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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.11.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001113011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900111301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900111301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-11
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Mitt nacht, der so gern bis an sein Lebensende als Leiter der württem- bergischcn Politik weiter gewirkt hätte — „ein gutes Pferd stirbt in den Sielen" —, sah sich genöthigt, auf seine ungewöhnliche Machtfülle als Ministerpräsident, Verkehrsminister, Minister des Auswärtigen, Minister des königlichen Hauses und Ordenskanzler zu verzichten und sich ins Privatleben zurückzuziehen. Er zählt freilich schon 70 Jahre und steht bereits seit einem halben Jahr hundert im politischen Leben, auch haben schwere Erkrankungen in den letzten Jahren seine Gesundheit geschwächt, aber trotz alledem kommt sein Rücktritt überraschend, zumal Mittnacht vor drei Wochen nach einigem Zögern die Mergentheimer Caudidatur für die Neuwahlen zum Landtage wieder annahm und vor zwölf Tagen in der Abgeordnetenkammer bei der Debatte über die Bcbenhäuscr Convention noch mit gewohnter Frische, Gewandt heit und Energie eingriff. Sein starker Wille schien alle Be schwerden des Alters niederzuzwingcn und sein Tätigkeitsdrang keinen Wunsch nach Ruhe aufkommen zu lasten. Erzählt man sich doch, daß Mittnacht selbst in den Tagen seiner schweren Er krankung im letzten Frühjahr, da er von heftigem Fieber befallen war, die laufenden Geschäfte als Ministerpräsident trotz aller Einwendungen seines Arztes und seiner Familie hartnäckig weiter besorgt habe. Wie schwer mag es diesem zähen, uner müdlichen Staatsmanne geworden sein, vom Schauplatze seines langen erfolggekrönten und machtvollen Wirkens abzutreten! Ein zunehmendes unheilbares Augenleiden und das böse liebel häufiger Schlaflosigkeit sollen ihn dazu genöthigt haben. Zeichendeuter und Gebärdenspäher wollen freilich wissen, daß auch gewisse politische und persönliche Verstimmungen zu dem Ent schlüsse des Rücktritts bcigetragen hätten. Es lohnt sich aber nicht, auf die mancherlei Vermuthungen und Combinationen einzu gehen. Daß Mittnacht sich gerade jetzt, wo die Neuwahlen be vorstehen und das politische Leben in Württemberg an einem Wendepunctc angelangt ist, im Hinblick auf seine thatsächlich sehr angegriffene Gesundheit zurückzieht, läßt sich wohl verstehen. Daß das ohne seine Schuld erfolgte Scheitern der drei großen Ne- formentwürfe (Verfassungsrevision, Verwaltungsreform und Steuerreform), für die er noch seine ganze Kraft eingesetzt hatte, dazu beigetragen habe, jenen Entschluß reifen zu lassen, ist aller dings anzunehmen. Es ist eine glänzende Laufbahn, auf die Mittnacht zurückblickt, reich an Arbeit und Erfolgen. Aus gährendeu Zuständen heraus hat der kluge, umsichtige und energische Staatsmann Württem berg in eine Bahn besonnenen Fortschritts und frohen Ge deihens geführt. Seine Thätigkeit ist nach allen Richtungen hin eine ersprießliche und segensreiche gewesen. Mit allen gesetzgebe rischen Maßnahmen in unserem Lanve ist sein Name auf das Innigste verknüpft. Welch' bedeutenden Antheil Mittnacht an der Gründung des deutschen Reiches genommen, ist bekannt. Seinen Bemühungen und seinemEinflusse hat das große Werk der natio nalen Einigung außerordentlich viel zu verdanken. Und in den drei Jahrzehnten, die seit jener großen Zeit verrauscht sind, hat Mttnacht redlich für sein Theil weiter mitgearbeitet an der Festigung des Reiches und an der Pflege des nationalen deutschen Gedankens. Im deutschen Bundesrathe, dem Mittnacht