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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.11.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-11-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001106022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900110602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900110602
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- Images teilweise schlecht lesbar
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Volizei-Äuttes der Ltadt Leipzig. Dienstag den 6. November 1900. Anzeigen »Pret- die 6gespaltene Petüzeile SS H, Reelamen unter dem Redactton»strich (»gespalten) 75 vor deu Familien nach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ./t 60.—, mit Postbesörderuug .<4 70.—. ÄmmlMtschluk für Anzeige«: Ab end-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen j« ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag vou E. Polz in Leipzig. 94. Jahrgang. Cardinal-Erzbischof von Sydney, Monsignore Moran, eine feierliche Requiem-Messe für den deutschen Gesandten Freiherrn von Ketteler und die in China ermordeten katholischen Missionare celebrirt. Der erhebenden Feier, an der zehn Bischöfe theilnahmen, wohnten auch der deutsche G e n e r a l c o n s u l mit den Viceconsuln, sowie die Offi- ciere von den deutschen Kreuzern „Cor moran" und „Möwe" bei, die von dem Cardinal-Erzbischof besonders dazu eingeladen waren. Ueber dem Katafalk vor dem Chor waren die Flaggen Deutschlands und Frankreichs ausgebreitet, da diesen Mächten die Ermordeten angehörten, denen die Feier galt. Der Cardinal verherrlichte in längerer Rede die Märtyrer der Cultur unv des Glaubens, den Freiherrn von Ketteler, den französischen Bischof von Mulden und die Missionare, die den Märtyrertod er litten Härten. Er sprach die Hoffnung aus, das; den Mächten bald die Wiederherstellung von Frieden und Ordnung in China ge lingen möge; bann würden wieder viele Missionare aus Deutsch land und Frankreich dahin ziehen, um das Werk fortzusetzen. Nach Beendigung der Feier nahm der deutsche Generalkonsul Ver anlassung, dem Cardinal für die Ehrung, die er dem Andenken des deutschen Gesandten erwiesen, wärmsten Dank auszudrücken. Der Krieg in Südafrika. Präsident Krüger. Betreffs Der Nachricht aus Amsterdam, daß Or. Leyds den Präsidenten Krüger weder in Port Said, noch in Marseille auf der „Gelderland" begrüßen wird, kann die „Tägl. Rdsch." aus bester Quelle versichern, daß dem so ist. Es liegt aber durch aus kein Verbot noch Wunsch der holländischen Regierung vor, sondern die ganz natürliche tactvolle Auf- » faffung seitens der in Frage kommenden Persönlichkeiten: Alles zu vermeiden, was dcr holländischen Regierung irgendwie un angenehm sein könnte oder werden möchte. Eine officielle Be grüßung auf einem holländischen Kriegsschiffe wäre eine Hand lung, die Anstoß erregen könnte, ebenso eine Berathung. Prä sident Krüger ist Gast Hollands, und ein Gast hat als vornehmste Pflicht, jede Handlung zu unterlassen, die seinem Wirthe Unzu- träglichkeiten zu bereiten im Stande ist. Ein Kriegsschiff ist eine schwimmende Festung, demnach ist jür ;edes Begcbnitz auf demselben die Militärbehörde und nicht blos die politische Be hörde verantwortlich. Man kann nach dem Privatrecht nicht ver- hindern, daß Berathungen auf privatem Grund und Poden oder in geschloffener Gesellschaft stattfinden, sofern die Gesetze des Landes beobachtet werden. Man darf aber jedenfalls nicht zu- laffen, daß solche