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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.11.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-11-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001103028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900110302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900110302
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- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Äintes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die ^gespaltene Petitteile 25 H. Reklamen unter dem Redictionsstrich (4 gespalten» 75 H, vor den Familiennach richten (0 gespalten» 50 H. Tabellarischer und Zissernsap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (ercl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung .M 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag vou E. Polz in Leipzig. Sonnabend den 3. November 1900. 94. Jahrgang. Die Wirren in China. FricdenSverhanVlnngen. * Die „Times" berichten, wie uns telegraphisch auS London gemeldet wird, auS Sbanghai unter dem 1. November: Ein hier veröffentlichtes kaiserliches Edict ernannte die Vicekönige Liu-kun-ji und Tschang-tschi-tung zu Commissaren für die Friedensverbandlungen neben Li-Hung-Tschang und Tsching. Bestätigt sich diese Nackrickt,so kann man sie vielleicht als ein nicht ungünstiges Symptom dafür ansehcn, daß der chinesische Hof endlich zu der Einsicht gekommen ist, es bleibe ihm nichts übrig, als mit den verlangten und zum Theil versprochenen Bestrafungen der Rädelsführer Ernst zu macken. Die Genannten sollen ja eine Denkschrift an die Kaiserin- Wittwe gerichtet haben, in welcher sie sagen, das Reich gerathe in Gefahr, wenn die Schuldigen den verdienten Lohn nicht erhielten. Man muß an dieser Auffassung aber wieder irre werden, wenn weiter gemeldet wird, durch ein Erict vom 27. October seien zu Präsidenten der Civilverwaltnng, der Verwaltung der Staatseinkünfte und Les Censor- amtes Mandschus ernannt worden, die als Reaktionäre bekannt sind. „Daily News" berichten außerdem aus Shanghai, nach einer Nachricht aus Singanfu habe der Thron in bas Verlangen eines CensorS gewilligt, daß den jüngst wegen Unterstützung der Boxer begrabirten Prinzen gestattet werde, ihre Gehälter weiter zu beziehen. Was bleibt denn da noch von Strafe übrig, wenn das ganze keine Spiegelfechterei sein soll! Nach einer amtlichen chinesischen Depesche aus Peking baben die fremden Vertreter den Leichnam Kan-jiS und den Kopf Aü-Hfiens zu sehen verlangt. Beide sollen bekanntlich gestorben sein resp. durch Selbstmord ihrer Bestrafung zuvorgekvmmen sein. Die Eonsuln dürften vergeblich auf die gewünschten Beweisstücke warten, da Kang-ji und Uü-Hsicn sich voraussichtlich noch sehr Wohlbefinden und sich auch weiter des Lebens zu erfreuen gedenken. In einem Tschifuer Telegramm heißt es wieder, die Chinesen erwarteten, Prinz Tnan werde selbst Hand an sich legen, um so die Dynastie zu retten. Fällt ihm gar nickt ein. Der bisher noch nicht bekannte Artikel 8 der angeblichen Friedensbedingungen verlangt, einem Telegramme deS „B. L.