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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.11.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-11-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001105013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900110501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900110501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Amtlicher Theil. Gewölbe-Vermiethung. Im stadtiiLen Grundstücke Grimmaischc Strafte Nr. 1 ist der Laden link- mit den durch eine Treppe verbundenen GeschajtS- räumea im ersten Obergeschosse vom j. April 19V1 a» anderweit zu vermiethen. Miethgesuche werden auf dem Rathhause, 2. Obergeschoß. Zimmer Nr. 20 eutgegrngrnommen. Daselbst wird auch jede weitere Aus- kuoft ertheilt. Leipzig, den 2. August 1900. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. Römer. Versteigerung. Dienstag, -en 6. November 1SO0, vorn». 1« Uhr sollen im Bersteigerung-raume deS Königlichen Amtsgerichts allhier 1 Partie Möbel, I Ptanin», 1 Musik- und 1 «eträuke- Automat, 3 8eldschränke, t Winter- u. 1 Lomiucrüberztcher. Wtnterftajfe, doppclsctd. Autler, Hcmdentuch, 1 groszer Poften kunftl. Blätter und verschiedene andere Gegenstände öffentlich an den Meistbietenden gegen sofortige Bezahlung ver steigert werden. Leipzig, am 4. November 1900. Der LterichtSvollzieher b. Aönigl. Amtsgerichte. Sekr. Thierbach. Astronomische Entdeckungen. Capella, der Helle Stern 1. Größe im Sternbilde des Fuhr mann, der des Abends über dem nördlichen Gesichtskreise leuchtet, ist in neuester Zeit Gegenstand eifriger astronomischer Unter suchungen gewesen. Seit September 1899 ist cs bekannt, daß auch diese glänzende Himmelsfackel der großen Zahl der Doppel sterne zuzuzählen ist. Die Doppelsternnatur ward spcctroskopisch zuerst vom Astronomen Newall auf der Sternwarte Cambridge (England), und fast gleichzeitig vom Amerikaner Campbell auf der Lick-Sternwarte aus der Linienverschiebung in dem Stern- spectrum festgestellt. Dieser physikalischen Richtung der Astro nomie hat man sich in neuer Zeit mit hohem Interesse zugewendet und sich besonders des Spectroskops zu Bewegungsbcstimmungen unter Zugrundelegung des sogenannten Doppler'schen Princips bedient. Diese Bewegungen beziehen sich nicht nur auf Rich tungen, insofern sie senkrecht gegen die Gcsichtslinie geschehen und daher auf der Himmelsdecke sichtbar sind, sondern auch auf die in der Gesichtslinie selbst, die sie und uns verbindet. Unter An wendung des Spectralapparates findet man die Linienverschie bung in den Sternspectren auf photographischem Wege und sucht dann durch höchst exacte Ausmessungen der erhaltenen Spektro- gramme die Linienverschiebungen festzustellen. Durch diese spektro graphische Methode haben erst die Bestimmungen der Bewegung in der Gesichtslinie eine feste Grundlage erhalten, und sind damit weite Aussichten auf eine Periode neuer Erforschungen und Entdeckungen eröffnet worden. Die Genauigkeit der Messung ist in Folge der zweckmäßigen Construction der Apparate auf das Höchste gesteigert worden, und insbesondere ist bei den Potsdamer Beobachtungen das erhaltene Resultat aufs 0,3b geographische Meilen verbürgt. Wenn man in Betracht zieht, daß außer den Potsdamer Beob achtungen mit dem neuen großen Doppelrcfractor von 80 vw Oeffnung und dem neuen Spectrographen auch gegenwärtig Untersuchungen über Bewegung der Sterne in der Gesichtslinie von Newall in Cambridge, von Lord auf dem Mc Millin- Observatorium (Ohio) schon mit gutem Erfolg angestellt worden sind und weitergeführt werden, daß in Meudon bei Paris ein an Größe dem Potsdamer Instrument ähnlicher Dopppelrefractor aufgestellt ist, mit dem es dem Astronomen Deslandres schon gelang, den Stern Delta im Orion als Stern mit außerordent licher Bewegung zu erkennen, daß in Pulkowa erfolgreich ge messen wird, und ferner mit dem größten Instrument, das wir besitzen, dem