden können, und wenn die zukünftige Re gierung Transvaals gemäßigt, weise und gerecht sei, würden die Ursachen des Rassenhasses verschwinden. Chamberlain's Rede wurde häufig von den Iren unterbrochen. Demgegenüber sei wiederholt darauf hingewiesen, daß der Deoman von den Boeren versehentlich süsilirt worden ist, da er wahrscheinlich wegen seines wenig empfehlenswerthen und unmilitärischen Aeußeren und seiner dunklen Gesichtsfarbe für einen „Capboy" gehalten wurde. Mit dem vollberechtigten Vorgehen der Boeren gegen be waffnete Eingeborene wird auf jeden Fall ein heilsamer Einfluß und Schrecken auf die farbigen Spione, Späher und Führer ausgeübt, die sich immer wieder durch hohen Lohn dazu bewegen lassen, Führer- und Spionirdienste für die britischen Truppen auszuüben, und es sind ja erwiesenermaßen nur allzu häufig gerade diese uncivilisirten schwarzen Kerle, die unter englischer Protection, wenn sie nur eben können, nachher auf eigene Faust einen kleinen Raubkrieg führen und alle möglichen Schandthaten gegen das Eigenthum und gegen die wehrlosen Frauen und Kinder der Afrikander und Boeren vollbringen. Da es außerdem seit Beginn des Krieges auf beiden Seiten feststand und auch wiederholt in der officiellen Correspondenz der sich gegenüber stehenden Heerführer betont wurde, daß eine Verwendung von Eingeborenen zu irgend welchen Kriegsdiensten ausgeschlossen sein sollte, so dürsten die Boeren vollständig im Rechte sein, wenn sie zu solchen drakonischen Maßregeln greifen, um die Schwarzen abzuschrecken und ihre Verwenduna durch die Engländer auf diese Weise unmöglich zu machen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. August. Der Aba. von Kardorff machte in der „Deutschen TageSztg." Propaganda slir die Einführung eines- gleitenden GetretdczollS im neuen Zolltarif. Bei einem Durchschnitts preise dcS DoppelcentnerS Roggen von 14—16 soll, nach der Ansicht Kardorffls, der 5-^l-Zoll gelten, bei einem Sinken des Preises unter 14 oo ipso automatisch der 6-^-Zoll, unter 13 der 7-^il-Zoll u. s. w., während umgekehrt bei einem Steigen des Preises über 16 der 4-^tl-Zoll, über 17 E der 3-.4- Zoll u. s. w. zu erheben sei. Herr von Kardorff hält den gleitenden Getreidezoll für durchführbar, weil dank dem Telegraphen an jedem Tage die Durchschnitts- Getreidepreise der 20 HaupihandelSplätze festgestellt und auch an jedem Tage alle Zolleinfuhrstellen mit entsprechenden Anweisungen versehen werden könnten. Andererseits seien sowohl der ausländische wie der deutsche Getrridekaufmann in der Lage, durch Kenntniß der deutschen Prcisnolirungen im Voraus zu übersehen, ob steigende Getreidepreise und fallende Zölle oder das Gcgentbeil davon in Aussicht ständen. — Einen Gesichtspunkt übergeht Herr von Kar dorff vollkommen mit Stillschweigen, der gerade von deutscher Seite in Betracht gezogen werden muß, nämlich die Thatsache, daß ein gleitender Gelreidezoll nicht nur sür Landwirthschaft und Handel, sondern auch für die Reichsfi na n zcn von der größten Bedeutung ist. Die Zolleinnahmen sind ja schon jetzt schwankend; kann aber der Zoll an jedem Tage geändert werden, so müßten Schwan ¬ kungen eintreten, welche die Finanzverwaltung auf das Aller empfindlichste stören würden. WaS aber das Ausland anbe triff», so wird es im Gegensatz zu Herrn von Kardorff der Mei nung sein, daß die solide kaufmännische Calculation durch den