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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.08.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010820013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901082001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901082001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-20
- Monat1901-08
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BezugS-PreiS 7» der Hauptrxpedttilm oder den Im Stadt» bezirk und den Vororten errichteten Aut» nabestrll», «b-»tz»lt Vierteljährlich 4.LV, zweimaliger täglicher Zustelinna trck Hau« d.dv. Durch di« Host bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vterteljährl. 6. Dian aboanirt ferarr mit entsprechendem Postausschla, dat d,u Pvstaastalte» ta der Schweif Italien, Belgien, Holland, Luxem» barg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, de» Vonaustaaten, der Europäisch«, Türkei, Egppten. Für all» übrigen Staate» tß der Bezug nur unter Kreuzband durch di» Expedition dies,« Blatts «-glich. Li» «vro—Eugaabe erschein» mn '/.7 Uk^ «a Lbeav^upgabe Vochrutag- um ü Uhr. Re-«ttoa und Lrpeditioa: Johanui-gass« 8. Filialen: Alstrd Sahu vorm. O. Klemm'- Borttu». Umversitätsstrab« S (Paultnum), Igut- Lösche, MMHnMnenstr. 14, pmct. und kk-nig-pla» 7. Morgen-Ausgabe NWSer.TagMatt Anzeiger. Amlsölatt des königlichen Land- und Ämtsgerichtes Leipzig, des Raltzes und Volizei-Ämtes -er Lladt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzcüe LS Reel»«», unter dem Rrdaceimmstrim l-gespaUea) 7b Lp vor d«U FaMtltMaach. richten (6 gespalten) KO Tabellarischer und tzistrrnsatz entsprechend HSHer — »ebührr» für Nachweisung«* und Offrrttuauuahm« ü» L, («xtl. Port»). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mU der Viorgru-EuSgab«, ohne Postd«s-rd«ruug ^l -0.-» mit Pvstbesärderuag ^l 70.-^ Aanahmeschlllß für Anzeige»: »b«ud-Au»gab«: vormittag« tv llhr. M»rg« u-Lasgab«: Nachmittag« 4 Uhr. V«t den YUtalen und Annahmestellen j« ein« halb« Stunde früher. Lnxeigea stud stet» an dl« Expedttto» zu richte». Di» Expedition ist Wochentag« ununterbrochen gr-ffaet von früh 8 bi« Abends 7 Uhr. Druck uud Verlag von E. Iolz in Leipzig 422. Dienstag den 20. August 1901. 95. Jahrgang. SorlaldemokrMche Propaganda. Der im Hinblick auf den in diesem Jahre zu Lübeck erfolgenden Zusammentritt d«S PartertageS der social demokratischen Partei erstattete Bericht des Partei vorstande» läßt erkennen, mit wie viel Zielbewußtsein die Geschäfte dieser Partei geführt werden. Die demgemäß nicht ausbleibenden Erfolge zeigten sich in erster Linie bei den Wahlen. Die Partei betheiligte sich im Berichtsjahre an nicht weniger als elf Nachwahlen zum Reichstag: Westhavelland, Wanzleben, Rinteln-Hofgeismar-Wolfhagen, Berlin VI, Ran dow-Greifenhagen, Ottweiler-St. Wendel, Aachen, Posen, Greifswald-Grimmen, Memel-Heydekrug und Duisburg. Der Krei» Westhavelland, der der Partei in der Hauptwahs 1893 verloren gegangen war, wurde, wenn auch erst in der Stich wahl, zurückerobert, Berlin VI behauptet, in Wanzleben wurde die im Jahre 1898 gewonnene Stimmenzahl wiedergewonnen, in Randow-Greifenhagen ein Stimmenzuwachs von 1212 erreicht, während-vder Conservative 438 Stimmen einbüßte. In Greifs wald-Grimmen wurde durch das geschloffene Eintreten der Genoffen die Wahl des antiagrarischen Freisinnigen gesichert. Bei der Wahl in Memel-Heydekrug nahmen die socialdemo kratischen Stimmen um 50 Procent zu; in Duisburg stieg ihre Zahl von 7804 in 1898 auf 14320. — Von