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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.08.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010817015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901081701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901081701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-17
- Monat1901-08
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Ma« abonnirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, de» Douaustaaten, der Europäischen Türket, Egypten. Für alle übrigen Staaten tp der Bezug nur unter Kreuzband durch die Exp«ition diese« Blatte« möglich. Die Morgea-UuSgabe erscheint um '/»? Uhch di« Ubeud-AuSgabe Wochentag» um S Uhr. Lr-artion nu- Erve-Mo«: JohanniSgasse 8. Filiale«: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'« Sortim. lluwersitätSstraße 8 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14. purt. und LünigSplatz 7. Morgen-Airsgabe. NpMcrIWMatt Anzeiger. Ämksölatt -es Königlichen Land- und ÄinLsgerichtes Leipzig, -es Aathes nn- Nolizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Sonnabend den 17. August 1901. Anzeigen. Preis die 6 gespaltene Petitzeile L5 Reklame» unter de« Redacrtousstrich /«gespalten) 75 vor de» Famtliennach» richt« («gespalten) 50 rabellarischer and Hifsernsatz «»tsprecheud Häher. — Eebührta nir Nachweisungen n»d Offerteaannahme LS («xcl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesärdenm- 60.—, mit Postbesörderuag ^<l 70.—» AunahMschluß für Älyeigen: Ab end-Ausgabe: vormittag« lv Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittags 4 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je «in« halb« Stunde früher. Anzeige» Pud stet« an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentags «»unterbräche» geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck »ab Verlag vou E. Polz t» Leipzig S5. Jahrgang. Der Doppeltarif für Getreide. Die „Köln. Zig." giebt eine, offenbar al« authentisch an- zusehendc Interpretation der zum Doppeltarif fürGe treibe vom Directorium d«S CentralverbandeS deutscher Industriellen erlassenen Erklärung. Damit dringt in das Dunkel des Stils, das das Direktorium entstehen ließ, Helles Licht. Gleichzeitig erfährt man, daß die Erwartung, die General versammlung des Verbandes werde das Directorium berich tigen, keine Aussicht auf Erfüllung bat. Der langen ver worrenen Erklärung kurzer und klarer Sinn ist der: Der Centralverband ist zur Zeit gegen den Doppeltarif für Getreide und will auch, wie man nach Fassung der Decla ration vermuthen konnte, seinen Sinn nicht ^wandeln, wenn auch für eine Reihe von Industrieerzeugnissen gebundene Mindestsätze neben den Sätzen des GeneraltarisS bewilligt Würden, wozu die Landwirthschaft bereit wäre. Die „Kreuzztg." hat, vermuthlich durch anderweitige Informa tionen, denn herauSzulcsen war es nicht, gewußt, was das VerbandSdirectorium eigentlich meint und Vie Kundgebung alsbald mit einer Kriegserklärung gegen die gesammtc Industrie beantwortet. Da« Blatt wittert Verralh. Die Industrie, so fürchtet e-, hege die Absicht, ihre eigenen Zölle in Sicherheit zu bringen, um dann die Landwirthschaft im Stiche zu lassen. Die angekündigte Gegenmaßregel ist die — als Drohung — altbeliebte: „Die Landwirtbschaft wird wenigstens die Eisen