-A." aus Shanghai zufolge, daß der gegenwärtige präsumtive Thronerbe, der Sobn deS Prinzen Tuan, seiner Stellung und seines Titels beraubt werde. Diese Forderung dürste aber weniger gegen diesen selbst als gegen seinen Vater, den Prinzen Tuan, gerichtet sein, dessen Einfluß auf diesem Wege auch für die Zukunft vernicklet werden soll. Denn die Aussicht, seinen Kopf wirklich noch unter dem Henkerbeil fallen zu festen, wird immer geringer. Die „Scmaine Politigue et Litteraire" veröffentlicht einen interessanten Artikel über den chinesischen Kaiser von Pro fessor Cstavannes. Darin wird des Prinzen Tuan kurz Er wähnung gethan und seine Stellung einigermaßen erklärt. Prinz Tuan ist der Sohn des fünften Sohnes des Kaisers Tao Kwaug. Sein Vater hieß ebenfalls Prinz Tnan. Der jetzige Tuan hatte mehr Anrecht auf den Thron, als der Kaiser Kwang Su, der nur der Nachkomme des siebenten kaiserlichen Prinzen war. Zwei Gründe schlossen indessen den jetzigen Prinzen Tuan von der Tronfolge aus, erstens verließ sein Vater Lurch eine Adoption im Jahre 1845 seine Familie, und zweitens hcirathete er, gegen die strengen chinesischen Hauszesetzte, während der Trauerperiode um den verstorbenen Kaiser Hicu Fong. Die Frucht dieser Ehe des ersten Prinzen Tuan war der jetzige Prinz Tuan. Um ihn zu bestrafen, nahm man ibm diesen Sobn fort, gab ihm aber später den ibm zukommenden Titel. Dieser Sohn ist wie gesagt der jetzige Prinz Tuan. Da er selbst den Thron nicht mehr besteigen konnte, versuchte er, mit dem bekannten Erfolge seinem Sohne, der jetzt ungefähr 12 Jahre alt ist, die Thronfolge zu sickern, dieser, Pu Ts in, wurde dann bekanntlick durch das Edict vom 24. Januar 1900 zum Thronnachfolger bestimmt, und der Gesundheitszustand Kwang Su's mag die Hoffnungen und Ambitionen Tuan's gestärkt baben. Jedenfalls war er beinabe allmächtiger Regent und benutzte seine Stellung dazu, die fremdenfeindliche Bewegung, wenn nicht zu schaffen, so doch zu leiten. Seine Absicht mag dabei gewesen sein, seinem Sohne ein ungeschmälertes Erbe zu schaffen und der Dynastie durch die Vertreibung der ver haßten Fremdlinge neues Ansehen zu geben. Weitere Meldungen. * London, 3. November. (Telegramm.) „Standard" be richtet ans Shanghai unter dem 1. November: Der wegen seiner Mitschuld an den chinesischen Frevelthaten seiner Aemter entsetzte Prinz Tschwang ist von der Kaiserin-Wittwe nach Singansu berufen worden. — Tausend versprengte Soldaten und Deserteure der chinesischen Armee bedrohen die 200 Meilen nördlich von Shanghai nm Kaisercanale liegende Stadt Tsching- kiang. — Ter Adoptivsohn Li-Hung-Tschangs, Li-tsching-song, nicht Schang, wie gestern berichtet wurde, ist nach Peking berufen worden. — Die Morgenblätter berichten aus Peking unter dem 31. October: Die Todesurtheile, die gegen die in Paotingfu verhafteten chinesischen Beamten ausgesvrochcn worden sind, wurden dem Feldmarschall Graf WalLersee vorgclegt. Chinesische Truppen unterstützen die Franzosen bei der Bewachung der Thore von Paotingfu. Tic dentschen Kriegsschiffe in Lstasicu. lieber die Thätigkeit der deutschen Kriegsschiffe in Ostasien wird ja jetzt wenig bekannt, nutzlos freilich lassen dieselben die Zeit nicht verstreichen, die maritime Regsamkeit und Ausbildung ist dieselbe, gleichviel, ob die Schiffe die ostasiatischen Gewässer durchfahren oder in der Nord- und Ostsee kreuzen. Als die Wirren in China einen so bedrohlichen Charakter annahmen, raffte unsere Marineverwaltung an Schiffen zu