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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.08.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010821022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901082102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901082102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-21
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Anzeigen »Prel- die 6 gespaltene Petitzeile LS Reklamen unter dem RrdactionSstrich («gespalten) 7b H, vor den Familiennach« richten («gespalten) SV H. Tabellarischer und—Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen uud Offertenannahme LS H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung «0—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeige«: Abend-Au-gabe: Bormtttags 10 Uhr. Morgeu-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Gxpedltioa zu richten. Die Expedition ist Wochentags unnnterbrochrM geöffner von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Druck uud Verlag vou E. Polz tu Leipzig. Mittwoch den 21. August 1901. 95. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 21. August. Nach wie vor glauben wir unseren politischen Pflichten zu dienen, wenn wir in dem Zollbürgcrkricge, den sich jetzt daS liebe Deutschland zum Gaudium des Auslandes ge nehmigt, Gewehr bei Fuß stehen. Aber die publicistische Pflicht fordert Kriegsberichterstattung. So sei denn zunächst gemeldet, daß der Bund der Landwirthe seine Bemänge lungen der Beschlüsse des ständigen Ausschusses deS deutschen LandwirthschaftSratheS in der Presse fort setzten läßt. Der Ausschuß hat ihm zu wenig verlangt und wird bezichtigt, hierin von seiner Plenarversammlung ab gewichen zu sein. Aber der deutsche Landwirthschasksrath ist auch nicht faul und erläßt die schon telegraphisch ge meldete Erklärung, diese Behauptung sei „völlig aus der Luft gegriffen, da in den Pleuarversammluugen deS deutschen LandwirthschaftSratheS über die Höhe deS Zollsatzes bisher keine Beschlüsse gefaßt worden sind." Diese Berichtigung trifft zu, schließt aber nicht auS, daß das Plenum dieser Körperschaft, wenn eS in einem vorgeschritteneren Stadium der Angelegenheit, wenn eS Ernst wird, Zusammentritt, seinerseits vou den Forderungen des Ausschusses abweicht und zwar in einer den Wünschen deS Bundes der Landwirthe entgegengesetzten Richtung. Der Bund denkt indessen klugerweise auch nicht daran, eS mit dem LandwirthschaftSrathe zu verderben. Er läßt schreiben, man sei „in den Grundsätzen einig", und er entschuldigt ge wissermaßen die weitgehenden Beschlüsse seines Ausschusses — die nicht der Wiedergabe Werth sind —, indem er erklärt, daß der Ausschuß „die Forderungen des Bundes, welche be kanntlich auch die der christlichen Bauernvereine sind, jetzt fest gehalten hat, war sachlich und taktisch geboten". Der Schwer punkt liegt auf dem „jetzt" und dem „taktisch". Die Taktik domiuirt im Augenblicke überhaupt, auch un Cent rum, dem mit der Bemerkung über die christlichen Bauernvereine ein Avis gegeben werden sollte. Die „Germania" hat in einer Reihe wissenschaftlich thuender, über der Oberfläche der Tarifzifferu schwebender Artikel — nichts gesagt. Sie warnt vor excessivem Entgegenkommen gegenüber den Agrariern — diese Andeutung wird als Angriff auf den Grafen Posa- dowsku gedeutet und findet deshalb Beachtung — und preist die „Mittellinie". Letzteres versteht sich für das Organ einer Partei wie das Centrum von selbst. Sie hat die „christlichen Bauernvereine" zu berücksichtigen, sic bat in Bayern die Baucrnbündler zu fürchten und sie hat ihre Industriearbeiter zu schonen.