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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.11.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-11-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190011210
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19001121
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19001121
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-11
- Tag1900-11-21
- Monat1900-11
- Jahr1900
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.11.1900
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Anzeigen-Preis -le 6gespaltene Petitzeile LS H. Reklamen unter dem Redactionsftrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zijfrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsürderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen uud Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Mittwoch dm 21. November 1900. 9L Jahrgang. Die -.intolerante" sächsische Negierung. * Auf dem Umwege über Breslau und Köln erfährt man jetzt Genauere» über den Stand des vielbesprochenen Wechselburger Streites, des „Wechselburger Toleranz skandal eS", wie die ultramontane Presse sich auszudrücken beliebt. In Wechselburg und Umgebung lebende Katboliken, denen die Tbeilnahme am Privatgottesdienste in der Wechsel bürger Sckloßkirche von der Regierung untersagt worden war, batten sich nämlich deshalb mit einer Petition an ihre zuständige geistlicke Behörde in Dresden gewendet und diese hat eine Entscheidung getroffen, die jetzt von der „Schles." und der „Köln. VollSztg." mitgetbeilt wird. Sie ist, weil sie nicht nur das Verhalten der königlichen Negierung in der Angelegenheit, sondern auch die klerikalen Ansprüche in daS hellste Licht setzt, so interessant, daß wir sie im Wort laute mittheilen zu müssen glauben. Sie lautet: K. G. K. 946 Dresden, 7. November. Die Bemühungen des Hochwürdigsten Apostolischen Vicariats im Königreiche Sachsen, den Katholiken von Wechselburg und nächster Umgebung den ungehinderten Besuch des in der gräflichen Schloß- capclle eingerichteten katholischen Privatgottesdienstcs zu ver schaffen, haben bisher einen weiteren Erfolg nicht gehabt, als daß das Ministerium aus eigener Entschließung und ohne jedes Zuthun des Apostolischen Vicariats die Allerhöchste Genehmigung Seiner Majestät zur Ab haltung öffentlich er katholischer Gottesdienste in Wechselburg in noch weiter festzusctzcndcr Ausdehnung eingeholt hat, so daß der Einführung von dergleichen Gottesdiensten in Wechselburg an sich ein Hinderniß nicht entgege li ste Heu würde. Gleichzeitig hat aber das Ministerium die Versorgung Keser GoUesoienste, und zwar trotz der diesseitigen Bezugnahme auf den Mangel verfügbarer geistlicher Kräfte, durch im öffent lichen Dienste stehende Geistliche zur Bedingung gemacht, somit die Verwendung des gräflichen Schloßgeiftlichen ausgeschlossen, auch dem Vicariate nahe gelegt, von der Verlegung des öffentlichen Gottesdienstes in die — doch bereits dem katholischen Gottesdienste vom Besitzer zugewiesene — Schloßcapelle ab zu seh en, bezw. vorher, wegen eines be- hauptlichen Gebrauchsrechts, mit den zuständigen evangelisch- lutherischen Kirchenbehörden sich ins Einver nehmen zu setzen. Da ein solches Einvernehmen leicht als eine Anerkennung irgend welchen protestantischen Charakters der, im unbestrittenen Privat- eigenthume des — katholischen Grafen von Schönburg befindlichen, und seit der im Jahre 1869 erfolgten Rückkehr besten Vaters zur katholischen Kirche deren Cultus dienenden Capelle, von selten der katholisch-geistlichen Gewalten, angesehen werden könnte, so hat das Vicariat Bedenken zu tragen, der Einführung resp. Wieder aufnahme des früheren, noch unter dem protestantischen Besitzer ein gerichteten periodischen öffentlichen katholischen Gottesdienstes, wenig st enS so lange, als durch Besuch des katho lischen Privatgottesdienst es in der Schloß capelle dem Bedürfnisse der Wechselburger Katholiken vollauf entsprochen werden kann, irgend näher zu treten. Es würde, wie das Hochwiirdigste