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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.08.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010824011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901082401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901082401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-24
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Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mattzes und Nalizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Sonnabend den 24. August 1901. Anzeigerr-Prei- die 6 gespaltene Petttzeile LS Reklamen unter dem RedacttooZstriq (s gespalten) 75 vor d« Famlli«um> richten (S gespalt«) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsqtz entspr«ch«ud höher. — Gebühren für Nachweisung« «d Offerteuanoahme L5 (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mtt der Morgeu-An-aabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbeförderung 70.—. Lnvahmeschlnß für Anzeige«: Ab «ad »Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morg«n»AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bet den Filialen and Annahmestelle» f« ein» halbe Staude früher. Anzeigen stad stet« « di« Expedttto» zu richt«. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh S bi« Abend« 7 Uhr. Druck uud Verlag vou E. Polz tu Leipzig 95. Jahrgang. Die Reisen des Zaren. 2L Die Nachricht, daß der Kaiser und die Kaiserin von Rußland einen mehrtägigen Besuch in Frankreich machen werden, hat im ersten Augenblick einigermaßen überrascht. Denn bis dahin wußte man nur von einer bevorstehenden Begegnung Kaiser Wilhelm's mit dem russischen Herrscher, die persönlichen Wünschen beider Monarchen entsprungen sei und keinen hoch politischen Charakter habe. Wenn die Vermuthung laut wird, daß der gesteigerte Austausch von Höflichkeiten zwischen amtlichen Persönlichkeiten Deutschlands und Frankreichs — beispielsweise die Anwesenheit zweier hoher französischer Officiere bei der Ber liner Frühjahrsparad«, der Trinkspruch des deutschen Kaisers auf das französische Heer aus diesem Anlaß, die Beziehungen zwischen Deutschen und Franzosen auf dem chinesischen Kriegs schauplätze, insbesondere das Berhältniß des 'Grafen Waldersee zu den leitenden französischen Militärs — für das Erscheinen des Kaisers Nikolaus in Frankreich bestimmend sei, so erscheint diese Bermuthung kaum als begründet. Jedenfalls kommt den Motiven der gedachten Art nicht entfernt die Bedeutung zu, wie den französischen Bemühungen, Rußland über die innere Lage Frankreichs zu beruhigen. Es gab zweifellos in der jüngsten Vergangenheit ernen Augen blick, in dem man die Fortdauer des herzlichen Verhältnisses zwischen Frankreich und Rußland als in Frage gestellt betrachten durfte. Das radical - socialistifche Ministerium Waldeck- Rousseau mit dem demokratisicrnden KriegSminister Andrs und dem socialdemokratischen Handelsminister Millerand war eine Zeit lang der russischen Re gierung so unsympathisch und verdächtig, daß der Bestand des russisch-französischen Bündnisses bedroht war. Der russische Militärbevollmächtigte in Paris, Graf Murawiew, befand sich im offenen Gegensätze zu dem französischen Cabinet, und Gerüchte von der angeblich geplanten Verlobung eines französischen Prätendenten mit einer russischen Prinzessin er öffneten die merkwürdigsten Perspectiven. Da erfolgten die Reisen des französischen Gcneralstabschefs Pendezec und des Ministers des Auswärtigen Delcassä nach Petersburg, auf der« Ergebniß die Abberufung des Grafen Murawiew und die Flottenbegegnung in Toulon vorbereiteten, der« Hauptecfolg aber die Reise des Zar« nach Frankreich bilder. Haben wir die neue Bekräftigung des russisch-französischen Bündnisses zu beklagen? Die Antwort auf diese Frage wird nur der bejah«, der die