02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.08.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010817029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901081702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901081702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
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Abend-Ausgabe »8» Näl. Druck und Verlag von L Polz tu Leipzig 95. Jahrgang. «8 Sonnabend den 17. August 1901 8v,20 140 FettLlleton. 211 3400 347» 42VO 33V0 105 10300 1SS00 87(X) 11800 28V0 2525 Uv 217V 80 1100 177V Süv ^85 110S0 132S 1850 1400 7350 10000 172V 14000 1100 SOO LV 34V0 3VV0 14600 232V 2080 1480 IS» 10000 1000 2728 SOO 11280 22V «7» »7V I07V 1800 SSO 2080 282V 4200 42V 12V0 22S0 100 * London, 17. August. Eine Depesche Lord Kitchener'Z aus Pretoria vom 16. August meldet: Oberst Gorringe griff am 13. August die unter Kruitzinger stehenden Kom mandos nördlich von Steynsburg an und trieb sie in Unordnung bis in die Nähe von Ventersdorp. Die Komman danten Cach et und Erasmus wurden gefangen; Jener wurde tödtlich verwundet. Andere Abteilungen rmtcr General French drängen den Feind schrittweise nach Norden. (?) Auf klärungsmannschaften von French wurden in den : v r. ou.t. »aUo. lÄ'cl ocüo U». »uv. 8'. d«t4» von 'x>loa»tx» (15/8) » N«v Vor» »mit. 0rad. «UUtr «l»k« ii>x»p iso dlvok »»ltd. irrsck »t. U 0M). 00. 1SS.V0 VS,80 101.80 sö^— 1Sb,80 86^— »4,— 1SS.V0 12» ,28 10400 202.80 171,— 144.80 Bergen bei Bethesda von einer überlegenen Boer^nmacht unter Theron umzingeltund waren gezwungen, sich zuergeben. Ein Mann fiel, drei wurden verwundet, darunter ihr Führer, Kapitän Bettelheim. Dir Gefangenen wurden von den Boeren wieder freigelassen. * Turban, 16. August. („Reuter's Bureau.") Das Kom mando des Generals Botha befindet sich in der Umgebung von Nondwensi (?). Eine Streitmacht unter Lord Kitchener mar- schirt gegen ihn. Man glaubt, der Feind werde in Folge dessen nach Zululand gedrängt werden. Srlra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderusg 60—, mit Postbeförderung 7V.—, 07,28 iioxro 87,10 88,80 81.10 16SH0 48.10 184.40 280,78 167HO 108.40 18SM 1V1,— 118,60 114,80 sich, die Vicepräsidentenwllrde einfach nicdeczulegen, um wieder ganz dem Kampf zu leben, diesmal dem Kampf gegen Wolf und für die nationale Abgrenzung. Eine Versammlung von Reichs- rathsabgeordnetcn seiner deutschen Volkspartei im steirischen Bruck kam ihm zu Hilfe. Sie erklärte sich mit Entschiedenheit gegen die gehässigen Angriffe der Deutschradicalen auf seine Person, und unter den Unterzeichnern der betreffenden ehrenvollen Anerkennung befanden sich auch alpine Abgeordnete, die Wolf sonst zu seinen Freunden zählte. Es waren in Bruck jedoch nur 20 von den 47 Abgeordneten der Volkspartei zusammengrbracht worden, und selbst diese haben in der grundsätzlichen Frage, ob an der Zweitheilungsforderung für Böhmen festzuhalten sei, nicht bestimmte Stellung genommen. Man will den Deutschböhmen selber die Entscheidung überlassen. Man betonte sogar, daß man nicht minder entschieden als die Deutschradicalen für die deutsche Staatssprache eintrete und daß man sich auch mit der nationalen Abgrenzung keineswegs zur Ruhe sehen wolle. In eine andere Tonart wurde übrigens mit der Ablehnung d:S reichsveutschen Zclltarifentwurfes eingestimmt. Tie liberalen Wiener Blätter begrüßen die Ehrenerklärung für Prade als Niederlage Wolf's aufs Wärmste, aber sie zeigen sich unbefriedigt