zölle, im Nothfallc aber alle Schutzzölle bekämpfen, Deutschland also für die Barth, Bebel oder sonstige Schwärmer für den Ackerbau zu einem handelspolitischen Paradies gestalten. Mau versteht zunächst die agrarische Logik nicht recht. Wenn die Landwirthschaft mit der Gefahr, von der Industrie dupirt und überstimmt zu werden, rechnen muß, dann kann sie doch erst recht nicht hoffen, die Eisenzölle zu beseitigen oder gar das ganze Schutzzollsystem über de» Haufen zu werfen. Und an der Sache begreift man nicht, wie Agrarier mit dem Gedanken der Niederreißung aller Zoll schranken für fremde landwirthschastliche Erzeugnisse spielen mögen. Aber bei jeder Differenz mit dem Acußersten zu drohen, ist Brauch unter den Parteien geworden. Und über Beide« kann sich die Landwirthschaft mit Grund beklagen. Der Centralvrrband hat mit seiner Erklärung gegen die Mindestzölle überrascht,nachdem er dieAgrarier langeZcit vorher in Sicherheit gewiegt hatte. Wir wissen wohl: es sind aus dem Verband Aeußcrungen gegen den Doppeltarif gefallen, sogar verbandSosficiöse, aber da« allgemeine Verhalten war derart, baß auf einen Widerstand von dieser Seite nicht mehr gerechnet wurde. Auch die Freihändler hofften nichts mehr vom Centralverbande gegen die Mindest zölle und sie sind jetzt ebenso überrascht wie die Laubwirlhe, sie natürlich freudig. Es war bekannt, daß der nunmehrige Handelsminister Möller, vor seiner Ernennung ein sehr ein flußreiches Mitglied des Centralverbandes, für den Doppel tarif (für Getreide) eintrat, und noch kurz vor seiner Be rufung ins Ministerium äußerte sich Möller öffentlich unge fähr dahin, er sei persönlich nicht für einen Doppeltarif eingenommen,, wäre aber geneigt, ihn zuzugestchcu, weil die Landwirthschaft mit zweierlei Sätzen besser zu fahren glaube. Nachdrücklich ist Herr Möller damals aus dem Verband heraus nicht deSavouirt worden. Sind nun die „Agrarier" nicht gan^ unbegreiflicher Weise enttäuscht, so darf man doch der „Köln. Ztg." zustimmen, wenn sie sagt, schließlich sei „auch der Bund der Landwirthe nicht unbedingt Herr über die Stimmen aller der Abgeordneten, die er sich zurechnet". Sehr richtig und sehr wichtig. Aber nicht minder zutreffend und bedeutsam ist die Aufrechnung, daß der Centralverbanv deutscher Industrieller nicht mehr „unbedingt" Gehorchende im Reichstage zählt, als der Bund der Land wirthe. Der Centralverbaud giebt sich darüber auch keiner Täuschung hin. Sein Geschäftsführer hat vor wenigen Wochen bekundet, man könne und werde seine Sache nicht auf das aus dem allgemeinen und direkten Wahl recht hervorzegangene Parlament stellen, man getraue sich aber, auf andere Weise erfolgreich zu wirken. Wie dies Weitere gesetzgeberisch und entscheidend zum Effect gebracht werden könnte, darüber hat Herr Bueck, uns wenigstens, keine klare Vorstellung zu vermitteln gewußt. Jedenfalls wird man nichts erreichen, wenn man nicht mit der Landwirthschaft in leidlichem Einvernehmen bleibt. Aber die Darlegungen des Herrn Bueck sind nicht verbaudofficielle^ Natur gewesen und der Centralverband wird ebenso mit sich reden lassen wie Graf Klinkowström und die anderen vom landwirthschast- lichen und nicht vom Agitatorenstandpunct ausgehenden agrari schen Führer. Die Frage deS Doppeltarifs ist an sich eine rein ver- handlungStechnische. Sie