gleitenden Zoll bis zur Unmöglichkeit erschwert wird. Auf die Aussicht, das Ausland werde gleitende Getreidezölle Deutsch lands mit der Einführung gleitender Zölle auf andere Produkte beantworten, ist in diesemZusammenhange ebenfalls hinzuweisen. Wie steht es aber mit derFrage, ob der deutschenLandwirthschaft ein gleitender Getreidezoll zum Vortheil gereicht, indem er relativ gleichmäßige Getreidcpreise auf miltlerer Höhe, wie Herr von Kardorff es annimmt, erzielt? Die Antwort hierauf bat in zutreffender Weise der Nationalökonom Professor Diehl gegeben, der im Februarheft der „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik" (Jahrgang 1900) gegenüber der Auffassung Kühu's u. A. das Nachstehende ausführt: „Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Preisschwankungen nockvielheftiger werden und die ganze gesetzliche Maßregel würde weder dem Landwirtbe, noch dem Consumenten Nutzen bringen, auch nicht dem soliden Getreidebandel, sondern einzig und allein dem Getreidespeculanteo. . . . Die anormale Preisbestimmung zu bestimmten Zeiten könnte zur Folge haben, daß die Zollpolitik für lange Zeit da durch beeinflußt würde, wieder sehr häufig zum Nachtheil der Landwirthschaft, z. B. wenn einer vorübergehenden Preis erhöhung halber die Zölle ganz aufgeboben würden und daraufhin reichliche Getreidezufuhren staltfänden, die ihre preis erniedrigende Wirkung noch zu Zeiten auSübeo, wenn die Preise ganz verändert sind. Was aber immer wieder zu betonen ist: die Spekulation würde sicherlick dieses Gesetz sich zunutze machen; so wenig die Spekulation im Stande ist, die Preistendenzen zu beherrschen, so sehr vermag sie diese nach oben und unten zu verstärken." — Der Vorschlag des Herrn v. Kardorff erfährt auch von Seiten der „ D tsch n. TageSztg." Widerspruch. DaS gleiche Schicksal haken früher ähnliche Anregungen bei gemäßigten WirthschaftSpolitikern aller Parteien erfahren. Sollte daher Herr vdn Kardorff seinem Vorschläge im Reichstage eine praktische Folge geben, so würde er auf Erfolg nicht zu rechnen haben. Die Ueberzeugung, daß namentlich in dieser Richtung Stabilität vom höchsten Wertbe sei, wird eben fast allgemein aetheilt. Auck der oben citirte Professor Diehl ist dieser Meinung; ja, Diehl hält sogar die alten Zoll sätze auf Getreide vom Standpunkte der Landwirthschaft aus immer noch für vortheilhafter als einen gleitenden Getreidezoll. Gegen diesen Zoll spricht dazu auch, woran die „Allgemeine Zeitung" erinnert, die üble Er fahrung, die England s. Z. mit ihm gemacht hat. Im Jahre 1828 griff man dort zu diesem „gleitenden Zoll"; man setzte für daS Getreide einen bestimmten Preis und zugleich einen Zoll in bestimmter Höhe fest und ordnete an, daß, sobald der Getreidepreis nm einen Schilling steige, der Schutzzoll sich um einen Schilling vermindern solle und umgekehrt. In der Theorie machte sich der Ausgleich wunderschön, in der Praxis aber kam cS anders. Statt der erhofften Ausgleichung der Preise stellten sich gewaltige Schwankungen ein, da die Spekulation zugleich Preise und den Zoll zu beeinflussen und auszunutzen ver- mockte. Waren die Preise im Jnlande niedrig und der Zoll hoch, so hielt der Getreidehandel die Waare zurück, ging der Zoll auf den Mindestsatz zurück, dann wurde daS in den Hafenorten aufgespeichcrte Getreide schnell in großen Massen in das Land geworfen. Die Land- wirthe verloren jede