sammen, was sie konnte, und sandte alle, welche nur irgenwie abkömmlich waren, nach Ostasien. So kommt es denn, daß unsere anderen aus wärtigen Stationen ganz ungenügend besetzt, fast vollständig entblößt sind. Auf dec ganzen amerikanischen Station zeigt einzig uno allein der große Kreuzer „Bineta" (Ca- pitän z. S. da Fonseca-Wollheim) die deutsche Flagge. Der kleine Kreuzer „Geier" und das Kanonenboot „Luchs" sind zum Kreuzergeschwader gestoßen; von der nur mit 3 kleinen Kreuzern besetzten ostafrikanischen Station sind 2, „Schwalbe" und „Bussard", ebenfalls nach Ostasien beordert worden; die australische Station (mit 2 Kreuzern und 1 Specialschiff besetzt) hat ebenfalls einen Kreuzer, „Seeadler", nach Ostasien abgeben muffen. Daß auf die Dauer solche Zustände zu großen Unzu- träglichkeiten führen müssen, unhaltbar sind, ist klar; die auf dcn Stationen zurückgebliebenen Schiffe sind mit Arbeiten über lastet und können selbst bei der größten Anstrengung die ihnen zu kommenden Aufgaben nur unvollkommen erfüllen. Selbstver ständlich wird man, sobald es irgendwie möglich ist, die von den anderen Stationen nach Ostasien abcommandirten Schiffe wieder nach ihren Stationen dirigiren, aber die ganzen Verhält nisse zeigen doch klipp und klar, daß unsere Auslandsschiffe bei Weitem nicht in der Zahl vorhanden sind, wie wir sie gebrauchen, und daß Handel und Wandel darunter sehr leiden können, be darf wohl keiner Betonung. lieber die Ausreise der Truppcn-Transportdampscr nach China liegen folgende letzte Meldungen vor: „Frankfurt" (N. D. Lloyd) 26. Oct. von Sa» Francisco. „Aachen" (N. D. Lloyd) 26. ° in Nagasaki (Heimreise). „Rhein" (ND. Lloyd) 26. - in Nagasaki (Heimreise). „H. H. Meier" (N. D. Lloyd) 27. - von Hongkong (Heimreise). „Darmstadt" (N. D. Lloyd) 28. » von Moji (Heimreise). „Crefelv" (N.D. Lloyd) 27. - in Taku. „Valdivia" (Hamb. A. L.) 27. - in Taku. „Arcadia" (Hamb. A.L.) 30. - in Taku. „Köln" (N.D. Lloyd) 2. Nov. in Hongkong (Heimreise). „Straßburg" (N. D. Lloyd) 31. Oct. in Taku. „Roland" (N.D.Lloyd) 31. - in Taku. Der Krieg in Südafrika. Keine Boeren für Tamaraland; RhoScS' Pläne. Rhodes' Pläne werden soeben von feinen Freunden in Pretoria bekannt gegeben. Er möchte am liebsten sich den gemäßigteren Theil der Boeren, d. b. diejenigen, welche des Krieges müde sind, sichern, um sich derselben als Ansiedler in Rbodesia zu bedienen. Er bat dieses eben bereist, persönlich die zu besiedelnden Landstrecken inspicirt und seine Pläne bezüglich der neu zu lanci- renden resp. „zu gründenden" Goldgruben u. s. w. jetzt fertig. Das erste Resultat ist die Forderung, die er an die Negierung stellt, ihn, und zwar militärisch, darin zu unterstützen, jede Auswanderung von Boeren nach Denllck-Südwest-Asrika und besonders nach Tamaraland zu Verbindern. Da selbstverständlich die Boeren zu aller letzt dafür zu baben wären, Herrn Rhodes' und seiner Spcculantensreundc Taschen weiter zu füllen, so soll ihnen zwangsweise der Ausweg nach Dentschafrika ver legt werken. Rhodes scheint überhaupt sich jetzt bereits für seinen kleinen Krieg bezablt macken zu wollen, er hat ein Abkomme» mit der Negierung fertig, welches ihm und seinem Ninge wirthsckastlich und finanziell daS ganze weite Gebiet bis zum Zambesi auöliesert. Sir Alfred Milner befindet sich, so