Berathungen in einem Staatsgebäude statt finden, sonst ergreift der Staat, der solches zuläßt, Partei, da her muß jede officielle Begrüßung und Berathung an Bord der „Gelderland" unterbleiben. Alle Nachrichten über den Aufent halt des Präsidenten Krüger sind, wie bereits früher gemeldet, verfrüht. Derselbe wird erst nach seiner Landung bestimmen, was zu geschehen hat. Die Empfangsoorbereitungen werden aufs Gerathewohl getroffen, denn Niemand vermag zu sagen, ob der Präsident dieselben annimmt. Or. Leyds ist zur Zeit von Brüssel abwesend. Der Antwerpener „Matin" schreibt: Es ist ziemlich natürlich, daß man neugierig ist, auf welche Weise Krüger seine Zeit in Brüssel zubringen wird. Es war ohne Zweifel nicht für seine persönlichen Bedürfnisse, noch für sein Vergnügen — Krüger ist mäßig wie ein Spartaner, und sein einziges Vergnügen ist, im Familienkreise die Bibel zu lesen und die Pfeife zu rauchen, — daß Präsident Krüger 30 000000 Frcs. mitgenommen und in europäischen Banken hinterlegt hat. Es ist dies ein schönes Sümmchen, mit dem er wahrscheinlich versuchen wird, die Rechte Transvaals zu vertheidigen, die Agitation lebendig zu erhalten, und überhaupt den Engländern allerlei Schwierigkeiten zu schaffen. Das wäre allerdings hinausgeworfenes Geld, da in der Politik nichts gegen ein kuit uaeompli zu machen ist. Es ist selbstverständlich, daß derartige Projccte, wie man sie Krüger zumuthet, sich für uns zu Complicationen unserer auswärtigen Beziehungen gestalten könnten. Es wäre auch sehr leicht möglich, daß sich die Manifestationen wiederholen würden, wann und wo Krüger sich zeigt. Es wäre also unsinnig unsererseits, und cs hieße unsere Würde compromittiren, wollen wir uns, aus rein ideologischen Erwägungen, in Dinge einlassen, die uns diploma tische Vorstellungen zuziehen und uns zum Rückzüge verpflichten könnten. In dieser Auffassung »der Sachlage liegt übrigens durchaus keine Feigheit. Sie läßt sich in Folgendem zusammen fassen. Wollen wir den Krieg erklären, um den Boeren ihre Unabhängigkeit wieverzugeben? Nein — nicht wahr? Das wäre unmöglich. Also! Dann aber ist die außerordentliche Wichtigkeit, die die Blätter den südafrikanischen Ereignissen wie einer nationalen Frage beilegen, dann sind die heftigen Po lemiken und die englandfeindlichen Manifestationen bloße Schläge ins Wasser, und es wäre vernünftiger für uns, sich ihrer ganz zu enthalten. Diese Manifestationen und diese heftige Polemik wären nun um so unangebrachter, als die Anwesenheit Krüger's in Brüssel ihnen eine tiefere und schwerere Bedeutung beilegen würde. Es wird auch gemeldet, König Leopold werde demnächst nach London reisen, um durch seinen Besuch bei der Königin Victoria den ungünstigen Eindruck, den diese feindliche Stimmung in England hervorgerufen, zu verwischen. Wenn eine Beziehung zwischen dieser Reise des Königs der Belgier und der baldigen Ankunft Krüger's in Brüssel besteht, so muß man zugebcn, daß das eine ganz natürliche Beziehung wäre. Politische Tagesschau. * Leipzig, 6. November. Die Zustände in der Berliner Criminal-Polizci, die durch einen soeben schwebenden SensationSproceß beleuchtet werden, beschäftigen weit über die Grenzen Preußens hinaus lebhaft die Oesfentlichkcit, die in dem Wunsche einig ist, daß hier mit einer eiserner Hand durchgegriffen werde. Wie ernst die leitenden Stellen we Vorgänge betrachten, geht daraus her vor, daß der Reichskanzler und Ministerpräsident Graf Bülow gestern den Minister Les Innern Freiberrn v. Rbeinbaben zu