Möglichkeit, sichere Preisberechnungen Frnölleton. q Ilm Geld. Romcm von F. Ilex. Nachdruck verdotkn. „Nun, sehe Einer den Philosophen an" — spöttelte Sodhen, indem er allmählich, dem Drängen seines Besuches nachgebend, die letzte Hand an seine Toilette legte —, „also so weit hast Du Dich doch mit dem Gedanken vertraut gemacht, daß Du schon das Schicksal und die etwaigen Gewissensscrupel Deiner Nachkommenschaft in Betracht ziehst! Ich sehe, Du bist reif, daß ich Dich mit diesen interessanten Schönen bekannt mache, und nächstens erhältst Du eine Einladung! — Soll ich, Alterchen?" Stoinbergk, dem es darum zu thun war, den Freund bei guter Laune zu erhalten, und der das Gespräch, das eine viel zu intensive Färbung erhalten hatte, gerne abgebrochen hätte, gab lachend seine Zustimmung, da er bei der augenblicklichen Gemüthsverfassung Sodhen's voraussetzen durfte, daß dieser dock wohl nicht auf seinen Vorschlag zurückkommen würde. Endlich war Sodhen so weit, daß er sich zum Mitgehen bereit erklärte; auf der Straße gab es noch einen kleinen Kampf, indem Sodhen durchaus einen Wagen nehmen, während Paul, auS naheliegenden Gründen, jede unnöthige Ausgabe vermeiden wollte. Außerdem war es diesem auch darum zu thun, durch einen Gang in der frischen Luft die Weingeister des noch immer sehr laut und lebhaft Erzählenden sich erst etwas verflüchtigen zu lassen, bevor sie den — für ihn immerhin bedeutungsvollen — Besuch bei dem Geldverleiher machten. Schließlich siegte die sparsamere Auffassung über die jugendliche Verschwendungs sucht. Die Einleitung und Durchführung des Ankeihegeschäft» hatte sich Sodhen zu Steinbergk'S größter Erleichterung aus drücklich ausbedungen, und brachte dasselbe unter Berufung auf seine Bürgschaft und seine gewohnheitsmäßige pünktliche Einlösung der Schuldscheine so glücklich zu Stande, daß der Abschluß zu einem um ganze „fünf Mark" geringeren Preise dem sich zähe wehrenden alten Fuchse entrissen werden konnte. Sodhen war so stolz auf diesen Erfolg, daß er es sichtlich zu bedauern schien, in Folge seiner — durch die väterliche Frei gebigkeit noch gefüllten Caffe — nicht ein gleich günstiges Ge schäft für eigene Rechnung abschließen zu können. Sehr ent täuscht war er offenbar, daß der Freund nicht sofort -inen Theil der Anleihe in einem fashionablen Restaurant anzulegen ge dachte, sondern sich nach einigen herzlichen Dankesworten so rasch entfernte, als ob ihm der Boden unter den Füßen brannte. Und in der That war dem so! Durch das lange Hin- und Hergerede war eine solch lange Zeit seit Paul's Weggange von Hause verflossen, daß es ihn drängte, der ihn bei längerem Ausbleiben jedenfalls mit Unruhe erwartenden Mutter die er hoffte Erleichterung zu bringen. Als er mit dem ihm überlassenen Schlüssel die Eingangs- thür der väterlichen Wohnung geöffnet hatte, hörte er aus der Wohnstube eine fremde Stimme, die ihm eigenthümlich bekannt vorkam, ohne daß er sofort wußte, wo und wann er dieselbe schon einmal gehört. Da nach dem Vermiethen der ersten Stube, außer den Schlafzimmern der Eltern und Schwestern, nur die Wohnstube als neutraler Raum für die einzelnen Familienmitglieder vor handen war, so blieb Paul, wollte er sich nicht in das dunkle Schlafgemach der Eltern zurückziehen, nichts anderes übrig, als dem Besuche — denn ein solcher war es offenbar — kühn die Stirne zu bieten. Sonderbar war es