von der ersten Sitzung an zugehörte, entfaltete er eine erfolgreiche Thätig keit. Hans v. Poschinger nennt ihn in seinem „Fürst Bismarck und der Bundesrath" einen der bedeutendsten politischen Kämpfer, auf den Bismarck viel hielt, und bemerkt weiter: „Der Minister reines der anderen Staaten Hot dort eine so bedeutsame Thätig keit entfaltet, wie Mittnacht." Im Reichstage hat Mittnacht selten gesprochen, aber stets mit großem Geschick. Im württem- bergischen Landtage bewährte er sich noch jüngst als der beste Redner, stand er als Debatter noch immer unerreicht da. Mit bewunderungswürdiger Grazie und Eleganz focht er noch in seinen alten Tagen mit dem Worte und handhabte namentlich die scharfgeschliffenen Waffen des Witzes, der Ironie und des Sarkasmus mit Meisterschaft. Es war ein solcher Genuß, seiner Polemik zuzuhören, daß die Sage geht, selbst diejenigen Personen und Parteien, die er parlamentarisch abschlachtete, empfänden über die technische Gewandtheit, mit der er dies vollzog, ein so zusagen wissenschaftliches Vergnügen. Mittnacht sprach fast immer in klarer, wohlberechneter Kürze; jeder Satz schien so for- mulirt, als wäre er zuvor mit größter Ueberlegung und nach mannigfacher Correctur in die Reinschrift gebracht. Nur selten stürzten seine Worte rasch oder aufgethürmt daher, und doch er wiesen sie sich immer wirksam, oft hinreißend und begeisternd. Ueber 33 Jahre Minister! Eine so lange Ministerlauf bahn steht in der Geschichte einzig da. Sie ist sogar länger als die Bismarck's. Eine ganze Reihe von Collegen sank neben ihm von den Ministersesseln in den Ruhestand oder in das Grab; Mittnacht blieb: ss'? ouis — regtel Noch vor Kurzem wies er die in der Presse aufgetauchte Behauptung, er trage sich mit Demiflionsgedanken, entschieden zurück. Nun hat er sich doch zu seinem Rücktritt entschließen müssen. Ein ausgezeichneter Staatsmann, ein makelloser Charakter, ein glühender Patriot, ein treuer Diener und weiser Rathgeber seiner Könige — so scheidet Mittnacht aus dem Amte und der Dank aller aufrichtigen Vaterlandsfreunde folgt ihm nach. DaS württembergische Volk schließt sich dem herzlichen Wunsche an, mit dem der König sein Antwortschreiben auf Mittnacht's Demissionsgesuch schloß: „Möge der Allmächtige, der Ihre Arbeit so reich und sichtbar ge segnet hat, Sie auch ferner in seine gnädige Obhut nehmen und noch recht lange im Kreise Ihrer Familie die wohlverdiente Ruhe gemeßen lassen!" Mittnacht's Rücktritt bedeutet selbstverständlich keinen System wechsel. Die württembergische Politik wird im Mittnacht'schen Sinne weitergeführt werden. Ob Kriegsminister Frhr. Schote v. Schottenstein, der als dienstältester Minister mit Wahr nehmung der Functionen deS Präsidenten des Staatsministeriums betraut wurde, dauernd daS Präsidium behält, ist noch unbe- stimmt. Der neue Minister des Auswärtigen und des königlichen HauseS, Frhr. Julius v. Soden, gilt als sehr begabter und vertrauenswürdiger Mann. Sowohl nationalliberale wie demo kratische Blätter begrüßen ihn mit freundlichem Wohlwollen. Freiherr v. Soden steht im 84. Lebensjahre; von seinen Jugend zeiten her steht er mit König Wilhelm, mit dem ihn auch studentische Bande auf der Göttinger Hochschule verknüpften, in näheren Beziehungen. Nach langjährigem diplomatischen Wir ¬ ken übernahm er 1885 den Gouverneurposteu in Kamerun und 1891 die Gouverneurstelle in Deutsch-Ostafrika. Im Mai dieses Jahres berief ihn der König zum Chef des königlichen Cabinets. Die Wirren in China. Die Eoufercnzen der Gesandten. Den einheitlichen Willen der Mächte festzustellen und fest zu umgrenzen, ist jetzt zunächst die Aufgabe der Diplomatie. Die Verhandlungen werden darüber zwischen ven Gesandten in