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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.09.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010902021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901090202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901090202
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
- Tag1901-09-02
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«246 bluti-ea Verlauf nähme« und selbst Menschenleben kosteten. Gegen die Privatwohnung deS Präsidenten der Republik, sowie d«S Urhebers der Vorlage und Vermittlers deS Finanzgeschäftes, vr. Pellegrini, gegen die RedactionSbureaux der regierung«- freundlichen Blätter und die RegierungSgebäude wurden Angriffe unternommen und die Anarchisten nützten diese Bewegung nach Kräften auS. Es mußte der Belage rungszustand verhängt werden, um diesen Ubruhen ein Ende zu setzen. Nachdem die Ordnung hergestellt war, zog der Präsident General Roca zur allgemeinen Ueber- raschung die Vorlage zurück, die zu solchen Ereignissen Anlaß gegeben hatte. Dieser Vorgang rief um so größeres Befremden hervor, als der Präsident fehr lebhaft für dieses Projekt eingetreten war und alle Mittel auf geboten hatte, um e- im Senat durchzusetzen. Sein Vorgehen wird verschiedenartig beurtheilt. Die Einen halten de« Schritt deS Präsidenten, dem Volkswillen nachzugeben, für einen sehr weisen. Die Regierung habe dadurch einer revolutionären Bewegung, deren sie nicht hätte Herr werden können, weil sie auf die Armee nicht unbedingt zählen könne, die Spitze abgebrochen. Andere meinen, es habe sich dem General Roca darum gehandelt, sich seines Rivalen, vr. Pellegrini, zu entledigen, der auch that- sächlich mit seinen Anhängern auS der Regierungspartei aus getreten ist. Der Präsident hahe seine eigene Popularität er höhen wollen und dies sei ihm thatsächlich gelungen. Allein trotz dieser persönlichen Erfolge wird von sehr ernster Seite beklagt, daß die Unificirung und Convertirung der Staatsschuld nicht durchgeführt worden ist. Mau befürchtet hieraus nachtheilige Wirkungen für die argentinischen Finanzen. Denn daS Land leidet Mangel an Geld und muß nicht nur für den Zinsendienst große Beträge aufbriuge», sondern ist auch mit einer schwebenden Schuld belastet. Das Sparsamkeitssystem, das der neue Fmanzmiuister Avellaneda als sein WirthschaftSprogramm erklärt hat, wird in dem ans Sparen nickt ge wöhnten Argentinien kaum gelingen, neue Einnahme quellen sind nicht vorhanden und die europäischen Mnanzkreise werden nicht gewillt sein, nach den letzten Vorgängen Gelder vorzustrecken. Gerüchte, daß eine Paprergeld-Emisfion bevorstehe, sowie daß zwei Millionen Pfunde Sterling, die als Fonds für die argentinische Valuta- rrgulirung in die Bank von England eingelegt wurden, zurückgezogen werden sollen, wurden zwar sofort dementirt, allein woher Argentinien das Geld nehmen wird, dessen es unbedingt bedarf, läßt sich nicht abseheu. Der Krieg in Südafrika. * Lands«, 2. September. (Telegramm.) Lord Attchener meldet au- Pretoria: Die Verluste der Bedeckung deS bei HamanSkraal in di« Lost gesprengten Zuge- betragen außer dem gefallenen Oberstleutnant Baadrleur 9 Todte und 17 Ver wundete. Alle Verwundeten sind nach Pretoria geschafft worden. Di« Bedeckung deS Zuge» bestand auS 4b Mann. Deutsches Reich» ä Verlta, 1. September. Zn einer eingehenden Kritik über den Zolltarif-Entwurf äußern sich die ,Mitteilungen für nationalliberale Der- trarrinSmänner" über die Frage, ob über den Entwurf bereits im preußischen StaatS- ministeriwm abgestimmt sei, wie folgt: „Einst weilen läßt sich nur sagen, daß in der That ein Be schluß heS preußischen Staatsministeriums über den gesammten Entwmf nicht vorliegt, sondern daß lediglich der Minister präsident mit Genehmigung deS Königs den Entwurf an den AundeSrath gebracht hat. Vorbereitet