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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.08.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010830021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901083002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901083002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-30
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Die Berichte unseres Londoner Correspondentea, ebenso die Mittheilungen, die wir aus Capstadt und den Boerenrepubliken gebracht hatten, bereiteten darauf vor, daß sich in der Capcolonie ernste Dinge vorbereiten. Ueber den Stand daselbst, über die Ucberhandnabme des aufrührerischen Elements konnte auch nicht der lärmende Empfang Milner'S wegtäuschen. Wenn nicht alle Zeichen trügen, steht nunmehr die englische Colonie vor der Ent- scheldung. ES geht un- folgende Meldung der „Kölnischen Zeitung" zu: * London, 29. August. Hier eingetroffene Privatnachrichten stellen die Verkündigung des Belagerungs zustandes in Capstadt und in den Hafen st ädten als unmittelbar bevorstehend hin. Die Handelskammer von Cap stadt hat sich zwar entschieden gegen die Maßregel ausgesprochen, doch glaubt man, daß sie nicht zu vermeiden sein wird. That- sächlich lauten di« Nachrichten aus der Colonie recht ungünstig, was auch in der dortigen englischen Presse zugegeben wird. Der Bezirk Fraserburg steht in offenem Aufruhr und wird von zahlreichen Boerentrupps durchstreift. Die tele graphische Verbindung ist unterbrochen. Hunderte von Colonial- Rebellen schließen sich den Boeren an. Man erwartet, daß neben Merriman, der auf seiner Farm polizeilich übevwacht wird, auch alle anderen Führer der Afrikander ver haftet werden sollen. * Pretoria, 29. August. („Reuter's Bureau.") Die Gins berg-Mine bei Johannesburg hat die Erlaubniß erhalten, den Betrieb wieder aufzunehmen. Die Freuden der englischen Herrschaft in Johannesburg. Aus Johannesburg, 26. Juli, wird uns geschrieben: Für die Beurtheilung der socialen und geschäftlichen Ver hältnisse in Johannesburg spricht nichts besser als die Thatsache, daß sich um eine Stellung in städtischen Diensten nicht weniger als 810, sage achthundertzehn, Personen beworben haben; bei der Aussichtslosigkeit für Boeren und Nichtengländer im Falle einer Bewerbung geht man nicht fehl, anzunehmen, daß es fast ausschließlich Engländer gewesen sind, die an diesem Wettlauf ums tägliche Brod sich betheiligt haben. Der Umstand wird nicht verfehlen, auch auf di« englischen Be hörden Eindruck zu machen; dieser Fall ist nur «in Vorspiel dessen, waS sich später immer und immer wieder wiederholen wird. Vor dem Kriege würden sich um die gleiche Stellung — es handelt sich um die Stelle eines städtischen Magazinverwalters — wohl nicht mehr als zwei bis drei Dutzend Personen beworben haben. Während man in diesem Fall« erfährt, wie groß die Arbeitslosig keit ist, erfährt man nichts darüber, in welcher Weise di« Stel lungen an den Goldminen besitzt werden. Im Ganzen arbeiten sitzt etwa zehn Grubenwerke; von den drei letzten hat man die Jnbetriebstellung, so unglaublich es auch klingen mag, erst aus den englischen Zeitungen erfahren müssen, d. h. auS den Zeitungen, welch« von England aus hierher gelangen. Wenn man nun so wenig erfährt über ein Ereigniß, an dessen Geheim haltung die englischen Behörden gar kein Interesse haben können, wieviel «weniger muß «S verwundern, daß man vonden mili