Aerkes-Refractor in Williams-Bay, nahe Chicago, und mit dem Doppelrefractor auf dem Observatorium am Cap der guten Hoffnung von Professor Gill derartige Beobachtungen am Südhimmel angestellt werden sollen, so darf man mit Zu versicht erwarten, daß im Laufe des neuen Jahrhunderts unsere Kenntniß über die Fixsterninscl, der wir angeboren, in ähnlicher Weise erweitert werden wird, wie im Verlaufe des vorigen Jahr hunderts die über unser Sonnensystem. Bon den 28 im letzten Jahrzehnt spectrographisch entdeckten Doppelsternsystemen ist die Erkennung einer periodischen Ver doppelung von Linien im Spectrum von Capella von besonderem Interesse. Das Spectrum ist ein zusammengesetztes, indem das Spectrum des Hauptsterns von dem des Begleiters überlagert wird. Zwei Mal in einer gewissen Periode erscheinen die Linien einfach und scharf, Linie für Linie, und dann ist fast in jeder Be ziehung das Spectrum ähnlich dem des Sonnenspectrums; zu allen anderen Zeiten sind die Linien schlecht begrenzt, und er scheinen einige doppelt. In diesem Falle erkennt man das Vor handensein des Spectrums eines Begleiters, das mit dem Spectrum des Fixsterns Procyon große Aehnlichkeit hat. Die Be- lvegungsverhältnifse des Begleiters sind zur Zeit noch nicht end- giltig bestimmt, doch läßt sich jetzt schon schließen, daß die Massen der beiden Körper, welche den Stern Capella bilden, nicht sehr von einander verschieden sind, auch nicht an Helligkeit, und daß der Halbmesser der relativen Bahn mindestens 88 Millionen Kilo meter beträgt. Die Ilmlaufszeit des Körpers vom Sonnentypus ergiebt sich zu 104 Tagen, und die Geschwindigkeit des Svstems, das heißt, des Capella-Sterns selbst, beträgt rund 25 Kilometer. Um diesen Betrag entfernt er sich von uns mit jeder Sccunde in der Richtung der Gesichtslinie. Unter Zugrundelegung des heutigen aber noch nicht vollkommen sicheren Werthes für die Entfernung der Capella von der Erde, die der flüchtige Lichtstrahl mit 300 Tausend Kilometern Geschwindigkeit in der Secunde, in 29 Jahren durcheilt, ist die Masse der Capella kleiner als daS 19fache der Sonnenmasse. Die Helligkeit dieses Sternes muß mindestens 480 Mal diejenige der Sonne übertreffen, und wenn wir die absolute Leuchtkraft beider Himmelskörper gleich setzen, so würde jeder der beiden Körper Capellas im Durchmesser die Sonne um das 17fachc übertreffen. Wir erinnern uns hierbei, daß der Durchmesser der Sonne 188 Tausend Meilen mißt, und dieser wie auch der Umfang der Sonne 109^ Mal so groß ist, als der Durchmesser und der Umfang der Erde. Wer also eine Reise um die Erde in 80 Tagen zu machen im Stande ist, würde zu einer Reise um die Sonne 24 Jahre und um jeden des Zwei gestirn« Capella das 17fache an Zeit brauchen. Welche große Genauigkeit den spektroskopischen Beobachtungen und spectrometrischen Messungen zur Ermittelung von Be wegungen zuzuerkennen ist, wurde jüngst von Neuem damit erwiesen, daß die Duplicität des bisher spectroskopischen Doppel sterns Capella nun auch risuell, durch directe Beobachtung mit dem mächtigen 28zölligen Refractor der Greenwicher Refractor, bestätigt werden konnte. Damit ist ein Beweis mehr für die Richtigkeit des Doppler'schen Princips gegeben. Kurz vorher hatte der Amerikaner Campbell die Genauig keit der spectrographischen Bestimmungen der Geschwindigkeiten der Sterne in der Gesichtslinie zur Erde an unserem Monde zu prüfen gesucht. Es ist von Bedeutung, diese Geschwindigkeit beim Monde auf demselben Wege zu ermitteln und dos Resultat mit der auf anderm Wege berechneten Geschwindigkeit des Mondes zu vergleichen. Die scheinbare Geschwindigkeit des Mondes in der Gesichtslinie zur Erde kann sich bis auf zwei Kilometer in der Secunde belaufen. Der Spectrograph ergab für den 9. Januar 1900 diese Geschwindigkeit zu 1,46 Kilo meter und die Rechnung für denselben Moment 1,14 Kilometer, also den kaum nennenswertsten Unterschied von 0,32 Kilometer. Der erste