jedenfalls, daß er, der ge wohnt war, bei den wenigen, höchst seltenen Besuchen, die die Seinigen empfingen, sich möglichst unsichtbar zu machen — was ihn wiederholt mit Mutter und Schwestern in kleine Con- flicte gebracht hatte —, sich heute auch keinen Augenblick besann, scheinbar harmlos auf der Bildfläche zu erscheinen. Als er eintrat, sah er die Besitzerin des ihn so seltsam be rührenden Organes in Gestalt einer einfach, wenn auch durchaus ladylike gekleideten jungen Dame in eifrigem Gespräch mit Mutter und Schwestern begriffen. Im nächsten Moment wußte er auch, warum ihm die Stimme so bekannt erschienen, denn er erkannte seine Reisegefährtin auf der Fahrt von Frank furt a. M. nach Berlin. Die Mutter, welche in der Unterhaltung mit der Fremden wieder ganz die Dame aus der besten Gesellschaft war. warf dem eintretenden Sohne einen freundlichen Blick zu und stellte ihn dann der sich leicht erhebenden und bei seinem Anblick flüchtig erröthenden jungen Dame vor: „Mein Sohn, der hier auf Commando ist" — und gleich zeitig: „Fräulein Vocking, die Tochter unseres alten Bekannten, Justizraths Vocking." Paul, der trotz aller traurigen Erfahrungen, die er in den letzten Wochen gemacht und die eigentlich sein ganze» Fühlen und Denken gefangen genommen hatten, doch in manchen stillen Stunden der sympathischen Erscheinung gedacht hatte, fühlte sich durch die Plötzlichkeit und das Unerwartete der Begegnung so befangen, daß er kaum die nöthigen Höflichkeitsphrasen fand. Der jungen Dame schien e» ebenso zu gehen, denn auch sie hatte den aufmerksamen Reisegefährten nicht vergessen, wenn ihr auch bei der Gleichheit des Namens — nachdem sich Paul beim Ab schied an der Bahn vorgestellt — die Möglichkeit einer Beziehung zu ihren Gastfreunden vorgeschwebt haben mochte. Die ganze kleine schweigende Scene hatte nur einen Augen blick gedauert, doch lange genug, daß die Mutter, und wenigstens Elisabeth, darauf aufmerksam wurden und einen raschen Blick des Einverständnisses und der Frage tauschen konnten. Als Paul das erste Wort der Freude fand, sich so unver- muthet seiner „Unbekannten" gegenüber zu sehen, und Fräulein Vocking gewandt mit freundlichem Lächeln darauf einging, war das allgemeine Gespräch, nach den ersten Fragen der Verwunde rung, welchen ein schalkhafter Blick aus Elisabeth's Augen folgte, bald flott im Gange. Achtes Capitel. Ungefähr vierzehn Tage mochten seit Abschluß der An leihe verflossen sein, deren volles Ergebrriß Paul noch am selben Abend der Mutter ausgehändigt hatte, die ihm dabei die Zusicherung, „daß sie das Geld nur als Darlehen von ihm an nehme", unter den herzlichsten und zärtlichsten Dankesworten wiederholte, als sich bei Paul unmittelbar nach 'Schluß des Dienstes Herr Seligmann sen. melden ließ. Ersterer, der sich den Grund dieses Besuches nicht zu er klären, aber trotzdem, daß der Schuldschein noch reichlich fünf Monate zu laufen hatte, ein Gefühl der Beunruhigung nicht zu unterdrücken vermochte, ließ seinen Gläubiger erwartungsvoll eintreten. „Der Herr Leutnant entschuldigen", sagte der alte Geschäfts mann, nachdem er sich in der Thür bereits mehrere Male ver beugt, aber, wie es Steinberg! schien, nicht in der übertrieben unterthänigen Weise, wie er es bei den zweimaligen Besuchen ihm und Sodhen gegenüber gethan hatte, ebenso wie aus dem fast zum Ueberdruß wiederholten „Herr Baron" der einfache „Herr