- Es ist übrigens dem Centrum nicht im Mindesten zu verargen, wenn eü angesichts eines provisorischen Tarifentwurfs nicht sagen will, wo es den mittleren Weg sieht. Nur brauchte eS dann auch keine gespreizten, an die Lieber'sche Redeweise erinnernden Zeitungsartikel veröffentlichen zu lassen. Die „Post", das Organ der Reichspartei, wendet sich gegen daS Berlangen deS LandwirthschaflSrathS, alle Getreidearten im Mindest- und im autonomen Tarif gleich zu behandeln. Sie thut dies im Hinblick auf den Roggen und auf unsere östlichen Nachbarn. Der Singular wäre richtiger. Rußland ist eS, dem an einer Diffcrcnzirung deS Roggen- unb deS Weizenzolles viel gelegen sein muß, für Oesterreich spielt die Gerste und spielen namentlich die Viehzölle eine größere Rolle. Man darf wohl auch annehmen, daß die Liehzölle gerade Oesterreichs halber vorläufig so hoch gehalten sind; sie sind bestimmt — natürlich nicht ihrem ganzen Be trage nach —, als CompensationSobject zu dienen, und deshalb ist ihre Höhe den österreichischen Industriellen unangenehmer, als den österreichisch-ungarischen Viehzüchtern. Der autonome Tarif — man kann dies gegenüber dem ohrenbetäubenden Lärm deS Freihandels nicht oft genug hervorhebcn — der Tarif ist ein Arsenal, daS unseren Unterhändlern Waffen ver schiedener Art und von verschiedener Macht bieten soll, wenn die anderen Contrahenten sich zurückhaltend erweisen sollten. Die Waffe ist also in diesem Falle weniger ein Droh- als ein Lockmittel. So haben die Oesterreichcr schon 1891 ihren autonomen Tarif angesehen, richtiger: sie hatten ihn auf Handelsvertragsverhandlungen zugeschnilten. Wir aber schickten damals unsere — den Oesterreichern, Russen rc. schon an Gewandtheit und technologischer Sachkunde nachstehenden — Unterhändler mit dem veraltet gewordene Gewehre und Kanonen enthaltenden 1879er Tarife in den Kampf. DaS soll nicht wieder geschehen, und deshalb ist und bleibt der veröffentlichte Tarif ungefähr so wie er ist. Der eben erst aus der Industrie bervorgegangene, für die Handelsvertragspolitik eingenommene Minister Möller hat Aehnliches den ostprcußischen Kauf leuten gesagt. Durch die Berichterstattung wurde etwas ganz Anderes aus seinen Aeußerungen gemacht. Hoffentlich nimmt sich der erfahrene und weitblickende Geschäftsmann noch einmal die Mühe, seinen früheren Stanbeszenossen zu Gemüthe zu führen, daß sie ihre privat geschäftlichen Ver handlungen ja auch so führen, wie im Interesse des Gesammt- wohleS künftige Handelsvertragsverhaudlungen geführt werden sollen. Für die Landwirlhschaft gilt daS Gleiche, nur daß es dieser obliegt, den umgekehrten Fehler zu vermeiden und, anstatt die Unterhändler zu leicht bewaffnet in die Schlacht zu schicken, sie in eine so schwere Rüstung zu stecken, daß sie gar nicht an den Feind gelangen können. Wie schon mitgetheilt wurde, werden in der deutschen Stadt Graudenz eine große Anzahl Schulkinder gezwungen, wöchentlich zweimal vor Beginn des Unterrichts- Lchnlmeffcn in der katholischen Pfarrkirche beizuwohnen, bei denen obendrein polnische Choräle u. s. w. gesungen weihen. Dies geschieht, wie in der letzten Stadtverordneten-Versammlung zu Graudenz infolge einer Mittheilung im „Geselligen" vom Stadtver- ordneten-Vorsteher Mehrlein (Vorstandsmitglied des deutschen Ostmarkcnvereins) vorgebracht worden ist, schon seit O st e r n dieses Jahres. Diese sehr bemerkenswerthen konfessio nellen (speciell katholischen) Sonder-Andachten werden, wie man nachträglich erfährt, mit Genehmigung der königlich preußischen Schulaufsichtsbehörde abgehalten. Die katholische