Nachweis für die Richtigkeit des Doppler'schen Principes war vor 30 Jahren schon dem Professor Vogel, jetzigem Director des Astrophysikalischen Instituts in Potsdam, durch die gute Uebereinstimmung der auf spectrostopischem Wege bestimmten Rotationsbewegung der Sonne mit dem aus der Bewegung der Sonnenflccken abgeleiteten bekannten Rotations gesetze geglückt. Seit 1895 sind dann weitere Untersuchungen über Bewegung der Planeten und übsr die Rotation des Jupiter und der Venus auf spectoskopischem Wege angestellt und ferner auch über das Saturnsystem Aufnahmen erhalten worden, aus welchen hervorging, daß die Saturnringe aus einzelnen kleinen Körperchen, die bei ihrer Rotation um den Centralkörper den Keppler'schcn Gesetzen folgen, bestehen, und nicht als eine zusammenhängende starre Masse betrachtet werden können, womit die auf Grund theoretischer Untersuchung ge forderten Bedingungen eine praktische Bestätigung erhielten. Die größte bisher bekannt gewordene Bewegung eines Sternes in der Gesichtslinie von 87 Kilometern in der Secunde ist für den Stern Eta im CepheuS gefunden, ferner auch eine außerordentlich starke Bewegung von 70 Kilometern in der Secunde in Bezug auf die Sonne bei dem Stern Zeta im Herkules erkannt worden. Die astronomische Entdeckungsthätigkeit hat ferner eine Reihe neuer kleiner Planeten zu verzeichnen, welche hauptsächlich der umfassenden Verwerthung der Photographie zuzuschreibcn sind. Seit Professor Wolf in Heidelberg zuerst im Jahre 1891 mit Hilfe der Photographie kleine Planeten zu entdecken begann, ist dieser Weg so fruchtbar, daß in den Jahren 1892 und 1893 zu sammen 50 neue Planeten auf diese Weise bekannt wurden. Diese winzig kleinen Himmelskörper, die in der Sphäre zwischen Mars und Jupiter wandern, zeichnen ja selbst ihren Pfad auf die photographische Platte und machen ihre Entdeckung durch den Strich, der bei etwa zweistündiger Belichtung meist nur bis V-» Millimeter lang ist, möglich, während die Fixsterne bei exact fungirendem Uhrwerk als Puncte auf der Platte sich darstellen. Bis heute ist die Zahl der fast ausschließlich durch die Photographie entdeckten kleinen Planeten bis nahe an 460 angewachsen, einschließlich der drei im September dieses Jahres von der Heidelberger Sternwarte angemeldeten. Die Ent decker der letzten Jahre sind die Astronomen Wolf, Schwaßmann und Billiger in Heidelberg, Charlois in Nizza, Witt in Berlin, Coddington vom Mount Hamilton, Coggia in Marseille und Mascart in Paris. Der letzte im Jahre 1898 gefundene Planet ist die hundertste Entdeckung, die Charlois zu verzeichnen hat. Eine neue Classe von Planeten ist mit dem von Witt am 13. August 1898 entdeckten kleinen Gestirn Nr. 433, Eros, bekannt geworden, welcher sich fast immer in dem Raume zwischen Mars und Erdbahn bewegt und nur während eines geringenTbeileS seiner 645tägigcn Umlaufszeit von der Sonne weiter absteht als Mars. Er kommt der Erde auf 20 Millionen Kilometer nahe, während Venus höchstens bis auf 40 Millionen Kilo meter und Mars bis auf 57 Millionen Kilometer sich uns nähern können. Eine der nächsten Erdnähen des Eros wird Ende dieses Jahres eintreten, und zwar vom 25. bis 27. De- cember, Ivo sein Abstand von der Erde bis auf 47 Millionen Kilometer sich vermindert haben wird. Die Astronomen der verschiedensten Länder auf der Nordhalbkugel der Erde rüsten sich schon, diese höchst bedeutungsvolle Annäherung nach ein heitlichen Vorschlägen für die Bestimmung einer fundamen talen Constante der Sternkunde, den Abstand der Sonne von der Erde, sich möglichst nutzbar zu gestalten. vtk. Don der Obkausstellung in Paris. Als im Juni dieses Jahres die Vertreter der Vereinigten Staaten Nordamerikas, Canadas, Deutschlands und anderer Staaten gelegentlich des Preisgerichts, die Formobstbäume aus der Pariser Weltausstellung betreffend, beisammen waren, wurde von Mr. Taylor, dem Vertreter der Vereinigten Staaten, der Vorschlag