ist der Entwurf in der sWeffe, daß der Wirthschafrliche Ausschuß auf Grund um fangreicher Erhebungen und Vernehmungen zuerst das Zoll- tariffchema ausarbeitete, dann für die Bemessung der einzelnen Tarifsätze Zug um Zug sein Votum — bei vielen Sätzen kein einheitliches, sondern Einzelvoten, abgab. Dieses Material ist demnächst im Reichsamt des Iiznern, im Reichsschatzamt, im Auswärtige» Amt und im preußischen Landwntbschaftlichen Ministerium geprüft und begutachtet worden. Es darf als zweifellos gelten, daß der Reichskanzler und Ministerpräsident, ehe er daraufhin dem Entwurf die letzte Fassung gab, über wichtig« Einzelheiten desselben auch mit dem preußischen Staats ministerium sich inS Benehmen gesetzt hat". Dann bemerken die „Mittheilungen" weiter: Der beklaaenSwerthe Mangel an Ein heit der Regierung, an dem in Preußen die Canalvorlage zweimal gescheitert ist und der auch im Reich so manche tiefe Spur hinterlassen hat, war vielleicht der zwingende Anlaß, auf eine weitere Antbeilnahme des preußischen Staats ministeriums an den Vorbereitungen zu verzichten; und die Personalveränderungen im Mai kamen wohl zu spät, um in den getroffenen Dispositionen noch einen wesentlichen Wandel eintreten zu lassen. Jetzt aber hat Graf Bülow nach seiner eigenen Versicherung das Ver- hältaiß der Reichsämter zum Reichskanzleramt so ge regelt, daß in die ihm allein zugeschriebene Verant wortung voa keinem Einzelressort eingegriffen wird; und in Preußen ist das Staatsministerium einheitlich gestaltet. Die Erwartung ist also gerechtfertigt, daß nun die wichtigste Aufgabe der WirthschaftSpoiitik, welche dem Reiche seit 1879 gestellt ist, mit der vollen Kraft und Umsicht eines homogenen, seines führenden Berufs sich bewußten Reichs- und LandeS- regimentS durchgeführt werde. * verltu, 1. September. Ueber den Mangel eines deutsch-holländischen Niederlassung - - Vertrages ist schon so oft geklagt worden, daß man glauben sollte, die von der deutschen Reichsregierung seit einigen Jahren ein geleiteten Verhandlungen müßte» endlich einmal zu einem Ergebniß führen. Neuerdings hat ein Vorfall wieder ein grelles Licht auf die vertrag-losen Zustände ge worfen. Die „Köln. Ztg." bericktet darüber: Die holländischen Behörden haben eine geisteskranke junge Frau auS dem preußischen Osten ohne jede Formalität über die Grenze gebracht und in Emmerich sich selbst überlassen. Dieses Ver fahren erinnert lebhaft an einen ähnlichen Vorfall, der sich vor einigen Jahren an derselben Stelle ereignete; holländische Beamte brachten einen geisteskranken jungen Türken nach Emmerich und ließe» ihn einfach laufen. Der junge Mann machte in sei^r Verlassenheit einen Selbstmordversuch. Man sollte eS kaum für möglich halten, daß man in Holland so wenig Menschenpflicht übt und eine geisteskranke Person, die doch unausgesetzter Bewachung bedarf, einfach auf die Straße setzt. Die in Emmerich einem ungewissen Schicksal überlassene junge Frau hat man dock nur deswegen über die Grenze gesetzt, um die Wegekosten für einige Wochen zu ersparen; längerer Zeit hätte eS für die HeimathS- behörde auch nickt bedurft, um die Kranke heimzuschaffeu. Wenn preußische Behörden mit gleicher Münze zahlen wollten, wozu reichlich Gelegenheit geboten ist, dann würben die Holländer zweifelsohne Beschwerde führen. Die preußische Regierung hat eS aber den unteren Verwaltungsbehörden ausdrücklich untersagt, in ihrem Gebiete hilfsbedürftig werdende Holländer, die für ihre Person der Bewahrung bedürfen, ohne Annahmeerklärung nach Holland zu bringen. ES läge daher doch nahe, daß Preußen beim Reiche vorstellig würde, um zu bewirken, daß Holland ähnliche Anordnungen auch für seine Verwaltungsorgane erließe. * Vertin, 1. September. (Arbeiterbewegung.) Herr v. Schulz, der bekanntlich die Einigungsverhandlungen im Anschlägerausstand geleitet hat, publicirt