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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.08.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010827017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901082701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901082701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-27
- Monat1901-08
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Mehrere dieser Versammlungen nahmen, wie wir berichtet haben, Anträge dahingehend an, der Parteitag mißbillige die Art der Agitation, wie diese von Seiten des Genoffen Bernstein betrieben werde, „da dadurch unsere Ziele vollständig unklar werden". Di« Art der Agitation be zieht sich in diesem Falle besonders auf die Inschutznahme der Hamburger Gewerkschafts-Streikbrecher durch das dortige Schiedsgericht. Während ein beträchtlicher Theil der Genoffen diesen Schiedsspruch durch den Parteitag aufheben will, stellt sich Bernstein auf den Standpunkt: in ckubiis liberlns. Auch andere Parteiversammlungen nahmen bereits, wie die der thüringischen Socialdemokraten in Jena vor acht Tagen, ent schiedene Erklärungen gegen die Bernsteinerei an. Genosse Bernstein aber ergreift in derselben Nummer des „Vorwärts", in der die Erklärungen gegen seine, „die Parteiziel« unklar machende" Agitation mitgetheilt werden, selbst das Wort und spricht sich zur Frage Partei und Streikbrecher mit anerkennenS- werther Ruhe und Sachlichkeit etwa wie folgt aus: Er meint, Annahme wie Ablehnung des auf Umstoßung des Schiedsspruches abzielenden Antrags von Seiten des Partei tages werde die Erregung der Gemüther nicht beschwichtigen. Was zunächst das Verhältniß der Partei zu den Gewerkschaften betreff«, so werde es wohl keinen Socialisten geben, der dasselbe als ein principiell neutrales auffaffe. Aber die Partei sei und solle sein die Zusammenfassung aller Specialinteressen nach der großen Seite hin. Weil sie principiell die höhere Instanz darstelle, deshalb habe sie auch in verschiedener Hinsicht größere Pflichten gegenüber den einzelnen Gliedern, als diese gegen sie. Es liege im Wesen der Socialdemokratie, als Partei der Ar- beiterclaffe, die Specialorgane der Arbeiterbewegung, wie die Gewerkschaften, gleichviel wie sie sich zu ihr stellten, als ihre natürlichen Schutzbefohlenen zu betrachten und ihnen gegen über nach dem Grundsätze zu handeln: nodlesso oblixe — die höhere Position verpflichtet. Gehe man von diesem Gesichts- puncte aus, so werde man es nicht als unnatürlich oder auch nur als unerwünscht betrachten können, wenn an die Partei die Anforderung herantrete, grobe Pflichtvergehrn gegen die Ge werkschaft als unvereinbar mit ihren Principien zu betrachten. Es handle sich nur darum, den Grenzpunct zu finden, von wo ab die Partei einen Verstoß gegen eine Gewerkschaft als einen Verstoß gegen die allgemeinen, auch von ihr vertretenen Grund sätze der Arbeiterbewegung zu betrachten und entsprechend zu behandeln hätte. Da scheine der einzige Maßstab, der eine alle Theile befriedigende Erledigung solcher Vorkommnisse ermög liche, in der Frage nach dem Schaden zu liegen, der durch die bemängelte Handlung bewirkt oder angestiftet wurde. Das Hamburger Schiedsgericht habe darin einen Jrrthum begangen, daß es die Streitfrage unter dem Gesichtswinkel der Moral entschied. Das sei in solchen Fällen nicht ausreichend und würde sogar oft zu bitterem Unrecht führen. Er wenigstens gestehe offen, daß, wenn er in Hamburg unter dem Gesichts punkt: ehrlos oder nicht, zu entscheiden gehabt hätte, er wahr scheinlich auch so gestimmt hätte, wie