Nachwahlen zum preußischen Abgeordnetenhause wurde die im vierten Wahl bezirke Breslau-Stadt durch das geschlossene Eintreten der socialdemokratischen Wahlmänner für die Freisinnigen abermals für letztere entschieden. Am 30. October wurde Genosse Walter als erster Socialdemokrat in den Coburger Landtag gewählt. Stadt und Land Ilmenau sandten den Genossen Neidt als zweiten Socialdemokraten in den Weimarer Landtag, in dem Genosse Baudert bis dahin allein gesessen. In Württemberg, wo die Partei bis voriges Jahr nur einen Abgeordneten im Landtage hatte, eroberte sie zwei Mandate direct und kam in neun Wahlkreisen in die Stichwahl. In dieser fielen ihr weitere drei Mandate zu. Während bei den Wahlen 1895 auf die Partei 32 269 Stimmen entfielen, konnte sie sich 1900 58 666 Stimmen als abgegeben gutschreiben. Die Bremer Genossen brachten durch zwei Siege ihre Fraction in der Bürgerschaft auf elf Köpfe. In Hamburg vermehrte sich die Zahl der Vertreter in der Bürgerschaft um eine Stimme. In 17 von 24 gesetz gebenden Körperschaften der Particularstaaten sitzen gegen wärtig 75 socraldemokratische Abgeordnete, und zwar in Bayern II, Sachsen 4, Württemberg 5, Baden 7, Hessen 6, Weimar 2, Oldenburg 1, Meiningen 6, Altenburg 3, Coburg 1, Gotha 9, Schwarzburg-Rudolstadt 1, Reuß j. L. 3, Reust ä. L. I, Lippe-Detmold 3, Bremen 11 und Hamburg 1. Mit der zunehmenden Zahl socialdemokratischer Gemeindcvertreter steigt der Einfluß der Socialdemokratie auch in den Gemeinden. Speciell inSachsen sind zur Zeit 580 socialdemokratische Ge meindevertreter vorhanden. Der Hauptvortheil der Arbeit der socialdemokratischen Gemeindevertreter liegt, wie der Parteibericht sagt, auf dem agitatorischen Gebiete. Um die agitatorischen Vortheile der Arbeit der Genossen in den Gemeindevertretungen noch besser ausnützen zu können, wurde es für nothwendiq ge halten, die Thätigkeit systematisch nach dem socialdemokratischen Programm zu regeln, d. h. socialdemokratische Programme für die Gemeindevertreter aufzustellen. Der Bericht hebt hervor, daß, sobald eine Partei eine ge wisse Stärke erreicht und Einfluß gewonnen hat, der Schwer punkt der Agitation sich mehr nach der Seite des geschriebenen Wortes verschiebt, dem da» gesprochene sich mehr ergänzend und zur Belebung der persönlichen Thätigkeit deS einzelnen Genossen angliedert. Es wird festgestellt, daß die dem Vorstände zur mündlichen Agitation nicht mehr wie vor Jahrzehnten zur Verfügung stehenden rednerischen Kräfte größtentheils an der Presst thätig seien. — Bis zu einem gewissen Grade be zeichnend für daS Gedeihen der Parteipresse ist die Geschäfts übersicht des „Vorwärts", deS Centralorgans der Partei. Das finanzielle Ergebniß weist gegen da« Vorjahr ein PluS von rund 22000 auf; dasselbe wurde erzielt durch eine Steigerung deS Abonnements und eine vermehrte Jnseraten- Einnahme. Die Zahl der Abonnenten stieg von 52 000 im Vorjahre auf 56 000 und hat sich trotz deS für da» Zeitungs geschäft ungünstigen dritten Quartals auf 55 000 gehalten. Neben der Parteipresse sorgt die Buchhandlung Vorwärts für Verbreitung socialdemokratischer Agitations- und Aufklärungs schriften. Arbeiter-Notizkalender, socialistische Theaterstücke, Führer durch die Gesetze werden hergestellt. Der Genosse Schippe! ist mit der Abfassung einer ParlamentS-HandbuchS beschäftigt. Wenn wir von alledem Notiz nehmen, so geschieht e«, um in den Kreisen unserer Parteifreunde zur Anerkennung zu bringen, wie nothwendig eine dauernde Rührigkeit und Opferwilligkeit