über die grundsätzliche Unentschlossenbeii der deutschvolklichen Versammlung. Wolf seinerseits sucht seine persönliche Kampfmethode gegen Prade durch Cirate ans dessen Reichenberger „Volkszeitung" zu rechtfertigen, in der die Deutsch-- rad-.alen freilich viao versa ebenfalls mit allerlei Kraft- und Schimpfwörtern belegt werden.' Im Ganz:n sieht jedoch die „Ostdeutsche Rundschau" in der Haltung der Brukrr Versamm lung eine Bestätigung dafür, daß Wahlsiege der Deutschradicalen in Böhmen allseitig erwartet werden. Besonderes Capir-al schlägt Wolf aus der warmen Unterstützung Prade's durch die sogenannt; „judenliberale" Wiener Presse, und, wenn man erwägt, daß die deutsche Volkspartei thcilweise antisemitisch ist, theilweise ivemgstens einen Stich ins Antisemitisch- Hat, so erscheint in der That die erwähnte Unterstützung 'für die „Prade-Partei" nicht ungefährlich. 7V ovo L n. 0.-8. — Der Krieg in Südafrika. Englands amtliche Nechtscrtiguna. k?. London» 15. August. Seitens des Kriegsamtes wird versichert, die Regierung werde, um den ungünstigen Ein- d r u ck, den die Proclamation Kitchener'Z im Aus lande hervorgerufen habe, abzuschwächen, binnen wenigen Tagen eine Note an die Mächte versenden, worin die Nothwendigkeit der Proclamation näher dargelcgt werden wird. Dabei soll be sonders betont werden, daß die Truppen der Boerensührer an geblich zu zwei Dritteln aus aufständischen Capholländern be stehen, also die feindliche Macht in Wahrheit nur rcvoltirende Unterthanen der britischen Krone seien. Diesen noch fernerhin das Recht einer kriegführenden Macht zuzuerkennen, würde eine Verhöhnung der britischen Staatshoheit bedeuten. 80,80 160,— Politische Tagesschau. * Leipzig, 17. August. Der „Local-Anzeiger" giebt einige Aeußerungen wieder, die Staatssekretär v. Köller in jüngster Zeit en petit oomitö ni.'hreren angesehenen hanseatischen Persönlichkeiten gegenüber gethan haben soll. So sagte v. Köller u. A.: Er habe die eigcnt- üchc Ausweisungspolitik gar nicht inscenirt, nie Gesinnungs riecherei getrieben, dänische Gesinnung zu hegen nie Jemand ver wehrt, so lange er nicht Miene machte, die staatlich- Ordnung zu stören. Er habe lediglich mit der Gruppe von Hetzern auf geräumt, ganz bestimmten Leuten, etwa dreißig, die sich aus gesprochen provokatorisch benahmen, deren Treiben schließlich un erträglich wurde. Bezüglich der Zu stände im Reichs - lande äußerte sich v. Köller: Protestler, die mit unzulässigen Mitteln Schwierigkeiten machen, giebt es dort nicht, wenigstens nur ganz vereinzelt, das Unerquickliche in den politischen Ver hältnissen ist auf andere Leute zurückzuführen, auf eingewanderte Deutsche, verbissene süddeutsche Demokraten, nicht Socialdemo kraten, sondern von der Schattirung Haußmann'Z etwa. Im Ucbrigen geht die innere Angliederung des Reichslandes an das Deutschthum ruhig und stetig ihren Weg. Dort sind ganz andere Voraussetzungen vorhanden als für den Amtsbezirk Litter's, des Oberpräsidenten von Posen, der übrigens sehr genau weiß, was er will. Daß ein 2heil des Klerus französirt. ist richtig. Dic Folgen hiervon sind jedoch nicht entfernt so sehr von Belang, wie die Wühlarbeit der vorhin von mir erwähnten deutschen Ein gewanderten. Das Geschwätz von den Notabeln gar sollte inan doch endlich lassen! Die Herren, auf die cs zielt, sind durchaus rechtliche, entgegenkommende und liebenswürdig: Leute. Daß Hohenlohe mit meiner Ernennung kein Gefallen geschehen sei, ist absolut