einer Besprechung eingeladen bat und daß, uni volles Licht über die Angelegenheit zu verbreiten, den betreffenden Beamten, unter Entbindung vvn der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, die Ermächtigung zur uneingeschränkten Aussage ertheilt und ein sofortiges unnachsichtiges Ein schreiten im Disciplinarwege in der ministeriellen „Berliner Eorrespondenz" angekündigt worden ist. An dem ernsten Bestreben der preußischen Staatsleitung, eine ihren Auf gaben gewachsene und zuverlässige Criminalpolizei in Berlin zu schaffen, kann nicht gezweifelt werden. Was nützen aber alle Reformen, wenn Persönlichkeiten, wie sie jetzt in dem Processe Sternberg hervorgelreten sind, die Träger einer mit so verantwortungsschweren Aufgaben betrauten Behörde sind? In dem Erlasse des Ministers des Innern an den Berliner Polizeipräsidenten, der im December vorigen Iabres bekannt gegeben worben, ist in dieser Beziehung be sonders eingeschärft worden: „bei Auswahl und bei Aus bildung der Eriminalpolizeibeamtcn stets mit besonderer Vor sicht zu verfahren und besonders daraus zu.achten, daß nur durchaus zuverlässige, aber gewandte und findige Personen, die eine Anlage für den Criminal- Die Wirren in China. Herr Li und die Paotingfucr Todesurtheilc. Die Londoner Blätter berichten aus Peking ohne Datum über Taku vom 4. November: Li-Hung-Tschang wandte sich privatim an einige Gesandten und suchte sie zu bewegen, ihren Einfluß bei dem Feldmarschall Grafen Waldersee geltend zu machen, damit dieser die Vollstreckung der über die Beamten von Pao- tingfu gefällten Todesurtheile — verschiebe, natürlich mit dem Bestreben, sie ganz hintanzuhalten. Es gelingt ihm hoffent lich nicht, da nothwendig ein Erempel statuirt werden muß, um die chinesische Regierung endlich davon zu überzeugen, daß Ernst gemacht wird. Anderenfalls wird man dieselbe nie zur Raison bringen, sie im Gegentheil noch in dem Gefühl der Uebcrhebung und Ueberlegenheit bestärken. Ter kaiserliche Hof kann jetzt, so wird berichtet, unmöglich vor dem nächsten Frühling nach Peking zurllckkehren. Nach Berichten, die in Peking einge- trcffen sind, droht in der Nähe von Singanfu ein Aufstand von Mohamedanern auszubrechen, der die Sicherheit des Thrones gefährden soll. Das ist wohl auch nur eine Ausflucht. Droht die Erhebung gegen die Mandschu - Dynastie in des Kaisers nächste Umgebung Lberzugreifen, so sollte das ihn erst recht zu schleunigster Abreise nach Peking veranlassen, wo er unter dem Schutze der Mächte un bedingt sicherer wäre, als sonst wo in seinem Riesenreiche. Noch ist dec Aufstand nicht ausgebrochen, und cs wäre also noch Zeit zur Flucht. Rußland und Sic Mandschurei. Nach einer Nachricht der „Times" aus Peking, die über Taku unter dem o. November eingegangen ist, richtete Admiral Alexejew an Li-Hung-Tschang die Mittheilung, in der er ihn über die Absichten Chinas bezüglich de: Mandschurei befragt. Er fordert darin gleichzeitig China auf, die Verwaltung dieser Provinz unter dem Schutze Rußlands wie o er z » übernehmen. Dies würde, so versichert Alexejew weiter, beiden Ländern zum Vortheile gereichen. Tic Lage im Lüden. Aus Hongkong, 6. November, berichtet „Reuirr's Bureau": Nach Berichten aus Canton war die Explosion in de: Nähe des Jamens des Gouverneurs am 28. October durch Dynamit verursacht, und zwar, wie man annimmt, zu vem Zwecke, große Mengen Kriegsbedarf, die im Damen lagerten, zu zerstören. Wie weiter berichtet wird, schmuggeln die Reformer in Canton Dynamit ein, indem