Geistlichkeit, an ihrer Spitze der Bischof der Diöcese Kulm, vr. Rosentreter in Pelplin, hat es bei dem königlichen Provinzial-Schulcollegium in Danzig durchgesetzt, daß die für alle Confessionen gemeinsamen Schul andachten, welche der katholischen Geistlichkeit mißfielen, ab geschafft und diese katholischen „Schulmessen" eingeführt wurden, zunächst für die männliche Jugend! Die Schüler der höheren Lehranstalten in Graudenz sind ausschließlich solche Jünglinge und Kinder, die deutsch sprechen und sämmtlich deutsch verstehen — nur sehr wenige von ihnen verstehen ein polnisches Wort —, und alle diese deutschen Knaben werden nun, ebenso wie die Volksschüler, gezwungen, diesen Sonder andachten, in denen polnische Agitation betrieben wird, beizuwohnen. Die römische Kirche will es, die preußische Regierung duldet es! Der letzteren billigt die „Köln. Ztg." allerdings mildernde Umstände zu, indem sie annimmt, der Mißgriff und arge Fehler sei in einer Zeit geschehen, als der frühere, die Ultramontanen und die Polen gewiß ibrem wahren Wesen nach richtig schätzende Cultusmimster und nachmalige Oberpräsident Westpreußens, vr. v. Goßler, bereits schwer krank und daher nicht in der Lage war, den Vorsitz im Pro vinzial-Schulcollegium auszuüben. Um so nachdrücklicher wendet sich aber das rheinische Blatt an den jetzigen Cultus- minister: ,Die Preußische Regierung oder der Cultusmimster wird im Interesse der deutschen Erziehung der Jugend — wozu auch die Erziehung zur wirklichen Toleranz gehört — den römisch-pol nischen Tendenzen, die sich hier mit einer selbst heutzutage Auf sehen erregenden Keckheit hervorwagen, entgegentreten und diese Sonderandachten schleunigst wieder aufheben müssen. Die in Betracht kommenden deutschen Eltern haben freilich selbst ein einfaches Mittel in der Hand: sie brauchen nur ihre Kinder — unbekümmert um kirchliche Gewaltmittel — von der „Schul messe" zurückzubalten, ihnen die Erlaubniß zum Besuch dieser mindestens überflüssigen, im Besonderen aber gefährlichen Ver anstaltung, die nicht unter die Schulpflicht fällt, zu verweigern, und die Kinder erst zu dem schulplanmäßigen Unterricht zu schicken. Diese Selbsthilfe macht freilich noch nicht das Ein schreiten der preußischen Regierung entbehrlich, wie es im Inter esse des Staates, der eigenen Kinder und der pflichtmäßigen deutschen Erziehung erforderlich ist." Wir fürchten, die in Betracht kommenden deutschen Eltern werden noch lange auf die Selbsthilfe angewiesen bleiben; denn so lange die preußischen Cultusmimster angewiesen sind, die römische Empfindlichkeit sorgsam zu schonen, ist an eine gründ liche Aenderung der jämmerlichen preußischen Polenpolitik nicht zu denken. Im Jahre 1896 war der russische Kaiser mit seiner Gemahlin zum letzten Male in Frankreich. Damals landeten sie am 5. October in Cherbourg, wo sie von dem damaligen Prä sidenten Faure, den Ministern Mäline und Hanotaux, den Präsi denten der Deputirtenkammer und des Senats empfangen wur den. Vom 6. bis 8. October war das Kaiserpaar in Paris, am 9. wohnte es der großen Parade in der Nähe von Chalons bei, wo damals die Manöver stattfanden, und am selben Tage erfolgte die Abreise nach Darmstadt. Man wird in dem nun mehr angekündigien neuen Besuche des Zaren sowohl in Frank reich als im übrigen Europa die Bestätigung der Thatsache er blicken, daß die Beziehungen Rußlands zu Frankreich unver ändert geblieben sind. Hierüber waren bekanntlich seit längerer Zeit Zweifel entstanden, deren Beseitigung als der hauptsächlichste Zweck der Reise des Ministers Delcassä nach Petersburg galt. Es hieß, daß die