falsch. Es genügt der Hinweis, daß Fürst Hohen lohe diejenige Persönlichkeit war, die mich zuerst ein geladen hat, das erledigte Staatssekretariat zu übernehmen. Der Rücktritt meines Amtsvorgängers sollte durchaus einen außerordentlichen Anlaß haben. Seit wann ist es auffallend, wenn ein Beamter von siebzig Jahren in den Ruhestand tritt? Ich werde froh sein, Wenks ich mit siebzig Jahren meine Ruhe habe. Von einer Statthalterkrisis ist erst gar keine Rede! Fürst Hohenlohe war auch nicht mehr der Jüngste, seine Gemahlin war obendrein leidend. Daß in der Stimmung Sr. Durchlaucht da gelegentlich ein großes Ruhebedürfniß hervortritt, ist nicht weiter überraschend. Den Schluß bilden Aeußerungen über das V e r - hältnißzurPresse. „In der That, ich glaube, daß nicht viele Leute in beamteter Stellung die Zeitungen, in Deutschland sowohl wie im Auslande, so genau wie ich beobachten und auch, was die persönlichen Verhältnisse anbetrifft, kennen." — Den Beweis für diese letzte Angabe hat Herr v. Köller durch die sorgfältige Zusammensetzung des potit eomiko, dem er alles das erzählte, gleich mit geliefert. Bezüglich der anderen Puncte darf man seine eigene Meinung haben. INr. ,2t. s. ckrmb «It«r n ?kd»a M-V. >2kdr. VVM. Aus Oesterreich. Die Dinge in Böhmen scheinen jetzt auf deutscher Seite eine ähnliche Wendung zu nehmen, wie auf tschechischer Seite zur Zeit der Punctationen, da die Altliberalen beiderseits einer nationalen Vereinbarung schon ziemlich nah« waren. Die Re gierung, oder wenigstens Herr v. Dunajewski, der dann als Opfer fiel, verzögerte damals den Abschluß, bis im aufgeregten Tschechenthum dic Jungtschcchen zur Macht gelangten, und die Punctationen sammt den Alttschechen über den Haufen stürmten. , Das böhmische Deutschthum kämpfte bisher, so führt die „Köln. Ztg." aus, einhellig für schärfste nationale Abgrenzung und Zweitheilung zur Wahrung des bedrohten deutschen Besitz standes; doch seit Aufhebung der antideutschen Sprachenverord nungen und je mehr die Deutschradicalen Boden gowannen, schoben diese den Grundsatz der deutschen Staatssprache in den Vordergrund, bis Schönerer rundweg erklärte: Wir wünschen gar nicht die nationale Zweitheilung, denn sie würde auch den jetzigen Besitzstand der Tschechen festlegen und ein Hinderniß sein für die schließliche Regermanisation Tschechiens, die wir er streben. Die Körber'sche Regierung, bisher vom gesammten Deutschthum gedrängt, die nationale Zweitheilung in Böhmen durchzuführen, aber zu Zweitheilungen im Allgemeinen nicht sehr geneigt, und im Besonderen hinsichtlich Böhmens mit den gegen- theiligen Wünschen des Tschechenthums in Verlegenheit, sieht in den Schwenkungen der Alldeutschen begreiflicher Weise für sich eine Erleichterung. Die nächste Folge der Schwenkung ist voraus sichtlich, daß die Zweitheilung unterbleibt. Ob die deutsche Staatssprache davon Gewinn hat, wäre abzuwarten. Jedenfalls sind die gemäßigten deutschen Parteien erzürnt über die un erwartete Störung der bisher gemeinsamen Bestrebungen, und sie werfen insbesondere Wolf vor, daß er nur aus persönlichen Rück sichten in unlauterem Wettbewerb mit der deutschen Volkspartei und Prade das neue Schlagwort erfunden habe, und daß er damit in verrätherischer Weise dem Tschechenthum zu Hilfe komm«, das die Einheit Böhmens gegen die nationale Abgrenzung vertritt. Schönerer vertheidigt indessen das von ihm ausgegebene n«ue Schlagwort damit, daß in Folge seiner radikalen Agitation das