das Schiedsgericht und die Parteicontroleure. Er könne sich sehr wohl denken, daß die betreffenden Accordmaurer zu ihrem Verhalten von Motiven oder Umständen bestimmt worden waren, die Ausdrücke wie „Lumpen" u. s. w. für ganz unangebracht erscheinen lassen. Sogar in der Frage der Äccordarbeit gehöre er zu den jenigen, die sie auf die Dauer für unvermeidlich halten. Aber gerade weil er sie für unvermeidlich halte, halte er auch den Bestand starker, geschlossener Gewerkschaften, die gegebenenfalls im Stande seien, ihre Regeln zu bestimmen, für unerläßlich und jede Handlung für verwerflich, welch« die Disciplin in der Gewerkschaft an der Wurzel untergrabe. Solchen diSciplinwidrigen Handlungen gegenüber könne die Partei nicht neutral bleiben. Er sei aber nicht der Ansicht, daß in jedem hierher gehörigen Falle Ausstoßung mit Schimpf und Schande angebracht sei. ES seien auch hier allerhand Fälle denk bar, die mildernde Umstände zuließen. Die Mehrheiten seien nicht unfehlbar, und wo dir Leidenschaften oder Existenzfragen ins Spiel kämen, sei Menschlichkeitserwägungen überall ein Platz einzuräumen. Man könne z. B. in Fällen, wo eine schroffe Aechtung unangebracht erscheine, einfache Unterbrechung der Parteimitgliedschaft eintreten lassen. Damit sei noch nicht endgiltig der Stab über sie gebrochen, aber den berechtigten An forderungen der Gewerkschaften an die Partei sei Genüge ge schehen. Es empfehle sich für die Partei, als Richtschnur für die Zukunft den Grundsatz aufzustellen, daß jeder, der der gewerk- werkschastlichen Organisation seine- Berufes in ihren aus Rege- lung der Arbeitsbedingungen gerichteten Kämpfen schädigend in den Wege trete oder sich eines ähnlichen, die Organisation in ihrer Leistungsfähigkeit ernsthaft schädigenden Verstoßes gegen die DiSciplin schuldig mache, damit auch gegen die Grund sätze der Partei handele und so lange nicht ihr Mitglied sein könne, als er in diesem ungehörigen Verhältniß gegen sein« BerusSorganisation verharre. Vorausgesetzt sei dabei, daß ei sich um Gewerkschaften handele, die keinen der allgemeinen Arbeiterbewegung fremden Interessen dienen, sowie um Kämpfe, die in keinem Widerspruch zu den Grundsätzen der letzteren siehen. So etwa Genosse Bernstein, der also trotz seineSTadelS.den er gegen den Hamburger Schiedsspruch und gegen den diesen Spruch billigenden Parteivorstand richtet, doch dem Letzteren Mittel zur Sicherung der Disciplin an die Hand giebt und ihm mithin helfend zur Seite tritt. Der Grund, warum wir uns die Mühe genommen haben, seine Ausführungen zur Frage „Partei und Streikbrecher" hier auSzllglich mitzutheilen, ist kurz gesagt der: In jeder Partei, die eine gewisse Stärke erlangt hat, werden abweichende Meinungen in nicht geringer Zahl hrrvortreten und zur Tagesordnung gehören. Je mehr tn anderen Parteien daS Bestreben unausgesetzt sich geltend macht, auf die hervortretenden Differenzen in dem feinvlichen Parteikörper Berechnungen zu stützen, welch« diese Meinungs verschiedenheiten als ein so starke- Moment der Schwäche ein- schatzen, daß der Zerfall unausbleiblich sei, um so mehr werden die betreffenden Parteien, in diesem Falle die socialdemokratische, dazu gedrängt werden, die Weisheit de« Worte» zu würdigen, nach dem e» unter Umständen die richtigste Taktik ist, getrennt zu marschiren, aber vereint zu schlagen. Die Nutzanwendung, die sich darau» speciell für die nicht radikalen Parteigruppen er« mebt, liegt so ohne Weitere» auf der Hand, daß kein Wort weiter darüber verloren zu werden braucht. Der Krieg in Südafrika. Au» den letzten Berichte» vom