gemacht, die verschiedenen europäischen und außer europäischen Länder möchten sich am 10. October mit ihren Früchten in Paris ein „Stelldichein" geben. ' ' Der Vorschlag fiel auf fruchtbaren Boden, und jeder der Vertreter ließ es sich angelegen sein, in seinem Vaterlande für dix Idee Prppaganda zu machen. Als besonders interessant schien den damals Versammelten ein Vergleich zwischen den Birnen der Krim und denen Frankreichs, zwischen den Aepfeln Deutschlands, Oesterreichs und denen Nordamerikas, und den Trauben Spaniens, Italiens und denen Südrußlands. Die Wünsche, einmal auf neutralem Gebiete solche Vergleiche ziehen zu können, sind so ziemlich in Erfüllung gegangen. Leider wär Ungarn gezwungen, seine Haupt-Weinausstellung schon am 26. September vorzunehmen, und Oesterreich verlegte, wie man sagt, seine Aepfelschau auf Ende dieses Monats. Schöne Ver gleiche boten indessen die Birnen der Krim, Frankreichs und des Rheinlandes, die Aepfel Deutschlands, Canadas und der Ver einigten Staaten. Um dieser Aufgabe nach Möglichkeit gerecht zu werden, war von dem Gartenbau-Comitä für die Weltausstellung in Paris eine Dreitheiligkeit seiner Schaustellung ins Auge gefaßt; es war 1) eine Collection Aepfel nur in Sorten des Normalsortiments vom deutschen Pomologenverein, 2) eine Collectiv-Ausstellung von Aepfeln und Birnen aus dem ganzen deutschen Vaterlande und 3) eine Reihe Privatsortimente und Einsendungen von Ver einen, di« typische Sorten ihres Kreises zur Schau bringen soll ten, in das Programm ausgenommen worden. Da es von ganz besonderem Interesse für ganz Deutschland sein mußte, einmal den Nachweis geliefert zu sehen, daß der deutsche Apfel dem Product Amerikas nicht nachsteht, und daß die Allgemeinheit des deutschen Klimas und seiner Bodenverhält nisse sehr wohl dazu angethan ist, die Erzeugung von Aepfeln im Großen zu ermöglichen, hatte man auf die Haupthandelssorten, die dem Geschmacke unseres Publicums am besten entsprechen, auch den Hauptwerth gelegt. Es waren darum aus dem Nor- malsortimcnt des deutschen Pomologenvereins folgende 20 Sorten herausgegriffen und in einer großen Anzahl Exemplaren pro Sorte zur Schau gestellt worden: Gelber Edelap.fcl, gelber Gravensteiner, rother Gravensteiner, Ribston Pepping, Große Casseler Reinette, Schöner von Boskoop, Muskat-Reinette, Ge flammter weißer Cardinal, Deutscher Goldpepping, Landsberger Reinette, Gelber Richard, Danziger Kantapfel, Prinzenapfel, Kaiser Alexander, Pariser Rambour-Reinette, Purpurrothcc Cousinot, London Pepping, Harberts Reinette. Diese 20 Sorten hatte man außerdem in Parallel-Ausstel- lung zwischen Mitteldeutschland (Werderscher Kreis) und Nord deutschland (Kreis Gumbinnen) neben einander aufgestellt, in der Hoffnung, dem internationalen Preisgericht markante Ver schiedenheiten vor das Auge führen zu können. Wie zu er warten war, zeigten die Gravensteiner sich besonders dankbar für das Seeklima, während der für ganz Deutschland in allen seinen Theilen im Anbau wohl zweckmäßigste Apfel, die Winter- Goldparmäne, sogar größere Schönheit in goldiger Färbung, feineres Fleisch und besseren Duft aufwies, soweit er aus Mittel deutschland stammte. Auch war die Große Casseler Reinette und der Geflammte weiße Cardinal schöner unter den Werder- schen Früchten, während der Kaiser Alexander, der Prinzenapfe! und der Gelbe Richard das Seeklima zu bevorzugen schienen. Bei den übrigen Sorten konnte man große, in das Auge fallende Unterschiede nicht gut bemerken; sie trugen als deutliche Merk male die bekannten Vorzüge der Werderschen oder der nord deutschen Provenienz. Diese Früchte konnten sich den amerikanischen, sowohl aus Canada wie aus den Vereinigten Staaten getrost an die Seite stellen, und wem es vergönnt war, von beiden zu kosten, der war außer allem Zweifel, daß die feine Fruchtsäure selbst den edelsten der amerikanischen Aepfel in minderem Maße eigen ist, als unserem deutschen Obst. Zieht