wird unter diesem Gesichtspunkte verschieden beantwortet und wir heben bereitwillig hervor, daß die „Hamburger Nachrichten", ein Blatt, das, obwohl es am Hauptsitze de« deutschen Handels, seinen Schwerpunkt bat, mit unermüdlichem Eifer um eine ehrliche Verständigung zwischen der Landwirtbschaft und den anderen großen Er- werbSgruppcn sich bemüht, den Doppeltarif aus praktischen Gründen verwirft. Wir für unseren Tberl halten daran fest, daß eS sich hier um eine offene Frage bandelt. Es läßt sich aber verstehen, wenn die Land wirthschaft sich in dem Tarifgesetz, über da« in den Handelsverträgen Beschluß gefaßt werden muß, durch Mindestzölle, unter die kein deutscher Unterhändler und kein Befehlshaber eines deutschen Unterhändler« herabgehen kann, sichern möchte. Di« Landwirthschaft glaubt beim Abschluß der bestehenden Handelsverträge schlechter gefahren zu siin, als die internationalen HandelSverbällnisse cS geboten. Der Grund wird einzig und allein nichtreal- und am wenigsten handelsrealpobtischen Sentiment«, die sich an maß gebenden Stellen eingestellt hatten, zugeschriebcn. Der Vorgang kann sich wiederholen und gewisse Andeutungen der durch Hinterthüren, aber nicht schlecht oricntirten „Franks. Ztg." lassen darauf schließen, daß die Lust vorhanden ist, die künftigen HandelörechtSvcrhandlnugen abermals in der in Deutsmland vorherrschenden enthusiastischen aber unge schäftsmäßigen Stimmung führen zu lassen. Dagegen darf und soll sich die Landwirthschaft wehren, und wenn sie rö in verständig-gemäßigter Weise tbut, so bandelt sie im allge meinen Interesse, denn Deutschland könnte bei englischen Agrarzustäuden noch lange nicht bestehen. So ist die Stellung der Landwirthschaft zum Doppeltarif zu begreifen, wenn man auch deshalb noch lange nicht für ihn zu schwärmen braucht. Die Industrie zieht aufs Land! p. s. Eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung de« Kgl. Preußischen Statistischen Amtes thut dar, in welchem Umfang nicht nur die Städte, sondern besonders auch die ländlichen Orte im Laufe des letzten Jahrzehnts dank des industriellen Aufchwungs an Bevölkerung zugcnommen haben. Selbst redend beziehen sich die betreffenden Zahlen nur auf das König reich Preußen. Die Einwohnerschaft der 1266 Städte zählte am 1. De- cember 1890 12 066 374 Seelen, am 2. December 1896 13 354125 und am 1. December 1900 14 844 221 Seelen. Dies stellt eine jährliche Zunahme im ersten Jahrfünft um 19, im zweiten Jahrfünft um 23 vom Tausend dar. Die 51118 Landgemeinden und Gutsbezirke umfaßten am 1. De cember 1890 17 890 993, am 2. December 1895 18 600 998 und am 1. December 1900 19 624 086 Seelen, was einen jähr lichen Zuwachs von 7,8 vom Tausend in den Jahren 1890 bis 1895 und 10,8 vom Tausend für 1895 bis 1900 bedeutet. Das Anwachsen der Stadtgemeinden hat sich im letzten Jahr fünft zwar auch beschleunigt von jährlich 19 vom Tausend auf 23 vom Tausend, dasjenige der ländlichen Orte hat aber in schnellerem Tempo zugenommen, und zwar von nur 7,8 vom Tausend in den Jahren 1890 bis 1895, ist eS gestiegen auf 10,8 in den lehtverflossenen fünf Jahren. Interessante Aufschlüsse giebt die Aufstellung bei Ver gleichung der Bevölkerungsbewegung der einzelnen städtischen mit den ländlichen Orten nach Größengruppen. Das aller schnellste WachSthum zeigen aber