Kriegsschauplatz ist bekannt, daß die Beeren immer mehr die Kämpfe in die Capcolonie selbst zn verlegen suchen. Mehrfach ist ihnen dceö schon grluogrn und sie haben damit Angst und Schrecken verbreitet, weswegen sich auch die Regierung bemüht, durch drakonische Bestrafung ihrer heimlichen Anhänger sie zurückzuschreckrn. Indessen, je toller Kitchener wütbet, desto weiter dringen die Boeren vor und die ihnen entgegen geschickten englischen Bataillone werven entweder umgangen oder besiegt. Das Letztere war Sonnabend der Fall, wie eiue Depesche aus Ladybrand, an der Grenze des Basuto- landeS, besagt. Dieie bei dem heutigen Stande deS Krieges nicht unwichtige Meldung lautet: k. Ca-ftadt, 25. August. (Prtvattelegranlm.) Die Barre» griffen einen Theil »er eugltsche» Brigade Sllivt a« 22. August nahe Ladybrand im Freistaat siegreich au. Die Sngliindcr wurde» auf den Laledon- stutz zurückgrworfen uud verloren 3 Geschütze, 17 Todte «ud 42 Verwundete. Fünf Offiriere und 7S Mann wurde» gefangen genommen. * London, 26. August. Das „Reutkl'sche Bureau" meldet aus Wynburg: Dem Brrnrhmen nach befinden sich Strijn und Drwrt ganz uahe dem östlichen Ufer des Fishriver (Cap. colouie). Dir Boeren im Centruin habe» sich in noch kleinere Trupp» al» bisher grtheiit uud streifen mehr denn je bei Nacht umher. ES ist daher schwieriger geworden, sie zu stellen. Die Be. schaffnng von Futter und LebenSinitteln ist andererseits für sie weniger schwierig wegen ihrer geringen Anzahl. Die Boeren erhalten fortgesetzt heimlich Pferdeersatz. Zwei große CommandoS, im Ganzen 700 Mann, wurde» bei dem Versuche, den Oranje-River zu über schreiten, um in die Capcolonie riuzudriugrn, zurückgeschlagrn. (?> * Auf da» von Herrn Professor Hasse im Namen deS Verbandes an Herrn Präsidenten Krüger abgesandte Beileids telegramm ist folgende» Dankschreiben des Präsidenten bei Herrn Professor Haffe eingegangen: LLV. 296. 01. Hilversum, 9. August 1901. (8t»atssio^el.) von 8oog veleeräeu Heer ?rok. vr. Haees Vorrirtsr i» bet älläoutseiiv Verband. 8üd. Lettin IV., Loolk 6oleer<io Leer, Diep xetrolleu cioor vvv tele^ram uir Veiprix xevoel ilr eeärooxeo, bet ^Iläeutsvdo Verbaock mzm inoixsten ckunic te bstuiuen voor cko Kartells ckevlnpmiug tu MM rnnar verlies, w»ra»n >Il oox verweb tos to voegen, änt ib bet weäegsvoel van ävu Vurtvobeo broeckeretsm op reer Kooge» przrs stet. List äs wevste koopuebti»« bod ilc äs eer to »M vrv äieoatvf. äiennur (get.) 8. ä. k. Lrügsr. Uebersetzung. LSV. N. 296/01. 8cb. 20. VIII. vr. Hasse. Hilversum, den 9. August 1901. Herrn Professor Vr. Hasse, Vorsitzender des Alldeutschen Verbände-, Lützowstroße 8üd. Berlin V?. Herr Professor. Tief gerührt durch Ihre Depesche auS Leipzig fühle ich daS Bedürfniß, dem Alldeutschen Verbände meinen innigsten Dank auS- znsprechen für die herzliche Tbeilnahme in meinem herben Verluste, und wünsche ich noch hinzuzufügen, wie sehr ich daS Mitgefühl de- deutschen Bruderstammr» Hochschätze. Hochachtungsvoll gez. S. I. P. Krüger. Deutsches Reich V. Verltn, 26. August. (Zur Revision der Straf gesetzbuchs.) Der im Gefängnißwesen als Autorität an erkannte württembergische StrafanstaltSdirector Sichart (Ludwigsburg) veröffentlicht in der Zeitschrift für die gesammte Strafrechtswissenschaft eine Abhandlung, die von allgemeinem Interesse ist, denn sie enthält eine Fülle wichtiger Anregungen und praktischer Vorschläge zur Revision des Strafgesetzbuchs. Auf Grund langer Erfahrungen empfiehlt Sichart eine gründ liche Umarbeitung des ersten Theils deS ReichsstrafgesetzbuchS. Statt der bisherigen Eintheilung in