Peking geführt, und nach Allem, was man hört, ist, wie die „Köln. Ztg." osficiös nntthcilt, bereits in einer Reihe wichtiger Puncte wesentliche Uebereiuslimmung erzielt worden. Das gilt für die Forderungen der Hinrichtung der Hauptschuldigen Mandarinen und Prinzen und die Be aufsichtigung der Vollstreckung dieser Strafen durch Vertreter der Mächte; das gilt weiter für die Forde rungen der grundsätzlichen Entschädigung sowohl der einzelnen Negierungen für die aufgewandten Expedilionskosten, wie der Privatleute, Missionen rc. für die erlittenen Beschädigungen und Verluste, weiter für die Forderung der dauernden Be lassung ausreichender Schutzlruppen für die Gesandtschaften in Peking, für die Schleifung der Takuforts, für eine genügende Sicherstellung der regelmäßigen Verbindung zwischen Peking und dem Meere. In allen diesen Fragen ist bereits jetzt erfreuliche grundsätzliche Ueberein- stimmung erzielt; über weitere Forderungen einzelner Mächte schweben noch die Verhandlungen. Aber auch über sie rst eine Verständigung mit Sicherheit zu erwarten, wenn auch der Gang ter Verhandlungen durch die erforderlich! werdenden telegraphischen Rückfragen der Gesandten bei ihren Negierungen und der Cabiiutte untereinander natürlich nur langsam ist. Daß über diese Verhandlungen, so lange sie schweben, tbunlichst wenig in die Oeffentlichkeit gebracht wird, ist selbstverständlich; denn an Versuchen der im AuS- lande weilenden chinesischen Diplomaten, überall einzuhaken, wo sich Meinungsverschiedenheiten vcrratben, bat es in den letzten Monaten wahrlich nicht gefehlt. Man wird iudeß gut thun, alle diese Versuche, Uneinigkeit zu stiften, nicht allzu tragisch zu nehmen, denn die leitenden Staatsmänner sind sich mehr als je darüber klar, daß sich lediglich bei Aufrecht erhaltung voller Einigkeit der Mächte eine glatte Erledigung der jetzigen Wirren und eine erfolgreiche Verhinderung ihrer vorzeitigen Wiederkehr erzielen lassen wird. Deshalb sind insbesondere auch alle Ausstreuungen der chinesischen Unterhändler, welche die Beschleunigung der Ver handlungen zum Ziele haben und nicht minder die sensationellen Meldungen gewisser englischer und russischer Blätter, welche den russisch-englischen Gegensatz in Oslasien gern in den Vordergrund stellen möchten, nicht besonderer Beachtung Werth. Thatsächlich haben die Verhandlungen der Mächte mit den chinesischen Unterhändlern überhaupt noch nicht begonnen; die Vollmachten der letzter» sind sogar nicht anerkannt und die Prüfung dieser Voll machten wird noch große Vorsicht und Sorgfalt erheischen. Sie wird erst eintreten können, nachdem die Mächte sich voll ständig über das Programm geeinigt habe» werden; die von ihnen diesem Programm entsprechend ausgestellten grundsätz lichen Forderungen werden dann die Chinesen unverkürzt und glatt anzunehmen haben. Militärische Operationen. Feldmarschall Graf Waldersee meldet unter dem 8. November nach Berlin: Major Graham vom 1. Ost asiatischen Infanterie-Regiment ist mit 2 Compagnien Infanterie, 2 Schwadronen Reitern und 2 Batterien Artillerie von Tieutsin über Tschunging und Heiang-Ho-Hsian (55 bez. 70 km nördlich von Tientsin, auf dem linken Peiho- Ufer), wo eS zu einem leichten Zusammenstöße mit be rittenen Boxern kam, in Tungpa (12 km östlich von Peking) und in Sunbo (14 km nordöstlich von Peking) eingetroffen. Die russischen Truppen hatten nördlich von Shanhaikwan ein glückliches Gefecht gegen 6000 Boxer unter einem Verluste von 4 Tobten und 61 Verwundeten. — Feldmarschall Graf Waldersee meldet weiter unter dem 9. November: Englische Colonnen sind von Paotingfu unter General Richardson über Jung-tschung^ Iung-tsing und Lang fang nach Peking und unter General Campbell über