inneren Zustände Frankreichs ignorirt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß für die auswärtige Politik Frankreichs die Republikaner im Vergleich mit den Roya listen, Imperialisten und Nationalisten das konservative Element darstellen. Jede Gefährdung der republikanischen Staatsform rückt die Möglichkeit von kriegerischen Explosionen näher, weil jeder neue Gewalthaber zur Befestigung seiner Macht des Kriegs ruhmes nicht entrathen zu können glauben Wied. Da nun das Prestige der Republik durch den Zarenbesuch erheblich vermehrt wird, müssen sich in demselben Maße die Aussichten der Feinde der Republik vermindern. I« geringer aber die Chance für eine Staatsumwälzung in Frankreich ist, um so größer erscheint die Aussicht auf die Erhaltung des Friedens. So begrüßt denn auch die englische Press« den Besuch des Zaren in Paris als ein« neue Verbürgung deS Weltfriedeys. Der „Daily Telegraph" sieht in der Ankündigung des Besuches auch den Beweis dafür, daß Frankreich die Folgen der Dreyfus- Krisis überstanden habe, welche seinerzeit die Beziehungen zu Rußland ernstlich bedroht habe. Nach den Behauptungen der Nationalisten, das Verfahren des Waldeck-Rousseau-Ministeriums und General Andres hochpolitische Heeresleitung unterwllhlten den Zweibund, sei der jetzige Coup meisterhaft geeignet, den Mneren Zwecken der Republik zu dienen, welches sein genauer Ursprung und Zweck auch sein möge. Die zwischen Präsident Loubet und seinem kaiserlichen Gaste nach dem Flottenschauspiel in Dünkirchen zu wechselnden Trinksprüche und die Parade in ReimS würden sich als die allerwerthvollsten Wahlmaniseste er weisen. Es könne nunmehr kein Zweifel mehr herrschen, daß das französische Ministerium nicht nur das langlebigste der dritten Republik sein werde, sondern auch der allgemeinen Wahl im nächsten Jahr« mit ausgezeichneten Aussichten, daß es am Ruder bleiben werde, entgegengehen könne. DaS große Bündniß habe ersichtlich dazu beigetragen, daß das republikanische Regime dauernde und stabile Verhältnisse entwickelt«, die man fast all gemein für unvereinbar mit seiner Existenz gehalten habe. DaS vor dem Besuch in Frankreich stattfindende Zusammentreffen deS deutschen Kaisers mit dem Zarin werde eine friedlich« Vor bedeutung haben, aber dabei Alles vermeiden, was den franzö sischen Wein Waffe« könnte. Der Besuch sei nur als echte Garantie des europäischen Gleichgewichtes, um dessentwillen der Zweibund gestiftet worden sei, und des Weltfriedens aufzu'fassen, dem das Bündniß bisher gedient hab«. — Die „Morning Post" meint, in Großbritannien und Deutschland werde man die Epi sode mit Ruhe betrachten und die Franzosen könnten versichert sein, daß in England wenigstens eine gewisse Sympathie hinzu- komme. Der Besuch des Zaren in diesem Jahre werde fast «in noch größere- Compliment für Frankreich sein, akr das ähnliche Ereigniß vor einigen Jahren. Damals habe FSlix Faure als Vertreter der Nation gesprochen und neuere Enthüllungen' hätten seinen Charakter nicht im besten Lichte gezeigt. Loubet da gegen besitze alle Vorzüge der Nation und er, sowie der jetzige Premier hätten Frankreich die stabilste Regierung der dritten Republik gegeben. Somit könne kein friedliebender Engländer an dem Besuche der Zar« etwas aussetzen, eS sei denn, daß man bedauere, daß die Beziehungen Englands zu Frankreich an Freundlichkeit so weit zurückständen. Sie seien nicht etwa un freundlich. WeS deute darauf hin, daß die Beziehungen Eng lands zu Frankreich nie eine sicherere oder befriedigender« Grund lage gehabt hätten. Die Politik der „Nadelstiche" sei definitiv aufgegeben und in kleiner« Angelegenheiten herrsche auf beiden Seiten der Wunsch nach Versöhnlichkeit und nach Ueberein» kunst vor. Voraussetzung einer weiteren Sicherung deS FriedmS durch den Zarenbesuch in