man nun ferner in Rücksicht, daß in Amerika alle Hilfsmittel herangezogen worden sind, um das zu leisten, was wir heute vor uns sehen, so muß der objektive Beobachter unbedingt auf den Schluß kommen, daß unsere deut schen Aepfel, sofern wir gleichen Fleiß und gleiche Mittel auf ihre Cultur verwenden wollen, wie die Amerikaner, deren Concurrenz nicht zu fürchten brauchen. Es ist dies für alle betheiligten Kreise, vor Allem für unsere deutsche Landwirthschaft, ein nicht zu unterschätzender Hinweis dafür, wo sie die Rentabilität ihrer Betriebe suchen soll und fin den wird, falls sie einmal dazu gelangen sollte, den Obstbau auf praktisch-amerikanische Weise im Großen zu betreiben, und hier für dieselbe Intelligenz und denselben rastlosen Eifer, den sie bei der Cultur der Zuckerrübe oder der Halmfrüchte jederzeit be- thätigt hat, zur Anwendung bringen würde. Selbstverständlich könnte es sich nur um feldmäßigen Anbau einzelner, für be stimmte Kreise besonders geeigneter Sorten handeln. Jedes Viel an Sorten ist von Uebel und Bäume wie Gesammtanlage müssen darauf eingerichtet sein, eine leichte Behandlung, eine rasche Ernte zu gewährleisten. Die 19 Sondercollectionen nahmen besonderes Interesse für sich in Anspruch, weil sie bestimmte Kreise, aus denen das Obst stammte, charaktcrrsirten. Die Gestade des Bodensees, die ge segneten Ufer des Rheins waren durch ihre köstlichen Birnen in überraschend schöner Weise vertreten. Was der Garten- bauverein Lindap, die Firma I. Ruprecht L Söhne ebendaselbst, Herr von Lade, Geisenheim, in diesen Früchten gebracht hatten, gehörte zu dem Schönsten, was in Paris vorhanden war. Die Gegend von Potsdam, die sächsische Oberlausitz und die reiche Apfelgegend des Pinneberger Kreises in Schleswig-Holstein waren durch ihre Einsendungen gleichfalls auf das trefflichste charakterisirt und es ist kein Zufall, daß das Preisgericht ihnen sämmtlich den ersten Preis zusprach (nur mit Ausnahme des Gartenbauvcreins von Lindau, dessen Darbietung für eine Collec tiv-Ausstellung eines Vereins nicht groß genug war, um einen ersten Preis zu erhalten; die Schönheit der Früchte war dort in dessen gleich hervorragend). Da selbst der ferne Osten (Deutscher landwirthschaftlichcn Ortsverein Janowitz), sowie fast jeder Theil des deutschen Vaterlandes in diesen 19 Sortimenten seine Ver tretung fand, gestaltete sich deren Gesammtheit zu einem weiteren, äußerst lehrreichen Beitrag zur Beurtheilung unseres heimischen Obstbaues. In einer Collectivausstellung des ganzen deutschen Reiches, aus 87 zum Theil sehr bedeutenden Einsendungen bestehend, erschienen alle Kreise, die sich mit Obstbau beschäftigen, in einer übersichtlichen Zusammenstellung, die den dritten Theil des deut, schen Programms bildete und 92 Aepfelsorten und 36 Birnen sorten darbot, nachdem alles Minderwerthigc und Zweifelhafte auSgeschicden worden war. Es war dies eine Mustersammlung schöner Früchte, die den Beifall aller Beschauer erweckte, und so recht deutlich zu erkennen gab, welch' ein Reichthum an Obst in unserem Laterlande erzeugt werden könnte, sofern diese einzelnen Beispiele verallgemeinert und aus dem Stadium der Liebhaberei in das der productiven Anzucht im Großen hinüber geleitet würden. Da bis heute nur die Urtheile der Internationalen Jury zur Verfügung stehen, kann über die herrliche Obstausstellung Frankreichs, bezw. über die Resultate beim Preisgericht nichts berichtet werden, doch sei gestattet, die fremden Nationen, die in Paris ausgestellt hatten and alle von derselben Jury beurtheilt wurden, nebeneinander aufzuführen; das Resultat war fol- gendes: Die Vereinigten Staaten hatten 20 prämiirte Collectionen aufzuweisen; von diesen waren 8 mit ersten und 12 mit zweiten Preisen bedacht. Die Zahl der Puncttz war: 3 zu 16, 1 zu 17, 3 zu 18,1 zu 20 gleich 8 erste Preise; ferner 7 zu 15, 3 zu 13, 2 zu 12 gleich 12 zweite Preise. (1—5 Puncte gleich Ehren erwähnung, 