Jonnkiu und Wönugan nach Tientsin zurückgekehrt. General Campbell zerstörte mehrere Boxerlager. Die Ausreise des LazarethschisfcS „Gera". Ueber die Ausreise des Lazarethschiffes „Gera" gehen uns von hochgeschätzter Seite folgende Nachrichten zu: „Die Reise war durchweg vom Wetter sehr begünstigt. Auch im Rothen Meere wurden übermäßig hohe Temperaturen nicht beobachtet, so daß Exercitien und Uebungen der Mannschaften regelmäßig stattfinden konnten. Für das militärische De tachement der „Gera" waren täglich Dor- und Nachmittags Musterungen angesetzt. Ferner wurden, so weit die Leute nicht mit Arbeitsdienst beschäftigt waren, Freiübungen, Gewehr- und Revolver-Excercttien, Unterricht im Signaldienst und In struction über militärisch«, geschichtliche und geographische The mata abgehalten. Das Sanitätsperson al (Sanitäts- unterofficiere und freiwillige Krankenpfleger), daS regelmäßig an den Musterungen und Instructionen Theil nahm, wurde außerdem in allen Zweigen theoretisch und soweit dies angängig praktisch ausgebildet. So wurde unter An derem das Beladen und daS Entladen der Boote mit Verwundeten, die Uebernahme von Verwundeten auS den Booten an Bord, der Transport Verwundeter von Deck zu Deck, und in den Decken mit und ohne Fahrstuhl, geübt. Als Transportmittel fanden Krankenhängematten und Kranken tragen des Armee- und Marinemodells, besonders aber Schwingekojen Verwendung, für deren Uebernahme mittels Lade baum eine besondere Heihvorrichtung hergestellt und praktisch er probt wurde. Ernstere Krankheiten kamen nicht vor. Der Ge sundheitszustand war durchweg gut, abgesehen von einigen Verdauungsstörungen, welch« auf das plötzliche Ein setzen der Hitze zurückzuführen sind. Bon Port Said ab wurde die Tropenroutine angewandt. An di« in den unteren, sehr heißen Räumen schlafenden Leute wurden Netzhängematien ver- theilt und ihnen Schlafplätze in den Krankensälen angewiesen. Auf dem Verdeck war eine größere Douche-Einrichtung gebaut, welche das gleichzeitige Baden von ca. 12 Mann ermöglichte. Das gesammte Detachement badete vor dem Frühstück und nach dem Abendbrod. In den Häfen fanden reichliche Beurlaubungen statt. In jedem der anzelaufenen Häfen kam eine große Zahl von Be suchern, meist Aerzten, an Bord, welche die Lazaretheinrichtungen der „Gera" besichtigten. Besond ers rege war die Be sicht i g u n g i n M a l t a, wo das gesammte englische Mittel- meergeschwader lag. Bald nach dem Einlaufen der „Gera" kam im Auftrage des Geschwaderchefs, Viceadmirals Sir John Fisher, dessen Chef des Stabes Capitän Tyewhitt, und sein Flaggleutnant, an Bord, welche das Schiff auf das Eingehendste in allen Theilen besichtigten und ihrer Bewunderung über die nach ihrem Urtheil mustergiltige und be wunderungswürdige Ausstattung und Ein richtung desselben offen Ausdruck gaben. Der Capitän bat sodann, die Besichtigung den englischen Officieren und Aerzten zu gestatten. In Folge dessen waren in den nächsten Tagen zu diesem Zwecke über 50 englische Sceofficiere und Aerzte an Bord. Außerdem kam der gesammte Gesundheitsrath von Malta (Public Health Departement) und eine größere Anzahl von Civilärzten an Bord. Besonderes Interesse erregten bei den Besuchern der Sterilisationsapparat mit elektrischer Heizung und der Röntgenapparat. Während des Aufenthaltes in Port Saio lief dort das fran- z ö s i s ch e L a z a r e t h s ch i f f „N o t r e D a m e d e S a l u e" ein. Der gesammte Stab dieses Schisses, bestehend aus drei Delegirten vom Rothen Kreuz (Maltheserrittern), drei Aerzten, darunter ein Marinearzt als Chefarzt, und zwei Apothekern, be sichtigten die Einrichtungen der „Gera". Nach der Besichtigung verweilten die französischen Aerzte noch über eine