nicht die städtischen Orts- kategorien, sondern die ländlichen auf, und zwar nicht nur im zweiten, sondern auch schon im ersten Jahrfünft des Zeit abschnittes 1890 bis 1900. Allerdings sind die Durchschnitts zahlen für 1890 bis 1895 niedriger als die für 1895 bis 1900, was darauf zurückzuführen ist, daß der industrielle Aufschwung erst mit 1893/94 einsetzte. In den Jahren 1895 bis 1900 nahm die einzige preußische Landgemeinde über 50 000 Ein wohner jährlich um 94,5 vom Tausend, also fast 10 Procent, zu, die Städte zwischen 50 000 und 100 000 Einwohnern dagegen nur um 38,5 vom Tausend. Die zwei Landgemeinden von 40 000 bis 50 000 Einwohnern wuchsen um 68,2 vom Tausend, die Städte gleicher Größe nur um 28,8 vom Tausend. Die drei Landgemeinden zwischen 30 000 bis 40 000 Einwohnern nahmen zu um 134,6 vom Tausend, die Städte gleicher Größe nur um 34,3. Die 13 Landgemeinden von 20 000 bi« 30 000 Einwohnern stiegen jährlich um 74,0 vom Tausend, die Städte nur um 23,7 vom Tausend. Die 54 Landgemeinden von 10 000 bis 20 000 Einwohnern nahmen jährlich um 57,5 vom Tausend zu, die Städte nur um 19,6, die 177 Landgemeinden von 5000 bis 10 000 Einwohnern stiegen um 46,1 vom Tausend, die Städte nur um 12,7 vom Tausend. Die 754 Landgemeinden von 2000 bis 5000 Einwohnern wuchsen um 26,8 vom Taut end, die Städte nur um 6,3 vom Tausend. Die 51118 Land gemeinden und Gutsbezirke mit höchstens 2000 Einwohnern nahmen alljährlich, wenn auch nicht viel, so doch etwas zu, nämlich um 2 vom Tausend, während die 298 Städtchen mit einer Einwohnerschaft bis zu 2000 Seelen überhaupt nicht zu-, sondern abnahmen, und zwar jährlich um 0,25 vom Tausend. Bis 1895 war auch für diese Orte noch eine Zu nahme zu constatiren. Abgesehen von Ausnahmen im Ein zelnen, weist also nur die Kategorie der kleinen Landstädte, die allermeist im Osten der Monarchie gelegen sind, eine Abnahme der Einwohnerzahl aus! Wenn nun auch diejenige Gruppe der ländlichen Orte (von höchstens 2000 Einwohnern), in der sich die allermeisten „Bauerndörfer" und alle Gutsbezirke befinden, noch einen Zu wachs an Bevölkerung aufweist, darf man doch daraus nicht schließen wollen, daß die Leutenoth auf dem Lande eine Er findung sei, denn die Vermehrung der dörflichen Bevölkerung kommt nicht auf Rechnung der landwirthschaftlichen Berufe, sondern doch zumeist auf die der gewerblichen. Selbst in kleinen Orten, die noch keine 2000 Einwohner haben, bürgert sich die Industrie ein — die Hausindustrie hat ja längst dort Heimqtzhsrecht erworben —.aber auch die Fabrikindustrie zieht jetzt, des billigen Bodens und wohl auch der niedrigeren Löhne halber, aufs Land, unter Bevorzugung solcher Orte, die an oder doch nicht fern der Bahn liegen. Ein anderer Umstand, der nicht nur das Abströmen der Leute nach den Städten verringert, sondern sogar ein Zurückströmen der Stadtbevölke rung aufs Land veranlaßt, sind die hohen Miethen und Ab gaben in den Städten. Wohlfeile Arbciterzüge der Voll bahnen, Straßenbahnen, das Fahrrad erleichtern heute dem Arbeiter ein entfernteres Wohnen von der Arbeitsstätte, die ihm oft dadurch auf halbem Wege entgegenkommt, daß sie sich möglichst an der Peripherie der Stadt oder in deren Vororten ansiedclt. Die Kerne unserer „Altstädte" entvölkern sich immer mehr, indem sie sich zu reinen Geschäftscentren