auf der Seite der deutschen Par teien bleibt, die sich für verpflichtet halten müssen, der social demokratischen Propaganda soweit Widerstand zu bieten, als diese da» in schweren Kämpfen errungene Gleichgewicht der gesetzgebenden Gewalten zu stören geflissentlich bestrebt ist und da» Ziel verfolgt, die Alleinherrschaft der socialdemokratischen Partei in die Wirklichkeit iiberzufiihren. Ohne eine solche Rührigkeit und Opferwilligkeit der bürger lichen Parteien droht die Gefahr deS unrettbaren Verlu"eS einer ganzen Reihe der wichtigsten nationalen Institutionen. Zu diesen Verlusten würde ober ganz unbestreitbar auch die Siche- rung eine» gedeihlichen Fortschritte« der Socialresorm in der Zukunft gehören, durch welche sich die sociale Monarchie in Deutschland ein ganz andere« Anrecht auf den Ruhmestitel arbeiterfreundlicher Gesetzgebung erworben bat. al« die Social demokratie mit ihrer in erster Linie ebenso einseitigen wie eigen nützigen Propaganda. Fabriks- oder Handwerksmäßig? Man schreibt un«: Wie sehr wünschen«werth e« ist, daß bei der Entscheidung über diese Frag« zu einer Einheitlichkeit gekommen wird, und -war nicht nur hinsichtlich der in Betracht zu ziehenden Kri terien, sondern auch in Bezug auf die S t«l l«, von welcher ein Einzelfall der Handwerk«- oder Fabrik-charaktrr eine« Be triebe» festzustellen ist, hat sich gerade auch in Sachsen gezeigt. Zur Zeit befinden sich hier Justiz und Verwaltung bei dieser Frage im Widerspruch. Die« ist besonder» in einem Fall« zu Tage getreten, wo «in Gewerbetreibender, nachdem seine Zuge, hörtgkät zu der Zwangsinnung de« betreffenden Bewerb«» von den verwaltung»b«hörden «ndgiltig festgestcllt war, vom Gericht in allen Instanzen vcrurtheilt worden ist, weil er in Folge davon die Fabrikordnung abgehängt "hatte. Der Betreffende ist also gewissermaßen bestraft worden, weil er sich auf die Richtigkeit der verwaltungSdehördlich«n Entscheidungen verli«ß. Man kann diesen Mißstand nicht damit beschönigen, daß man behauptet, ein Betrieb könne in einer Beziehung ein handwerksmäßiger, in anderer ein fabriksmäßiger sein, oder dadurch, daß man be griffsmäßig einen Betrieb in Haupt- und Nebenbetrieb zerlegt. Wenn er nicht mehrere getrennte Geschäfte betreibt, kann d«r Unternehmer nur Handwerker oder Fabrikant sein. DaS allgemeine RechtSgefühl wenigstens wird sich an daS Doppel wesen von Handwerker und Fabrikant nicht gewöhnen können. So lange nun «ine gesetzliche Regelung in der gewünschten Richtung nicht erfolgt ist, sollte man sich an den verschiedenen zur Entscheidung berufenen Stellen jedenfalls von jeder bewußten oder unwillkürlichen Rücksichtnahme auf angeblich politische oder gewerbepolitisch« Tendenzen der in Frage kommend«» Gesetze frei halten. Die Begriffe „handwerksmäßig" und „fabrikSmäßig" kommen in Gesetzen (.Handelsgesetzbuch, Gewerbeordnung, Sächsisches Ge setz über die Handels- und Gewerbekammern u. s. w.) vor, die zu verschiedener Zeit entstanden sind und auch selbst im Laufe der Zeit wieder weitgehende Aenderungen erlitten haben. Wenn man sich also bei jeder einzelnen gesetzlichen Bestimmung von den wirklichen oder angeblichen Tendenzen des Gesetzgebers leiten läßt, so muß es eben zu widersprechenden Entscheidungen kommen. Außerdem ist aber auch die Feststellung der Tendenzen eines Gesetzes überhaupt bei der heutigen Vielfältigkeit der mit wirkenden Factoren «ine unsichere Sache. Motive und Denk schriften kommen durchaus nicht allein in Betracht. Vor Allem darf man nicht