russische Regierung dem gegenwärtigen fran zösischen Ministerium Waldeck-Rousseau mit seinem ausgesprochen radikalen Kriegsminister Andrä und seinen socialistischen Mit gliedern Millerand und Baudin feindlich gesinnt sei, daß sie in dem Fortbestände dieses Cabinets eine Gefahr für das russisch französische Bündniß erblicke. Der gegenwärtige russische Bot schafter in Paris galt als erklärter Gegner des Cabinets und der Militär-Attachä Mnrawjew war es in hohem Grade und so offenkundig, daß er aus Paris abberufen wurde. Die An kündigung des Kaiserbesuchs beweist, daß es Herrn Delcassä ge lungen ist, die Besorgnisse, welche in Petersburg bestanden, zu zerstreuen; sie dürfte deshalb, während die vorgeschrittenen Re publikaner sehr befriedigt sein werden,im monarchischen und im nationalistischen Lager Frankreichs eine unangenehme Ueber- raschung Hervorrufen. In Deutschland gehört das russisch französische Bündniß schon lange zu den Factoren der Weltlage, mit denen man in Ruhe und Gelassenheit rechnet. Wenn es auf die internationale Lage einen Einfluß geübt hat, der andernfalls gefehlt hätte, so scheint er darin bestanden zu haben, daß die französischen Chauvinisten von Abenteuern, bei denen sie auf Rußland gerechnet hatten, abgehalten wurden. Unter solchen Umständen können wir nur Genugthuung empfinden, wenn das gegenwärtige französische Ministerium seinen monarchistischen und sonstigen Feinden gegenüber eine Stütze durch diese neue Bekundung der russisch-französischen Freundschaft erhält, die ohne Zweifel in der Ankündigung des kaiserlichen Besuches ent halten ist. Bekanntlich ist seit längerer Zeit die Rede davon, daß der Zar anläßlich der deutschen Herbstmanöver auch dem deutschen Kaiser einen Besuch abstatten werde. Falls ein solcher beabsich tigt ist, mag dies noch ein besonderer Grund für die Zarenreise nach Frankreich gewesen sein. Der „Ostasiatische Lloyd" schreibt unterm 12. Juli u. A. wie folgt: Was eigentlich in Noröchina vor sich geht, weiß außer den betheiligten Diplomaten, wie es scheint, kein Mensch, und ob diese es wissen, wird vielfach ebenfalls bezweifelt. Es fehlt zwar nicht an Versicherungen, daß die Dinge einen vollständig normalen Verlauf nehiuep; man habe aber mit der Langsamkeit der Chinesen zu rechnen, die eine so schnelle Erledigung der noch schwebenden Fragen, wie sie von den Verbündeten selbst am meisten gewünscht und heiß erstrebt werde, nicht zulasse; aber, so klingen alle diese Versicherungen halbofficiöser Natur aus, deshalb brauche keine Besorgniß Platz zu greifen; in Kurzem werde sich Alles in Wohlgefallen auflösen und Jeder zu seinem Rechte kommen. In Europa und Amerika scheint man diesen Friedens schalmeien mit großer Befriedigung zu lauschen. Der Wunsch, daß das Alles sich so verhalten möge, wie versichert wird, ist dort der Vater des Gedankens. In Deutschland dankt man es der Regierung in überschwänglichster Weise, daß sie sich endlich von China losmacht und die Truppen zurückzieht; man erblickt darin ein unschätzbares Geschenk, über das, wie es scheint, in Nord und Süd, in Ost und West eitel Freude herrscht. Und wie es bei uns daheim ist, so scheint es mehr oder weniger auch im Hause der anderen Verbündeten auszusehen. Wer aber dem Schauplätze der Ereignisse einige Tausend Meilen näher kst unk von den Wirkungen der Zustände in Nordchina etwas unmittel barer berührt wird, versteht diese aufjauchzende Freude nicht ganz. Wir haben schon mehr als einmal geglaubt, davor warnen zu sollen, daß man jetzt wieder in einer der bisherigen genau ent gegengesetzten Richtung zu weit gehe. Es scheint, daß