Stunde an Bord, gaben wiederholt ihrer Anerkennung über die ausgezeich neten Einrichtungen der „Gera" Ausdruck und baten darum, letztere für die Einrichtung ihres Schiffes, da» erst nach der An kunft in China zu Lazarethzwecken umgedaut werden soll, wäh rend es gegenwärtig als Transportoampfer diente, zum Muster nehmen zu dürfen." Der Krieg in Südafrika. Ebbe nnd Fluth des Krieges. Unter diesem Titel schreibt die „Army and Navy-Gazette" in ihrer Ausgabe vom 10. d. M. wie folgt: „Lord Roberts hat constatirt, daß unverkennbare Anzeichen von Entmuthigung der Boeren vorlägen, und daß Munition und Lebensmittel beim Feinde sehr knapp seien. Es wäre schön, wenn sich dies that sächlich so verhielte, und wenn das Ende des Guerilla-Krieges demnach bevorsiände, aber bisher hat sich diese Entmuthigung der Boeren als ein äußerst langsamer Proceß mit sehr ent täuschenden Resultaten erwiesen, selbst wenn jetzt in elfter Stunde die Nachricht von der verhältnißmäßig schweren Nieder lage De Wet's bei Bothaville in Betracht zu ziehen ist. Nun haben jedoch die Boeren immer, seitdem das Kriegsglück ihnen untreu wurde, ihre Niederlagen mit dem denkbar größten Stoi- cismus ertrugen, zumal ihre brillant: Mobilität es ihnen fast immer ermöglichte, vollständige Vernichtung durch zeitigen Rück zug zu vermeiden, und dann an anderen Stellen in neuer For mation in kühnem Wagemuthe überraschend wieder aufzutauchen. Die größere Anahl der noch im Felde stehenden Feinde besteht zweifellos aus unversöhnlichen Burghers, aus Caprcbellen oder solchen Boeren, die den Neutralitätseiv gebrochen haben und nun die Strafe fürchten, sowie aus den Ueberbleibseln der fremden Söldner(?)-Schaaren. Ein derartiges Sammelsurium von Desperados wird immer ein dankbares Auditorium bilden, wenn Präsident Steijn seine anfeuernden Reden hält uns seinen Leuten in bekannter Weise mit den verwegensten Versprechungen und Lügen (?) Muth einzuflößen sucht. — Jedenfalls könnei wir darauf rechnen, daß diese Guerillabanden das Feld be haupten und unsere Truppen belästigen werden, so lange sie ihre Bandoliers mit Patronen füllen können. Haben sie auf diese Art genügend Munition für ihre Mauser- oder Martini-Henry- Büchsen, so können sie auch ohne viele Schwierigkeit durch die üblichen Raub- und Plünderzllge sich die nöthige Verpflegung besorgen und sich ihren Pferdebestand nach Belieben ergänzen. Es ist ein schlagender Beweis für die Voraussicht der früheren Gouvernements der beiden Republiken, daß seiner Zeit die riesigen Munitionsvorräthe, die von Außen eingefllhrt und im Lande selbst hergestellt wurden, systematisch und sorgfältig über beide Länder vertheilt worden sind und jetzt den einzelnen CommandoS zu Gute kommen, welche auf eigene Faust und fast ohne jeden Train die Feindseligkeiten fortsehen. Die schlauen Boeren haben eben von vorne herein mit der Möglichkeit gerechnet, daß sie auf diese Art der Kriegführung angewiesen sein würden, und des halb muß es jetzt die wichtigste Pflicht unserer Militärbehörden in den occupirten Ländern sein, die genauesten Nachforschungen nach verborgenem Kriegsmaterial anzustcllen, und zwar gerade so systematisch, wie die Boeren ihre für uns bis jetzt unauffind baren Verstecke angelegt haben. Es muß auf jede Art und Weise ermöglicht werden, alle Zufuhren an Munition u. s. w. abzu schneiden und jede Ergänzung der feindlichen Kampfmittel un möglich zu machen, sonst ist das Ende des Krieges unabsehbar." Die Voeren-Ninwanderung in Lüdwcstafrika ist eine für unsere Colonie ungemein wichtige Frage, die schon früher auf der Tagesordnung stand, jetzt aber durch die Er eignisse in Transvaal ganz in den Vordergrund gerückt ist. Da in manchen Gegenden unserer Colonie die