davon ausgehen, der Gesetzgeber habe, weil er Zwangsinnungen eingeführt hat, auch gewünscht, daß nun wo möglich alle Gewerbetreibenden in solche Innungen hineingepreßt werden, derart, daß die Bezeichnung Zwangsinnung «inen ge radezu ominösen Klang erhält. Die Zwangsinnungen sollen nach dem eigenen Ausdrucke deS Gesetzes der „Wahrung der gemein samen gewerblichen Interessen des Handwerks" dienen. Eine Gemeinsamkeit der Interessen fehlt abrr «ben dann, wenn Großbetrieb«, bei denen vor der Einführung d«r Zwangsinnung kein Mensch <an Handwerk gedacht hat, mit den kleinen und kleinsten Betrieben zusammengespannt werden. Daß zwischen den Groß- und den Kleinbetrieben ein Interessengegensatz bestehen kann und an manchen Stellen auch wirklich besteht, wird z. B. schon in einem Gutachten der Handelskammer zu Düssel dorf vom 27. Februar 1899, wie in gutachtlichen Aeußerungen anderer Handelskammern betont. Jnnungseinrichtungen und -Re gulative, so z. B. solche betreffs der Angestellten, können für. Handwerker mit einem oder zwei Gesellen und Lehrlingen von Segen, für Geschäfte mit Hunderten von Angestellten dagegen eine höchst drückend« Last sein. Natürlich liegt auch für die Kleinbetriebe die Versuchung nah«, durch Jnnungsbeschliisse die lästige Concurrenz der Großbetriebe zu beschränken. Die letzteren befinden sich naturgemäß bei Abstimmungen gewöhnlich in der Minorität. So ist denn das Widerstreben der Großbetriebe, auch der solidesten und angesehensten Firmen, gegen ihre Heran ziehung zur AwangSinnung schon vielfach hervorgetrcten und dürfte gewiß nicht allein auf verletzte Eitelkeit der Inhaber zurück zuführen sein. Wenn dem Wunsche der Handwerkskammern nach autori tativer Feststellung der Kriterien deS Handwerks- und deS Fabriksbetriebes stattgegeben werden soll, so kann dies, besonders so lange im Einzelfalle die Entscheidung über ihr Vorhandensein nicht einheitlich erfolgt, nur dann zu einer Rechtssicherheit führen, wenn die Kriterien möglichst «infach find. Jetzt hat di« Recht sprechung etwa acht Merkmale ausgestellt: die persönliche Stel lung deS Unternehmer«, das Maß der ArbcitStheiluny, die Zahl der Arbeiter, die Größe der Betriebsräume, die Anwendung von Kraft- und ArbeitSmaschinen, den Umfang der Production, die Production auf Vorrath oder auf Bestellung, die Beschäftigung von Lchrlinam. Müssen nun, um den Fabrikcharakter eines Be triebes annehmen zu können, die thatsächlichen Verhältnisse in allen oder doch fast allen Punkten "für denselben sprechen, oder genügt da» Ueberwiegen nach dieser Seite? Wie sind letzteren Fall«S die einzelnen Kriterien im Derhältniß zu einander zu be- werthen? Solche Fragen und Schwierigkeiten würden fast ganz vermieden, wenn man einfach di« Größe de» Betriebes entscheiden ließe. Dann könnte man in der Hauptsache mit dem Geld- werthe der Production als Kriterium auskommen. Deutet dieser im Einzelfallc auf den Fabrikcharakter, so nxrden ja auch die anderen, oben bezeichneten Kriterien für ihn sprechen; aber cS ist dann nicht nöthig, ihnen ollen ängstlich naHuforschen. Eine solch« Regelung wäre nicht nur die einfachste, sie wär« auch, wie gezeigt, nll«in sachlich begründet. Der Krieg in Südafrika. Carl Peter«, gewiß ein Kenner Südafrikas, schreibt in der „Finanz-Chronik" über den Krieg: „Zu einem Kampf zunächst des gesammten hol ländischen Elementes in Südafrika gegen Ein ar iffevon Europa gestaltet sich dieser Krieg immer mehr. ES ist mir aufgefallen,daß sich sogar in denKreistn deS englischen Afrikanderthums