Apostolische Vicariat nicht verkannt hat, ganz abgesehen von den f i n a n z i c l l e n O P f e r n, welche dem katholischen Parochialfonds durch den neuen Missions gottesdienst ohne zwingende Nothwendigkeit auferlegt würden, zu einer unvermeidlichen Mißstimmung weiterer katholischer Kreise führen, wenn die Wechsel burger Katholiken, soweit solche nicht zum gräflichen Hausstande gehören, dauernd genöthigt oder gehalten werden sollten, nicht an dem allsonntäglichen bezw. täglich in der statt lichen katholischen Schloßcapelle stattfindendcn katholischen Gottes dienste, sondern nur an dem In einem erst zu ermittelnden Mieithslocale neu einzuführenden öffentlichen Misfions- gotteSdienste, theilzunehmen, um ihren kirchlichen Pflichten zu genügen. Nachdem indessen auch wiederholte Jmmediatvorträge de» Apostolischen Vicariats eine Aenderung der betrübenden Lage der Wechselburger Katholiken herbeizuführen nicht vermocht haben, des gleichen das dem Ministerium vorgetragene Gesuch des Religions» lehrerS Just in Wechselburg um Zulassung seiner Schüler zum Schloßgottesdienfte, unbeachtet geblieben, steht das Apostolische Vicariat sich zur Zeit a u ß e r S t a n d e, in der Wechselburger An gelegenheit selbst Weiteres zu verfügen, hat vielmehr verordnet, dir Betheiligten dem Vorstehenden entsprechend zu bescheiden. Demgemäß werden Sie zugleich für die Mitunterzeichner der Eingabe vom 27. Juni 1899 von dem Geschehenen in Kenntniß S'sitzt. Da» katholisch« geistliche Consistorium im Königreich Sachsen Brendl» r, Eonfistorialrath. An Herrn Vorarbeiter K. Jackisch Wechselburg. Au« diesem Schriftstück« geht zunächst mit voller Klarheit hervor, daß di« königliche Regierung au« eigener Ini tiative, ohne jrdeS^Zutbu« de« Apostolischen Bicariat«, den Wünschen der Wechselburger Katholiken soweit ent- geaengekommen ist, wie ihr die« Angesicht« ihrer Pflicht, gesetzlich« Bestimmungen zu brachten, den kirch lichen Frieden zu wahren und nicht in di« Rechte der evangelischen Ort«g«m»inde Wechselburg «inzugreifen, möglich war. Sie hat, obgleich da« katholische geistliche Ministerium in seiner Entscheidung selbst anerkennt, daß dem Bedürfnisse der Wechselburger Katholiken durch den Besuch deS katholi schen PrivatgotteSdieosteS in der Schloßcapelle voll- auf entsprochen wird, di« Genehmigung Sr. Majestät zur Abhaltungöffcntlicher katholischer Gottesdienste in Wechsel bürg eingeholt, „so daß der Einführung von dergleichen Gottesdiensten in Wechselburg an sich ein Hinderniß nicht entgegensteben würde" — wenn die Bedingungen nicht wären, welche die Regierung an diese Einfübrung geknüpft bat. Prüft man nun diese Bedingungen — daß die Versorgung solcher Gottesdienste durch im öffentlichen Dienste stehende Geistliche erfolgt und daS Apostolische Vicariat sich vorher mit den zuständigen evangelisch-lutherischen Kirchenbehörden inS Einvernehmen setzt —, so muß jeder Unbefangene an erkenne», daß diese Bedingungen lediglich den in Sachsen gelten den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen und der Wahrung des kirchlichen Friedens, wie der Wahrung der Rechte der evange lischen OrtSgemeinde Wechselburg dienen. Wenn die Regierung für Wechselburg einen im öffentlichen Dienste stehenden katbolischen Geistlichen verlangt, so steht sie nicht nur auf dem Boren deS Gesetzes, sondern beugt auch einer Störung deS konfessionellen Friedens nach Möglichkeit vor. Von einem solchen Geistlichen ist anzunehmen, daß er sich mit den Interessen des Sacksenlandeö ungleich mehr verwachsen fühlt, als ein auswärtiger oder ausländischer Kaplan, von dem nach den Wechselburger oder anderen Erfahrungen eine agitatorische und propagandistische Tbätigkeit zu er warten wäre. Auch die zweite Bedingung entspricht lediglich der Scbutzpflicht der Regierung gegenüber den evangelisch lutherischen Kirchenbehörden, denen an der gräflichen, bis 1869 protestantischen Schloßkirche ein Gebrauchsrecht zusteht, und der Sorge um die Währung deS konfessionellen Friedens; denn sobald zwischen den Kirchenbehörden beider Confessionen