die Befürchtungen, die wir an den schleunigen Rückzug der Verbündeten geknüpft haben, nicht unberechtigt waren. Ein Telegramm, das dieser Tage bei den deutschen Besatzungstruppen in Shanghai^em- gegangen ist, meldet, daß die noch fehlenden vierhundert Mann der Besatzung Shanghais, die etwa Mitte August eintreffen sollten, vor der Hand nicht kämen; es seien alle Transporte deutscher Truppen für zunächst 60 Tage abbefohlen werden. Sieht das schon nicht allzu beruhigend für die Zukunft aus, so sind die weiteren Meldungen, daß die französischen und die italienischen Truppen vorläufig ruhig in der Provinz Tschili bleiben sollen, ebenfalls nicht geeignet, das an sich schon recht geringe Vertrauen zu erhöhen. Dazu kommen dann noch chinesische Meldungen aller Art. Das Räuberunwesen in der Provinz Tschili ist keineswegs unterdrückt; in den von den Verbündeten geräumten Bezirken sind die chinesischen Behörden offenbar den Aufständischen nicht gewachsen. Selbst in der unmittelbarsten Umgebung Pekings sollen in der letzten Zeit Unruhen vorgekommen sein. Wenn wir nun auch nicht der Ansicht sind, daß es Sache der Ver- Frnrlletoir. Ilm Geld. Roman von F. Ilex. NaLdnick vertotkn. „WaS Du geben willst, stelle ich Dir anheim, nur möchte ich die Zahl der üblichen zwei — höchstens drei — Gerichte nicht überschritten haben. Du und Rosa werden gewiß so viel Er findungsgabe besitzen, innerhalb dieser — ich wiederhole noth- wendigen — Grenzen etwas zusammenzustellen, was auch Dir behagt. Sieh", fuhr Paul, Gisela's schmollende Miene absichtlich nicht beachtend, fort, „ich lasse Dir doch sonst allen Willen, aber in dieser Beziehung mußt Du schon meiner besseren Erfahrung und Kenntniß der besonderen Verhältnisse Rechnung tragen und meinen Wünschen nachgeben. Laß doch wegen solcher Kleinig keiten keinen Mission zwischen uns aufkommen! Ich will Dir ja gewiß jeden Gefallen thun, und wenn ich heute aus meiner Ansicht bestehen muß, so sind es eben äußere zwingende Gründe, die mich dazu veranlassen, und deren Nothwcndigkeit Du auch noch einsehen wirst." „Ich verstehe aber nicht, wie man solchen Kleinigkeiten irgend welche Wichtigkeit beilegen kann! Es sieht gerade so auS, als ob man sicd schämen müßte, etwas Geld zu haben. Was nützt mich denn daS Geld, wenn ich nur heimlich davon Gebrauch machen darf, und jeden Schein vermeiden muß, als ob wir.etwas mehr wie Andere hätten? Wenn Andere wieder, wie Du mir schon gesagt hast, nur um den Schein zu wahren, über die Ver hältnisse leben, dann kommt ja die ganze Geschichte auf ein un geheure- Theaterspiel heraus, bei dem allerdings die Zuschauer stet- hinter die Coulissen sehen!" Steinberg! war froh, Gisela in dieser Art ihrem Aerger Luft machen zu sehen, ohne daß sich die Frage zu einem gegen ihn per sönlich gerichteten Angriff zugespitzt hätte, wie eS jetzt nur allzu oft geschah. Denn nur erst diese kritischen Monate, in welchen ihm der Arzt die größte Schonung zur Pflicht gemacht, vorüber seien, dann hoffte er auf rin leichteres Eingehen auf seine Wünsche, und vor Allem auf eine größere Gleichmäßigkeit in der Stimmung seiner Frau. Bei der geringsten Gelegenheit, scheinbar auch ohne jede Ver anlassung, konnte Gisela auS der heitersten, ja ausgelassensten Laune, auS den Ausbrüchen einer fast athemraubrnden Zärtlichkeit in di« trübseligste Aschermittwochstimmung, in di« giftigste, mit hansischen Spitzen gespickte Zänkerei mit ihrem Manne über gehen, so daß Paul seiner ganzen Selbstbeherrschung bedurfte, um nicht in denselben Ton zu verfallen. Ein einziges Mal hatte er sich zu der Erwiderung, hinreißen