Verbrechen, Vergehen, Uebertretung wünscht Sichart nur di« Zweitheilung: Verbrechen und Uebertretungen, weil die Unter scheidung zwischen Verbrechen und Vergehen willkürlich und künstlich sei und dar wichtigste Hinderniß eine» rationellen Strafvollzug», bilde. Auf dem Verbrechen soll als ordentliche Freiheitsstrafe da» Gefängniß, auf der Uebertretung die Haft stehen. Außerordentliche Freiheitsstrafen sind dort daS Zuchthaus, hier die Festungshaft. Bei der Straf bemessung sollte nach Sichart nicht bloS die einzelne Verfehlung, sondern da» ganze seitherige Verhalten de» Uebeltbäter» in Be tracht gezogen werden. Die Zuchthausstrafe müsse zur strengen Zwangsarbeit- und zugleich SichrrunaSstrafe mit in- famirender Wirkung werden, da» Gef 8 ngnitz solle di« Besse- rungSstrafe darstellen. Die Frstung»strafe sollte nicht wie seither auf wenig« Verbrechen beschränkt sein, sondern nach der Individualität de» ThäterS, seiner Bildungsstufe und Ge sittung angewendet werden. Sicbart hebt in dieser Beziehung besonder» hervor: „Die Dortheue der Wiederherstellung der Festungshaft in ihrer älteren Form würden in besonderem Maße rn Zeiten politischer und kirchenpolitischer Erregung und Bewegung zur Geltung kommen, insofern wir künftig nicht mehr gezwungen wären, ehrenhafte und charakterfeste Männer, welche ein Opfer ihrer Ueberzeugung geworden, in die Zuchthausjacke zu stecken und an da» Gpulrad zu setzen." Die allgemeine Tendenz einer Revision de» Strafgesetzbuchs faßt Sichart dahin zusammen: ,,E» müssen unsere Strafen schonen- der und vernünftiger gegen Fehlende und Irrende, strenger und zielbewußter gegen die wahren Feinde der öffentlichen Ordnung werden." Ueber die vorläufige Entlassung und ihre Wirkungen äußert sich Sichart sehr anerkennend. Er ver langt ihre weitere Ausbildung, insbesondere nach der Richtung, daß sie nicht nur ein Gnadenact, sondern eine Rechtsinstr - tution werde. Die Aberkennung der bürger lichen Ehrenrechte fordert Sichart nur für die zum Zuchthaus verurtheilten, unverbesserlichen oder auf Lebenszeit verurtheilten Individuen. Die Polizei aufsicht solle wie bisher gehandhabt, aber auf die Zucht hausstrafe beschränkt werden. Für die Strafausschlie ßung wird die Fassung des schweizerischen Strafgesetzbuchs empfohlen: „Wer zur Zeit der That geisteskrank oder blöd sinnig oder bewußtlos war, ist nicht strafbar." Die Grenze des Kindesalters zu 12 Jahren hält Sichart für zu niedrig, die von 18 Jahren für die Strafminderjährigkeit für zu hoch. Für den Rückfall verlangt Sichart besonders scharfe, wirk same Strafen. Wichtige Bedeutung wird von ihm den sichern den Maßnahmen zugeschrieben; zu den schon im Strafgesetzbuch stehenden sollen als weitere kommen: die Verwahrung gefähr licher Geisteskranker, die Verweisung von Gewohnheitstrinkern in eine Heilanstalt für Trinker, das Wirthshausverbot, die Friedensbürgschaft, die Verweisung in eine Arbeitsanstalt. Berlin, 26. August. (Welfische Agitation vor Gerichts- und Verwaltungs-Instanzen.) Fast gleich zeitig wurde bas Urtheil der Lüneburger Strafkammer gegen den welfiscken Agitator Alpers und die Entscheinung der Berliner Ober-Post-Direction an die braun- scbweigiich-welsische Partei bekannt. AlperS ist zu 300 Mark Gelbstrafe verurtbeilt worben, weil er durch seine auf der diesjährigen Landesvcrsaminlnng der Welfen getbane Aeußerung, die Alldeutschen seien durch ihre Abkunft von den Nationalliberalen erblich belastet mit preußischer Kleptomanie, die „entstellte und erdichtete Tbalsache" behauptet hat, daß der Staat Preußen an Kleptomanie leide, unv damit „eine Staatseinrichtung", wozu das sogenannte Annexionsgesetz von 1866, sowie der Gesammtbestanv deS preußischen Staates gebäre, im Sinne von tz 131 deS Str.