wenigstens versichern Rhodes' eigene Freunde, im Gcbeimniß, und wird bier erwartet, um zu einem endgiltigen Abschlüsse mit Rhodes zu gelangen. LorS Kitcheucr. Der „Standard" berichtet au- Pretoria unter dem 30. Oktober: Laut einer besonderen Proclamation bleibt Lord Kit ebener in Südafrika als Chef der englischen Truppen zurück. * Lourcntzo MarqncS, 2. November. (Meldung des „Reuter'jchen Bureaus".) Biele Bo erenflüch klinge, die sich seit der Ueber- gabe von Nomatipoort hier aufgehalten haben, kehren zu ihren Commandos zurück. Eine Anzahl von ihnen ist vor einigen Tagen in Sabie eingetrofsen. Ein Depeschenreiter, der fürSteijn Depeschen überbringen sollte, wurde getödtet, und die Depeschen wurden beschlagnahmt. Eine Abteilung von 40 Boeren stieß auf eine Abtheilung Engländer, welche acht von den Boeren tüdtete und die Uebrigen gefangen nahm. * Kapstadt, 2. November. („Reuter's Bureau.") Es heißt, das Ergebniß der von Milner gepflogenen Verhandlungen sei derartig, daß die (Uitlanders-) Flüchtlinge nächste Woche nach Transvaal zurückzukehren beginnen können. 20 Transportschiffe liegen hier zur Aufnahme der Truppen, die nach England zurückkehreu sollen, bereit; es ist jedoch unwahrscheinlich, daß in der nächsten Zeit eine beträchtliche Zahl zurückkehrt. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. November. Bevor der Tag bekannt geworden war, an dem der Reichstag seine Arbeiten loieder aufnehmen sollte, konnte ein namhafter Theil der deutschen Presse sich nicht genug tbun mit Klagen über die „Zurücksetzung der deutschen Volks vertretung", die so viel auf dem Herzen habe, was herunter müsse, und die namentlich über die Cbinapolitik der Re gierung gar nicht bald genug ihr Urtbeil abzeben könne. Seitdem der Einberufungstag bekannt ist, scheint die heiße Sehnsucht nach parlamentarischen Debatten aus dcn journalistischen Geiniithern ganz geschwunden zu sein; füblen die Mitglieder deS Reichstags nickt lebhafteren Drang nack oratorischcn Leistungen, so werden wir gar bald das alte Lied von der Beschlußunfähigkeit des hohen Hauses wieder anstiminen können. Besonders gering scheint in der Presse die Lust zu sein, lange Debatten über die Cbinapolitik zu verzeichnen. Zum Theil mag das an dem Gange der Ereignisse in Ostasien und der diplomatischen Verhandlungen liegen, zum anderen Tbeile liegt es sicherlich daran, daß die Urtheile über das, was Deutschland zu tbun hatte, sich geklärt baben. Wie oft hat man jetzt Gelegenheit, zu beob achten, daß Blätter, die einander wegen ihrer gegenseiti gen Anschauungen über die von deutscher Seite innezu haltende Linie bitter bekämpften, jetzt ziemlich übereinstimmend sich äußern. Ein auffallendes Beispiel liefert die „Köln. VolkSztg.", die einem freisinnigen Blatte gegenüber mit großer Entschiedenheit betont, daß für das Cenlrum die „Racke" für die in China niedcrgemetzelten oder zur Flucht genölhigten Missionare nicht der Hauptgesichtspunct sei, und den grundsätzlich bedeutungsvollen Satz hinzugefügl: „Unter dem Schatten der Bajonette kann der Missionar nicht arbeiten und empfängliche Herzen nicht finden." — Solche Worte gerade in ter „Köln. Volksztg" zu finden, ist besonders interessant. Man erinnert sich, daß Ende Juli d. I. der rheinische Hauptverein des Evangelischen Bundes eine