entwickeln. Woh nungen werden in Läden verwandelt oder zu Waarenlagern degradirt, oder aber ganze alte Wohnquartiere verfallen dem Abbruch und palastartige Geschäfts- und Waarenhäuser erstehen an ihrer Stelle. So schieben sich allmählich die Menschen massen aus der Stadt wieder aufs Land. Freilich geben die Zahlen und Bezeichnungen insofern ein trügerisches Bild, als die Landgemeinden häufig nichts weniger als ländliche Gemeinden sind, sondern oft genug in der Nach barschaft großer Städte selbst großstädtisches Gepräge tragen. Man denke nur an die allerdings außerhalb Preußens ge legenen Vororte Dresdens, wie Blasewitz (7345 Einwohner), Plauen (12186 Einwohner) und Löbtau (33 807 Einwohner), die sammtlich Landgemeinden sind. Ob nicht durch den Um stand, daß reiche Villenorte oder große Jndustrieorte sich den Bestimmungen der Städteordnungen entziehen können und ihre Verlyaltung auf dem Fuß eines bescheidenen Dorfes einrichten dürfen, Nachtheile in socialer und wirtschaftlicher Hinsicht er wachsen, dies zu untersuchen ist nicht dre Aufgabe dieses Auf satzes. " Unter Hinweis auf die beigegebenen Tabellen, deren Zahlen oben auszugsweise mitgetheilt sind, bemerkt die „Correspondenz des Statistischen Amtes": „Wenngleich die obigen Ziffern nur das letzte Jahrzehnt eines Entwickelungsganges darstellen, der mit dem Aufblühen der deutschen Industrie etwa zu Beginn der sechziger Jahre einsetzte, so sprechen sie doch deutlich genug, um auch für die nächste Zukunft den Gang der Bevölkerungs bewegung vermuthen zu lassen. Die ländlichen Gemeindeem- heiten mit weniger als 2000 Einwohnern, in welchen nahezu 15 Millionen Personen wohnen, bilden neben den kleineren städtischen den festen Bestand für die Verjüngung der übrigen Bevölkerung. Aus ihnen ergießt sich, hauptsächlich wohl durch wirtbschaftliche Ursachen veranlaßt, ein Doppelstrom einmal in die großen Landgemeinden, die meist in Jndustriegegenden liegen, sodann in die größeren Städte. Nebenher geht die in letzter Zeit allerdings sehr verminderte überseeische Aus wanderung." „Abgesehen von wenigen Gewerbezweigen, mußte sich die Industrie zunächst in den größeren Städten als den Mittel punkten für Verkehr und Handel, sowie für Beschaffung von Arbeits- und Capitalskräften ansiedeln, und die starke Zu nahme dieser ganz überwiegend industriell thätigen Stadt- FeuiHeton. Ernste und heitere Lriegserlebniffe in China. u. Am 19. Juni wurden noch, ehe man dorthin aufbrach, woher man ausgerückt war, die im Kampfe des 18. Juni gefallenen Ka meraden zur letzten Ruhe gebracht. Gin trauriges Begräbniß: Kein Grabhügel, kein Kreuz schmückte die Stelle, wo ein treuer Soldat, für sein Vaterland verblutet, in die kühle Erde gesenkt wurde. Man durfte eS ja nicht; denn selbst die Leichen hatten vor den schrecklichen Horden des Feindes keine Ruhe. Diese würden mit Gier die Gräber aufgewühlt und die Leichen verstümmelt haben. Beispiele hatte man ja genug. Man konnte sich also nur genau die Stelle merken, wo ein Kamerad seine letzte Ruhe gefunden, damit man für ihn später nach Beendigung des Krieges eine bessere Grabstätte Herrichten konnte. Trotzalledem brach durch alle» Ungemach die echte Soldaten stimmung immer wieder durch. Alles geht, schreibt unser Ka pitän, wenn man will und muß. Wenn einem das Messer an der Kehle