6—10 Puncte gleich dritter Preis, 11—15 Puncte gleich zweiter Preis, 16—20 Puncte gleich erster Preis.) Britisch-Canada: 2 zu 18 Puncten, 3 zu 16 gleich 5 erste Preise; 1 zu 15 Puncten gleich 1 zweiter Preis. ' Rußland: (in der Hauptsache Wein und Birnen von der Krim, Aepfel aus Polen) 3 zu 20 Puncten, 2 zu 18 Puncten, 2 zu 17 Puncten, 7 zu 16 Puncten gleich 14 erste Preise; 1 zu 14, 1 zu 13, 3 zu 12 Puncten gleich 5 zweite Preise; ferner 1 zu 10, 4 zu 8 gleich 5 dritte Preise. Italien: 1 zu 20 Puncten gleich 1 erster Preis, 1 zu 15 Puncten gleich 1 zweiter Preis. Schweden: 1 zu 18 Puncten gleich 1 erster Preis. Spanien: 3 zu 12 Puncten gleich 3 zweike Preise. Bulgarien: 1 zu 10 Puncten gleich 1 dritter Preis. Deutschland: 4 zu 20, 2 zu 18, 1 zu 17, 5 zu 16 Puncten gleich 12 erste Preise; 1 zu 15, 2 zu 13, 3 zu 12 Puncten gleich 6 zweite Preise; 1 zu 10, 2 zu 8 Puncten gleich 3 dritte Preise. Dies sind die 78 Collectionen, die das Ausland nach Paris entsendet hatte. Hieraus geht hervor, daß Deutschland mit den Vereinigten Staaten und Rußland bei Weitem das größte Contingent zur Ausstellung geliefert hatte; bei den insgesammt 78 Collectionen war es mit 21, Rußland mit 24, die Ver einigten Staaten mit 20 vertreten, und cs spricht sehr für die Güte und Bedeutung das deutsche Reich dieser Collectionen, wenn unter seinen 21, von denen 12 den ersten Preis hatten' deren vier mit 20 Puncten sind. Plattdeutscher Verein „Fritz Reuter". Der Plattdeutsche Verein „Fritz Reuter" hiersrlbst feierte am 26. October den 100. G-burtStag Moltke's mit einem FestcommerS im großen Saale des Hotels zum Fürstenhof. Am Morgen legte der Vorstand einen Kranz mit prächtiger Schleife in den Mecklenburger und deutschen Farben unter der Reiterstatue Moltke's am Siegesdenkmal nieder. Der Kranz aus Eichenlaub, welches von der Moltke-Eiche in Parchim gebrochen war, trägt aus der Schleife die Widmung: „Obren erstell plattckittscben I-ancksmann llelmutb von liloltlcs to sin 100. Oedurtsckae ckor plattäUtseds Verein „k'ritr Reuter" tau I-eiprig'. Das Programm des FcstcommcrseS eröffnete der Mollke- marsch von Blou und di« Begrüßung mit einem Hoch auf Kaiser Wilhelm und die BundeSsürsten von Herrn Bachmann. Die Festrede deS Vorsitzenden gab ein gedrängtes, klare» Bild von dem Werdegang unseres großen Strategen und klang in einem Hoch auf die von Moltke'schem Geiste durchwehte deutsche Armee aus. Trinksprüche auf die plattdeutsche Sache (Herr Westphal), zum Andenken Bis- marck'S (Herr Gotisch), auf das junge niederdeutsche Brautpaar, den Prinzen Heinrich von Mecklenburg und die Königin Wilhelmina von Holland (Herr Stadtverordneter Knappe) wechselten in schöner Reihenfolge mit hoch» und plattdeutschen Liedern ab. Mächtig erklang das plattdeutsche Bundeslied „De Eikbom" von Fritz Reuter durch den Saal und zwischendurch spielte eine kleine Capelle gewählte Festweisen. Die Ballade von Löwe „Der Nöck", die Arie des Bombardon auS der Oper „Da» goldene Kreuz" von Brüll, mit schönem Bariton von Herr» Kirchner vorgetragen und von Herrn Bernhöfft feinsinnig begleitet, und das Cello-Solo von Chopin gaben dem Ganzen ein gediegene» künstlerische» Gepräge. Vermischtes. V. Erfurt, 2. November. Die Agitation für die in etwa vierzehn Tagen beginnenden Stadtverordnetenwahlen bat bereit» eingesetzt; diesmal sind die bürgerlichen Parteien erfreulicher Weise vollständig einig gegenüber den Social demokraten, die sich mit aller Kraft an der Wablbewegung zu betheiligen gedenken. Ihre Aussichten sind indeß sehr ge ring, da sie außer den großen bürgerlichen Corporationen auch die geschlossene Masse der Beamten und Lehrer gegen sich haben. — Das in unserer Stadt noch bestandene Institutder communalen Nachtwächter ist jetzt aufgehoben und durch uniformirte Polizeibeamte ersetzt worden. Ja drei Revieren sind die Nachtwächter bereit» verschwunden. — Erfurt zieht sich den an unserem Stadttheater