tärischen Operationen und Bewegungen so gut wie nichts erfährt! Heute wimmeln die Straßen von Officieren und Soldaten, morgen siebt man vielleicht nur vereinzelte, ganz selten ziehen einmal Truppen in Marschordnung durch die Stadt, denn alle Truppenbewegungen vollziehen sich während der Nacht und der frühen Morgenstunden, am Abend und in der Nacht entwickelt sich auch «in ziemlich reger Eisenbahn verkehr; während der Nachtstunden müssen ja auch alle Civil- personcn sich in ihren Häusern aushalten. Mit großem Nach druck werden die Drillübungen der Stadtoertheidigungstruppen Nand Ristes fortgesetzt, sehr zum Unberdruß der betheiligten Personen, die übrigens ihrem Unwillen über ihre Soldakeneigen- schaft mehr und mehr laut Ausdruck geben. Gleichzeitig mehren sich die Gerüchte, denen zufolge einzelne Truppentheil« und Frei willigencorps ihrer Abgeneigtheit, noch weiter zu fechten, mehr oder minder drastischen Ausdruck gegeben haben, oder von Fällen, in denen die ernstesten Appelle an Patriotismus und Opferwillig keit erfolglos verklungen sind. Während ich dies schreib«, durchziehen militärische Patrouillen die Straßen Johannesburgs; je fünf Khakis halten jede Person an, welche mit dem häßlich gelben Tuche bekleidet ist. Eine Er klärung dieser außerordentlich ungewöhlichen Maßregel liegt weder fern, noch ist sie überraschend: Es sollen Boeren in englischer (Khaki-) Uniform nach Johannes burg gekommen sein, und jetzt möchte man sie fassen. Dieser Zweck wird aber vermuthlich nicht erreicht. Die Boeren sollen viel mehr Pässe haben, als sie brauchen. Bei dem nicht sehr entfernten Orte Springs soll vor einiger Zeit ein Kaffer gefangen worden siin, welcher „nur" zwanzig ver schiedene Pässe in seinem Besitz hatte. Ebenso wenig als das ge- sammte Paßwesen hat sich die Censur von praktischem Nutzen erwiesen. Brief« und Zeitungen wandern ebenso ungehindert zu den Boeren, als di« Ueberbringer solcher verbotenen und doch andererseits so willkommenen Nachrichten. Unter den unmittelbaren nachtheiligen, man kann sagen, ver armenden Einflüssen des Krieges, deren Umfang erst nach dem Friedensschluss zur Geltung kommen wird, hat leider auch das Deutschthum in dem Sinne, als es durch das selbstständige Schulwesen zum Ausdruck gebracht wurde, gelitten, so sehr gelitten, daß Hilf« aus dem Mutterlande eine Lebensfrage geworden ist für die Schule und die damit verbundenen Einrichtungen. Unter der wohlwollenden Oberleitung und finanziellen Unterstützung der Regierung der südafrikanischen Republik war es den Deut schen Johannesburgs gelungen, diese mit den Verhältnissen ent sprechenden, ausserordentlichen Kosten unterhaltene Schule zu Ansehen und als eine der Pflege des Deutschthums dienende Stätte zur Geltung und Achtung zu bringen. Nicht so sehr durch das Ausbleiben des früher bewilligten staatlichen Zuschusses, sondern durch die Unfähigkeit der Eltern, der die Schule besuchenden Kinder, ganz besonders aber auch durch den Ausfall der sonst so freudig und reichlich fließenden Beiträge der hin in mehr oder minder einträglichen Erwerben beschäftigten Deutschen, ist die deutsche Schule den Versuchungen bloßgestellt, die »Schule als nur dem Namen nach deutsch, thatsächlich aber auf englischen Grundlagen weiter zu führen. Schwerlich hat sich seit Jahrzehnten mit größerem Rechte ein deutschem Wesen und der Förderung deutscher Interessen dienen des Institut an das deutsche Volk mit einem Nothschrei ge wendet