ein Umschwung der Stimmungen zu vollziehen scheint. Zwar ist keine Gefahr vorhanden, daß in diesen Ele menten rebellische Delleitäten gegen da» Mutterland sich regen: aber der alte Rassenhaß gegen daS Holländerthum ist ersichtlich im Abnehmen; die Solidarität der Interessen macht sich kühlbar. Auch der angelsächsische Afrikander wünscht nicht, seine Hei Math für unabsehbare Zeit dem Mili tarismus überliefert zu sehen, welcher al» da« eigentliche Er gebniß diese« Kriege« droht; auch der englische Farmer sehnt Ruh« und geordnete Verhältnisse herbei, welche ihm den Genuß seinrr Arbeit sichern, und auch der Kaufmann in Durban, Port Elizabeth und Capstadt verlangt nach Frieden, welcher ihm di« Wiederaufnahme ruhiger Handelsbeziehungen mit chen Schaf- und Straußenziichter verspricht und damit seinen gewohnten Ge« schiiftrgewinn; der Minenbesitzer aber am Rand und in Barber- ton, in Kimberley und Rhodesia hat längst herau»gefund«n, daß intsr arm» silent arte«! Auf den Börsen von London und Berlin, von New Jork und Melbourne werden die verheerenden Wirkungen der südafrikanischen Wirren schmerzlich empfunden, und jeder einzelne Capitalist über die ganze Erde hin leidet unter ihren lähmenden Folgen. Am unmittelbarsten machen sich diese Folgen natürlich in Südafrika selbst fühlbar. DceS Geschäft vom Tafelberg bis zum Zambesi liegt platt darnieder, Städte wie Bula wayo und Umtali oder Beira, die doch außerhalb des Umkreises der eigentlichen Kämpfe liegen, „trocknen" gewissermaßen auf. Wer noch die Mittel hat, fortzukommen, zieht in andere Welt- theile; die Entwickelung von Rhodesia steht nicht nur still, sondern geht zurück; die Bevölkerung nimmt ab. Und man fragt sich, wozu alle diese ungeheueren Opfer? Ich habe stets die Meinung vertreten, daß, welches auch da» Ende des südafrikanischen Krieges sein möge, das Verhältniß der beiden streitenden Nationen nicht wesentlich dadurch verändert werden könne. Engländer und Holländer müssen es lernen, sich gegen seitig zu dulden und miteinander auszukommen, soll Südafrika der Barbarei nicht wieder zufallen. Ist es da gut, den Gegensatz bis zur Unversöhnlichkeit auf die Spitze zu treiben? Liegt es im Interesse Großbritanniens, das Boerenthum einfach auszurotten, wie einstmals Narses die Ostgothcn in Italien vernichtete; das Boerenthum, welches doch ein so fruchtbares Element für die Er schließung Südafrikas gewesen ist? Und entspricht es dem eng lischen Vortheil, dauernd eine große Armee auf den Hochplateaus um den Oranje-Fluß und Limpopo zu erhalten? Dies wird auch nach völliger Vernichtung der Holländer nöthig sein. Wenn die 33 000 Kriegsgefangenen zurückkehren, ohne daß eine innere Ausgleichung stattgefunden hat. In England spricht man aus, daß den Boeren volle Selbstverwaltung zu Theil werden soll, wenn sie sich blindlings unterwerfen; konnte man diese Selbst verwaltung nicht schon vorher als Preis der Unterwerfung ge währen? Es scheint mir, daß, was immer die großen Zeitungen sagen mögen, sich auch in England s e l b st ein entschiedener U m - schwung in der Beurtheilung des südafrikanischen Conflictes vollzogen hat. Auch hier wird das Bedürfnis nach Frieden immer offenkundiger; nicht nur in Lombard- und Threadneedle- Street, sondern auch in Pall Mall und Mayfair. Jeder Ein sichtige erschrickt vor der Möglichkeit, daß diese Krisis sich noch auf Jahre ausdehnen könne. Das öffentliche Wohl und alle Privatinteressen erheischen eine baldmögliche Regelung der Wirren. Erst dann läßt sich ein