Frankreich ist allerdings, daß die deutsch, russischen Beziehungen ungetrübt bleiben. Der aufrichtige Wille hierzu ist auf beiden Seiten vorhanden. Und da politisch« Jnter- «ffengegensätze für Rußland und Deutschland nicht bestehen, auch die Schaffung solcher, wie st« z. V. betreff» der Mandschurei durch England versucht wurde, von beiden Seiten abgelehnt wird, ist nicht abzusehen, weshalb das freundschaftliche Berhältniß zwischen beiden Mächten in die Brüche gehen sollte. Ein Symp tom für die Fortdauer der guten Beziehungen zwischen Deutsch land und Rußland ist der Umstand, daß dem Zarenbesuch in Frankreich di; Begegnung unseres Kaisers mit dem russischen Monarchen vorangeht. Von officiöser Seite ist sogar betont worden, daß es sich bei dieser Begegnung nicht um eine Haupt- und Staatsaction handele, ja man bestritt sogar, daß dem Zusammensein der beiden verwandten und befreundeten Herrscher politische Beweggründe beizumessen seien. Dergleichen Verlaut barungen waren begreiflich, so lange der Zarenbesuch in Frank reich nicht feststand, hätte doch die Betonung der politischen Seite der Kaiserbegegnung Frankreich erst recht zu Anstrengungen be wegen müssen, daß die Unterlassung des WeltauSstellungsbesuchcS durch den Zaren endlich nachgeholt werde. Jetzt, wo die Reise deS russischen Kaisers nach Frankreich beschlossene Sache ist, ergiebt ich, mögen nun beide Monarchen von ihren Ministern begleitet ein oder nicht, die politische Seite der Kaiserbegegnung ganz von selbst. Das deutsche Volk wird deswegen die kommend« Kaiser begegnung mit nicht geringerer Sympathie begrüßen. Der Krieg in Südafrika. * LucenStown (Capcolonie), 23. August. (Telegramm.) (Reuter.) Auf Grund des Kriegsrechtes erging am 20. August ein Befehl, durch den die Schließung aller Geschäfte im Bezirke QueenStown angeordnet und bestimmt wird, daß alle Güter, die für den Feind möglicherweise von Nutzen sein könnten, an gewisse, genau bezeichnete Städte zu schaffen sind. Ein anderer Befehl verbietet die Annahme von Vorräthen, die Civüpersonen geboren, bei den Stationen der Ostbahnlinie mit Ausnahme gewisser, besonders bezeich neter Stationen. Den Bewohnern des Landes ist es ver boten, mehr Lebensmittel zu besitzen, als für eine Woche erforderlich ist. Deutsches Reich. 6. H. Berlin, 23. August. (Prüfungsordnung für die zweite Lehrerprüfung.) Am I. Januar 1902 tritt, wie der Cultusminister in einem Rundschreiben allen Provinzial-Collegien und Regierungen mitgethcilt hat, in Preußen eine neue Prüfungsordnung für die zweite Lehrer prüfung in Kraft. Es war in Erwägung gezogen worden, an die Stelle der Lehrprobe (8 6) eine Revision der Amts- t h ä t i g k e i t der betreffenden Lehrer in ihren Schulen zu setzen. Eingehende Ermittelungen haben jedoch ergeben, daß dies, zur Zeit wenigstens, aus äußeren Gründen nicht ausführbar ist. Damit aber zur Beurtheilung der sich zur Prüfung meldenden Lehrer ihre seitherige amtliche Wirksamkeit mehr als bisher in Berücksichtigung gezogen werden kann, ist im 8 4 der Prüfungs ordnung vorgesehen, daß den Meldungen zur Prüfung von den Kreisschulinspectoren auf Grund der von ihnen abaehaltenen Revisionen ein Bericht über die Amtsthätigkeit der betreffenden Lehrer beizufügen ist; zu demselben haben sich die Regierungs- schulräthe auf Grund ihrer Wahrnehmungen über die dienstliche Bewährung der zur Prüfung Gemeldeten zu äußern. Ferner ist im § 8 der Prüfungsordnung bezüglich der Lehrprobe angeordnet, daß bei Bestimmung der Aufgaben thunlichst zu berücksichtigen ist, in welchen Classen und Fächern die zu prüfenden Lehrer bis her zu unterrichten Gelegenheit gehabt haben und daß unter ge wissen Voraussetzungen bei ungünstigem Ausfälle der ersten Lehr probe die Ablegung einer zweiten Lehrprobe ungeordnet werden kann. Eine Bestimmung darüber, mit