lassen: „Warum hast Du denn meinen Antrag angenommen, wenn Du so sicher gewußt hast, daß ich nur dabei an Dein Geld ge dacht?" Da war es allerdings mit elementarer Gewalt losgebrochen: „Weil ich mich von Deinem Aeußeren bethören ließ und einen flotten, leichtlebigen Cavalirr, dem man auch einmal etwas durch die Finger sehen mußte, vor mir zu haben glaubte. Nun aber seh« ich, daß ich de: Speculation eines philisterhaften, eng herzigen Kleinigkeitskrämers, der die Nase in die Kochtöpfe steckt, zum Ovfer gefallen bin!" „Halt ein, kein Wort mehr", war Alles, was er aus bebenden Lippen hatte hervorbringen können, und dann war sie ihm an den Hals geflogen und hatte unter einem Sturm von Zärtlichkeiten, einem Strom von Thränen und Selbstvovwürfen, trotz seiner Versuche, sich dieser Uebertreibungen zu entziehen, seine Verzeihung erfleht. Seine ruhigen, ernst ermahnenden Worte, ihr beiderseitiges Lebensglück nicht aufs Spiel zu sehen, hatten den einzigen Erfolg, daß sich Gisela einige Tage eines etwas gleichmäßigeren Be nehmens befleißigte, um dann sehr bald wieder, bei dem ge ringsten Anlaß, in ihren alten Fehler zu verfallen, wenn auch die Auftritte nicht mehr einen solchen Gipfelpunkt des Selbst vergessens erreichten. Jedenfalls hielt Paul die Tafelfrage, di« er mit solchem Ernst behandelt, für abgemacht. Zufrieden, damit so verhältniß- mäßig leichten Kaufes davongekommen zu sein, und auch, um die wunde Stelle durch erneute Berührung nicht zu reizen, unter ließ er, sich weiter um die Einzelheiten der Ausführung zu bekümmern. Was sollte er aber nun dazu sagen, daß, als das Abend essen nun wirklich stattfarkd, trotz alledem ein geradezu über trieben«: Luxus bei Bewirthung der Gäste entfaltet wurde? Nicht nur überstieg die Anzahl der Gerichte weitaus daS Uebliche, sondern auch die Auswahl der Schüsseln war «ine so aus gesuchte, wie sie nur bei allergrößten Festlichkeiten oder in den Kreisen der daute-finauev gang und gäbe sein mochte. Den Speisen entsprechend, waren di« Weine von einer Mannig faltigkeit, die auch eine verwöhntere Gesellschaft in Staunen versetzt hätte, ganz abgesehen davon, daß schon ganz von An fang an Champagner servirt wurde. WaS sollte er erwidern, wenn man von Seiten seiner Gäste nicht nur seine Frau, sondern auch ihn selbst scherzhaft mit einem „aber, aber" bedrohte? Wußte er doch, daß dieselben Leute, die es sich heute hier wohlschmecken ließen, morgen — nein, heute Abend noch — die heftigsten Tadler dieser tactlosen Uebertreibung sein würden, und was das Schlimmste war, nicht ohne Grund. — Am tiefsten aber verletzte ihn diese souverän« Nichtachtung, dieses Wegwischen über seine Person, als ob er eine Null, ein gar Nichts wäre, dessen Worte Wind, auf dessen, mit allen Gründen der Vernunft und Ucberredung unterstützte Wünsche man auch nicht die geringste Rücksicht zu nehmen schuldig sei! Das ging ihm denn doch über den Spaß, und je länger das Souper dauerte, desto mehr verhärtete er sich m seinem Ge- mllthe; je mehr er sich Gewalt anthun mußte, sich vor seinen Gästen nichts merken zu lassen, desto heißer kocht« der Zorn, ja, der Ingrimm in ihm auf. Am liebsten hätte ec Teller und Glas von sich geschoben und hätte so der Unverbesserlichen gezeigt, was «r von ihrem Be nehmen halte. So abrr war er als Gastgeber — wenigstens dem Namen nach, wie er sich nicht ohn« bittere Selbstironie sagte — nicht nur gezwungen, auszuharren, sondern auch genöthigt, vou den Speisen, die ihm den Gaumen vergifteten, zu kosten und scheinbar harmlos die Unterhaltung mit seinen Nachbarn weiter zu svinnen. Gisela, die ihrem Manne an der