Selbstgefühl der Deutschen Böhmens erstarkt und ihr Besitz stand nicht mehr bedroht sei. Nach der letzten Volkszählung sei eher das Tschechenthum als das Deutschthum im Zurückweicherk, darum keine Abgrenzung, keine Sicherung, kein Friede, sondern Kampf. Die Deutschradicalen seien eine Kampfpartei und ihr Lebenselement sei der nationalerKampf. Was in Prag zunächst an Deutschen verloren gehe, seren zumeist Juden. Man werde indessen ganz Prag, das vor Kurzem noch deutsch Ivar, wieder erobern, und sbenso ganz Böhmen, wo zu Anfang des 19. Jahr hunderts das Tschechische nur die Sprache «der unteren Volks schichten bildete. Die gemäßigten deutschen Parteien bezweifeln diese Möglichkeit, aber die deutsch« Volkspartei, di« ebenfalls als Kampfpartei auftrat, als sic die Altliberalen, die Fortschritts partei und die Verfassungstreuen verdrängte, befindet sich jetzt gegenüber der neuen Kampfpartei im Gedränge. Mit 47 Ab geordneten die stärkst« deutsche Partei des Reichsrathcs, hat sie sich mit ihrem Führer Prade auf dem Vicepräsidentsnstuhle seßhaft gemacht, und man spricht viel von einem Landsmannminister aus ihrer Mitte. In Böhmen hat sich Prade mehr oder weniger mit der Fort schrittspartei zum Wahlkampf geg«n die Deutschradicalen ver bündet, während Wolf und seine Organe ihn dafür als Streber, Judenliberalen, Profitjäger u. s. w. verdächtigen und persönlich verunglimpfen. Prade, ein tüchtiger, kerniger Mann, entschloß igo'oo 88.V0 73AO 80,10 7180 81,80 16,24 101.80 .04,00. 104.80 88,80 t»r«ll. t»»t» <UUS »»rndnr«- rtvo« Nr WO 8^) m 7,(0«. E <rs/s> m U»" (15/8) von ioutL»wproa (SM) vortnm, „ovt»" (18/8) /8) St. v»td»- 218,40 88^28 218,80 Lnitto». Vion LivM >r Ion von Vielleicht hätte ihr ein sehr vornehmer und sehr reicher Gatte so imponirt, daß sie sich willig und von selbst untergeordnet hätte, allein Paul, so lieb sie ihn in ihrer Art auch hatte, war in ihren Augen, trotz seines Freiherrntitels und seines alten Namens, weder das Eine noch das Andere. Für ihn war sie die gute Partie, und er konnte sich glücklich schätzen, sein Wappen durch sie so solide vergoldet zu sehen; dabei sollte er es gut, ja sehr gut haben, aber auf die Weise, nach dem Rcccpt, wie sie es gut fand. Jedenfalls war sie die Gewährende, und vor allen Dingen in Sachen des Geschmacks und der Mode hatte Niemand Anderes, am wenigsten ein in solchen Dingen so unerfahrener, in ganz anderen Verhältnissen — nur mit einem gelinden Schauer vermochte sie an die Ausstattung der Wohnung ihrer zukünftigen Schwiegereltern zu denken — ausgewachsener, junger Officier ein Urtheil! « Mit dem Herannahen des Christfestes wuchsen für Paul einigermaßen die Beklemmunqcn, in welcher Weise er Gisela überraschen solle. Nach dem Stande seiner Börse konnte er nicht daran denken, ihr ein nur annähernd gleich werthvollcs Geschenk, wie jene Brillantbrosche, zu machen, oder gar wieder die Wahl frei zu stellen. Durch jene sinnlose Ausgabe, die größere Woh nung, die Trinkgelder, die fast täglichen Droschkcnfahrten mit seiner Braut waren seine Mittel so zusammengeschmolzen, daß er schon die Wahrscheinlichkeit ins Auge gefaßt hatte, eine neue Anleihe aufnehmen zu müssen. Wenn ihn etwas von der Aus führung dieser Absicht abhielt, so waren es einmal die Er fahrungen, die er mit dem alten Seligmann gemacht, zum An deren der Gedanke an Onkel Jsi, der schon damals, wenn auch lächelnd, mit dem Finger gedroht, und jetzt, bei einer ähnlichen Uebertreibung, unweigerlich