unter den „Mitteilungen des Gewerbegerichts Berlin" eine längere Erklärung, in der eS unter Anderem heißt: Die Anschläger stützen sich bei ihrer Handlungsweise darauf, daß sie die auf ihren Wunsch hin zwischen ihnen und den Arbeitgebern getroffene Uebereinkunft am Schluß der Sitzung widerrufen hätten. Dieser Widerruf ist dem leitenden GewerbegerichtSvorsitzenden und seinem Protokoll führer nicht verlautbart worden. Auch die Meister haben einen solchen nicht vernommen. ES mag betont werden, daß die Arbeitervertreter kurz vor der Beendigung der Sitzung, nachdem die Arbeitgeber den Vorschlag, bis Ultimo d. Z. nach dem alten Tarif zu arbeiten, gutgeheißen und ihrerseits das Verlangen bezüglich deS Zeitpunktes deS Anfangs der Tarif- berathungen geäußert hatten, nur Anstand nahmen, dieses Ver langen zu bewilligen, da so weit ihre Vollmachten nicht reichten. Wir verneinen endlich, daß der von den Arbeitern behauptete einseitige Widerruf wirklich genügt hätte, um den soeben ge schlossenen Arbeitsvertrag in sich zusammensinken zu lassen. Als Curiosum sei erwähnt, daß seit Bestehen des Gewerbegerichts zum ersten Male daS EinigungS-Protokoll von einer Partei (den Arbeitern) als ungiltig bezeichnet worden ist. . . . Nach Meinung der Anschläger bedürfe das Pro tokoll zu seiner Giltigkeit, daß dieses ihnen vorgelesen und von ihnen genehmigt würde. Die Protokolle sind bisher niemals den Parteien verlesen worden. — Zur gestrigen Mittagstafel beim Kaiserpaare Waren geladen die Professoren Moritz und Wiegand, welche auch Pläne für Ausgrabungen in Milet vorlegten. Gestern Nachmittag unternahmen der Kaiser und die Kaiserin einen Spaziergang über Belvedere, die Orangerie und Sans souci. Heute Morgen um 10 Uhr wohnten sie der Ein weihung der Neuen Capelle des Militär-WaisenhauseS bei. Heute Mittag nahm der Kaiser die Rapporte der Leib regimenter entgegen. — Kronprinz Wilhelm wird nach seiner Rückkehr von England bczw. Schottland in Potsdam eintreffen und dort einstweilen Aufenthalt nehmen; dann begiebt sich der Thronfolger in Begleitung des Obersten v. Pritzelwitz nach Königsberg i. Pr., um am 7. September der großen Kaiser parade beizuwohnen. An den westpreußischen Kaisertagen wird der Kronprinz nicht theilnehmcn. Prinz Eitel Friedrich wird nur an den Kaisermanövern in der Gegend von Danzig theilnehmen. -- — An den preußischen CultuSminister hatte der Vor stand deS Deutschen Apotheker-VereinS zwei Ein gaben gerichtet. Die eine bezieht sich auf die Einstellung von Lehrlingen in Preußen; man wünscht, daß §40 der Vorschriften über Einrichtung und Betrieb der Apo theken folgende Fassung erhalte: „Zeder Apotheken- Vorstand ist zur AuSbilung von Lehrlingen berechtigt, und zwar darf jeder, der keinen Gehilfen hat, einen Lehrling, und derjenige, welcher Gehilfen beschäftigt, für jeden Gehilfen einen Lehrling mehr einstellea. Der Regierungs präsident kann in besonderen Fällen die Ausbildung von Lehrlingen untersagen. Zn Zweigapotheken dürfen Lehrlinge nicht ausgebildet oder beschäftigt werde«." Die zweite Ein gabe hat zum Gegenstände dre Einführung einer Nacht taxe. Der Minister hat zugesagt, daß die Eingaben bei der in Aussicht genommenen Revision der Vorschriften in Erwägung gezogen werden sollen. — Wie CentrumSorgane constatiren, ist da- vom „Els. Courier" veröffentlichte Schreiben deS Cardinal-StaatS- sekretärS Rampolla thatsächlich vom 20. Zuli 1900, nicht 190 l, batirt. — Prinz und Prinzessin Adolf von Schaumburg-Lipv« haben sich von Köln o. Rh. auS über Blissingen nach London begeben. — Graf Waldersee hat sich zu mehrtägigem Besuche nach dem Schlöffe de- Grafen Henckel von Donnersmarck in Neudeck (Oberschlesien) begeben. * Königsberg, 1. September. Der JubilSnmS-Kaiser- Gottesdienst, welcker auS Anlaß deS LOOjahrigen Gedenktage- der KönigSkrönung am Sonntag, den 8. September dieses