Ablauf welcher Dienstzeit jeder Lehrer die zweite Lehrerprüfung zur Vermeidung der Ent lassung aus dem öfentlichen Schuldienste abgelegt haben muß, bleibt Vorbehalten, bis die Wirkung der einjährigen Militärdienst pflicht auf die praktische Weiterbildung der Lehrer zu über sehen ist. * Berlin, 23. August. (Beaufsichtigung deS militärischen Dienstes.) Die „Köln. Zig ' schreibt: Der überaus traurige Militärproceß, der sich soeben in Gum binnen abgespielt hat, legt die Frage nahe, ob solchen Dingen nicht vorzubeugen wäre. Diese Frage ist für die meisten der artigen Fälle entschieden zu bejahen. Ebenso wie gegen Miß handlungen, gicbt es gegen eine Art der Handhabung des Dienstes, die nicht gegen den Buchstaben, wohl aber gegen den Geist der Strafgesetze verstößt, nur ein Mittel: unaus gesetzte Beaufsichtigung. Daran muß sich der Muth schließen, durch rechtzeitige Beseitigung eines krankhaften Gliedes den ganzen Organismus vor schlimmer Ansteckung zu bewahren. Regiments-, Brigade- und auch wohl noch der Divisionscommandeur müssen es wissen, wenn innerhalb ihres Befehlsbereiches in einer Compagnie, Escadron oder Batterie der Dienst so gehandhabt wird, daß die Dienstfreudig keit der Soldaten darunter erstirbt. Uebtrtriebene Schneidig- keit, gepaart mit sprunghaften Launen und gelegentlich auf die Spitze getriebener Strenge, hat in der ruhigen FricdenSarbeit noch niemals einen hervorragenden Erfolg gezeitigt. Wenn aber Officiere den „blauen Brief" erhalten, die in taktischer oder sonstiger Weise den Ansprüchen nicht voll genügen, dann schone man auch die nicht, welche ihre Leute — ohne sich gerade wider Strafgesetz und Dienstvorschriften zu vergehen — nicht richtig zu behandeln wissen! Verdrossenheit ist ein böser Gift in einem Hecreskörper, und dulden, daß sie unter jahrelangem Druck auf wächst, ist ein schweres Vergehen gegen daS Wohl deS Heere«. Officiere, die eine solche Verdrossenheit systematisch züchten, müssen entfernt werden, unbekümmert um ihren Namen, ihr« Herkunft und ihre sonst vielleicht guten militärischen Eigen schaften. UebrigenS ist mehr als einmal die Erfahrung ge macht worden, daß Dorgesedte, die im Frieden llberstreng waren, im Kriege diese Eigenschaft au» naheliegenden menschlichen Gründen gar bald ablegten und in ein nicht un bedenkliche« Gegentheil umschlugen. ES ist wirklich nur ein Gewinn, wenn solche Charaktere rechtzeitig abgestoßen werden, zumal di« ihnen unterstellten Einheiten selbst im Frieden keines wegs die besten zu sein pflegen. Aber die vorgesetzten Dienst, stellen halten nur zu oft mit dem Eingreifen «rück, auch wo e» ihnen an der Kenntniß der einschlägigen Verhältnisse, di« zu be sitzen im Allgemeinen al» ihre Pflicht bezeichnet werden kann, nicht mangelt. Sie mögen nicht gern zum verrufenen „Schlächter" an ihren Untergebenen werden und verschanzen sich mit Vorliebe hinter die AuSrede, daß dienstliche Meldungen oder Beschwerden über ungehörige Behandlung der Mann schaften nicht an sie gelangt seien; daß sie dienstlich von dem schlimmen Geiste, der durch nörgelnde Strenge und zu starke Anforderungen in den ihnen unterstellten Einheiten heran gezüchtet worden ist, nichts wüßten. Das Ende ist dann eine Katastrophe wie in Gumbinnen oder, wo es nicht zu einer solchen gewaltsamen Explosion kommt, das Hineintragen von Miß trauen und Abneigung gegen den Militärdienst in weite Volks kreise, zum Mindesten aber wird dem Hetzer gegen unsere mili tärischen Einrichtungen willkommener Stoff geliefert. Die Ver antwortung für solche schlimme Dinge fällt also nicht allein auf den schuldigen Officier oder seine zu verbrecherischer Selbst hilfe getriebenen Untergebenen, sondern auch auf die höheren Dienststellen. " Berlin, 23. August. (Der Eierzoll nach den Wünschen der Agrarier.) Von den Wünschen, die der