seine Scrupel über die Herkunft des Geldes gehabt haben würde. Da bot sich ein Ausweg! Zu den kleinen Zügen, die Steinbergk bei seiner Braut nickt angenehm berührten, gehörte Gisela's Sucht, bei allen An schaffungen für den neuen Hausstand, wo es nur irgend möglich war, wenn nicht das Wappen ihres künftigen Gatten, so doch die siebenzackige Krone anbringen zu lassen. Paul, der ohne jede Ueberhebung doch stolz auf den von seinen Vätern ererbten Namen war, fühlte es — gerade von diesem Ge- sichtspuncte aus — wie eine Art Entweihung, allen und jeden Ge> braucksgcgenstand, bis zum Stiefelknecht herunter, mit den frei herrlichen Abzeichen verziert zu sehen. So hatte er dic Absicht Gisela's, ihm das Wappen auf eine Reisetasche farbig sticken zu wollen, nur durch die Drohung, sich sofort — natürlich zur Schonung des Kunstwerkes! — einen Ueberzug darüber machen zu lassen, zu Hintertreiben vermocht. „Ich verstehe Dich nicht^— hatte sie ihm schmollend auf seine dornenvollen Berufe einer Lehrerin zu widmen, eigentlich nicht vorlag. Trotzdem hatten nicht sowohl die Eltern, als vielmehr Marianne selbst es gewünscht, ihre jugendlichen Kräfte zu üben, und sich womöglich auf eigene Füße zu stellen. Paul wollte und mochte nicht an eine ernste Erkrankung der Mutter glauben, sondern hoffte, daß die elastische Natur derselben bei größerer Gemüthsruhe und besserer Pflege, wie sie jetzt ge währt werden konnte, bald wieder ihre so oft erprobte Wider standsfähigkeit beweisen würde. Seine Mittheilungen über den Zustand der geliebten Mutter, ebenso wie über das Leben und Ergehen seiner übrigen An gehörigen, sanden bei Gisela eine so wenig Theilnahme ver- rathende Aufnahme, daß er bald vorzog, seine Berichte auf das allerknappste Maß zu beschränken. Mit dem herannahenden Ende von Paul's Commando bildete die große Frage hinsichtlich der Hochzeitsfeier, das „wann und wo", das Hauptthema aller Unterhaltungen im Friedland'schen Hause. Die Wohnungsangelegenheit war insofern günstig er ledigt, als durch den Tod eines der angesehensten und wohl habendsten Bürger des künftigen Wohnsitzes die für das Ossi- ciercorps und die Beamten verfügbaren Räume einen sehr schätzenswerthen Zuwachs erhalten hatten. Paul hatte sofort, nachdem ihm dieser Umstand gemeldet worden War, telegraphisch gemiethet und fühlte sein Behagen nicht unwesentlich gesteigert, jetzt endlich zu wissen, wo er sein Haupt hinlegen sollte. Gisela schwärmte kür eine große Hochzeit, zu der alle näheres und entfernteren Bekannten und die halbe Turnanstalt, deren com- mandirte Officiere zum größten Theile im Laufe des Winter» in der Victoriastraße Besuch gemacht hatten, eingeladen werden sollten. Paul war mehr für eine kleinere Festlichkeit im engeren Kreise. Er dachte dabei in erster Linie an seine eigenen Angehörigen, vo» welchen er doch mindestens die Mutter und eine der Schwestern theilnehmen zu sehen hoffte; auf die Anwesenheit des Vater» mußte — er schämte sich vor sich selbst, es sich eingestehen z» müssen — aus naheliegenden Gründen verzichtet werden. E» würde den Eltern schon schwer genug fallen, selbst bei einer kleineren Feier die zu einer solchen Gelegenheit nöthigen Toilette» zu beschaffen. Wie gerne hätte Paul von seiner Seite etwas beigesteuert, allein er war bereits gezwungen, sich in seinen persönlichen Be dürfnissen auf das Ällerpeinlichste einzuschränken, um nur dl» unvermeidlichen laufenden Ausgaben bestreiten zu können. Gisela war dabei von