JahreS, Vormittags 10 Uhr in der Schloßkirche zu Königs- berg in Preußen stattfindet, wird sich zu einer außerordentlich .glänzenden Feier gestalten. Es nehmen daran theil: dir Generale, die Stabsosficiere der Garnison Königsberg und Deputationen der am genannten Tage in der alten KrönnngSstadt unter gebrachten Truppen, außerdem werden sämmtliche Fahnen und Standarten des 1. NrmeecorpS zu beiden Seiten deS Altars Ausstellung nehmen. Die Feldzeichen, welche bekanntlich dieser Tage in Gegenwart des Kaiserpaares im Berliner Zeughause die Weihe empfingen, werden demnächst nach Königsberg gebracht werden. Der Kaiser wird unter Vorantragung der Kroninsignien sich zu dem Gottesdienst vom Schloß über den Schloßhof nach der Kirche begeben. Auf dem Wege bis zum GotteShause bilden zwei Compagnien Infanterie und zwei EScadrons Cavallerie zu Fuß Spalier. Zn TniSbur« beabsichtigen die Vorstände der ver einigten nationalen Parteien zu Ehren des HandelWinisterS Möller am Freitag, den 13. September, einen politiscWn Unter- haltungSabend zu veranstalten, zu welchem der Herr Minister sein Erscheinen zugesagt hat. * Cassel, 1. September. Die hier zum Protestantismus tiber- getreieiic Prinzessin Marie Neuß, geb. Prinzessin von Hohen- lohe-Oehringen, hat sich erst nach 24jähriger Ehe im 53. Lebens- jahre zum Uebertritt entschlossen. Die Familie Hohenlohe. Oehringen ist zwar an sich lutherisch, aber der gegenwärtige Fürst Christian Kraft, Herzog von Ujest, ist mit einer Katho likin , einer geborenen Prinzessin Fiirstenberg, ver mählt. In Folge dessen wurden von den sieben Kindern ans dieser Ehe die drei Töchter katholisch und die vier Söhne vrotestan- tisch erzogen. Die älteste Tochter, Prinzessin Marie (geb. 1849), hatte sich 1877 mit dem Prinzen Heinrich XIX. Neuß, preußischem Divisions-General in Metz, vermählt, der natürlich, wie alle Mit glieder seines Hauses, protestantisch ist. * Breslau, 31.August. Der fünfte Zionistencong reß ist für den 26. bis 29. December nach Basel einberufen. DaS Hauptreferat hält Max Nordau über die körperliche, geistige und wirthschaftliche Hebung der Zuden. D Neuwied, 2. September. (Telegramm.) Bei der im Wahlkreise Neuwied-Altenkirchen am Sonnabend erfolgten ReichStagS-Ersatzwahl erhielten nach der „Neuwieder Zeitung" Krupp (Centrum) 8053, OsthauS (national liberal 5934 und Erdmann (S.-D.) 119 Stimmen. Da nach wäre Krupp gewählt. * Frankfurt a. M., 1. September. Staatsminister v. Miquel hat nunmehr seine Badecur in Langenschwalback beendet und ist hier wieder eingetrofsen. Sein Aussehen ist vorzüglich. * Würzburg, 1. September. Gegen die von der Stadt verwaltung beschlossene Einführung deS 8.Schuljahres auf simultaner Grundlage in hiesiger Stadt erhob daS Ministerium Einwände und stellt einheitliche Bestimmungen für die Einführung des 8. Schuljahres in Aussicht. Der Magistrat beschloß deshalb, in diesem Zahre die 8. Schul klasse nicht zu errichten, was, wie die „Franks. Ztg." meint, einem Siege des bischöflichen Ordinariats gleich zu erachten ist. * Stuttgart, 1. September. Der katholische Volks schullehrerverein hat jetzt seine Beschlüsse von der Ravensburger Plenarversammlung in einer Denkschrift zusammengefaßt, die als Petition nm eine zeitgemäße Neu gestaltung des alten Schulgesetzes vom 29. September 1836 und der hierzu gehörigen Nachtragsgesetze den beiden Kammern zugeben soll. Zur Beseitigung der geistlichen Schul aufsicht äußert sich die Denkschrift in folgender Erklärung: „Die Ortsschulaufsicht hat von ihrem Recht bezüglich der tech nischen Schulaufsicht nur in seltenen Fällen Gebrauch gemacht. Sie ist wohl durch Erfahrung zu der Ansicht gelangt, daß eine den inneren Schulbetrieb, Methode und Schulzucht fördernde Leitung nur bei langjähriger praktischer Thätigkeit in allen Schulfächern und unter genauer Kenntniß des speciellen Classenlchrplans, sowie