Leutnant" geworden war. „Der Herr Leutnant werden entschuldigen, wenn ich störe", wiederholte er, nachdem ihn Steinberg! fragend angesehen, „aber es handelt sich um eine wichtige Sache, um eine sehr wichtige Sache, um mein Geld." „Das sollen Sie auch haben, Herr Seligmann", antwortete Paul, dem bei den hastig herausgestoßenen Worten des Sprechenden doch etwas schwül zu Muthe geworden war, „der Schuldschein ist erst im April fällig, also weiß ich nicht, waS Sie hierher führt." „Was mich hierher führt, Herr Leutnant? Es ist die Angst um mein schönes Geld! Habe ich Ihnen doch gegeben drei- hundert baare Mark in guten Scheinen und vollwichtigen Gold stücken, weil ich geglaubt habe, daß Sie sind, wie Ihr Freund, der Herr Baron von Sodhen, der immer so pünktlich zahlt, ein reicher, ein wohlhabender Mann." Steinbergk war die Röthe des Unwillens in die Stirne ge treten, aber im Bewußtsein, daß der Mann da vor ihm, in der Sache Recht hatte, wenn er auch die Form gröblich bei Seite ließ, bezwang er sich und sagte verhältnißmäßig ruhig: „Nun, wenn ich Ihnen nicht gut für die Summe sein sollte, so haben Sie doch einen sicheren Bürgen, wie ich meinen sollte!" Wie heißt Bürgen? Wenn der alte Herr Baron von Sodhen auch bezahlt für die Schulden, die der junge Baron ge macht hat, wird er doch nicht bezahlen wollen für die Schulden von anderen Leut! Und beim Klagen vor Gericht ist es so 'ne Sach', da finden sie heraus übermäßige Vortheile und sprechen von Wucher und Ausbeuten, von Leichtsinn und Nothlage, als wenn ich hinginge und böte mein Geld den Herren an, wahrend doch sie es sind, die kommen zum alten Seligmann, und haben tausend schöne Worte." „Sagen Sie endlich, was Sie wallen", unterbrach Pgul, dem die Geduld auszugehen drohte, diesen Wortschwall. „Geben Sie mir zurück mein Geld, wenn auch nur die drei hundert baaren Mark! Ich will schwinden lassen die Zinsen und machen ä schlechtes Geschäft, wobei ich nix gehabt hab' al» Angst!" „Sie werden Ihr Geld zur rechten Zeit von mir erhalten, und jetzt ersuche ich Sie. so rasch wie möglich meine Stube zu verlassen", sagte Steinbergk, noch immer in gemäßigtem Ton. „So, Sie wollen mich schmeißen heraus und haben doch genommen mein Geld, das ich nicht werde wieder bekommen! Habe ich mich doch erkundigt und habe gehört, daß Sie haben nichts, und daß Ihre Eltern haben nichts! Ihr Vater, ein braver Mann, ist gewesen Agent für 'ne große Fabrik, die ge macht hat Pleite, und jetzt ist er gar weg und Niemand weiß wohin' Ihre Schwester ist Lehrerin und wenn eine Baronin giebt Unterricht an einer städtischen Schule, dann hat sie nicht», denn zum Vergnügen wird man sich nicht hinstellen und Stunden geben, wenn man hat genug zu leben." „Nun ist's aber genug", fuhr Steinbergk los, dem bei diesem Aufdecken aller seiner Familienverhältniffe neben dem Unwillen auch die Schamröthe ins Gesicht stieg. „Wenn Sie sich jetzt nicht augenblicklich hinausscheeren, werde ich meinen Bursche» rufen!" D« eirergisch« Ha-ndbeweguny, mit der Steinbergk noch dem Klingelzng« griff, wirkt« mehr als oll« Wort«. Mit einer geradezu komischen Host, die auf eine reiche Erfahrung in derartigen Lagen schließen ließ, bracht« Herr Seligmann sen. di« Thüre zwischen sich und seinen bis ins Innerste «mpörten Gegner. Noch lang«, nachdem der unzöitigr, takUose Mahner daH
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