einer geradezu verblüffenden Harm losigkeit und schien jedenfalls keine Ahnung von den Mitteln ihre» Bräutigams zu haben, denn fast täglich kam es vor, daß sie in seiner Begleitung irgend einen Blumenladen betrat, um sich et» iss,— 181,7V 272,— 102,80 144.25 138,20 ISO,— 82,75 155^25 47^— 208.25 114,80 ns»»1 182,— Vorstellungen erwidert — „es sicht ja fast aus, als ob Du Dich Deines Titels und Wappens schämtest!" Paul war es darauf hin doch etwas heiß aufgestiegen; er be zwang sich jedoch und suchte so ruhig als möglich Gisela von der etwas halsbrecherischen Logik der Bemerkung, wie von der Be rechtigung seiner Anschauungen zu überzeugen, was ihm schließ lich — wenn auch nicht ^>hne Mühe — gelang. Jetzt beim Nachdenken über ein passendes, seinen Verhältnissen entsprechendes Weihnachtsgeschenk kamen ihm diese heraldischen Liebhabereien seiner Braut wieder in den Sinn, und so beschloß er, sie mit einem Siegelringe, der sein Wappen trug, zu über raschen. Das war eine Gabe, die er sich allenfalls leisten konnte und von der er gleichzeitig hoffte, daß sie auch Gisela eine wirkliche Freude bereiten würde. Diese Absicht gelang weit über Erwarten! Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, daß Siegelringe für Damen nicht ganz modern waren, erregte der aus Altgold, in etwas alterthümlicher Form gefaßte Ring das Entzücken der Be schenkten. Dabei war sie klug genug, die feine Belehrung, die ihr Paul gerade durch das Geschenk des Wappenringes gab, wohl zu verstehen und übersah daher — was ihr sonst wohl nicht ent gangen sein würde — den verhältnißmäßig geringen Goldwerih der Gabe. Dieser unerwartete Erfolg erfüllte Paul mit den schönsten Hoffnungen für die Zukunft; glaubte er doch, darin nicht nur ein verständnißinniges Eingehen auf seine Anschauungen, sondern auch eine — nur durch so manche Aeußerlichkeit überwucherte — Zartheit des Empfindens zu entdecken, die er schon hegen und pflegen wollte! Von den Eltern, mit welchen Paul in lebhaftem Briefwechsel stand, waren im Ganzen gute Nachrichten eingetroffen. Der Vater fühlte sich in seinem neuen Wirkungskreise be friedigt und hoffte bei zunehmender Erfahrung auf eine noch er folgreichere Thätigkeit. Nur der leidende Gesundheitszustand der Mutter, die sich, wie man annahm, bei dem Umzuge überanstrengt haben mochte, warf seine Schatten auf das sonst nach so langen Wirren endlich in einen Hafen verhältnihmäßiger Ruhe ein gelaufene Leben der Familie. Zur Pflege der Mutter und zur Führung des Haushaltes hatte daher Elisabeth ihre Lehrtätig keit nicht wieder ausgenommen, während Marianne die neu er worbenen Kenntnisse an einer Privatschule, wo sie eine sehr gut besoldete Stellung gefunden hatte, zu verwerthen suchte. Jedenfalls das, was in dem elterlichen Hause bis jetzt die Hauptrolle gespielt und der Hauptgegenstand aller Sorgen ge wesen, die pecuniäre Lage, war geordnet, und zwar so günstig, daß eine Nothwendigkeit für die jüngere Schwester, sich dem Bezug--Preis d-r Hauptexpeditton oder de» k» Stadt bezirk und den Bororte« errichtete« Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» K.VO. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. 6. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Doaaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrige» Staaten Ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese» Blatte» möglich. Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr, di» Lbeud-AnSgabe Wochentag» um 5 Uhr. Lr-lutilm und Erudition: JohanuiSgaffe 8. Filialen: Mstrd Lahn vorm. O. Klemm'» Sortim. UnwersitätSstraße 3 (Paulirmm), Loui» Lösche, Katharinenstr. parr. und Königs-Platz 7. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je «in» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. 1000 Ho i8v ü. sotOsnt» nllä roä» rotrart, Anzeige«-Prel- die 6gespaltene Petitzeile LS H. Reclameu unter dem Redaction-strich (»gespalten) 75 H, vor den Familienaach- richten (»gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zissernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenaunahme L5 H (excl. Porto). LMlt ^«et. ^»rsa LLuLeo »»marilt ävr Mod. 1r»a»- Lonr 4^0, Bei dem Anarchtstenorgan „Neues Leben" sind in der verflossenen Woche rund 240 aus 26 Orten Deutschlands und des Auslandes eingegangen. Diese keineswegs unerhebliche Summe und die Anzahl der Orte, aus denen Anarchisten Geld geschickt haben, zeigen ganz deutlich, daß die anarchistische Be wegung auch gegenwärtig einigermaßen lebhaft ist. In welchem Grade das eingangs genannte Anarchistenblatt die Verhetzung seiner Leser betreibt, geht aus dem Leitartikel über Crispi her vor. Der verstorbene italienische Staatsmann wird darin u. A. Bandit, Renegat, Mörder, Dieb und Banknotenfälscher genannt. Damit aber hat sich das „Neue Leben" noch nicht genug gethan; es bedauert den „zu früh" eingetretenen Tod Crispi's mit der bestialischen Begründung: „Das Leiden, welches seinen Tod herbeiführte, war ein sehr qualvolles Es wäre ihm dem nach noch eine reichlich bemessene Spanne Lebenszeit aufrichtig zu wünschen gewesen." — Angesichts eines solchen Abgrundes rohester Gesinnung klingt es wie eine bittere Selbstverhöhnung, wenn das „Neue Leben" aus der Thatsache der Existenz Crispi's die Erkenntniß gewinnt, „daß wir trotz aller Cultur und trotz aller schönen Redensarten und Massen-Hochgefühle keinen Deut weiter sind als zu den Zeiten Nero's." — Und auch die im gleichen Artikel enthaltene Forderung, die „landläufige Moral" müsse vollständig untergraben werden, kann nach der obigen Leistung zutreffend gewürdigt werden! Während im Nordwcsten des südamerikanischen Continents der eine Zeit lang latent gewesene Conflict zwischen Columbia und Venezuela offene Gestalt anzunehmen scheint, beschäftigt man sich gegenwärtig in allen amerikanischen Staaten mit dem großen panamcritanischrn Congref;, der gegen Ende dieses Jahres in Mexico siattfinden soll Wie erinnerlich, hatten die Südstaaten b-Sher keine rechte Meinung für eine Betheiligung an dem Con- greß, Wei! sie, und gewiß nicht mit Unrecht, fürchteten, ihre eigenen politischen und wirthschaftl'ichen Interessen mit den imperiali stischen Wünschen der Vereinigten Staaten in einen scharfen Gegensatz treten zu sehen, dessen schließliche Entscheidung kium zweifelhaft sein konnte. Aber das Programm ist nunmehr so sormusirt worden, daß den Republiken des lateinisch«« Amerikas all: Bedenklichkeiten geschwunden sind, mit einziger Ausnahme Chiles, das noch immer an der Forderung festhält, eine Debatte über die Mcnroe-Doctrin solle auf dem Conzresse ausgeschlossen sein, um jeder Möglichkeit eines Abhängigkeitsverhältnisses gegen über den Vereinigte« Staaten von vornherein den Boden zu ent ziehen. Daß derartige Befürchtungen durchaus nicht unbegründet sind, wird durch die Meldung illuftrirt, daß während der Feind- feligkeiten zwischen Columbia und Venezuela der Geschäftsträger der Vereinigten Staaten in Caracas den