Streit um das Gebrauchsrecht an der Schloßkirche geführt wird, ist die empfindlichste Störung dieses Friedens zu befürchten. Hätte also dem KlerikaliSmus lediglich an der Befriedigung der religiösen Bedürfnisse der Wechselburger Katboliken am Herzen gelegen, so müßte er, nachdem die Abhaltung öffentlichen katbolischen Gottesdienstes auf gesetzlichem Wege von der Regierung ganz aus eigenem Antriebe ermöglicht worden war, sich für zufriedengestellt erklären und der Regierung Dank wissen. Aber weit davon, lebnt daS Apostolische Bicariat jeves Eingeben auf das Entgegenkommen der Regierung ab, indem es gellend macht: „Es würde, ganz abgesehen von den finanziellen Opfern, welche dem katbolischen ParockialfondS durch den neuen Missionsgottesdienst ohne zwingende Nothwendigkeit auferlegt würden, zu einer unvermeidlichen Miß stimmung weiterer katholischer Kreise führen, wenn die Wechselburger Katholiken dauernd genöthigt oder gehalten werden sollten, nickt an dem allsonntäglicb bezw. täglich in der stattlichen katholischen Schloßcapelle stattfindenden katho lischen Gottesdienste, sondern nur an dem in einem erst zu ermittelnden MietbSlocale neu einzuführenden öffentliche» MissionSgotleSdienste theilzunehmen." Jede Auseinander setzung mit den protestantischen Kirchenbehörden über das Gebrauchsrecht an der Schloßkirche lehnt das Vicariat ab, weil darin eine Anerkennung irgend welchen protestantischen CbarakterS der Schloßkirche gefunden werden könnte! Es bleibt also Alles beim Alten — trotz des freiwilligen Ent gegenkommens der Regierung. Denn das Apostolische Vicariat will einfach, daß, im Gegensätze zum geltenden Rechte, die Wechselburger Katholiken an dem PrivatgotteSdieaste deS Grafen Schönburg tbeilnehmen — da sonst „weitere katho lische Kreise" verstimmt werben würden! UnS freilich befremdet dieses Verhalten deS Apostolischen Vicariats nicht, es zeigt unS lediglich, worauf sein Streben gerichtet ist. Daß der Regierung überhaupt rin Recht zusteht, die Besorgung katholischer Gottesdienste durch im öffentlichen Dienste stehende Geistlicke zu fordern: daS erregt die klerikale Mißstimmung, und dieses Rechtes sollte die Re gierung freiwillig sich begebe», damit künftig jeder auswärtige oder ausländische Eaplan nach Herzenslust auf sächsischen Kanzeln agitiren könnte. Und was besonders Wechsel bürg betrifft, so bandelte e« sich nicht allein um öffentliche katholische Gottesdienste daselbst, in denen solche Caplane sich betbätigen könnten, sondern auch darum, die Schloßkirche in Wechselburg völlig und endgiltig für de« öffentlichen katholischen Gottesdienst mit Beschlag zu belegen, den Evangelischen aber ihre Rechte darauf zu nehmen und den kirchlichen Besitzstand zu verändern. Man wollte nicht nur in jedem Sinne „öffentlichen" katholischen Gottesdienst in Wechselburg, sondern man wollte auch, daß die evange lische OrtSgemeinde durch die Regierung nicht nur zum Ver zicht auf ihre Rechte, sondern auch zur Brrschenkung der Kirche genöthigt würde. Daß die königl. Regierung sich hierauf nicht eingelassen, findet die „Schles. VolkSztg." „unerhört." Natürlich! Wenn Protestanten von ihrem guten Rechte, beim Bundes- rath um Beibehaltung de« den UltramontaniSmuS verhaßten Jesuitengesetze« petitionier«, Gebrauch machen, so ist es ebenso ^unerhört", al« wenn eine Regierung bestehende Gesetze und Rechte, die der ersehnten ultramontane» Machtentfaltung im Wege stehen, nicht kurzer Hand umstößt oder wenigstens igno- rirt! Natürlich wird e« in der nächsten Zeit in der klerikalen Presse an weiteren heftigen Angriffen auf die „intolerante" und „culturkämpferische" sächsische Regierung nicht fehlen. Um so mehr aber sind dieser alle evangelischen Kreise zu Dankbarkeit und Vertrauen verpflichtet. Auch diese Kreise wünschen wohlwollende« Entgegenkommen gegen Wünsche ihrer katholischen Mitbürger, sofern dies« Wünsch, sich auf Befriedigung religiöser Bedürfnisse beziehen. Und an diesem Wohlwollen hat r« unsere Regierung nicht fehlen lassen. Aber mit ihm hat sie die Festigkeit ver