-G.-B. verächtlich ge macht bat. Herr AlperS bemühte sich vergebens, den Gerichts hof davon Hu überzeugen, er habe nur sagen wollen: wie in früherer Zeit die Nationalliberalen bestrebt gewesen seien, nicht preußische deutsche Bundesgebiete unter preußische Herrschaft zu bringen, so wären jetzt dir Alldeutschen bestrebt, alle möglichen Gebiete Deutschland anzv.ttiedern. Diese Bemühungen deS Herrn AlperS, dem der welfische NcchtSanwalt Dedekind unter Aufwand aller dialectiscben Künste zur Seite stand, bat natürlich deu Zweck gebabt, für die welfischen Agitatoren den Gebrauch der Wendung „preußische Kleptomanie" sicher zu stellen, ohne daß dabei die Stellung eines Strafantrages zu befürchten sei. Wenn die Lüneburger Strafkammer sich der welfische» Dialectik gegenüber unzugänglich zeigte, so ist dies nicht minder erfreulich, als die energisckeAbfertigung der braun schweigischen Welfen durch die BerlinerOber-Postdirection. Wie erinnerlich, war ein Telegramm der braunschweigischen Welsen partei an den Herzog von Cumberland von der Beförderung ausgeschlossen worden, da darin der Herzog als „Landes herr" angesprochen wurde. Daß hierin nach Form und Inhalt eine Demonstration gegen die bestehende verfassungs rechtlich« Ordnung im Herzogtbunie Braunschweig liegt, eine Demonstration, die keine Behörde, sei es in welcher Form immer, unterstützen darf, leucktet ohne Weiteres ein. Zn dem braunschweiger wie in dem lüueburger Falle ist den Welfen zu Gemüthe geführt worden, daß sie nicht die Herren im Reichshause sind, sondern sich dem bestehenden Rechte zu fügen haben, wenn ander» sie nicht die Folgen eines ent- gegengesetzten Verhaltens tragen wollen. Die welfiscbe Presse ist hierdurch begreiflicher Weise peinlich berührt. Außerhalb der welfischen Kreise aber wird eS nur Genugthuung Hervor rufen, wenn wahrgenommen wird, daß Ausschreitungen der welfischen Agitation weder vor Gericht noch vor Verwaltungs organen auf Nachsicht zu rechnen haben. Berlin» 26. August. (Russische Arbeiterin Preußen.) Die Hauptanklage der russisthen Denkschrift über die „Preußengängerei" richtet sich gegen die Art des Anwerbens der russischen Arbeiter, meist durch jüdische Agenten auf russischem Boden, und gegen die Form der Verträge, die gewissenlosen Arbeitgebern den weitesten Spielraum für dir Ausbeutung der russischen Arbeiter lasse. Die Denkschrift erkennt jedoch an, daß indenGrenzbezirken, wo der Gutsbesitzer selbst oder durch einen Aufseher die Arbeiter anwirbt, die Rechtsverhältniss und die Arbeitsbedingungen für die Preußengänger durchaus normale seien, bleibt aber im klebrigen bei der Behauptung, die Lage der russischen Arbeiter in Preußen sei hilflos, und zwar ergebe sich dies als eine direkte Folge dessen, daß 1) die Arbeiter ungenügend mit Pässen versehen sind, 2) die Accordirung der Ar beiter nicht geregelt ist und 3) die Arbeiter meist mittellos und ohne Kenntniß der deutschen Sprache sind. Zur Abhilfe der unter 1 und 2 berührten Mißstände äußert sich die Denkschrift in ihren Vorschlägen zur Regelung der Arbeiterfrage: Es er weist sich al» völlig ungenügend, Pässe für 8 Monate, gerechnet vom 1. April, auSzufertigen, denn die landwirthschaftliche Ar- beitSperiode dauert in Preußen länger als 8 Monate und be ginnt vielfach tm März. Daher gestattet der Breslauer Regie rungspräsident, ausnahmsweise auch vor dem 1. April Arbeiter inS Land zu bringen. Da die Arbeiter jedoch nicht vor diesem