sie es als einheimische Medi kamente declariren. Die Zollbeamten beschlagnahmten ein auf solche Weise aus Macao eingeführtes Packet mit 18 Pfund Dynamit. Flüchtlinge vom Ostflusse berichten, daß die Aufständi schen 30 Meilen nordöstlich von Huitschau einen festen Platz er richtet haben. Die Aufständischen fordern von den Ortschaften Reis und Geld und geben gleichzeitig bekannt, wenn den Kaiser lichen Hilfe gewährt werde, würden die Dörfer verbrannt und die Bewohner niedergemetzelt werden. Die Kaiserlichen gehen in ähnlicher Weise vor. In Ausführung dieser Drohungen sind be reits verschiedene Dörfer zerstört worden; Brände kommen fast räglich vor. — Aus Canton, 3. November, wird berichtet: Heute sind 19 Straßenräuber hingerichtet wordNi. Eine Gedenkfeier für Freiherr» v Ketteler in Australien AuS Sydney 25. September, wird der „Welt.-Corr." be richtet: Bor acht Tagen wurde hier in der Kathedrale durch den FprrrHeton. As Der Lundschuh. Roman von Wo Ide mar Urban. N-iddruck verboten. Ulrich war über dieses unerwartete Entgegenkommen be troffen. „Sprecht", erwidert« er kurz, aber gespan-nt. „Laßt Jene etwas zuvücktretcn, und ich sage Euch frei und offen, um was es sich handelt." Und als Ulrich etwas mißtrauisch zögerte, und einen fragen den Blick auf Diepold von Andlau, -der etwas abseits bei ihm stand, warf, fuhr Junker NeiDhart überlegt und ruhig fort: „Mißtraut mir nicht, gnädiger Herr. Ich bin allein, wie Ihr seht. Was könnte ich Euch thun? Und auch, wenn ich es könnte, würde ich mich an Eurer hohen Person nicht vergreifen. Denn Ihr seid mir trotz Allem lisb und werth. Ihr werdet das sofort begreifen, wenn Ihr mich hören wollt." Er machte «inen ehrerbietigen Eindruck, und so gab Ulrich seiner Begleitung einen Wink, sich 'weiter zurückzuziehen. „Also, was habt Ihr zu sagen, Junker?" fragte Ulrich, als diese außer Hörweite war. „Ich stell« Euch Burg Hohnack freiwillig und ohne Schwert streich zur Verfügung, gnädiger Herr, wenn Ihr einwilligt, daß Eure Schwester Edotinde meine Frau wird." - „Ihr seid wohl toll, Junker!" „Durchaus nicht. Edelinde hat schon eingewilligt, mein Weib zu 'werden, wenn Ihr zusagt. Thut daS und sendet mir einen Geistlichen, der die Eh« vollzieht, und ich übergebe Euch Bura Hohnack gegen freien Abzug." Und all Ubrich noch immer zögerte, fuhr Junker Neidhart nach «rner kleinen Pause fort: „Ich weiß, weshalb Ihr zögert, gnädiger .Herr. Ihr glaubt. .Herrn Diepold von Andlau Rücksicht zu schulden. Das trifft nicht zu, wa» immer geschehen sein mag. Denn sonst würde Edelmd« nicht ihre Einwilligung gegeben haben. Diepvöd von Andlau hat kerne Ansprüche an Eure Schwester. Von dieser Einwilligung tret« ich auch nicht zurück, 'wenn Ihr mir Euer Wort ver sagt " „Ihr wollt mich zwingen?" fragte Ulrich etwas spöttisch. „Ja, gnädiger Herr", entgegnete der Junker trotz seiner höf lichen und respecdoollen Worte mit einer wilden Energie und Entschlossenheit in der Stimme. „Ich will Euch auch sagen, wir. Wenn Ihr glaubt, mich überwältigen zu können, so versucht immerhin Euer Heil an den Felsen von Hohnack, aber", fuhr er drohend und mit mühsam unterdrückter Schärfe fort, „beim ersten Sturm, 'den Ihr auf Hohnack wagt, werfe ich Euer neu- gebornes Söhnchen über die Mauer, den Felsen hinunter, und -lasse beim geringsten Vorthekl, den Ihr erreicht, Euer Weib folgen." Entsetzt 'trat Ulrich einen Schritt zurück. „Junker!" rief er drohend und erschrocken. „Nun stürmt, Herr, wenn Ihr Lust habt. Und wenn Ihr zweiifelt, daß ich