sitzt, dann singt man auch bei einer Tropenhitze von 40 Grad Celsius: „Im kühlen Keller sitz' ich hier", oder das Lied: „Wohl auf noch getrunken den funkelnden Wein", selbst wenn derselbe auch nur auS dunkelbraun gefärbtem, schmutzigem Peihowasser besteht Der Soldat im Felde kann Manches entbehren, es darf ihm Mancher auSgehen, nur nicht daS Trinkwasser, der Labak und der Humor. Im aegebenen Augenblicke kann ein guter trockener Witz, eine sarkastische Bemerkung mehr Gutes thun, als hundert Commandoworte. Leute, dir beiFriedenszeiten manch mal über die Stränge schlagen und wegen ihrer dummen Streiche mal wieder drei oder mehr Tage unsichtbar gemacht werden müssen, sind dem Führer in Kriegszetten wegen ihres HumorS oft eine große Stütze. Nachdem man am 19. daS einfache Abendbrot) verspeist, und sich die übrigen Gänge hinzugedacht hatte, warf man sich auf da« hart« Lager. Die Nacht war bedeutend kalt und Schlirper fror in seinem Zelte tüchtig, da er, außer einem — Taschen tuch und einer — Namensliste seiner Leute, nichts zum Zu decken hatte. Dennoch schlief er sehr Hut, nur schmerzten am nächsten Morgen beim Weckruf die Glieder infolge de» harten Lager» nicht wenig. In der Nacht hatte e» stark gethaut; ein schrecklicher Husten weit und breit begleitete daher die wenig willkommenen Hornfignale. Infolge der schwierigen TranSportverhältnisse auf dem ununterbrochen schwer bedrohten Rückzüge war es nicht an gängig, jedeSmal am Morgen die leichteren weißen Anzüge auS dem Gepäck herauSzuholen. Hierzu mangelt« es an Zeit. Auf diese Weise blieb nichts andres übrig, als di« Leute auch den Tag über in ihren dicken blauen Matrosenanzügen zu lassen, in welchen sie z. B. an Bord in der Nordsee während des rauhen Winters einhergehen. Der Tropenhelm auf dem Kopfe bot freilich einen eigenthümlichen Gegensatz zu dieser eigenartigen Bekleidung. So kam es, daß zum Schluß der Ex pedition die Seeleute stets in ihrem Winteranzug marschiren und kämpfen mußten. Es war dies eine Strapaze mehr. Man macht sich überhaupt keinen Begriff davon, w i e die armen Menschen zum Schlüsse aussahen. Sie hatten sich tagelang nicht waschen können, denn immer wieder rief sie das Alarm signal zu den Waffen, oder eS muhte schnell weiter marschirt werden. Das Gesicht war mit einer dichten Schicht Sand und Schmutz bedeckt, zu dem die berüchtigten chinesischen Sand stürme das Ihre gethan hatten. Einen besonderen Genuß wollte sich der Verfasser einmal nach dem Essen dadurch verschaffen, daß er sich die Schuhe und Strümpfe auszog und seine arg brennenden Füße etwa» mit Wasser kühlte. Es ist doch komisch, erzählt er, wie man im menschlichen Leben Ahnungen hat: Kaum bin ich mit dieser Toilettenangelegenheit fertig, als mir auch der Gedanke durch den Kopf schießt: So, jetzt müßte schnell Alarm kommen, das würde famos passen. Zugleich mit dem Gedanken schoß der böse Feind auch wirklich aus dem nächsten Dors — nn Schuß — zwei — drei, dann rin heftige» Schnellfeuer, da» war die Strafe für meinen Uebermutb. Noch nie in meinem Leben habe ich so schnell Toilette gemacht, wie jetzt. Den Säbel in der Rechten, den Revolver in der Linken, unter Zurücklassung eines Strumpfe» und meiner Säbelkoppel, so stürzte ich heraus und führte auf den Ruf: „Hansa-Compagnie vor!" meine braven Kerl» in das Feuergefecht. Am 