Termin Pässe erhalten können, so gehen sie ohne Pässe über die Grenz« oder mit Pässen von 28tägiger Dauer, und gelten alsdann als paßlos. Auch wenn sie «inen achtmonatigen Paß haben, tritt der Endtermin oft noch während der Arbeit ein, oder die Arbeit wird zum Endtermin abgeschlossen, da die Dienstverträge sehr oft für die Dauer des achtmonatigen Passes gelten. Die Arbeiter müssen dann ihre Heimkehr beschleunigen und haben keine Zeit, ihre Abrechnungen gehörig zu regeln. Der Umstand, daß die Arbeiter gezwungen sind, in einigen Tagen das Land zu verlassen, widrigenfalls sie ausgewiesen werden, macht die Arbeit geber weniger nachgiebig, die Arbeiter völlig wehrlos, falls bei der Abrechnung Schwierigkeiten sich ergeben. Um hierin Wandel zu schaffen, müßte der jetzt üblich« Modus der Accordirung ge ändert werden. Da die Anwerbung der Arbeiter und der Ab schluß der Verträge auf russischem Boden erfolgt, glaubt die Denkschrift, es ließe sich leicht durchsetzen, daß bei Ausgabe der Auslandspässe die in gesetzlich vorgeschriebener Form abzu schließenden Dienstverträge vorzuzeigen seien. Dadurch würde, in Verbindung mit strengeren Maßnahmen zur Verhütung des ge heimen Ueberschreitens der Grenze, die weitverzweigte und äußerst gefährliche Vermittlerrolle der jüdischen Agenten beseitigt werden. Die Arbeiter sollten dann in den Kanzleien der russischen Kanz leichefs in Gegenwart eines Vertreters des deutschen Consulats die mit den Unterschriften der deutschen Arbeitgeber versehenen Verträge unterzeichnen, die schließlich auch noch von den russischen Consulaten zu beglaubigen wären. An dieses — gewiß äußerst umständliche — Verfahren des Contractabschlusses soll sich dann noch im russischen Weichselgebiete zur Ausgleichung von An gebot und Nachfrage ein Bureau für Arbeitsnachweis anschließen, das sowohl die Auswanderung nach Preußen regeln, als auch durch Arbeitsnachweis im eigenen Lande die Auswanderung verringern könne. Es fragt sich aber, ob die preußische Regierung darauf eingehen kann und wird, den russisch-polnischen Arbeitern mit solch' lanßsichtigen Auslands pässen den Aufenthalt in Preußen zu gewähren, da ein solches Zugeständnis; im Widerspruch mit den früher erlassenen Maß regeln steht und die Gefahr der Verstärkung der polnischen Elemente in den Ostprovinzen erhöht. — Der in den russischen Grenzdistricten «inzuführende Arbeitsnachweis — im Gouverne ment Kowno ist ein solches Bureau bereits eröffnet — soll aber vor allen Dingen den Zweck verfolgen, die russische Landwirth- schaft und Industrie selbst vor Arbcitermangel zu schützen; nur der Ueberfluß von Arbeitskräften soll nach Vorschlag der Denkschrift die Erlaubniß erhalten, nach Preußen abzuwandern, und auch dann nur, wenn die Verträge mit den deutschen Arbeit gebern in der oben dargelegten Weise abgeschlossen sind; erst auf Grund solcher Verträge dürfe den russischen Arbeitern rin Aus- landspaß verabfolgt werden. Man wird nun abwarten müssen, inwieweit die russische Regierung diese Vorschläge in die prak tische Ausführung zu übertragen gedenkt odec dazu im Stande iss (-) Berlin, 26. August. (Telegramm.) Au» Basel, 25. August, wird gemeldet: Prinz Tschun traf mit Gefolge beute Nachmittag 1 Uhr hier ein. Am Babnbofe war zum Empfange Generalmajor v. Höpfner mit seinem Adjutanten an wesend. Prinz Tschun fühlt sich unwohl und wird vorläufig nicht Weiterreisen. — Aus Potsdam, 26. August,wird gemeldet: Prinz Tschun ist gestern Abend in Basel erkrankt. Sämmtliche Vorbereitungen zu seinem Empfange sind bis auf Weiteres eingestellt Worten. Der „Nat.