mein Wort erfülle, so dürste dieser Zweifel an der'-Leiche Eures kleinen Sohnes rasch schwinden. Ich mache nicht viel Worte, äber ich handle, und bin entschlossen. Nun entscheidet Euch, Herr. Wollt Ihr den Frieden, so bin ich zu Eurer Verfügung, wollt Ihr den Krieg, so bin ich auch da." Wie starr vor Schreck, sah Ulrich dem Junker von Hohnack in di« finsteren, entschlossenen Züge. Im ersten Augenblick mochte es ihm scheinen, daß da gar keine Wahl sei, daß er seine Einwilligung zur -Ehe 'des Junkers mit Edelinde geben müsse. Was sollte er thun, wenn der Junker ihm das Messer so aus di« Brust setzte? Dann aber kamen ihm verschiedene Bedenken. Wenn er nun auch seine Einwilligung gab und Edelinde wurde das Weib -des Junkers, würde dieser dann auch sein Wort halten und die Burg übergeben? Welche Sicherheit konnte er geben? Und wenn er es auch -wollte, hatte er die Macht dazu? War er unumschränkter Herr der Burg? Der Weg zur Einigung war also noch weit. „Ihr habt eine Besatzung von Bauern in der Burg", begann Ulrich nach einer Pause Widder, „deren Hauptmann Lenz Mayer ist. Ich weiß -das, weil ich soeben mit 'ihm gesprochen habe. Wie wollt Ihr diesen bewegen, in solche Abmachungen zu willigen?" „DaS überlaßt nur Mir, gnädiger Herr", erwidert« der Junker überlegen. „Ich brauche Euch wohl nicht erst zu versichern, wie sehr ich mein Bündnis; mit diesen ungeschorrnen Klohköpfen bereue. Sie sind frech und unverschämt, besitzen weder Bildung, noch Erziehung, und stinken. Bei der ersten Gelegenheit schüttle ich sie ab, wie man einen Mnterrock abwirft, wenn das Früh jahr kommt. Diese sollten also unfern Handel nicht trüben. Mein Rittenwort darauf, daß ich sie beseitige, so oder so, das darf Euch nicht kümmern, aber ich halte Euch mein Wort." „Und bis wann glaubt Ihr Euch dieser Leute entledigt zu haben?" „Bah, in einigen Tagen, gnädiger Herr. Denkt daran nicht mehr, als an eine vorübergehende Unpäßlichkeit, an einen garstigen Schnupfen ov«r Achnliches." „Gut, dgnn werd« ich Euch in einigen Tagen, -wenn ich weiß, daß Ihr unbeschränkter Herr auf Hohnack seid, meine Antwort wissen -lassen, Junker. Einstweilen seien also alle Feindselig keiten zwischen uns eingestellt. Ich will Euch die Umkehr von einem Weg, den Ihr als falsch und entwürdigend für ein«n Edelmann erkannt habt, nicht schwerer machen, als ich muß. Wenn 'ich Euch -also in einigen Tagen einen Geistlichen nach Hohnack sende, so nehmt das als ein Friedenszeichen und als meine Einwilligung auf." „Gnädiger Herr !" „Aber, erst müßt Ihr Proben geben, daß es Euch mit der Um kehr Ernst ist. Das klebrige mache ich dann schon mit Edelinde ab." „Und laßt etwas Schriftliches dabei sein, gnädiger Herr, aus -dem ersichtlich ist, daß Ihr in di« Ehe cinwilligt. Nicht für mich, für mich braucht es dergleichen nicht, aber für die Weiber ist es immer eine gewisse Beruhigung, -so ein« getrocknete Haut in den Fingern zu haben." Damit Ivar die -Unterredung beendet. Junker Neidhart stieg nach sehr achtungsvollen Grüßen und offenbar von dem Resultat der Unterredung befriedigt, von der Mauer herunter, und Ulrich von Rappoltstein ging, ebenfalls nicht ohne -Befriedigung über di« stattgehabt« -Abmachung zu den Seinen zurück. Er hatte Aussichten, ohne Blutvergießen und ohne pecuniäre Opfer in den Wiederbesitz einer verlorenen Herrschaft zu gelangen, das war bei der im Ganzen ruhigen und praktischen Charakter- Anlage dieses Herrn schon eine Errungenschaft, über die er zu frieden sein konnte. Ob er schließlich