allgemeinen Verhält nisse ganz ähnlich liegen wie in Transvaal, so unterliegt es keinem Zweifel, daß wir mit Boeren-Einwanderern Elemente gewinnen würden, die über große Erfahrungen verfügen und unserem Lande wirthschaftlich nützlich sein würden. Auf Grund dieser Ueberzeugung sind schon mehrere hundert Boerenfamilien ausge nommen worden, und im Grundsätze ist man, wie offciös versichert wird, auch fernerhin bereit, den Boercnzuzug unter gewissen Vor aussetzungen zu erleichtern. Dahin gehört vor Allem (was auch wir schon gefordert haben), daß die Einwanderung nicht so stark werden darf, daß sie etwa dendeutschenCharakter der Colonie in Frage stellen könnte. Auch würden die Boeren jedenfalls Sicherheit geben müssen, daß sie sich in Allem den deutschen Gesetzen unterwerfen, und daß, wenn nicht sie selbst, so doch jedenfalls ihre Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit annehmcn müßten. Zu erwägen wird auch die Frage sein, ob man die Bildung boerischer Sammelpuncte zulassen soll, oder ob man besser thut, die Ansiedler möglichst auf alle diejenigen Be zirke zu Vertheilen, die nach Bodenbeschaffenheit und sonstigen Verhältnissen für diese Art der Ansiedelung besonders geeignet sind. Die Wichtigkeit dieser Frage wird in Regierungskreisen nicht verkannt, und es wird ihr volle Beachtung zugewandt. Deutsches Reich ¬ st Berlin, 12. November. Die Geschäfte der An siedelungscom Mission für West Preußen und Posen gestalten sich immer schwieriger. Während anfänglich der Antauf von Großgrundbesitz aus polnischer Hand leicht war, ist es jetzt beinahe unmöglich geworden, von Polen zu An- siedelungszwecken geeignete Güter zu erwerben. Die nationale Zähigkeit und Entschlossenheit, mit der die Polen selbst unter schwierigen wirthschastlichen Verhältnissen an ihrem Besitze fest halten, namentlich wenn er andernfalls in deutsche Hände llber- zugehen droht, könnten sich manche Deutsche in den zwei sprachigen Landestheilen zum Beispiel dienen lassen. Denn be dauerlicher Weise sind umgekehrt die Fälle nicht selten, in denen Großgrundbesitz aus deutschen in polnische Hände, selbst um vcr- häitnitzmäßig geringen materiellen Gewinn, übergeht. So lange die deutschen Großgrundbesitzer nicht im Ganzen so fest mit jenen Landestheilen zusammenwachsen, wie die Polen, werden diese in dem Wettstreite der Nationalitäten immer den Vorsprung haben. Ebenso begegnet die Aufgabe, welche sich die Staatsregierung in jüngster Zeit hat stellen können, mit finanziellen Auf Wendungen auf die Erhaltung und Stärkung der vorhandenendeutschenBauernschaften, nament lich in den noch nicht überwiegend polonisirten Landestheilen, hinzuwirken, den größten Schwierigkeiten. Gerade in diesen Landestheilen ist die großpolnische Agitation bekanntlich plan mäßig bemüht, deutsche Bauerngüter, deren Besitzer sich nicht zu halten vermögen, anzukaufen und an Polen weiter zu vergeben. Dasselbe Mittel zur Verteidigung des deutschen Besitzstandes anzuwenden, ist aber außerordentlich schwer, weil es nur l-ld ' gelingt, in polnischen Händen befindliche Bauerngüter, auch wenn deren Besitzer sich nicht halten können, käuflich zu er werben. Auch bei dem Erwerb in schwacher Hand befindlicher deutscher Bauerngüter muß mit außerordentlicher Vorsicht und mit Umsicht, Local- und Personalkenntniß vorgegangen werden, wenn man nicht Gefahr laufen will, anstatt die deutschen Besitzer im Lande zu erhalten, sie zur Veräußerung ihrer Besitzungen an zureizen. Da die Staatsrcgierung sich aber durch solch: Schwierigkeiten von der Verfolgung der Absicht, den deutschen Bauernstand in den Ostmarken auch durch finanzielle Auf wendungen zu halten und zu stärken, nicht abbringen lassen wird, liegt es in der