der Vertheilung deS Unterrichtsstoffes möglich ist. Wenn die Aussicht dennoch hier und dort eingesetzt hat, konnte sie für den engeren Be trieb kaum fördernd wirke«, Vorhände« Mißstände n« selten «M dem Wege räumen". Die Forderung der BezirkSaufsicht, deren Einführung im Hauptamt verlangt wird, wird wie folgt motivirt: „Die Schulaufsicht im Hauptamt ist dringende» Bedürsuiß. Die Beaufsichtigung des gesammten Bolk-schulweseu» tu einem größeren Distrikt, die Rücksichtnahme auf vielseitige örtliche Verhältnisse, da- Eindriugen in die Eigenart der Lehrpersonen und ia die Indivi dualität rc. der Schüler, sowie die objektiv« Berücksichtigung der dienstrechtlichen Verhältnisse der BolkSschullehrrr erheischen die Voll kraft eines praktischen ManneS, da» heißt die Schulaufsicht im Hauptamt." Der ultramontanen Presse sind diese Beschlüsse natürlich höchst unangenehm. Sie greift deshalb den katholischen VolkS- schullehrerverein in heftiger Weise au, indem sie ihm nament lich Materialismus uyd Mangel au ZdealiSmuS vorwirft. * AuS Elsatz-Lothrtngen. Von der vor einiger Zeit er- theilten Erlaubniß, daß Elsaß-Lothringer, die französische Officiere sind, im Reichslande ihren Urlaub zu bringen können, wird häufig Gebrauch gemacht. Es scheint aber bezüglich der Dauer der AufenthaltScrlaubniß nicht gleichmäßig verfahren zu werden. Man erzählt sich, daß ia einem Kreise nur wenige Tage, dagegen in einem andern drei Wochen bewilligt worden sein. Oesterreich-Ungar«. Partetkun-gebung. * Prag, 31. August. Der verstärkte Vollzug»-Aus schuß der deutsch - fortschrittlichen Landtags abgeordneten beschloß die Einberufung der Vertrauens männer der Partei noch vor den Landtagswahlcn und erließ einen Aufruf an die Deutschen in Böhmen. In demselben wird vor der kürzlich von den Alldeutschen ausgegebenen Losung gewarnt, daß das bisher von den Deutschen Böhmens ein- müthig gestellte Verlangen nach nationaler Abgrenzung und Selbstverwaltung fallen zu lassen und die tschechische Mehrheit des Landes zu germanisiren sei, da eine Politik, die eine solche Fülle verhängnißvoller Täuschungen enthalte, einem Frevel am eigenen Volksthume gleichkäme. Der Aufruf weist ferner darauf hin, daß die zeitweilige Obstruktion durch Nothwehr bedingt war, und führt weiter aus, daß die so wachgerufene Kampf stimmung nicht mißbraucht werden dürfe, um blindlings nebel haften, in absehbarer Zeit vollkommen unerreichbaren Zielen nachzujagen. Der Ausschuß überläßt es ruhig der Wählerschaft, ob sie sich derjenigen Partei anschließen wolle, die den Kampf um des Kampfes willen, ohne Aussicht auf Anbahnung erträg licher Verhältnisse des Landes, ja, ohne Absicht auf deren Her beiführung, will, oder jener Partei, welche sich in harter, ernster Arbeit die Erhaltung und Sicherung des deutschen Sprachbodens und die den freiheitlichen Bedürfnissen der Zeit Rechnung tragende Fortentwickelung des deutschen Volkes in geistlicher und wirthschaftlicher Beziehung zur Aufgabe gestellt hat. Der Auf ruf betheuert schließlich das unentwegte Festhalten an den als richtig erkannten Principien der Partei, namentlich an der un verkürzten Wahrung der geschichtlich und kulturell begründeten Rechte des deutschen Volkes, an deren Dertheidigung gegen tschechische Uebergriffe und staatsrechtliche Sonderbestrcbungen sowie an der Zugehörigkeit Böhmens zum einheitlichen Reichs- verbande. Frankreich. Programm für den russischen Besuch. * Paris, 1. September. Die Minister Waldeck- Rousseau und Delcassö batten heute eine Besprechung bezüglich der Reise deS Kaisers von Rußland. Am 18. September treffen der Kaiser und die Kaiserin in Dün kirchen ein; Präsident Loubet und sämmtliche Minister begebe« sich am 17. dortbin und fabren am Morgen deS 18. an Bord deS TorpcdoschiffeS „Cassini" dem Kaiser entgegen. Nach der Landung findet Frübstückstafel statt, worauf