Resolution faßte, an deren Schluffe gesagt wirb: „Die Provinzialversammlung protestier vom evangelischen Standpnncl gegen den Grundsatz, daß daS Blut der christlichen Missionare durch staatliche Machtmittel zu rächen sei, und macht alle nationalen Kreise auf die Gefahr aufmerksam, daß die von dem deutschen Reiche eröffnete, an sich berechtigte und noth- wendige Weltpolitik in das Fahrwasser der Kreuzzüge ein lenken könnte. Das Reich Gottes wird weder durch das Schwert gebaut, noch durch daS Schwert ge schützt." Die „Köln. Volksztg." war damals so liebens würdig, das Vorstehende als im wesentlichen Einklänge mit der Argumentation der socialdemvkratischen Organe befindlich zu bezeichnen. Jetzt hat sich das rheinische Centrumsorgan die angeblich socialdemokratische Auffassung FenslZstsn» SD Der LlinLschul). Roman von Waldemar Urban. Äiacbtruck verboten. Es war ja nicht viel, was Ulrich von Richbert erhalten konnte, im Verhältniß zu den Bedürfnissen wenigstens nicht viel, aber es war doch ein Anfang. Die Stadt ließ ihn doch nicht ganz und gar im Stich. Die Herrschaft Rappoltstein war eine der reichsten, und es hätte Wunder nehmen können, daß Ulrich so sehr von Baarmitteln entblößt war, daß er die Hilfe der Bürger und des Klosters in Anspruch nehmen müßte, denn auch die Franziskaner sprangen ihm trotz Plünderung und Feuersbrunst bei. Aber gleichwohl war es Thatsache, daß Ulrich gerade zu dieser Zeit in höchster Geldnoth war, und ohne Geld war kein Söldner zu haben, und wenn er für das Himmel reich gefochten hätte. Deshalb nahm er auf, was und wo er etwas bekommen konnte. Es mußten ja wieder bessere Zeiten kommen, und dann war es für ihn eine Kleinigkeit, diese Summen in kurzer Zeit wieder zurück zu erstatten mit Zins und Zinseszins. Als sie am Mehgerthor vorüber kamen, war es schon völlig finster. Plötzlich hörte Ulrich aus dem Dunkel heraus, ohne daß er mehr als undeutliche Schatten sah, die Stimme des Pfeifer königs Barthel leise sagen: „Der dort auf der Fuchsstute, mit der schwarzen Feder auf dem Helm, das ist er. Geh' nur hin, Beit, fürchte Dich nicht. Unser gnädiger Herr ist ein frommer und gerechter Mann." Gleich darauf tauchte aus dem Dunkel vor Ulrich ein junger Mann auf im runden Kogelhut mit rother Hahnenfeder darauf und in einen weiten, dunklen Mantel gehüllt. „Wer seid Ihr?" fragte Ulrich erstaunt. „Was wollt Ihr von mir?" „Gnädiger Herr, halten zu Gnaden, ich bin ein armer Spielmann und heiße Beit Led", antwortete der junge Mann. „Ich komme in einer besonderen Botschaft von Herrn Diepold von Andlau an Herrn Ulrich von Rappoltstein." „An mich?" „Wenn Ihr Herr Ulrich von Rappoltstein seid, ja, Herr." „Warum soll ich es denn nicht sein?" „Ich bitte sehr um Entschuldigung, gnädiger Herr", fuhr Veit fort, ich weiß jetzt, daß Ihr es snd. Bisher wußte ich es aber, da ich Euch noch nicht gesehen habe, nicht, und mußte deshalb meiner Botschaft wegen sehr vorsichtig sein, wie mir aufgetragen ist. Herr Diepold von Andlau sagte mir, daß ich ein großes Unglück anrichten würde, wenn ich meine Botschaft an den Unrechten gelangen ließe." „Ist Eure Botschaft ausgeschrieben, oder ist sie mündlich?" „Sie ist theils ausgeschrieben, theils mündlich." Dann sich zu Barthel wendend, fuhr Herr Ulrich fort: „Barthel, Du kennst den Spielmann?" „Ei, wie