Absicht, locale Organisationen, durch welche die nöthige Orts- und Personalkenntniß repräsentirl wird, bei diesen agrar- und nationalpolitischen Maßnahmen mitwirken zu lassen. * Berlin, 12. November. Ueber Autosuggestion als eine Gefahr für die Rechtspflege bringt die neueste Nummer der Soergel'schen Rundschau für den deutschen Juristenstand, „Das Recht", einen sehr beachtenswertsten Aufsatz, der gerade jetzt von actueller Bedeutung ist und dadurch noch an Wirksamkeit gewinnt, daß er aus der Fiber eines alten und erfahrenen Richters, des Breslauer Ober- landcsgerichtSraths Wilutzky, stammt. Nachdem Wilutzty dargclegt hat, daß die Autosuggestion, die täuschende Einflüsse rung aus dem eigenen Innern, so alt wie das Menschengeschlecht selbst ist und unbewußt mehr oder minder jeden Menschen be einflußt, führt er wörtlich tveiter aus: Wie steht es in solchen Fällen mit der Eidesleistung- Unser Mann hat sich selbst die Wahrheit seiner Behauptungen eingeredet und ist von ihnen über zeugt, er wird sie auch unbedenklich beschwören. Nun vergegen wärtige man sich in solchem Falle die Gefahr der noth- gedrungenen Kürze unserer Eidesformeln, die nur — ohne das bei den Zeugenaussagen zur Sprache kommende Drum und Dran — die nackten Parteibehauptungen bringen können. Nehmen wir z. B. die Behauptung einer Vereinbarung! Es ist doch offenbar, daß eine Vereinbarung in sehr vielen Fällen nicht in der Weise zu Stande kommt, daß zwei Menschen sich hinstellen und klare und zweifellose Worte mit einander wechseln, sondern sehr häufig ist sie das Ergcbniß von Besprechungen, Unter redungen, Gesprächen, die sich Taye, ja bei wichtigen Gegen ständen mitunter Monate hindurchziehen. Hier wird allerdings ! das Fragerecht, besser die Fragepflicht, des Richters vielfach I aushelsen. Aber wie oft läßt sich nach Jahren dir Masse "der gepflogenen Verhandlungen nicht mehr in wunschenswerther Weise detailliren; jede Partei steht einfach auf dem Stand punkte: es ist in unseren Besprechungen dies und das vereinbart worden. Aus der ursprünglichen Fülle der Unterredungen aber das wirklich Vereinbarte, den ernstlichen, beiderseits gewollten Vertragswillen herauszuschälen, wird oft dem unvetheiligten Juristen nicht leicht werden, geschweige denn der Partei, die sich in Folge der allmählich vollzogenen Täuschung ihres Gedächt nisses das Wesentliche zum Unwesentlichen, das Unwesentliche zum Wesentlichen gestaltet hat. Sie beschwört nicht eine That- sache, sondern eine Schlußfolgerung aus einer ganzen Menge von Thatsachen. Man täusche sich doch nicht! Der Buchstabe der §8 445, 475 C.-P.-O., wonach nur Thatsachen der Gcgcn- stand der Eidesleistung sein dürfen, ist in vielen Fällen nichts als ein Selbstbetrug des Gesetzgebers wie des Richters. Die „Thatsache" ist — ebenso wie die „Sache" (H 90 B. G.-B.) in Wirklichkeit aus unzählbaren Atomen besteht — oft nur das Product einer Menge von Thatsachen. WaS für ein zwei schneidiges Mester ist dann aber der Eid, in Wahrheit ein Ur theil — und das Urtheil eines Manne-, dessen Urtheilsvermögen durch Autosuggestion irregeleitet ist! (-) Berlin, 12. November. (Telegramm.) Zur gestrigen FriikstückStasel beim Katfcrpaare waren noch geladen Hof prediger Wendlandt und LegationSrath Frbr. v. Oppen heim, dcr dem Kaiser zuvor ein Album mit photographischen Aufnahmen auS Kleinasien vorgelegt batte. Bor der Tafel halte der Kaiser den Generaldirector der Berliner ElektricitatS- werke Geheimen Bauratb Rat den au in Audienz empfangen. Den Nachmittag verbrachte der Kaiser im Arbeitszimmer. Zur Abeudtafcl waren General L la snito von Scholl und Ge« mahlin und Oberst von Pritzrlwitz geladen. — Heut»
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