deutsche Landwirthschaftsrath zum Zolltarifemwurf ausge sprochen hat, ist einer als besonders übertrieben oder fast maßlos bcmerkenswerth. Der Landwirthschaftsrath wünscht nämlich, daß der Zoll für Eier auf 37,5 für den Doppel-Centner hinaufgeseht werde. Der jetzt gütige autonome Tarif für Eier beträgt 3 für den Doppel-Centner, der Vertragstarif 2 Da der Landwirthschaftsrath wünscht, daß der Zollsatz auf Eier, wie überhaupt alle Positionen des ersten Abschnittes des Zolltarif entwurfes — der erste Abschnitt enthält hauptsächlich Erzeugnisse der Land- und Forstwirthschaft —, nicht um mehr als 20 Pro cent ermäßigt werden dürfe, so wünscht er mit anderen Worten für Eier einen künftigen Minimal- oder Vertragstarif von 30 Mark, mit anderen Worten: der Zoll auf Eier soll mindestens das Fünfzehnfache des bisherigen Vertragstarifes be tragen. Die Statistik zeigt, in wie hohem Maße Deutschland auf die Einfuhr von Eiern angewiesen ist. Der Werth der Eier einfuhr ist in dem Jahrzehnt von 1890 bis 1900 von 56 Millio nen Mark auf 101 Millionen Mark gestiegen. Schon seit Jahren ist die deutsche Landwirthschaft in der eindringlichsten Weise darauf hingewiesen worden, daß sich mit der Hebung der ein heimischen Geflügelzucht und Eierproduction ein sehr gutes Ge schäft machen lasse; sie hat, wie der steigende Import von Eiern bsweist, auf diese Anregung nicht reagirt. Und doch wäre das Geschäft vor Allem deshalb rentabel, weil der Preis der frischen, einheimischen Lanoeier stets über dem der vom Großhandel ein geführten Eier steht und frische, einheimische Trinkeier ein sehr gesuchter Artikel sind. Es scheint aber, als ob mit einer dauernden Abneigung der deutschen Landwirthschaft gegen eine weitere Ausdehnung der Geflügelzucht gerechnet werden müsse. Der landwirthschaftliche Großbetrieb ist erwiesenermaßen der Ge flügelzucht gar nicht günstig gesinnt; der kleine und mittlere Bauer scheint sich vor Allem durch die Gefahren der Geflügel cholera, durch unser nicht sehr günstiges Klima und durch die mancherlei Unbequemlichkeiten, die die Wartung des Geflügels mit sich bringt, von diesem sonst als lucrativ geltenden land- wirthschastlichen Nebenbetrieb abhalten zu lassen. Auch eine sehr starke Erhöhung des Zolles auf Eier würde also wohl kaum eine mit dem Ausfall oder der Erschwerung des Imports Schritt haltende Steigerung der deutschen Geflügelzucht und Eier production zur Folge haben. Der gewaltigen Erhöhung des Eierzolles, wie sie der deutsche Landwirthschaftsrath wünscht, müßte also bei sehr gesteigerter Nachfrage eine sehr wesentliche Erhöhung des Preises für ein außerordentlich wichtiges Volks nahrungsmittel auf dem Fuße folgen, und es läge die Gefahr nicht allzu ferne, daß die Eier aus der Classe der VolksnahrungS- mittel verdrängt und künstlich in die Classe der Genußmittel für die „feinere Tafel" hinaufgeschraubt würden. Außerdem ist zu beachten, daß ein auf das Fünfzehnfache erhöhter Eierzoll gerade diejenigen Staaten brüskiren würde, die bei den künftigen Handelsvertragsverhandlungen mit in erst«r Reihe in Betracht kommen: Rußland,Oesterreich-Ungarn undJtalien. (Schw.Merk.) 8. Berlin, 23. August. (Privattelegramm.) Der „Vorwärts", der zu den Freunden der Berufung in Strafsachen gebärt, schreibt bezüglich eines Hinweises der „Nat.»Ztg." auf daS Gumbinner Urtheil zweiter Instanz: Ein einzelnes bedauerliches Vorkommniß darf nicht hindern, eine Forderung aufrecht zu erhalten, deren Berechtigung und Noth- Wendigkeit durch mannigfache Gründe erwiesen ist. Wohl aber läßt sich da- Bedenken der „Nat.»Ztg." leicht beseitigen, wenn das Recht der Berufung nur dem Angeklagten, aber nicht auch der Anklagebehörde eingeräumt wird. Darauf entgegnet die „Nat.