sollt' ich denn nicht, gnädiger Herr? Herr Richbert kennt ihn auch", antwortete Barthel rasch, oder wenigstens sein Friedel kennt ihn. Es ist derselbe, der am Walpertsfest eingesperrt wurde." „Laßt sehen, laßt mich den jungen Menschen sehen", rief Richbert rasch und trat hinzu, um Beit anzusehen. „Wahrhaftig, er ists, gnädiger Herr", fuhr er dann fort, „es ist der Klingfetzcr, der aus dem Thurm am Jungfernthor entsprungen ist. Was? Und Du wagst es, Dich wieder in Rappoltsweiler blicken zu lassen?" „Ich wage es, Herr Richbert", antwortete Veit, „und werde es immer wieder wagen, so lange ich hoffen darf, hier nicht lauter abergläubische Weiber, sondern auch einmal einen ver nünftigen Menschen zu finden." „Es ist ein vorlautes Bürschel, gnädiger Herr", wandte sich Richbert wieder an Ulrich, „Ihr hört es selbst." „Wie? Im Thurm gesessen und entsprungen?" fragte dieser nochmals. „Gnädiger Herr", begann Veit wieder, „vernehmt zunächst, was ich Euch mitzutheilen habe. Ihr werdet Euch leicht über zeugen, daß das wichtiger ist, als alles Andere. Findet Ihr dann, daß es unbedingt nothwendig ist, mich noch einmal in dcn Thurm zu werfen, so könnt Ihr das thun. Aber ich hoffe, Ihr werdet mir Gerechtigkeit widerfahren lassen und finden, daß ich Euch in anderer Weise nützlicher sein kann." „Es ist ein braver Bursche", nahm Barthel nochmals das Wort, „und hat Euer Gestrengen in der Klosterschenke zu Als- pach und wohl auch auf der Burg Hohnack ehrliche und wesent liche Dienste geleistet." „Es ist gut, führ' fhn hinauf. Ich will mit ihm reden", entschied Ulrich und ritt weiter. In der großen, durch steinerne Oellampen künstlich erleuch teten Halle besah sich Ulrich den jungen Spielmann genauer. Aber wenn er auch gegen Beit noch einige- Mißtrauen gehegt hatte, in Folge seiner wenig rühmlichen Abenteuer in Rappolts- weiler, so schwand dies doch sofort, als er in die naiv-zutrau lichen, zierlichen Züge Beit'» sah. „Wo kommst Du her?" fragte er ihn. „Von Andlau, Herr", antwortete Veit. „Du hast selbst mit Herrn Diepold von Andlau gesprochen?" »Ja, Herr. Ich war, wenn Ihr mir erlaubt, das zu er wähnen, von Eurer hochedlen Schwester, dem Freifräulein Ede- linde von Rappoltstein von Hohnack an Herrn Diepold gesandt worden, um ihm einen Gruß und Kuß zu überbringen. Das geschah am Sonntag." „Du warst in Hohnack?" „Ja, Herr, bis zum Sonntag. Am Sonntag Abend kam ich nach Andlau. Am Montag wollte ich mit Aufträgen von Herrn Diepold wieder nach Hohnack zurück." „Zu meiner Schwester?" „Ja, Herr, mit Verlaub, ich wußte ja noch nicht, was sich inzwischen in Hohnack ereignet hatte. Das erfuhr ich erst in einer Schenke zu Berken, wo ich, um einen Trank zu nehmen, Rast machte. Gleichwohl lief ich noch bis nach der Veste Hohnack hin, um zu versuchen, mich meiner ufträge zu entledigen. Leider ging das nicht, und so lief ich noch in der Nacht vom Montag zum Dienstag nach Andlau zurück, um Herrn Diepold von den Ereignissen zu unterrichten." „So?" fragte Ulrich erstaunt, und sah das kleine, schmächtige Kerlchen noch einmal an. „Du bist ein tüchtiger Bursche, wenn Du eine solche Wegleistung in so kurzer Zeit zurücklegen konntest." „Und doch zu langsam für einen Liebesboten. Ich hätte Flügel haben müssen, um Eurer Schwester und Herrn Diepold schnell genug