-Ztg." zufolge glaubt man der Umgebung deS Prinzen, daß daS durch Hitze wäbrend der Fahrt bervorgerufene Unwohlsein durch einen Rasttag geboben werden könne. Der Kaiser kehrt morgen hierher zurück. — Zum Gumbinner Urtheil schreibt jetzt sogar die „Kreuzzeitung": Wir müssen allerdings offen gestehen, daß wir ein solche» Urtheil, wie es das Gumbinner Lberkriegsgericht gefällt hat, nicht erwartet haben. Ueberroscht hat »nS insonderheit der Strafantrag des Staatsanwalts, der die Anklage auf Mord fallen lassen zu müssen erklärte und die Anklage auf Todtschlag erhob. Da es bei dem vorliegenden Falle juristisch sehr schwer war, einen Todtschlag zu construiren, so gewinnt man fast den Eindruck, als seien dem Staatsanwalt über die Folgen der Anklage auf Mord Bedenken aufgestiegen und al» habe er dem Anträge aus Todesstrafe ausweichen wollen. Thatsächlich erscheint dem Fernstehenden, der für sein Urtheil auf das in der Presse vor handene Material an Berichten und Mittheilungeu angewiesen ist, die Schuld des Verurtheilten nicht unanfechtbar durch die Beweis aufnahme erhärtet; vielleicht giebt aber der Wortlaut der Begründung des Urtheils einen besseren Aufschluß. — Die „Boeren-Sammlung" des Alldeutschen Verbandes hat bis jetzt 338469.24 ergeben. Davon sind für Unterslützungszwecke bereits verwendet, bezw. be willigt 210 244.99 Es stehen zur Verfügung noch 128 224.25 — Die Lonvoner „Sunday Times" erfährt, König Eduard beabsichtige, in Deutschland ein Monument zum Andenken der Kaiserin Friedrich zu stiften. Man erwartet, das Monument werde seinen Platz in Frank furt a. M. finden. — Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts vr. Freiherr von Richthosen ist vom Urlaub wieder hier eingetroffen. (D Schwerin, 26. August. (Telegramm.) Der Groß herzog bat an Stelle des verstorbenen Präsidenten des StaatsministeriumS v. Bülow den Grafen v. Bassewitz aufBristow zum Präsidenten des Staats Ministeriums zum Minister des Auswärtigen und des Innern ernannt. - (-) Osnabrück, 26. August. (Telegramm.) Die erste geschloffene Generalversammlung der Katholiken Deutschlands wurde heute von dem Amtsrichter Engelen auS Osnabrück mit einem dreifachen Hoch auf den Papst und den Kaiser eröffnet. Sodann wurde der Abgeordnete Zustizratb Trimborn auS Köln zum ersten, der Abgeordnete Frhr. v. Tbünefeld aus Augsburg zum zweiten und Consul Edgar Nölting aus Hamburg zum dritten Präsidenten gewäblt. — Die Versammlung schickte an den Kaiser und den Papst Huldigungstelegramme. DaS Telegramm an den Kaiser hat folgenden Wortlaut: „Eurer kaiserlichen und königlichen Majestät spricht die in der alten Sachsenstadt Lsnabrück tagende General-Versammlung der Katholiken Deutschland» ihre ehrerbietigste und innigste Theil- nähme an dem Hinscheidrn der kaiserlichen Mutter Eurer Majestät aus und verbindet damit in altgewohnter Weise den Ausdruck hrsurchiSvollster Huldigung uud da» Gelvbntß deutscher Treue." Das an den Papst abgesandte lateinische HuldigungS- telegramm lautet in deutscher Uebersetzung folgendermaßen: „Bon Osnabrück au-, wo vor elf Jahrhunderten der erste Kaiser deS römischen Reiches deutscher Nation einen Bischofsstuhl errichtet hat, erbittet di« Generalversammlung der Katholiken Deutschland» brn apostolischen Segen als Unterpfand feiner väterlichen Lieb« uud al« Ermunterung, in den Stürmen de» neuen Jahrhundert» fest- zustehen zu Christu» und seiner heiligen Kirche und ihrem Ober haupte auf Erden " Zm Auftrage deS Papste» sandte der Staatssekretär Cardinal Rampolla ein Telegramm m lateinischer
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