seine Schwester für Junker Neidhart -von Hohnack aussteuern mußte, oder für Diepold von Andlau, das war ihm gleichzeitig, wenn er auch nicht verkannte, daß es mit -diesem Letzteren einer besonderen Auseinandersetzung bedürf«. IX. Sehr begierig lugte der Junker von Hohnack bald nach dieser Zusammenkunft mit seinem früheren Herrn, und, wie er hoffte, seinem zukünftigen Schwager hinunter in das Thal, um zu sehen, wie die getroffenen Vereinbarungen wirken würden. Er zweifelte noch sehr, ob die Rappoltstein'schen Reisigen sich von Burg Hohnack zurückzichen würden, weil er fürchtete, cs könnte vielleicht Diepold von Andlau gelungen sein, Herrn Ulrich eines Besseren zu belehren. Diepold war in dieser Beziehung scharf sichtiger als der eigene Bruder Edelinde's, und konnte leichter auf die kleine Verdrehung der Wahrheit kommen, die sich Junker Neidhart erlaubt hatte, als Jener. Es kam darauf an, in welchem Maße Diepold der Lieb« Edelinde'» sicher war, und Wh e» ihm gelingen würde, Ulrich von der Unwahrheit der Behauptungen des Junkers von Hohnack zu überzeugen. Aber auch selbst, wenn dienst besitzen, angenommen werden." Ferner ist darin an geordnet worden, daß die Criminalbeamten auch nach ihrer Anstellung im Criminaldienst in ibrer Tbätigkeit fortdauernd in Theorie und Praxis zu unterweisen sino unv daß diese Beamten vor Einleitung aller wichtigen Maßnahmen die Ent scheidung ihrer Vorgesetzten einzubolen haben. In der weiteren Entwickelung der Criminalsacheu sollen die Beamten ihre Vorgesetzten stets auf dem Laufenden erkalten beziehungs weise deren Weisungen einholen; in besonders wichtigen Fällen soll sogar dem Minister des Innern Vortrag gehalten werden. „Bei Vermeidung nachdrücklichster Ahndung", so bieß eS weiter, „haben die Beamten sich jede» eigen mächtigen Vorgehens, unbeschadet der Selbstständigkeit in der Ausführung ibrer Aufgaben, zu enthalten." Das sind Grundsätze, die jeder Reform in der äußeren Einrichtung der Eriminalpolizei vorangesetzt werden müssen und die da mals nicht nur in der Presse volle Billigung fanden, sondern auch in der Budgetcommission des Abgeordnetenhauses die Hoffnung erweckten, daß der Criminaldienst in Berlin zu verlässiger gestaltet werde. Was bisher bereits vorliegt, ge stattet allerdings noch kein abschließendes Urtheil über jede der bervorgetretenen Persönlichkeiten, aber es beweist immer hin, daß die an die Reformmaßnabmen des Ministers deS Innern geknüpften Erwartungen noch der Erfüllung harren. Hoffentlich gelingt es nach dem Abschluffe deS Proceffes bald, diese Erwartungen zu erfüllen. Vorkommnisse freilich, wie die finanziellen Beziehungen deS Polizei directors von Meerscheidt-Hüllessem zu einem Finanz- manne vom Schlage des Herrn Sternberg lassen sich auch durch die beste Verwaltungsorganisation nicht verhüten, weil sie ihren Grund in social-sittlichen Mißständen haben. Es wäre nicht möglich, daß ein Mann in der Stellung des Herrn von Meerscheidt-Hüllessem zu einem Sternberg gesellschaftliche und pecuniäre Beziehungen unterhielt, wenn nicht ganz allgemein der Respect vor dem Gelbsack so groß geworden wäre, daß man sich in nur zu weiten Kreisen daran gewöhnt hat, im einzelnen Falle den Besitzer eines großen Vermögens auf seine moralische Qualität hin ungleich nachsichtiger anzusehen, als früber. Auch der Harmlosen-Proceß hat das bewiesen. Das Schwinden der Einfachheit aus der „vornehmen" Welt hat zweifellos zum guten Theile die Ueberschätzung deS materiellen Besitzes verschuldet und