erneuter Aufschwung von Handel und Gewerbe, und damit von Neuem Wohlstand und Ge winn abwarten. Deutsches Reiöb 6. H. Berlin, 19. August. (D eutschland und die mittelamerikanischen Wirren.) In dem drohen den Kriege zwischen Venezuela und Columibien ist bekanntlich der große Kreuzer „ Vineta " berufen, die deutschen Interessen zu schützen. Es ist bedauerlich, daß di« für uns so wichtige ameri kanische Station vorerst nur mit einem Kreuzer besetzt ist. Der kleine Kreuzer „Geier" gehört zwar ebenfalls zur amerikanischen Station; aber beim Ausbruche der chinesischen Wirr«n wurde er nach Ostasien beordert. Erst im Herbst werden 3 Kreuzer die deutsche Flagge an der langgestreckten amerikanischen Küste zeigen. „Vineta" ist übrigens ein achtunggebietendes Schiff, das erst 1898 vom Stapel gelaufen ist und 465 Mann Be satzung hat. Es hat ein Deplacement von 5900 Tonnen, ist 105 Meter lang, 17,6 Meter breit und hat «inen Tiefgang von 6,6 Meter; die 10 000 indicirten Pferdekräfte können dem Schiffe ein« Fahrgeschwindigkeit von 18 Knoten verleihen. Die artilleristische Armirung ist eine verhältnißmäßig starke, so daß also, da Columbien nur das schwache Knonenboot „Genera! Nerino" (Deplacement 400 Tonnen) und Venezuela nur die mit 96 resp. 60 Mann besetzten Torpedofahrzeuge „Bolivar" und „Miranda" besitzt, Deutschland bis zum Herbste nicht gerade in Sorge zu sein braucht. --- Berlin, 19. August. (Kann einüberzeugungs treuer Katholik liberal sein?) Das Organ der bayerischen Centrumspartei ist durch ein katholisches Blatt rn Helle Entrüstung versetzt worden. Dre „Freien deutschen Blätter" nämlich, die der katholische vr. Bumüller in Augsburg herauSgiebt, haben sich mit der Frage beschäftigt, ob ein vberzeugungstreuer Katholik unter allen Umständen ein An hänger der Centrumspartei sein müsse, und haben hierauf mit einem entschiedenen „Nein" geantwortet. Die genannte katholische Wochenschrift firirt ihren Standpunct in folgenden, recht be- achtenswerthen Ausführungen: „Wir sind nicht so kurzsichtig, daß wir eine neue Partei anstrebten; wir wollen nur gegenüber der unnöthigen Verquickung von Religion und Politik — wobei die Religion mehr ein« dienende als eine herrschende Stellung einnimmt —, gegenüber dem Satze, daß ein übcrzeugungStreuer Katholik nur ein Centrumsmann sein kann, die Ansicht vertreten, daß ein überzeugungstreuer Katholik ebensogut der liberal en oder frei sinnigen Partei a »gehören kann, weil es sich hier in erster Linie um politische und nicht um religiöse Fragen handelt. Gewiß, eS ist ja möglich, daß die Mehrzahl einer solchen Partei in einer Frage einmal eine kirchenfeindliche Haltung einnimmt; aber muß er sich dieser Frage anschließen? Kann eine solche nicht viel eher verhindert werden, wenn auch LberzeugungStreue Katholiken in diesen Fractionen selbst ein Wort mitzusprechen haben?" — Gegen vorstehende Ketzerei pro- testirt da« bayerische CentrumSorgan auf da« Lebhafteste und be dauert sie „wegen der Begriffsverwirrung, die sie im katholischen Lager anzurichten geeignet sind." — E« darf nicht über-, aber sicherlich auch nicht unterschätzt werden, wenn eine katholische Wochenschrift zu solchen Anschauungen sich bekennt. So viel Wasser noch den Rhein hinunterlaufen mag, bis ein nennenS- werther Bruchtheil der deutschen Katholiken auf den Loden tritt, auf dem die „Freien deutschen Blätter" stehen: einmal wird die« doch geschehen. Und giebt e« irgend eine Frage, die geeignet ist, einen solchen Proceß zu beschleunigen, dann ist e« die