engagirten Schauspiele rinnen gegenüber als ein wahres HeirathSuest. Ja den fünf Jahren des Bestandes der Bühne stud drei Opern- soubrettn und eine Naive unter die Haube gekommen. Und da sage man noch, daß es keine muthigen Männer mehr gebe! — Urber das neue System der Schnell-Telegraphie bringt der Londoner „Elektrician" die letzte Nachricht bezüglich der an der vielbesprochenen Erfindung von Pollak und Virag vorgcnommenen Vervollkommnungen. Schon vor einem Jahre, etwa waren die beiden Erfinder soweit gekommen, eine lieber^ tragungsgeschwindigkeit bis zu 100 000 Worten in der Stunde oder von durchschnittlich 1300 bis 1500 Worten in der Minute erzielen zu können. Durch einen sinnreichen Ausbau der Ur sprünglichen Form des Apparates ist es nun ermöglicht Worten, die Telegramme gleich in gewöhnlicherHandschrift zusenden. Dabei ist durch die Einführung dieses Vorzuges allerdings die Ge schwindigkeit etwas beeinträchtigt worden, aber es können auch auf diese Weise noch immer 1000 Worte in der Minute depeschirt werden, vorausgesetzt, daß etwa 80 vollständige Schriftzeichen in der Secunde geschrieben werden können. Die fortgesetzte Ucber- mittelung einer so großen Zahl von Schriftzeichen in so kurzer Zeit ist nur durch die außerordentlichen Fortschritte in der Her^ stellung lichtempfindlicher Papiere möglich geworden, und von der Zuverlässigkeit dieses Materials hängt in Wirklichkeit der praktische Erfolg des neuen Systems ab. Allerdings werden täe jetzt angegebenen und in einzelnen Versuchen wohl auch erreichten Geschwindigkeiten schließlich nur theoretischen Werth erhalten, denn unter gewöhnlichen Verhältnissen des täglichen Gebrauchs würde man eine so ungeheure Schnelligkeit von 1000 bis 1500 Worten in der Minute gar nicht für genügend betriebssicher halten. Das große englische Fachblatt hat jedenfalls seinerseits so viel Vertrauen zu der Erfindung in ihrem gegenwärtigen Stande, daß es deren Urheber zu der Leistung dieser äußerst werthvollen Arbeit lebhaft beglückwünscht. ---- Berühmte Studenten. In dem zweiten Bande der „Jllustrirten Hausbibliothek", die im Verlage von W. Vorbach <L Co., hier, zu dem billigen Preise von 75 H erscheint, befindet, sich ein Aufsatz von vr. Stern über «inen Rundgang durch die deutschen Hochschulen, in dem auch von Bismarck's und Miquel.'^ Studentenzeit die Rede ist. Von der letzteren plaudert der Ver fasser Folgendes: Das „tolle Jahr" erregte natürlich auch in der freundlichen Leine-Stadt die Gemüther der Bürger und Stu denten, und an manchem Biertisch wurden die Fragen der hohen Politik durchgefochten. Ein Haupt-Tummelplatz für diese Poli tiker war der im Frühjahr 1848 gegründete „Männer-Turnüerein Göttingen", über dessen Geschichte der Stadtschreiber Hampe ber Gelegenheit des fünfzigsten Stiftungsfestes auf Grund authen tischen Materials eine bemerkenswertste Broschüre veröffentlicht hat. Der Gründer des Vereins war stuck, jur. Miquel, der. jetzige preußische Finanzminister, der damals freilich noch mick seinen eigenen Finanzen in hartem Kampfe lag. Auf Wunsch des Vaters sollte er Theologie studieren, fühlte aber hierzu keime Neigung, sattelte um und wurde Jurist. Er verlor in Fnlge dessen die väterliche Unterstützung und mußte sich während der vier Jahre, die er in seiner „Studentenbude" in der Jüdensicraßc hauste, schlecht und recht durchschlagen. Die Zuschüsse eine» Onkels und die Freitische, die er an einigen Stellen hatte, ge währten nur geringe Unterstützung. Die drückende Lage be flügelte aber seinen Ehrgeiz. Er konnte damals noch keine fließende Rede halten, da er mit der Zunge anstieß; folglich mußte der Turnverein seine Rednerschule werden. An jedem Versammlungsabend, nach Schluß der Turnübungen, bestimmt-: er einige Mitglieder, über ein ihnen soeben gegebenes — meist politisches — Thema aus dem Stegreif zu sprechen; hierbei kam es zu Replik und Duplik, gewöhnlich zu kräftiger Opposition gegen den