21. Juni wurde Capitän Schlirper schwer verwundet. Es war «in mörderische» Gefecht bei einer Anzahl Dorfhütten. Mitten im Kugelregen standen die Deutschen, Granaten schlugen recht» und link» mit lautem Getöse ein, krachend zer schlugen sie die Dächer der Häuser und den kleinen Tempel. Dann und wann wurde einer durch eine tückische Kugel hin gestreckt, hin und her eilten die Krankenträger, um die Opfer ru holen, laut« Commandoworte, der schrille Pfiff de» Zugofft» cier», dann wieder ein fröhliche»: „Auf, Marsch! Marsch!" ein Commando. da» selbst die schlaffsten Glieder wieder er- munterte, so ging ei weiter dem in vielfacher Uebermacht hart bedrängten Feinde entgegen. Da, vor der Front, traf unseren tapfern Tompagniefllhrer, als er zum nächsten sprungweisen Vorgehen die Führung über nehmen wollte, ein« chinesisch« Kugel, die ihm da» link« Schien bein in der Mitte durchschlug und brach. Man brachte ihn in eine Vertiefung hinter einem Hügel, wo er nothdürftig ver bunden wurde. Nach kurzer Ohnmacht entwickelte sich ein grenzenloser, brennender Durst. Zwei Feldflaschen mit dem köstlichen Peihotrank — sie nannten ihn später „Chateau Peiho" — trank der Kranke aus, während seine Begleiter ihn mit dem schlammigen Wasser eines Tümpels begossen, um einer neuen Ohnmackt vorzubeugen. Schließlich wurde der Verwundete auf der chinesischen Dschunke, welche die Expedition auf dem Peiho mitführte, unter gebracht. In diesem kümmerlichen Feldlazareth eigenster Art lag er neben einem laut stöhnenden schwerverletzten französischen Matrosen vom Kreuzer ,,I) Lntra cmstesu", mit dem er gute Freundschaft schloß und seitdem schwere Stunden, bange Augenblicke verlebte. Die französische Pflegt war äußerst liebenswürdig. Oft reichte Schlirper seinem LeidenSgenossen die Feldflasche, gefüllt mit Wasser, da» durch krystallisirte Citronensäure etwa- schmackhafter gemacht wurde, mit einem „ii votre »antS", worauf Jener des Oefteren mit einem Stück französischen Zwiebacks und mit besten Wünschen für Deutsch land dankte. Der folgende 22. Juni war der heißeste Tag. Das histo rische Commandowort fiel: „lUs Oeruian» Io türo ckront!" Angesichts einer drohenden Gefahr gegeben, machte dieser Ruf jedes deutsche Herz höher schlagen, zeigte er doch unwillkürlich von der Tuchti^eit und dem Muth der deutschen Matrosen. Er setzte daS allgemeine Empfinden in Wirklichkeit um, daß man beruhigter war, wenn man di« Deutschen an der schlimmsten Stelle fechten sah. Ich darf e», schreibt Scblieper, ohne Eigenlob ruhig auSsprechrn, daß alle Nationen neidlc» unseren deutschen Truppen da» höchste Lob spendeten. Die ruhige Haltung, die Kaltblütig, keit und die gute FeuerdiSciplin konnte allen anderen Nationen zum Beispiel dienen, und sie thaten e» auch, denn wir haben beobachten können, wie tm Laufe der Zeit die fremden Truppen uns Manches absahen, was man in einem Jnfanteriegefechte als Grundlage wissen muß. ES ist ja nicht viel, wa» der Matrose in den lech» Wochen seiner ersten Au»bildung an Land von diesem Geschäfte lernt, da soll er gehen, stehen und sich bewegen lernen, er soll die Gewehrgriff« üben und auch schon in die Geheimnisse de» BordlebenS ein^eweiht werden. Daß da nicht viel Zeit übrig bleibt, ihn auch im Felddtenst sicher zu machen, daS wird auch ein Laie einsehen. Und doch war