zur Erhaltung deutscher Sitte und Eigenart. Der Appell, der gegenwärtig in Wort und Schrift zum Wohle, zur Er haltung der deutschen Schule in Johannesburg an die Deutschen der ganzen Welt gerichtet wird, verdient nicht unbeachtet zu bleiben und fordert zum Opfer auf, wie nur irgend «in Aufruf, der je zum Wohle und zur Unterstützung der deutschen Sache erlassen worden ist. Die Spenden müssen reichlich fließen, wenn die deutsche Schule überhaupt am Leben erhalten werden soll. Potttische Tagesschau. * Leipzig, 30. August. „Sagen Sie, halten Sie den Sühncprinzen in Basil überhaupt für echt?" Mit dieser Frage überrumpelte uns gestern ein Bekannter, ein Mann, der mit offenen Augen die Welt sieht, dabei aber da- Mißtrauen durchaus nicht mit Vorliebe cultivirt. Er bezeichnete eS allen Ernste- kür nicht unwahrscheinlich, daß der Baseler Patient ein untergeschobener Prinz sei, wie er in Romanen vorkommt, nur mit dem Unterschiede, daß hier die Unterschiebung gewöhnlich zu Gunsten des falschen Sprossen geschehe, während die Chinesen nur einen Pseudoprinzen geschickt haben könnten, um dem wirklichen Tschun eine unter allen Umständen nicht angenehme Mission zu ersparen. Der Verdachtschöpfende stützte sich dabei auf die allerdings unbestreitbare Thatsache, daß schon so mancher höchst gewöhnliche Chinese als Substitut eines großen Mandarinen, dessen Haupt von irgend einer Macht gefordert war, seinen Kopf hergegeben hat. Die Vermuthung einer analogen Stellvertretung bei der Sühnemission sei nicht so ohne Weiteres abzuweisen, meinte unser Freund. Wir erzählen die kleine Geschichte, weil sie zeigt, wie stark die Möglichkeit, von den schlauen Bezopften gefoppt zu werden, bei unS geschätzt wird. Man kann daS Mißtrauen Niemand verargen. So optimistisch wie Graf Waldersee sind nur wenige Menschen und das officielle China hat eben wieder einen Beweis seiner unerreichten Kunst, zu täuschen, mit dem kaiserlichen Edict über daS Waffeneinfuhr verbot erbracht. Außerdem macht sich — und daran trägt der stabtragende Generalfeldmarschall den Hauptantheil der Schuld — in Deutschland die Neigung bemerkbar, die ganze chinesische Affäre nickt mehr recht ernst zu nehmen, und der Baseler Zwischenfall insbesondere wird mit Vorliebe komisch ge funden. DaS ist er auck, aber die Belustigung, die er in der Welt hervorruft, gebt auf Kosten Deutschlands und des halb sollten einheimische Preßorgane eS vermeiden, in den heiteren Ton einzuslimmen. Die chinesische Complicatiou war ein sehr ernstes Ereigniß für das deutsche Reich und sie bleibt eS, weil sie nicht ausschließlich durch fremdes Verschulden die gegenseitigen Beziehungen der europäischen Mächte eben doch beeinflußt bat und nicht gerade zu Gunsten der deutschen diplomatischen Bewegungsfreiheit. Was die Unterbrechung von Basel angebt, so wird sie erhebliche Folgen für die auswärtige Politik vielleicht nicht nach sich ziehen, aber sie scheint auf die Hast und Sprunghaftigkeit der Leitung unsere- Staates zurückzuweisen. Es war uns an fänglich unmöglich, eine starke Vermuthung der „National zeitung" für berechtigt zu halten, dahin gehend, daß, während neue chinesische Schwierigkeiten dem Verhalten des Prinzen Tschun an der Grenze nicht zu Grunde lägen, dem Prinzen Mittbeilungen auS Berlin über das, waS man von ihm erwarte, eine Ueberraschung bereitet hätten. Da« schien unglaublich, denn solche heikle Dinge bestimmt und eröffnet man im normalen politischen