damit ist die Abnabme der sittlichen Feinsübligkeit gefolgt. Diesen gesellschaftlichen Mißständen gegenüber versagt die Gesetzgebung; hier kann nur der freie Entschluß der Gesellschaft selbst, vor Allem ein vorbildliches Beispiel ihrer Spitzen, eine Aenderung herbeiführea. Daß die Locialdemokratie die Zustände in der Berliner Criminalpolizei gerade so wie die „Bueck-Affäre" ausnützt, um gegen die verhaßte „Bourgeoisie" zu Hetzen und ihr vorzuwersen, sie huldige einer „Moral mit doppeltem Boden", kann nicht überraschen. Während aber die bürgerliche Presse an jene Zu stände denselben moralischen Maßstab anlegt, den sie an Zustände und Vorkommnisse im Lager der „Ge nossen" anzulegen Pflegt, zeigt ein Artikel der in Köln erscheinenden Halbmonatsschrift „Deutsche Stimmen" aufs Neue, daß gerade auf socialdemokratischer Seite der „Moral mit doppeltem Boden" gehuldigt wird. Einer der jüngeren, zur positiven Arbeit hinneigenden Socialdemokraten, dcr Mann heimer Arbeitersekretär Katzen stein, hat in dem über seine Thätigteit erstatteten Jahresbericht sich nicht darauf beschränkt, in herzzerreißenden Klagetönen die Unterdrückung der Arbeiter und die himmelschreiende Ungerechtigkeit der Unternehmer zu schildern, das geschah, was konnte denn schließlich passiren? Junker Neidhart war ebenso von seiner Klugheit überzeugt, wie jeder Andere, und glaubte, mit seinen Behauptungen vor Ulrich von Rappoltstein einen Geniestreich begangen zu haben. Dieser Letztere mochte glauben, was er wollte, wenn er nur abzog und seinen Pfaffen schickte. Dann, mit der Einwilligung ihres Bruders in der Hand, wollte er Edelinde schon zwingen, wenn nöthig, mit Gewalt, sein Weib zu werden. „Sie ziehen ab", bemerkte Wolf Haßflug, der neben ihm stand. „Noch halten sie auf ihrem alten Stand, hinter dem Wald rand darunter. Ich sehe sie ganz deutlich", entgegnete der Junker. „Ich sage Euch, Junker, sie ziehen ab, wenn sie klug sind. Sie sind keine Nacht sicher vor der Burg. Und wenn sie auch glauben, daß sie von uns in Ruhe gelassen werden, so mögen sie doch jede Stünde riskiren, daß ein größerer Bauernhaufen hier oder dort erscheint, der sie auskundschaftet. Sie müssen ab» ziehen, wenn wir sie nicht in die Burg hcreinlaffen." „Warum nicht gar." „Es wäre das Dümmste nicht, Junker. Mit ihrer Hilfe könnten wir rasche Arbeit mit den Bauern machen." „Still, still. Der Schneider kommt." „In der That schritt der Hauptmann Lenz Mayer mit einer stattlichen Begleitung heran. „Nun, Herr Junker, ich hoffe, Ihr habt gute Abmachungen getroffen", begann er. „Wie steht's mit dem Lösegeld?^ Einige Secunden lang sah ihn Junker von Hohnack über legend an, als ob er im Augenblick noch nicht recht einig mit sich sei. Dann antwortete er aber prompt: „Wir werden noch einige Tage warten müssen, Herr Haupt mann." „Er hat es also zugestanden?" „Natürlich. Was sollte er weiter thun? Entweder Löse, geld oder Tod. Da blieb keine lange Wahl." „Wieviel wird er bringen?" „Dreitausend Gulden, tausend Gulden pro Kopf." „Das ist zu wenig, Junker", ereiferte sich Lenz Mayer heftig, „Das ist viel zu wenig. Unter fünftausend Gulden gebe ich sie nicht heraus." „Nur gemach, Herr Hauptmann. Ich hab« fünftausend ver langt, wie wir's vorher abgemacht haben, aber er erwiderte mir dag er eine sglH« Summe jetzt, bei den unruhigen Zeiten, nicht aiMeiden könne. Was war zu thun? Laßt ihn nur erst die dreitausend Gulden bringen. Das Uebrige wird sich schon finden."
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