pol- nische Frage. Bereit» jetzt hat der polnische Radicaliimu» wenigsten» be, einem Thrile der CentrumSpresse einen unverkenn- baren nachhaltigen Eindruck gemacht. Selbst da» Polenblatt am Rhein, die „Köln. Dolksztg ", hat unter dem Einflüsse der Be schimpfungen der Propste» LiSz einen Augenblick von einer „veränderten Sachlage" betreff« de« Verhältnisse» zwischen Centrum und Polen gesprochen — aber nur, um sich durch gleiß- nerische Schmeichelceden de» Krakauer Professor» MorawSki im „Kuryr Poznan»ki" aufs Neue bethörrn zu lassen. I« unter - würfiaer da» rheinische CentrumSorgan und seine Nachbeter unter da« Polenthum sich zeigten, um so sicherer Verden dieAnschau- ungen der „Freien deutschen Blatter" unter den deutsch en Katholiken sich verbreiten. * Berlin, 19. August. (Arbeiterbewegung.) Große Erregung herrscht in den Kreisen der Arbeitgeber über das Ver halten und Vorgehen der Lohncommision der Bau anschläger. Wie schon berichtet, haben die Bauanschläger, die am Sonnabend in den Ausstand getreten sind, und nicht die Arbeitgeber, trotz d«S vor dem Einigungs amte des G-wrrbegerichts getroffenen Waffenstillstandes, ein schroff abweisendes Verhalten beobachtet. Die Vertreter der Arbeiter schlossen, unter der Behauptung, daß ihnen in dieser Beziehung ausdrücklich freie Hand gelassen sei, mit den Schlosser meistern einen bindenden Vertrag dahin, daß bis Ende dieses Jahres der alte Lohntarif gelten sollte. Die Arbeiter erklärten hierzu, nur über den Beginn der Berathungen des n«uen Tarifs ein« feste Vereinbarung noch nicht mit den Meist«rn treffen zu können. Es müsse hierüber noch di« Generalversammlung der Anschläger gehört werden. Die Arbeiter nun brechen einfach das Abkommen, das ihre Vertreter mit ihrer Einwilligung auf dem Gewerbcgerichte gutgeheißen hatten. ES ist daher mehr Hie merkwürdig, wenn jetzt von der Lohncommission der Arbeiter in einem auch im „Vorwärts" veröffentlichten Aufrufe an alle Bauanschläger in Berlin und Umgegend die Behauptung aufge stellt wird: „Selbst der letzte Versuch, eine Einigung vor dem Gewerbegerichte zu ermöglichen, ist durch das abweisende Ver halten der Meistercvmmiflion verhindert, und so bleibt uns nur das letzte Mittel, der Aus stand!" Das heißt denn doch, die Thatsachen geradezu auf den Kopf pellen. Unter diesen Um ständen wird es wohl zu einem harten Kampf kommen. — Der Vorstand der Berliner Schlosserinnung und des Ver bandes Berliner Schlossereien und verwandter Gewerbe hat zum Dienstag ein« außerordentlich« Generalversammlung berufen. — Arbeitslosenversammlungen sollen von einzelnen Gewerkschaften in nächster Zeit in Berlin veran staltet werden, um die gegenwärtig ungewöhnlich hohe Zahl der beschäftigungslosen Arbeiter festzustellen. Die Arbeitslosigkeit macht sich besonder? in der Maschinenindustrie sehr bemerkbar, vor den ElektricitätSwerken, sowie vor anderen großen in dustriellen Etablissements sieht man bereits in früher Morgen stunde ganze Schauren Arbeitsloser. (Voss. Ztg.) L. Berlin, 19. August. (Privattelegramm.) Wie der „Berl. Börs-Ztg." aus Danzig depeschirt wird, sind alle Vorbereitungen für eine auf der dortigen Rbede statt findende Monarchen-rgegnung getroffen. Mitte Sep tember treffen der Zar und der deutsche Kaiser dort ein. G Berlin, 19. August. (Telegramm.) Nach dem „Reichs anzeiger" lind der Landgericbtsdirector Flore ns Wiar-a in Hannover und sein Bruder Landgerichtsrath Tilemann Wiarda in Hildesheim geadelt wnrden. — Anläßlich des Geburtstages Kaiser Franz Josefs