Verkehre rechtzeitig und in bindender Form, auch dann, wenn eS sich um eine Sühnemission handelt. Nun will eS wenig oder gar nicht» besagen, daß das — wie man nun annehmen muß, vor der Ankunft der Mission in Basel abgeänderte — Empfangsprogramm mit seinen zehn Köchen, den Malachit- und Lapis Lazuli- Zimmeru, der Sedanparade u. s. w. im ganzen Publicum und demgemäß in der gesammten Presse daS Gegentheil von Zu stimmung gefunden hatte. Derartiges beeinflußt den Justament- Curs höchstens in dem den allgemeinen Wünschen entgegengesetzten Sinne. Es scheint aber doch, vielleicht durch persönlich nahe stehende, möglicher Weise sogar durch berufene Rathgeber bervorgerufen, ein Stimmungswechsel eingetreten zu sein. Auf berufene Rathgeber deutet der von uns sogleich als bemerkenswertb hervorgehobene Umstand, daß selbst die „Köln. Ztg." sich von dem vor Ueberschätzung der Sübnemission warnen den und zum Maßbalten bei der Ehrung des Sühnezesandten mahnenden nationalen Chorus nicht ausschloß. Vielleicht auch, daß ein von einer fremden Regierung in China in irgend einer Frage bezeigtes Entgegenkommen Verstimmung erzeugt bat. Auf die Ursache kommt eS zunächst nicht an, aber ein Umschwung scheint eingetreten gewesen zu sein, als Prinz Tschun der deutschen Grenze sich näherte. Ist dies aber der Fall, so darf man sich nicht wundern, wenn dem Prinzen Mittheilungen aus Berlin über das, was man von ihm erwartet, eine Ueberraschung bereitet haben. Denn das plötzliche Vertauschen eines Extrems mit dem andern ist eine im heutigen ossiciellen Deutschland nur zu oft beobachtete Erscheinung und die zuerst in Aussicht gestellten Garde-Ulanen können sich im Handumdrehen in finster blickende Zeugen eines in ver schärfte Formen gekleideten Sühneactes verwandelt haben. Den Griff nach dem anderen Extrem beobachtet man sogar in einem Tbeile der Presse, denn Zeitungen, die ursprünglich mit einem Verzicht auf zu weit gehende Ehrungen Tschun's zufrieden gewesen wären, treten mit einem Male mit sehr weit gebenden Forderungen hervor, so z. B. der, daß man dem chinesischen Prinzen verbieten müsse, andere Höfe aufzusuchen. Diese Blätter mäßigen vielleicht ihren Eifer, nachdem sie gesehen haben, daß die englische Presse beginnt, Deutschland zu einer möglichst harten Aufnahme des Prinzen aufzustacheln. Der Aerger der elsässischen Klerikalen über den Ausgang der clsatz-tothriuntfchcn Btfchossfragen hat zu einer recht inter essanten Enthüllung geführt. Der klerikale „Els. Cour." veröffentlicht ein vom Cardinal Rampolla am 20. Juli an alle Domcapitel Preußens gerichtetes Schreiben, in dem über Uebergriffe des Staates bei Ernennung der Bischöfe Klage geführt und den Domcapiteln die Wahrung der Rechte der Kirche ans Herz gelegt wird. Der Wunsch des Papstes oder des Cardinal-Staatssekretärs ist es gewiß nicht gewesen, daß dieses in unserem heutigen Morgenblatte mitgetheilte Schreiben des Cardinals öffentlich bekannt werde; allem Anscheine nach ist die Veröffentlichung die Revanche der elsässischen Klerikalen für die schließliche Nachgiebigkeit der Kurie in der Metzer und der Straßburger Bischofsfrage. Besonders hat man es wohl dar aus abgesehen, den Gegensatz hervorzuheben zwischen der Er klärung des Rampolla'schen Schreibens, daß der Papst keine andere Betheiligung einer nicht-katholischen Regierung bei Bischofswahlen, als eine negative, zulaffe, und der schließlichen Nachgiebigkeit gegen die kaiserlichen positiven