Vorstand, und so hatte Miquel Gelegenheit, sich im Reden zu üben. Das war die geistige Gymnastik. Aber auch in der körperlichen stand er seinen Mann. Er war kein ge wandter Turner, er war nur Kraftturner, der Klimmzüg« unv ähnliche Ucbungen mit Energie ausführte und auch in erster Linie die Energie der Mitglieder stählen wollte, die die ihnen gestellte« Aufgaben richtig erfassen und kraftvoll, wenn auch mit etwas weniger Eleganz, ausführen sollten. Lange Jahre war Miquel Vorsitzender des Turnvereins, in dem sich übrigens alle Mit glieder mit „Du" anredeten, und erwarb sich in dieser Eigen schaft mancherlei Verdienste um denselben. Er entwarf die Statuten des Vereins und war die Seele des mit der ersten Stiftungsfeier verbundenen großen Turnfestes, bei dem ihm als Vorsitzendem die von einer Anzahl Göttinger Jungfrauen gestiftete Fahne überreicht wurde. Im Jahre 1851 legte «muck, jur. Miquel sein Ehrenamt nieder, um nach Berlin zu ziehen und dort das Bankfach zu erlernen. Nach Göttingen zurllckge- kehrt, wurde Rechtsanwalt vr. Miquel 1859 abermals Vor sitzender des Vereins, dessen Leben während seiner Abwesenheick etwas ins Stocken gerathen war. Um die Geselligkeit und den turnerischen Geist zu heben, wurde nun an den Sonnabend-Zu sammenkünften die Vorlesung von Schilderungen deutschen Lebens und Strebens aus Vergangenheit und Gegenwart ein geführt, der einstimmige Gesang und die Vortragskunst gepflegt und auch das Knabenturnen wieder eingeführt. Die fünfzigste Wiederkehr des Tages der Völkerschlacht bei Leipzig war die Anregung zu einer patriotischen Vereinsfeier. Zu dieser hatte der Männer-Turnverein sämmtliche übrigen Vereine Göttingens eingeladen. Die Feier bestand in einem allgemeinen Commers in der jetzigen Centralhalle, dem sich am folgenden Tage ein fest licher Aufzug durch die Straßen der Stadt anschloß. Gelegent lich dieses Aufzuges entspann sich, wie Stadtschreiber Hampe in der erwähnten Broschüre mittheilt, eine Contrahage zwischen Corps- und anderen Studenten. Die Corps, die bei derartigen Aufzügen stets unter Vorantritt der Kohrßen'schen Capelle sich betheiligten, hatten diesmal irrthümlich ein anderes Musikcorps erhalten. Da sie sich dies nicht gefallen lassen wollten, schwenk ten sie auf der Jüdenstraße ab, marschirten durch die Kupfer straße und versuchten, auf der Weenderstraße sich hinter die Kohrßen'sche Capelle, die den nichtcorporirten Studenten voran- schritt, zu drängen, um so ihr altes Recht zu behaupten. Kaum aber wurde dieser Versuch gemacht, als auch schon die Schläger durch die Luft sausten, und eine eigenartige Mensur sich den überraschten Zuschauern darbot. Der übrige Theil des Fest zuges ließ sich durch diese nicht programmmäßige Nummer jedoch nicht stören und setzte seinen Weg fort. Durch Amtsgeschäfte — als Vertheidiger am Schwurgericht und Bürgervorsteher beim Magistrat — häufig verhindert, konnte vr. Miquel, der in der Weenderstraße 35 eine gute Anwaltspraxis hatte, in letzter Zeit seinen Vereinsverpflichtungen nicht mehr in derselben Weise Nachkommen, wie früher, und erhielt deshalb im Januar 1864 einen ständigen Vertreter im Vorsitz in der Person de- vr. Usinaer. Am 2. Juni 1864 fand die Verschmelzung des Männer-Turnvereins mit dem akademischen Turnverein zur „Turngemeinde" statt, die noch heute diesen Namen führt. Di« letzte That des Vorsitzenden vr. Miquel für die Turngemeinde war die Anberaumung der Donnerstags-Vorstandssitzungen in seiner Wohnung, — ein Brauch, der dem säumigen Besuch der selben abhelfen sollte und im Hause des keweiligen Vorsitzenden noch heute geübt wird. Im Jahre 1865 verließ Rechtsanwalt vr. Miquel, zum Bürgermeister von Osnabrück gewählt, Göt tingen. Mit aufrichtigem Bedauern sah ihn die „Turngemeinde" scheiden, um die er sich so große Verdienste erworben und deren ITSUvvs !.I»! 1.40, u», 4»»/, It 6. u. l-fflllllcillll, UW?
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