ersteren Staat vertreten soll, während zugleich der in Bogota beglaubigte Vertreter der nordamerikanischen Republik die Vermittelung zwischen den beiden Südstaaten übernehmen soll. Trotz dieser auffälligen Interessen der Vereinigten Staaten sind also alle übrigen Südstaaten bereit, auf dem Congresse in Verhandlungen einzutreten, die von der Washingtoner Regierung inaugurirt werden und die Bildung eines panamerikanischen Zollverbanides zum Zwecke haben. Die Gefahr des wirthschaftlichen Zusammenschlusses der amerika nischen Republiken unter Führung der Vereinigten Staaten rückt damit näher. Ihrer Wirkung werden die europäischen Staaten bei Zeiten durch energischen Schutz ihrer eigenen Interessen vor beugen müssen. Deutsches Reich. /? Berlin, 16. August. (Socialdemokratische Vortragshonorare.) Die deutschen socialdemokratifchrn Verein« in der Schweiz haben das Bedllrfniß empfunden, den deutschen Reichstagsabgeordneten „Genossen" Ledebour als n.S»»«»/Sntuc oL verdat«».) Oolä vrlst Am Geld. Roman von F. Ilex. Nachdruck vkrboien. Er hatte sich schon längst an einen Regimentskameraden mit der Bitte gewandt, sich nach einer möglichst geräumigen Woh nung für ihn umzusehen, hatte jedoch bis jetzt nur den nicht sehr ermuthigenden Bescheid erhalten, daß, wenn nicht durch un erwartete Versetzung Platz gemacht würde, es höchstens erübrige, durch Zusammenlegen zweier Junggesellenwohnungen eine noth- dürftige Unterkunft zu schaffen. Gisela, die sich gar nicht in solch' kleine, durch die Eigen schaft des Garnisonortes als Festung bedingte Verhältnisse hineindenken konnte, faßte die Sache sehr von der leichten Seite auf, indem sie meinte: „Nun, dann reisen wir auf dem Wege nach Italien selbst hin und dann wirst Du sehen, wie rasch sich etwas Passendes ge funden haben wird. Das Einrickten und Aufstellen der Möbel besorgt der Tapezierer, der den Transport so wie so von hier aus begleiten wird, wenn wir ihm nur einen Plan der Wohnung mit Zweckbestimmung der Zimmer zurücklasien." Paul hatte es sich in Gedanken ausgemalt, wie hübsch und be haglich es sein müßte, selbst mit Gisela den Platz für jedes ein zeln» Stück auszusuchen, und so Steinchen um Steinchen für das eigene Heim zusammenzutragen. Für diese Auffassung, fremde, bezahlte Menschen ganz nach Gutdünken schalten und walten und selbstherrlich über die Gestaltung ihrer intimsten Umgebung verfügen zu lassen, ging ihm das Verständniß ab; doch beschick er sich auch hier, war es doch die zukünftige Hausfrau, die in dieser Weise ihre Anordnungen traf, und im Bezirk des Innern sollte diese auch unbeschränkt das Scepter führen. Daß er sich so Zoll um Zoll aus seiner Stellung verdrängen und sich durch sein ewiges Nachgeben die Herrschaft entwinden ließ, bevor er sie thatsächlich besessen, daran dachte er nicht! Gisela kannte außer etwa dem: „Was wird die Welt (d. h. ihre Welt) dazu sagen?" kein anderes Gesetz, als ihren eigenen Willen, und eine Unterordnung desselben erschien ihr als ein sol cher Eingriff in ihre Rechte, daß sie es geradezu als Nichtachtung ihrer Person, wo nicht als Beleidigung auffaßte, wenn nach ein maligem Aeußern dieses ihres Willens ein nochmaliger Versuch, denselben umzustimmen, gewagt wurde. MpMer TaMM Anzeiger. Ärntsölatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ratyes und NEzei-Ämtes der Ltadt Leipzig. »^l». a,i«v »«»d. »nv.I Ms 1> ,<Ntd. """>- iW r lslnr. äoit wtcm dsllll
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