Wünsche durch Ernennung der Bischöfe Benzler und Zorn von Bulach. Doch hierüber mögen sich der Papst und der Cardinal-Staatssekretär mit den „getreuen Söhnen" im Elsaß abfindcn. Interessanter für uns ist die Thatsache, daß Cardinal Rampolla vor wenigen Wochen in dem Rundschreiben durchaus unbegründete Beschwerden über die Ausübung der der Regierung zustehenden Rechte bei Bischofswahlen in Preußen erhoben und dadurch die Domcapitel indirect ermuthigt hat, künftig Schwierigkeiten zu machen. Die klerikale Presse hat vorher wiederholt, ganz tm Sinne des Rampolla'schen Schreibens, die Behauptung aus gestellt, dass die Regierung durch ihre Behandlung der Vor schlagslisten das Wahlrecht der Capitel beschränke. Die Grund losigkeit dieser Behauptung ist jedesmal dargethan worden. Die Domcapitel haben nach den bezüglichen, auf Abkommen mit der Kurie beruhenden Vorschriften sich zu vergewissern, daß die Wahl auf eine der Regierung „genehme" Persönlichkeit fallen wird; sie darf nur auf eine solche Persönlichkeit gelenkt werden. Was sonst in dem Rampolla'schen Schreiben berührt wird, sind Aeußerlichkeiten. Wenn nun ein derartiges Schreiben am 20. Juli d. I., also vor wenigen Wochen, ergangen ist, so könnte angenommen werden, daß damals die inzwischen in den elsässischen Bischofsfragen bethätigte Nachgiebigkeit der Kurie noch nicht, vielmehr eine herausfordernde Haltung in den Fragen der Besetzung der Domcapitel in Preußen^ und im Rcichslande überhaupt beabsichtigt war. Oder sollte das Schreiben im Voraus für den extremen Klerikalismus ein Pflaster auf die Wunde sein, welche die Nachgiebigkeit in Mctz und Straßburg schlagen mußte? Die Angelegenheit wird wohl noch weitere Erörterungen Hervorrufen. 38) FeirLHeton. Ilm Geld. Roman von F. Ilex. Nachdruck verboien. Ehe sich die Kranke klar werden konnte, um was es sich handelte, hatte der kleine Unverstand einen Stuhl an den Tisch gerückt, davor «in« Fußbank gestellt, war im Nu hrnauf- g«kl«ttert und jetzt im Begriff, mit streit üb«r die Tischplatte gestrecktem Oberkörper 'die Lampe mit beiden Händen zu er greifen. Gisela hatt« gerade noch Zeit, unter Aufbietung aller Kräfte die Lampe ihrerseits zu erfassen unld krampfhaft festzuhalten. Ein in der Todesangst heftig herausgestoßenes Verbot hatt« leinen anderen Erfolg, als di« Anstrengungen des Kindes zur Erreichung seine Ziele- zu verdoppeln. Gisela hatte die Lampe bis zum äußersten Rande deS Tische» zu sich hrrangezogen, hielt sie dort mit der rechten Hand um klammert, während ihre Linke nach dem Knopfe der sonst in ihrem nächsten Bereiche befindlichen elektrischen Klingel tastete. Die Klingel war weg! Ein tödtlichrr Schrecken überfiel sie; war doch die Leitungsschnur nach den jüngsten Vorkommnissen auf ihren — Gisela s eigenen Rath hoch an der Wand über dem eigentlichen Druckapparat aufgewickelt worden und so für da» Kind, allerdings auch für st«, unerreichbar! Ungehört verhallte ihr Hilferuf, während der Junge — durch den ungewohnten Widerstand gereizt — doppelt sffrig seinen Willen durchzusetzen suchte; und da dies auf dem zurrst «in geschlagenen Weg« nicht möglich war, sein« Taktik änderte, und sich Fußbank und Stuhl auf di« Läng-seit« ßeS Tische- trug, von wo au» er die Lamp« unfehlbar erreichen mußte. Mit au» den Höhlen tretenden Augen, gefoltert von der un säglichen Angst — die ihr die Kehl« zuschnürte und am lauten, wirksamen Schreien hinderte — hatte Gisela die Bewegungen de» Kindel