-ZtA.": „Dadurch würde sich daS eine Bedenken allerdings beseitigen lassen; daß dies ge schieht, ist aber nach den bisherigen Verhandlungen über die Berufungsfrage völlig ausgeschlossen; die Regierungen haben hierüber keinen Zweifel gelassen. Wie lange daS „bedauer liche Vorkommniß" in Gumbinnen ein „einzelnes" bleiben wird, muß abgewartet werden. Als wir in Preußen für die Civil-Strafprvccsse die der Berufung ähnliche Appellation batten, war es keineswegs vereinzelt, baß der in der ersten Instanz freigesprochene Angeklagte in der zweiten verurtbeilt wurde, ohne daß dieses zweite Urtheil besser begründet erschien, als das erste." — General der Cavallerie Graf von Schliessen, der Chef des Großen Generalstabes, hat sich heute nach Danzig begeben, um vort in Sachen deS Kaisermanövers mit den zuständigen Militär- und Civilbehörden zu conferiren. — Der Proceß der „Kölnischen Zeitung" wider vr. Paul Liman anläßlich der bekannten Behauptung vou der Bestechung der Zeitung durch die De BeerS»Company wird Montag, den 26. August, vor der Strafkammer des hiesige» Landgericht- I in der Berufungsinstanz verhandelt. — Wie die „StaatSb. ZtH." anzeigt, hält der Gesammt- vorstand der Deutsch.socialen Reformpartei am nächsten Sonntag im ReichStagSgebäude eine Sitzung ab. Es handelt sich in erster Linie um Vorbereitung des all gemeinen Parteitage«, sowie um Berichte über den Stand der Agitation. Auch der Bankkrach mit seinen politischen Folgen wird u. a. in den Kreis der Besprechungen gezogen. Am Abend vorher findet eine Sitzung der Partei leitung statt. * Kiel, 22. August. Anläßlich der Weihe de« Bismarck» National'Denkmal« auf dem Kniv«berge war bekanntlich an Oberpräsident v. Köller Namens der Festversammlung ein DankeSielegramm für seine Wirksamkeit gesandt worden mit dem AuScruck der Hoffnung, baß v. Köller der Provinz Schleswig-Holstein erkalten bleiben möge. Darauf ist neulich au den Absender des Telegramms, LandgerichlSratb Schwartz aus Flensburg, den Vorsitzenden des „Deutschen Vereins für vaS nördliche Schleswig", die nachfolgende, eigenhändig ge schriebene Antwort eingcgangen: „Euer Hochwohlgeboren spreche ich für die freundliche Depesche aus Apenrade vom 5. d. M. meinen ergebensten Dank auS, mtt der Versicherung, daß daS Zeichen der Anhänglichkeit mir aufrichtige Freude gemacht hat. Hat sich die Frage des Fortgangs aus der Provinz Schleswig-Holstein inzwischen durch meine Berufung nach Elsaß-Lothringen entschieden, so kann ich versichern, daß eS mir schwer wird, die Provinz, die SchleSwig-Holsteiner und den mir liebgewordenen Wirkungskreis zu verlassen. Der Wunsch Seiner Majestät des Kaiser- und König-, mich nach Elsaß-Lothrigen zu schicken, mußte und konnte indeß allein für mich maßgebend sein. In der Hoffnung, daß mir di« Provinz Schleswig-Holstein — so wie ich ihr — ein freundliche« Andenken bewahrt, und in dem gewiß berechtigten Bewußtsein, daß die von Ihnen und Ihrem Verein vertretenen Anschauungen über die Weiterentwickelung der nordschleswigschen Verhältnisse zum end lichen Frieden unter den Bewohnern Nordschle-wig- führen werden, bitte ich Euer Hochwohlgeboren, allen Verein-Mitgliedern ein herz liche- Lebewohl zu übermitteln. In vollkommenster Hochachtung ergebenst Staatsminister v. Köller." * Aus Ver Provinz Vosen wird eine Schulgeschichte erzählt, die leider in Preußen nicht ohne Beispiel dasteht: „Schon im vorigen Winter war der Zustand der Schule in Brudzyn derart, daß sie wegen Baufälligkeit polizeilich geschlossen wurde. Da in dem Dorfe kein passendes Local gemiethet werden konnte, wurde sie nach einigen Monaten wieder frei gegeben. Nachdem nun aber ein Theil der Decke und ein Stück Aüßenmauer eingeslürzt sind, wurde sie zum zweiten Mal geschlossen. Die Lehmwand nach der Straße ist mit Brettern und Latten vernagelt und so vor dem Umfallen etwas geschützt.. Verhandlungen wegen eines Neubaues schweben