die Abreise nach Compiegne erfolgt, wo daS Diner eingenommen wird. Am Morgen des 19. September werden der Kaiser, die Kaiserin und Präsident Loubet dem Schlußmanöver bei wohnen. DaS Frühstück wird im Manövergelände ein genommen. Nach einem Besuche der Stadt Rheims kehrt der Kaiser nach Compiögne zurück. Für den 20. ist ein Ausflug in die Umgebung von Compiözne in Aussicht genommen; ein Besuch von Paris findet nicht statt. Am Abend des 20. September ist ein großes Diner im Schlosse und Galavorstellung im Tbeater desselben; am 21. werden der Kaiser und die Kaiserin der Truppenschau bei wohnen und sodann mittels SouderzugeS die Rückreise über Pagny-sur-Moselle antreten. Sine Rede Mrline'S. * Remiremont, 1. September. Auf einem Bankett der Kriegsveteranen dss Arrondissement hielt Meline eine Rede, in welcher er sich gegen die modernen Revolutionäre wandte, welche davon träumen, die Armee in eine einfache Miliz umzuwandeln. Ze mehr man aber die Armee an greife, umsomebr trete daS Land für dieselbe ein; dies werde sich in glänzender Weise bei Gelegenheit dtS Besuche- deS Kaisers von Rußland zeigen und die Leute, welche die Armee verlästern, würden sehen, daß sie nicht im Staude seien, die Armee und daS Bündniß, auf welchem die Ruhe und Sicher- auch ein guter Mensch, und ich weiß, waS Du mir jetzt ver sprichst, das hältst Du auch. — Ich könnte dann so schön ruhig sterben." „Es wird ja noch nicht so schlimm werden, Lene", sagte der Mann, weicher al» vorher. „Dir ist nur heute gerade nicht gut zu Muthe. Aber wenn Du eS denn so gerne willst, warum soll ich Dir's nicht versprechen? Die Susanne findet leicht zehn Männer für einen, brauchst nicht zu meinen, daß die mich nicht entbehren kann." „O, die!" „Ja, die kommt schon durch die Welt, ohne Dich und mich." ^Das glaube ich auch." „Und denke nun nicht mehr an Sterben und dergleichen. Du machst einen ja ganz traurig", sagte Christian Ohle gut- mitthig. „Komm, laß mich Dir das Kopfkissen zurechtschütteln. Du sollst in der anderen Stube liegen, wo die Sonne hinein scheinen kann. Hier wirst Du ja ganz melancholisch." - „Danke, mein Mann", sagte Lene ruhig, „es ist nicht mehr der Mühe Werth. Ich werde bald Sonne genug haben. Jetzt bin ich ganz zufrieden so." „Sie sollen auch öfter nach Dir sehen, Lene." „Ach nein, laß eS jetzt nur Alles, wie eS ist." Der Mann rückte seinen Stuhl, er wollte offenbar gehen. „Christian!" Er setzte sich wieder nieder. „Ich meine wegen deS Geldes. Ich habe so viel darüber nachgedacht, ob ich ein Testament machen soll. Du weißt, wenn ich keines mache, fällt an daS Kind, was ich eingebracht habe." „Ach, laß daS doch, Lene! Die paar tausend Mark, die kann ich wohl entbehren." „Richt wahr, ich habe das auch gedacht. ES geht Dir ja jetzt gut, und man kann nie wissen, wie eS noch einmal kommt. Wenn ich gearbeitet habe, so habe ich doch dabei immer an daS Kind gedacht. WaS ich einmal mit in die Ehe gebracht habe, daS laß ihr auck sicher sein, Christian, nicht wahr?" ES klang ein wenig ängstlich. „DaS mache nur ganz, wie Du willst, Lene", sagte Christian Ohle gutmüthig. Jenes kleine Anfangskapital erschien ihm augenblicklich so unbedeutend, daß eS ihm beinahe lächerlich vor- gewmmen wäre, er seinem Kinde streitig machen zu wollen, und zudem hatte er Life doch auch lieb, und man konnte wirklich nicht wissen, wozu es einmal gut war, wenn sie ihr kleine» Eigenthum besaß. Als er dann ging, bemerkte er dak Kind nicht, daS zu sammengekauert hinter dem Bettvorhang saß, und auch die Mutter mußte von Lisr'S Gegenwart keine Ahnung haben, denn ste sagte nicht» zu ihr, sondern log ganz still. Life hatte während des Gespräches ein paar Mal hervortreten und sich zeigen wollen, sie war alt genug, um seinen Inhalt zu verstehen und zu wissen, daß eS für ihre Ohren nicht bestimmt war, und ihre ehrliche kleine Seele sträubte