Schmalseite des Tisches gegenüber saß, schien von all' den Stürmen in seinem Innern nichts zu merken; jedenfalls verstand sie vortrefflich, die völlig Unbefangene zu spielen und dabei den Schnurren und Scherzen des in ihrer Nachbarschaft sitzenden Gallow mit ungetrübtem Vergnügen zu lauschet). Endlich hatten sich die letzten Gäste entfernt. Paul hatte unterdessen Zeit gehabt, seines ersten Aergers, der wohl genügend gewesen wäre, alle Dämme weisen Maß haltens wrgzuschwemmen, soweit Herr zu werden, daß er sich — besonders in Rücksicht aus Gisela'« Zustand — zu einer ruhigen Haltung zwang. „Ich weih wirklich nicht, was ich dazu sagen soll?" war das Erste, was er in möglichst gemäßigtem Tone vorbrachte, nachdem sich das Ehepaar Auge in Auge gegenüber befand. „Ach, Du meinst meine kleine Ueberschreituny Deiner philister haften Vorschriften? Nimm die Sache nur nicht tragisch! Ich habe Dir schon neulich erklärt, daß ich mir in die Führung des Hausstandes nicht dineinreden lasse, und dabei bleibe ich! Im klebrigen habe ich nichts versprochen und hatte mir vollständige Freiheit des Handelns Vorbehalten!" „Ja, wenigstens stillschweigend, und dieser jesuitische Grund satz macht Dir alle Ehre! Ich erkläre Dir hiermit ein- für allemal, daß ich lieber auf jede Geselligkeit verzichte, als mich in dieser Weise ins Gerede der Leute bringen zu lassen." „Deine Leute, deren Gerede Du so fürchtest, haben sich übrigens das Gebotene recht gut schmecken lassen, in der richtigen Erkenntniß, daß es in erster Linie eine Aufmerksamkeit gegen seine Gäste ist, ihnen das Beste vorzusetzen. Wenn Du die Lobsprüche gehört hättest, die man mir von allen Seiten, vor allen Dingen Gallow gemacht hat, so würdest Du auch anders denken." „Das ist der Letzte, auf dessen Urtheil ich etwas gebe", gab Paul, dem der mühsam verhaltene Aerger wieder aufftieg, mit erhöhter Stimme zur Antwort. „Bis jetzt habe ich noch allen Deinen Wünschen, auch unberechtigten, nachgegeben. Hier er kläre ich Dir nun aufs Bestimmteste, daß ich mir «in solcher Beiseiteschieben meiner Person jetzt und für alle Zeit ver bitte." „Und ich verbitte mir diesen Ton! Ich bin nicht einer Deiner Recruten!" war die prompte Antwort, und schwabb! war der kleine Hitzkopf im Schlafzimmer verschwunden, dessen Thüre heftig ins Schloß fiel. Paul konnte es nicht über sich gewinnen, ihr zu folgen; mußte er doch befürchten, in der gerechtfertigten Erregung, in der er sich befand, einen neuen Auftritt herauf zu beschwören, dessen Folgen unabsehbar sein konnten. Er beschloß daher, die kurze, laue Sommernacht in seinem Arbeitszimmer zu verbringen, wo ein üppig ausgeftattetes Ruhebett mehr wie genügend Ersatz für das gewohnte, heute verschmähte Lager bot. An Schlaf war doch nicht zu denken. Ruhelos stürmten die Gedanken auf den Einsamen «in. Wohin trieben sie? Waren die Differenzen schon zu dem Punct« gediehen, wo man es nicht mehr für werth erachtet, sich gegenseitig nur die gewöhnlichen Formen der guten Gesellschaft zu gönnen? War vas nun das erhoffte Glück der Ehe? Wohl war er sich bewußt gewesen, daß er bei der Ver schiedenartigkeit der Charaktere und Erziehung auf manchen Kampf gefaßt sein mußte; aber derartige Scenen, wi« die heutige, wie die jüngst erlebte, hatte er doch für unmöglich ge halten! Ein solcher Trotz, eine solche Fähigkeit, Alle- herauß- sagen zu können, was momentan das Herz bewegt, war ihm nie zur Erscheinung gekommen. Seine Kenntniß des weiblichen, im Allgemeinen zu Ueber- schwänglichkeiten geneigten Gefiihlsl«b«nS war nur «ine s«hc
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