e» eine Freude, ein stolze» Gefühl, zu sehen, wie auch der deutsche Matrose in diesen ganz unerwarteten Ver hältnissen seine Aufgabe erfüllt,. Wir können Alle voll be friedigt sein über das reich« Maß von Anerkennung und Lob, daS un» von allen Seiten für unsere Pflichterfüllung auf diesem Zuge gezollt worden ist. DaS Tehnwurssche Expeditlon-corp» war nur au» Seeleuten zusammengesetzt. Daß für Seeleute ein Kampf mit Armeetruppen etwa» sehr Ungewöhnliche« ist, daß Seeleute im Allgemeinen weniger dazu berufen sind, tief im Feindesland Festungen zu erobern und lange Infanterie gefechte auszuführen, ist Jedem verständlich. Um so schwieriger war — das ist noch zu wenig beachtet worden — die Aufgabe, um so schöner das Bewußtsein, doch stets den Feind zurück geworfen zu haben. Als erster Officier kennt man seine Leute durch und durch. Man merkt sehr schnell, wer von ihnen mit einem Minimum von Dienst auskommen kann, und wer ohne den nöthigen Druck von oben seine Pflicht thut. Hier auf der Expedition habe ich aber manche pessimistische Anschauung fallen lassen dürfen, habe mich mit manchem Drückeberger ausgesöhnt. Denn ich sah. wie sie sich Alle fröhlichen Muthes, leuchtenden Auge» und mit Todesverachtung aus den Feind stürzten. Kein Einziger be durfte des Ansporns; im Gegentheil, man hatte genug zu thun, die allzu Wilden zurückzuhalten. Mancher von ihnen gedachte gewiß der Erzählungen des Vaters oder Großvater», denen er als Kind mit Begeisterung zugehört hatte. Jetzt war er selbst in der gleichen Lage und mit dem Gedanken an den Heldenmuth seiner Vorfahren, an die Schilderungen von deutscher Tapfer keit und Treue stürzte sich auch der sonst im Friedensdienste trägste Soldat freudig auf den Feind. Mit diesem Gedanken und das Bild seines obersten Kriegsherrn vor Augen, ging Mancher in einen frühen Heldentod. So mag eS gekommen sein, daß die altbewährte deutsche Tapferkeit, die unerschütterliche Treue bis zum Tode, die stumme Ergebung, der unbedingte Gehorsam, der nicht fragt, „Warum und Weshalb?" auch in der kleinen deutschen Truppe als ein Erbstück früherer Geschlechter hoch dastand und auf Vie anderen Nationen einen tiefen Eindruck machte. So kam eS wohl, daß der oberste Führer jenes vielsagende Commando gab, das die Deutschen an die Spitze des Dordertreffens beorderte, um mit der ganzen Wucht auf den Feind einzudringen. Endlich, am 25. Juni, kam der Tag der Befreiung. ES war einem Boten nach Tientsin durch die feindlichen Reihen durchzuschleichen gelungen, um dort um schleunigste Hilfeleistung zu bitten. Rasch kam Succurs, und nun vermochte das völlig erschöpft« Entsatzcorps, das 320 Verwundete bei sich führte, die letzte Strecke Weges — eS waren noch 8 Stunden — bi» Tientsin unbehelligt zurückzukgen, dort mit Jubel empfangen. Wir können an dieser Stelle der Erzählung Schlieper'S nicht weiter folgen, obwohl sie noch zahlreiche Episoden von höchstem Interesse enthält, nur da» Schlußwort, überschrieben: „Heim kehr", sei seiner Originalität wegen wiedergegeben. E» lautet in echter Resrrvemännerporsie: E» ging un« schlecht, e» ging un» krumm, Im Rucksack, Taschen: Vacuum! Kein Brod, kein Tabak gab eS mehr, Und unsre Flaschen waren leer, Doch Niemand bi» zuletzt verlor Ein kleine» Bündel voll Humor.
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