sich dagegen, die Horcherin zu spielen. Aber der begreifliche inständige Wunsch, zu erfahren, ob der Vater das begehrte Versprechen geben würde, und die Furcht, er möchte sie wieder an den Schultern schütteln, wie neulich, als sie ihn im leeren Gastzimmer stehend fand, den Arm um Susanne's schlanke Taille gelegt, hatte sie in ihrem Winkel zuriickgehalten, die kleinen Zähne fest in die Unterlippe gepreßt. Nicht einmal geweint hatte sie, so erregt war sie gewesen. Sie haßte die Kellnerin, neben der sie den Vater nun schon ein paar Mal so vertraut hatte stehen sehen, während er, so lange das Kind zurückdenken konnte, für die stille, sanfte Mutter nie eine Zärtlichkeit gehabt hatte, und als sie Christian Ohle'S Tritt draußen auf den Steinfliese» des Flurs verhallen hörte, da drängte der Gedanke daran, daß Susanne das Haus ver lassen wurde, für den Augenblick sogar denjenigen in den Hinter grund, daß sie die Mutter vielleicht bald verlieren könnte. Nun der Vater fort war, hätte sie hervortreten können, von der Mutter hatte sie keine Unannehmlichkeiten zu erwarten. Aber sie zaudettc dennoch ein paar Minuten. ES war so wunder lich, vor die Mutter hinzutreten, nachdem dies Alles gesprochen worden war. Unbewußt hatte das Kind die Empfindung, als wäre damit seine Stellung zu der blassen Frau verrückt worden. Als Life endlich doch geräuschlos, auf einen erschrockenen Blick der Mutter gefaßt, vor daS Bett trat, war Frau Lene in zwischen eingeschlafen. Die Hände lagen gefaltet auf der Decke; ein beinahe glück liches Läckeln spielte um den blassen Mund. Eine ganze Weile stand Life vor ihr und sah sie an. Die Mutter kam ihr so schön vor, wie niemals vorher und wie kein anderer Mensch auf der Welt. Dann schlich sie leise auf den Zehen zur Thür und schlüpfte auS dem Zimmer, und Niemand fragte, wo sie gewesen wäre — es kümmerte sich ja überhaupt Niemand sonderlich um sie. Am Abend desselben TageS fragte die Köchin sie, ob sie schon wüßte, daß Susanne am nächsten Quartalstag fortgehrn würde. Sie hätte eS vielleicht sonst schon auS dem Benehmen der Kell nerin selbst errathen können, die mit einem so bitterbösen Ge sicht umherging und sie so unsanft fortstieß, als Life ihr einmal im Wege stand, auch mit allem Geschirr so geräuschvoll bantirte, daß nicht viel Scharfsinn dazu gehörte, um hrrauSzufinden, ihr mußte etwas Unangenehmes geschehen sein. Auch Christian Ohle war nicht in der besten Stimmung. Vielleicht mochte er selbst denken, daß er die Kündigung nicht gar so sehr hätte zu beeilen brauchen. Eigentlich war er ein Narr gewesen. Die Susanne nicht zu heirathen, das hatte er versprochen, nicht aber, sie sofort ihrer Wege zu schicken. Aber er war sich am Nachmittage allzu armensunderhaft, allzu jämmerlich vorgekommen, als er das Hinterzimmer verließ. Was war es denn schließlich gar so Arges, wenn er das hübsche, kecke Ding einmal um die Taille faßte, oder ihm gelegentlich einen Kuß gab? Er war sich wirklich nicht bewußt, den Tod seiner Frau, die er gar nicht für sehr krank, nur für ein bischen schwach und überarbeitet hielt, deshalb herbeigewünscht, oder gar auf ihn ge rechnet zu haben. Auf seine Art hatte er ja von Frau Lene immer etwas gehalten, wenn er auch nie verliebt in sie gewesen war. Sein Gewissen fühlte sich wirklich nicht sehr belastet. Uebrigens, mochte er nun Frau Lene's Tod herbeigewünscht haben oder nicht, jedenfalls gmg es mit raschen Schritten zu Ende mit ihr, obschon Christian Ohle, um keine Pflicht zu ver säumen, zu dem ersten Arzte noch einen zweiten hinzuzog. Es kostete viel Geld, natürlich, aber die Leute sollten nicht sagen, er hätte nicht gethan, was in seinen Kräften stand, um seine Frau am Leben zu erhalten. Einen anderen Nutzen hatte es allerdings nicht. Der zweite Arzt zuckte mit den Schultern, wie es der erste gethan hatte, und sie konnten Beide mit