von Oesterreich fanv gestern Vormittag 11 Uhr in der St. HedwigSkirche ein feierlicher Gottesdienst statt, der mit einem Gesänge des Kirchenckors eingeleitet wurde, dem eine vom Prälaten Neuber celebrirte Messe folgte. Dieser wobnte der österreichisch-ungarische Botschafter v. S^ögyenyi mit dem BotschaslSrath Grafen Tburn und den übrigen Mitgliedern der Botschaft, die hiesige öster reichisch-ungarische Colonie und zablreiche Mitglieder der Hofgesellschaft bei. Nach der kirchlichen Feier empfing der Botschafter Vertreter der österreichisch-ungarischen Colonie, um deren Glückwünsche für den Kaiser Franz Josef entgegen zunehmen, während die Mitglieder deS diplomatischen CorpS und viele andere hochgestellte Personen ihre Karten abgaben. — AuS der Unterredung, die Graf Waldersee mit einem französischen Journalisten — Marcel Hirsch, genannt Gutin, vom „Eckw de Paris" — gehabt haben soll, bringen einige Blätter längere Auszüge, welche die Vermuthung nahe legen, Herr Marcel Hirsch sei im Erfinden noch ungleich stärker, als Graf Waldersee im Reden. So soll nach Hirsch'S Angabe der Graf auf die Frage, ob Kaiser Wilhelm wirklich die Absicht habe, nach Paris zu kommen, im Tone der Ueberzeugung gesagt haben: „Ach, wenn sich daS er möglichen ließe!" Nach dieser Unterstellung wird Graf Waldersee, wenn er wirklich mit Herrn MarcelHirscv gesprochen, jedenfalls Bedenken tragen, nochmals einen französischen Be richterstatter zu empfangen. Gut gehört oder erfunden hat Herr Hirsch, indem er dem Grafen auf die Frage, ob er wirklich, wie die „Voss. Ztg." behaupte, nach dem Posten d>« Reichskanzlers strebe, die Antwort in den Mund legte: Diese Leute sind toll. Die „Voss. Ztg." greift mich seil unvordenklicher Zeit an, aber ihre Unterstellungen lassen mich kalt. Meine Stellung als Feldmarschall ist die höchste, die ein Soldat im Reiche erstreben kann. Sie bietet mir Arbeit und Befriedigung genug, um mich auch fernerhin darin wohlzufühlen. — DaS preußische Oberverwaltungsgericht hat vor einiger Zeit eine für den Stadtkreis Hildesheim erlassene Polizei verordnung für rechtsgiltig erklärt, wonach daS Anbringen von Reclamen u. s. w. an Häuserfronten, Giebeln u. s. w. verboten ist, sofern diese Anzeigen nicht den HauSeigenthümer selbst betreffen. Der Minister de« Innern macht jetzt in einer im „Min.-Bl. f. d. innere Verw." veröffentlichten Verfügung die Regierungs-Präsidenten darauf aufmerksam, daß die Erkenntniß des Ober-VerwaltungSgericht» die Möglichkeit biete, in den geschlossenen Ortschaften, in denen diese» nach ihrem Charakter und den Verhältnissen angezeigt erscheint, das Anbringen von Reclamen an Häusern, Zäunen u. s. w. zu verhindern. ES wird den Regierungs-Präsidenten zur Erwägung anheimgestellt, ob in Ortschaften ihres Bezirks ein Anlaß zu einem Vorgehen vorliegt, wobei darauf aufmerk sam gemacht wird, daß ein polizeiliches Vorgehen, da« nicht durch die Verhältnisse der einzelnen Ortschaft geboten erscheint und daher auf eine ungerechtfertigte Schädigung der Inter essen der Gewerbetreibenden hinauslaufen würde, unbedingt zu vermeiden ist. ES sollen deshalb polizeiliche Maßnahmen auf dem angegebenen Gebiete nicht getroffen werden, bevor nicht dazu auf Grund eine» eingehenden Berichts die Zustimmung de» Regierungs-Präsidenten eingeholt ist. <V) Brunsdüttelkao«, 19. August. (Telegramm.) Die Königin von England, die am 17. August auf der Jacht „OSborne" hier eingetroffen war, ist heute Vormittag
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