schon seit Jahren, führten jedoch bis jetzt zu keinem Ergebniß. Die vier bis fünf kleinen Bauern, die schon große Schullasten zu tragen haben, können die verlangten 4000 nicht auf bringen, und der Gutsherr, der keine Schulabgaben zahlt, ist nur verpflichtet, die Materialien, die auf seinem Grund und Boden sich vorfinden, heranzuschaffen, und das sind nur Feldsteine. Der Lehrer sucht vorläufig bei Bekannten und Freunden Unterkommen." * Bochum, 22. August. Nach der Statistik des Knapp schaftsvereins arbeiteten auf den Zechen im Bezirk der Knapp schaft am 1. Januar 260 288 Bergleute, darunter 79 821 Polen. * Witten, 22. August. Die Hirsch-Duncker'schen Gewerkvereine haben hier den übrigen Arbeitervereinen vorgeschlagen, bei den Gewerbegerichtswahlen mit ihnen gegen die Socialdemokraten gemeinsame Sache zu machen. Die Ausstellung der Candidaten soll in einer gemeinsamen Sitzung der betreffenden Vereine erfolgen. Einem solchen einheitlichen Vorgehen dürfte der Sieg nicht fehlen. G WilhelmShöhe, 23. August. (Telegramm.) Der Kaiser und die Kaiserin fuhren gestern Nachmittag mit Gefolge zum Hirzstein. Das Souper wurde im Walde ein genommen. Heute früh unternahmen beide Majestäten den gewohnten Spazierritt. — Um 12 Uhr 50 Minuten traf König Eduard auf der Station WilhelmShöhe ein. Zum Empfange waren der Kaiser in der Uniform eines englischen Admirals, die hier anwesenden Herren deS Hauptquartiers und der Gesandte v. Tschirsckky und Bözendorff erschienen. In der Begleitung deS Königs befanden sich der Bot- säiafter LaScellcS und zwei Herren seines Gefolges. Der König trug die Uniform der Garde-Dragoner. Nach herz licher Begrüßung begaben sich die Monarchen in einem offenen Vierspänner nach dem Schlosse, wo Tafel stattfand. Die Tafel war mit einem großen Tafelaufsätze geschmückt, den der Kaiser dem Könige zum Geschenk gemacht hat. Der Tafelaufsatz besteht aus einem vergoldeten, bowlenartig ge krönten Aufsatze mit über die Tafel sich hinziehenden blumen geschmückten Ballustraden. Die Aufschrift lautet: „Lmporor VVilliam II. to Kiug Lärvarä VII." — Im Laufe des Vor mittags hörte der Kaiser den Vortrag deS Chefs des Marine- cabinets Graf v. Hiilsen-Häseler. * Nürnberg, 22. August. Die Handelskammer beschloß einstimmig, die Abschaffung der Lohnnachw eiS- bücher für minderjährige Fabrikarbeiter zu empfehlen, da der erhoffte Zweck, größere Abhängigkeit der jungen Leute von den Eltern und Erhöhung der Sparsam keit, doch nicht erreicht uud nur eine Belastung deS Arbeit gebers dadurch herbeigeführt werde. * Aus Bayern. Den jungenKlerikern schreibt Herr Anton Memminger, der bekannte Würzburger Zeitungs verleger, der jüngst dem Bunde der Landwirth« so grimmig heimleuchtete, folgende Ermahnung ins Stammbuch: „Durch das Auftreten derjungengeistlichenHerren in den verschiedenen weltlichen Vereinen, durch daS Hervorkehren der politischen Fragen in denselben, iiberhauvt durch das Eindrängen des Klerus in die Politik und sogarin dieParlamente wird nicht so viel Gutes für die katholische Kirche und für den geistlichen Stand geschaffen, wie die politisirenden geistlichen Herren zu ihrer Entschuldigung und Rechtfertigung sich und Anderen einreden. Persönliche materielle Interessen sind die Haupttrieb feder für diese Thätigkeit; die Interessen der Kirche vertritt man dabei, weil man eben überhaupt durch den Stand schon dazu gezwungen ist. Durch das Hineinmischen der Geistlichkeit in die politischen Tagesfragen wird vielmehr nur der Kekm ge legt zu jenem exklusiven Katholizismus, der nur jenen Katholiken als einen ganzen und wahren Katholiken gelten läßt, der die politische Ansicht der führenden klerikalen Partei theilt; es wird dadurch, wie Bischochf Keppler sagte, der Keim gelegt zu jenem Renommage-,
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