einander nicht einmal einen vernünftigen Namen für die Krankheit angeben. „All gemeine Erschöpfung der Lebenskräfte" — was konnte man sich dabei denken bei einer Frau in den besten Jahren. Frau Lene löschte einfach langsam aus, wie ein Licht, das seine kleine, kurze Spanne Zeit brennt und es hell macht nach feinem bescheidenen Vermögen, und dann erlischt, und man zündet ein anderes an und fragt weiter nicht viel darnach. Ein dünnes, kleines, unscheinbares Lichtchen war sie gewesen, keine vornehm strahlende Kerze, ein Lichtchen, nach dessen Verschwinden eS nicht sonderlich dunkler wird rings umher, und vielleicht nur ein Auge, das sich gerade an dieser einen Flamme unter allen anderen erfreute, vermißte ihren stillen Schein schmerzlich. An einem freundlichen Sommernachmittage wars. Life hatte das Fenster in der Hinterstube, an dem sie saß und arbeitete, ein wenig geöffnet, damit die gute Luft von draußen hereinkommen möchte. Es war ein heißer Tag, dem Kinde fielen in dem stillen Raume bei der etwas langweiligen Schreiberei allgemach fast die Augen zu. Eine große Biene fummte im Zimmer umher, und der leise, einförmige Ton machte Lise's Gedanken immer noch müder. Sie legte die Arme auf daS offene Schreibbuch und den schweren Kopf darauf. Einen Augenblick nur — sie — wollte — gleich wieder wach sein. „Life!" ES war nur leise und schwach gesprochen, aber das Kind fuhr beinahe völlig ermuntert empor. „Bist Du noch da, Life?" „Ja, Mutter, hier!" sagte das Kind und strich sich die dunklen Haare aus der Stirn. „Kannst Du Vater nicht rufen? Ich glaube, ich sterbe, Lise!" „O Gott, Mutter, nein!" rief das Kind, und es war, atz schnürte ihr etwas die Kehl« zu. „Es ist mir so", flüsterte die Frau mühsam, „so war es noch nie. — Den Vater — schnell — und komm zurück, sobald Du kannst. — Laß mich hier — nicht allein — sterben!" Kaum wars verständlich, was sie sagte, List mußte das Ohr tief zu den flüsternden Lippen herabneigen. „Nein", sagte sie, unbewußt die Hände zusammenkrampfend, „stirb nicht — o, stirb jetzt nicht, Mutter!" Der Blick der Sterbenden glitt langsam nach der Thür. „Ja, ich gehe schon!" Das Kind eilte aus dem Zimmer, so schnell es die bebenden Knie trugen. Auf dem Flur war der Vater nicht, auch nicht im Gastzimmer. Unter anderen Um ständen hätte Lise vielleicht nach ihm gerufen. In diesem Augen blicke, wo der unheimliche Tod über des Hauses Schwelle schritt, hätte sie keinen lauten Ton über die Lippen bringen können, und wenn es ihr eigenes Leben gegolten hätte. Das Gastzimmer war leer. Nur die Fliegen surrten an den Fensterscheiben deS heiß durchsonnten Raumes. Um diese Nachmittagsstunde gab eS keine Gäste. Wo war denn der Vater — warum mußte er gerade jetzt nirgends zu finden sein! Sie eilte durch alle Zimmer des Hause», die ihr zugänglich waren. In der Küche saß die Köchln und spickte träge einen großen Kalbsbraten für den nächsten Tag. „Was ist Dir denn in den Kopf gekommen, Life, Du siehst ja aus wie ein Gespenst?" sagte sie, phlegmatisch von ihrer Arbeit emporsehend. „Vater", murmelte Lise, sich die trockenen Lippen mit der Zunge netzend. „Ja, daS mag der Himmel wissen, wo Dein Vater ist. Vor hin, dünkt mich, sah ich ihn in den Keller gehen." DaS Kind eilte dorthin. „O Gott, schnell!" hatte die Mutter gesagt, und wie viele Minuten mochten nun schon vergangen sein mit fruchtlosem Suchen? Die Kellerthllr stand angelehnt. Sie stieß sie auf, und die feuchtkalte Luft strömte ihr entgegen, ikr nach der Hitze oben für einen Augenblick fast den Athem nehmend. Es war dämmerig in dem Raume; das Auge fand sich nicht gleich zurecht; sie stolperte über etwa«, ohne nachzusehco, waZ eS war. „Vater — Vater!" rief sie halblaut. Selbst hier, von der Mutter so weit entfernt, hätte sie nicht schreien können. (Fortsetzung folgt.)
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