verfolgt. Z Run hatte er die selbsterfundene Leiter dnd damit die Höhe di» Ltsch«» erstiegen und faßt« mit beiden Händen nach dem verhängmßvollen Gegenstand« seiner Wünsche, während sich Vergebens hatte sich ihr Hilferufen, halb erstickt durch den dichten Rauch und Qualm, der sich auf Brust und Lungen legte, mit dem Geschrei des Kindes gemischt! Niemand hörte sie! Kein Retter nahte! Die Schmerzensschreie des Knaben waren allmählich in ein stöhnendes Röcheln Lbergegangen. Sein wildes Umsich- schlagen, mit welchem er in seiner kindischen Weise gegen die Gefahr gekämpft, hatte einem krampfhaften Zucken Platz gemacht. Ihre Stimme hatte längst versagt. Kraftlos hatte ihr Arm das Gewicht des unheimlich ruhig gewordenen Kindes, das immer schwerer darauf gelastet hatte, zu Boden gleiten lassen. Ihre Sinne verwirrten sich! — Da sah sie noch, wie durch einen Nebel, eine Gestalt — ihren Gatten — durch Rauch und Flammen brechend an ihr Lager stürzen. Siegreich drang er durch, umfaßte mit starkem Arm die mit ersterbender Stimme „mein Kind, mein Kind" hauchende leichte Gestalt und trug die vor Schmerzen erschauernde, sich wie Schutz suchend an ihn Schmiegende — wenn auch selbst an Gesicht und Händen arg versengt — aus der allmählich das ganze Gemach erfüllenden rothlohenden Gluth. Wohl war Gisela wieder zum Leben erwacht, aber nur, um kurz darauf — ohne das Bewußtsein wieder zu erlangen — die Augen für immer zu schließen. Man hatte sie zusammen mit ihrem Kinde zur ewigen Ruh« bestattet. Paul war den Särgen gefolgt, äußerlich gefaßt, innerlich ein gebrochener Mann. Was frommte eS ihm, sich zu sagen, daß daS Unglück unabwendbar gewesen, wo sich die ganze Katastrophe nur um Minuten gehandelt? Nagte doch der Vor wurf an seinem Herzen, daß, wenn er nicht gerade zur Be gleitung Hedwig'S an die Bahn gegangen, er noch rechtzeitig zu Hause einaetroffen wäre, um dort, wie ihm eine innere Stimme sagte, Gisela'» Versöhnunaskuß und damit vielleicht die Hoff, nung auf eine glücklichere Zukunft zu erhalten, während er jetzt an der Bahre von Frau und Kind stand! Warum mußte sein, frevelnd noch vor wenigen Stunden au»gesprochener Wunsch — frei zu sein — eine so schrecken», volle Erfüllung finden? Ja warum (End«.) Gisela mit Ausbietung aller Kräfte in dem Besitze 'derselben zu behaupten suchte. Vergeblich gab sie dem Kleinen die süßesten Schmeichelnamen, versprach ihm das Unmöglich«, drohte, schalt; nichts vermochte den Eigensinnigen zum Aufgeben seines Vorhabens zu veran lassen. Die Augen fest auf sein Ziel gerichtet, die Unterlippe zwischen die kleinen Zähne gepreßt, mit dem halben Körperchen, über dem Tische liegen-, hatte er mit beiden Händen den oberen Theil der auf hohem Fuße stehenden Lampe gefaßt, die er. durch den fort dauernden Widerstand erbittert, mit allen Kräften an sich zu reißen suchte. Es war ein Kampf auf Leben und Tod, den hier die Mutterliebe in erster Linie — wohl aber auch die Angst um da- eigene Leben — mit kindischem Unverstände, mit der künstlich großgezogenen Unfolgsamkit kämpfte. Dabei wurde dieser Kampf fast lautlos geführt; nur hin un- wieder unter brochen durch Gisela's nur zischend hervorgebrachte Versuchs, nach Hilfe zu rufen. Schon fühlte sie — bei völlig gelähmtem Unterkörper nur auf die schwachen Kräfte ihrer Hände ange wiesen —, daß ihre MuSkln allmählich zu erlahmen begannen. Bedenklich schwankte schon di« Lampe, mit leisem Klirren schlugen Cylinder und Glocke