zu reisen." „Also weiter. In Andlau fertigte Dich Diepold hierher ab?" Veit nickte. „Und was ist Deine Botschaft? Zuerst die schriftliche? Wo ist sie?" Veit sah sich vorsichtig um. „Herr", sagte er dann leise, „es sind zu viele Leute hier." „So komm mit mir." Damit ging er mit Veit in ein Nebengemach, wo sie allein waren. Hier riß Veit aus seinem runden, grauen Filz das nur leicht angenähte Futter heraus, wodurch zwischen Filz und Futter ein Pergamentblatt zum Vorschein kam, das er fein säuberlich auseinander faltete und Herrn Ulrich übergab. „So befahl Herr Diepold mir, Euch zu bitten, Herr, dieses Blatt zu lesen, sagte er, damit Ihr daraus seine wahre und aufrichtige Meinung kennen lernt." Ulrich nahm das Blatt und las mit leichter Müh«: „Diepold von Andlau seinem freundlichen Beiter und hoch» ehrbaren Nachbar, dem Ritter Ulrich, Herrn von Rappoltstein, Zellenberg, Bergheim u. s. w. ehrerbietigen Gruß! Zu meinem großen Schmerz und herzlichem Weh habe ich von dem Boten, der Euer Gestrengen dieses Blatt überbringt, in Erfahrung gebracht, durch welchen hinterlistigen und tückischen Verrath Ihr durch den Junker Neidhart von Hohnack hinter gangen und um Eure Veste Hohnack gebracht worden seid. Und wenn ich das auch, nicht nur in Hinsicht auf Euch, sondern besonders in Hinsicht auf Euer Gnaden hohe Gemahlin und Schwester in tiefster Seele bedaure, so hoffe ich doch zu Gott, daß Ihr aus diesem Anlaß erfahret, wie sehr Ihr mir Unrecht gethan und wie sehr Ihr Euch in dem Junker von Hohnack getäuscht. Ich wünsche Euer Gestrengen, nun von Neuem meine herz liche Zuneigung und aufrichtige Freundschaft zu bezeigen, indem ich Euch ein Fähnlein von eiwa sechzig Knechten und zwanzig Pferden, wie auch einige Feld-Schlangen, so ich im Verein mit meinen Brüdern Anselm und Werner von Andlau bis zum nächsten Montag aufzubringen gedenke, zuführe, damit Ihr durch diese Hilfe gegenüber dem Junker von Hohnack zu Eurem Recht kommen und ihm für die begangenen Verbrechen und Ungebühr zu strafen vermöget. Solltet Ihr, freundlicher Vetter, von diesem wohlgemeinten Angebot Gebrauch machen wollen, so bitte ich Euch, dem Boten dieses Blattes, dem Spielmann Veit Led, den ich Euch als einen treugesinnten Mann empfehlen kann, mündlich mit zutheilen, wo ich am Montag früh mit meinen Knechten zu Euch stoßen kann. Dem Herrn, der über uns Alle wacht, empfehle ich Euch und Euer ganzes Haus und bin Euer freundlieber und treuer Vetter Diepold von Andlau." Ulrich besah, nachdem er gelesen, das Blatt von allen Seiten, dann fragte er, zu Veit gewendet: „Du sprachst auch noch von einer mündlichen Botschaft, die Du mir zu bringen hättest. Was ists damit?" „Herr", antwortete Veit, sich wieder vorsichtig umsehend, als ob er fürchte, von Unberufenen belauscht zu werden, „es giebt freilich noch eine Nachricht, die Herr Diepold nicht wagte, dem todten Papier anzuvertrauen, das Jedem verräth, der es in die Hände bekommt, was es enthält." „Geheimnisse?" unterbrach ihn Ulrich lächelnd. „Die Welt ist groß, Herr, was hier Gehrimniß ist, ist anders wo schon längst offenkundige Thatsache. Ihr selbst mögt ur» theilen, ob Ihr Ursache habt, das geheim zu halten, was Herr Diepold mir auftrug, Euch zu melden." » „Also sprecht." c
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