aneinander. Ihre Absicht, dem Schlimmsten dorzubeugen und di« Lampe au-zulöschen, scheitert« an dem heftigen Rütteln de» Knaben, dessen durch blinden Eifer vermehrten Kräften die liegende, zu einer halb rückwärts gewandten Lag« gezwungene Mutter nicht gewachsen war, so daß schon ihr erster Versuch, eine Hand lok zu bekommen, beinahe die Katastrophe beschleunigt hätte. Mit einer fast übermenschlichen Anstrengung suchte sich die, wie mit eisernen Banden Festgehaltene au» ihrer hilflosen Lag« zu befreien, um so das verderbewdrohende Object an sich nehmen und den Händen deS Kinde» entziehen zu können. Ein Reißen und Schneiden, 'wie mit glühenden Zangen und Messern durch fuhr ihren Körper mit solch rasendem Schm«rze, daß sie mit einem lauten Weheruf zurücksank. Ihre Hände lösten sich wie im Krampfe von dem so lange vertheidigten Gut« — und im nächsten Augenblicke stürzte da» Kind mit der Lampe — durch da» plötz liche Nachlassen de» Widerstande», den so lang« die mütterlichen Hände auSgeübt, unwiderstehlich fortgeriffen — rückwört« vom Tisch, Stuhl und Fußbank unter sich begrabend. Ein heftig dröhnender Schlag. Ein schrilles Splittern und Krachen, dem tiefes Dunkel und ein kurzer Moment der Stille folgte — dann ein lautes Zetergeschrei des Kindes! Gisela hatte mit Aufbietung aller Willenskraft ihre schwin denden Lebensgeister zurückgehalten. Gott sei Dank! Der Junge schien sich nicht zu schlimm ver» letzt zu haben, denn schon hörte sie, wie er sich vom Boden auf richtete, wenn auch unter fortgesetztem herzzerreißendem Schreien. Mit den zärtlichsten Tönen suchte sie ihren Liebling zu beruhigen und zu bewegen, an ihr Lager zu kommen, um sich selbst von seiner Unverletztheit zu überzeugen. Doch was ist das? Ein unheimlich Heller und Heller werdender Schein breitet sich in ihrem Rücken aus! Barmherziger Gott, das Petroleum hatte Feuer gefangen! Und jetzt stürzt auch schon der Knabe, die weiten, faltigen Kleider wie eine Fackel hinter sich herleuchtend, auf ihr Bett zu! Trotz der wüthendsten Schmerzen, so viel wie möglich sich vorne Lberbeugend, suchte die unglückliche Mutter da- Feuer mit ihren zitternden, schwachen Händen zu ersticken. Vergebliches Bemühen! Schon theilte sich die Flamme von den Kleidern des, in den verzweiflungsvollsten Tönen auf kreischenden KindeS ihrem eigenen Lager mit; schon leckte da-, auf dem Boden gierig dem zerflossenen Petroleum folgende Element von der anderen Seite an dem Ruhebette empor; dazu ein erstickender immer dichter werdender Qualm! Züngelnd laufen die Flammen an den halb herunter- gefallenen Decken, an den Leinentüchern de» Lager» hin; hier in raschem Zuge ein lose hängende» Stück verzehrend, dort lang samer schmälend, wo der Stoff mehr Widerstand leistete; immer aber noch so schwach, daß Gisela selbst, trotz ihrer gebannten Lage, im Stande gewesen wäre, deS Feuer» Herr zu werden, wenn nicht da» Kind ihre ganze Sorge und Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hätte! Doch, wa» lag an ihr, wenn nur das Kind gerettet wurde! Hätte sie nur die Kraft besessen, daS ich in den furchtbarsten Schmerzen windende kleine Wesen zu ich in» Bett zu ziehen, mit ihrem eigenen Leibe hätte sie die flammen, die ihr Kleinod vor ihren Augen verzehrten, ersticken wollen! Umsonst! Die schwachen Hände, gelähmt durch den be« wegung»unfähigen, wie festgeschmiedrten Unterkörper, versagten ihr d«n Dienst.
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