bunden, die auch künftige entschiedene Abwehr solcher Forderungen erwarten läßt, di« mit den bestehenden Ge setzen und Rechten ebensowenig zu vereinbaren sind, wie mit der Pflicht, Störungen de« confesstonellen Frirden« fern zu halten. Besonder« erfreulich ist da« Festhalten au de, auf da« Gesetz sich stützenden Forderung, daß in Wechsel bürg öffentliche katholische Gottesdienste nur durch im öffentlichen Dienste stehend« Geistliche versorgt werden. Priester Prinz Max würde sonach in Wechselburg nicht wirken dürfen, so lange er nicht im öffentlichen Dienste al« Geistlicher steht. Und waS für Wechselburg gilt, gilt jeden falls für aan» Sachsen. Die Wirren in China. Chinesische Winkelzüge. Die „Times" berichten, wie unS telegraphisch aus London gemeldet wird, aus Peking unter dem 17. November: Li- Hung-Tschang theille den fremden Gesandten ein aus Singaufu vom 13. November datirtes kaiserliches Edicl mit, in dem dir Strafen derjenigen Prinzen und Beamten, die bei den letzten Unruhen als RävelS- füdrer betheiligt gewesen und deren Verurteilung zum Tode die Mächte verlangen, festgesetzt sind. Bei der Uebermitllung des Edicts erklärte Li-Hung-Tschang, die darin festgesetzten Strafen seien die äußersten, die der Hof zu verfügen in der Lage sei. Li-Hung-Tschang wiederholt dabei die ilereo- lypen Ausflüchte aller chinesischen Unterdändler, ihm und dem Prinzen Tfcking fei vom Kaiser strengste Bestrafung angedroht, wenn cs ihnen nicht gelinge, die Gesandten zur Annahme dieses Compromisfes zu bewegen. Die verfügten Strafen grenzen ans Lächerliche: Der Herzog Isai-lan wird unter Entziehung seines GehailS eine Stufe niedriger gestellt. Ein anderer wird verurtheilt, in der Zurückgezogenheit über seine Sünden nachzuvenken. Tschao-schu-lfchiao wird seines Ranges für verlustig erklärt, behält aber sein Amt. Dieses Edict wird eine ganz andere Wirkung haben, als China gehofft hat. Dies wird die Gesandten in ihrem Be- Ichluffe, für die Rädelsführer die Todesstrafe zu ver langen, nur bestärken. Der Vorschlag, an die Stelle der Todesstrafe die höchste Strafe zu fetzen, die nach chinesischem Gesetze zulässig ist, ist offenbar unsinnig, da die Chinesen selbst zugeben, daß die erwähnten nominellen und illusorischen Strafen die strengsten sind, die der Hof verhängen kann. Dr. Knappe's Unterredung mit Vicekönig Liukunyi. Der deutsche Generalconsul in Shanghai vr. Knappe hatte sich, wie wir bereits meldeten, Ende der vorigen Woche an Bord des „Kurfürsten Friedrich Wilhelm" nach Nanking be geben, um a,:» den dortigen N i ce k ö n i g in'. Sinne eines größeren Entgegenkommens gegenüber den Wünschen Der Ver bündeten einzuwirken. Ueber den Erfolg dieser wichtigen Mission erhält der „Berl. Loc.-Anz." folgenden Bericht: * Shaughat, 19. November, 7 Uhr 16 Min. Morgens. Im Folgenden sende ich Ihnen einen verläßlichen Berich: über die Unterredung, die der Generalconsul vr. Knappe mil dem Vice könig Liukunyi in Nanking hatte. Nach Auslausch der üblichen Höflichkeiten sagte der Generalconsul, Kaiser Wilhelm habe eine hohe Meinung von dem Vicekönig; dann machte er eine Anspielung auf die Gewährung einer Anleihe, falls der Vicekönig Geld brauchen sollte, vr. Knappe gab ferner seinem Bedauern über den Krieg Ausdruck und fragte den Vicekönig, ob er nicht seinen Einfluh bei der Kaiserin-Negentin zur Geltung bringen könnte, damit sie die Anstifter der Rebellion den Mächten ausliefere. Sollte das nicht geschehen, so würben Deutschland und die anderen Mächte noch mehr Soldaten nach China slicten und der Krieg würde fortdauern. Er fragte auch, ob Liukunyi die kaiserliche Verordnung erhalten hätte, die ihn zu einem der Fricdenscommissare ernennt, und dann zögerte der General consul, weiter zu sprechen. Darauf fragte der Vicekönig, ob er noch etwas auf dem Herzen habe. Ter Generalconsul sagte nun offen heraus, daß Agenten der chinesischen Regierung kürzlich in Shanghai von fremden Händlern Waffen gekauft hätten, das dürfe nicht länger angehen, auch wären Lebensmittel und Munition auf dem Pangtse-Fluh verschifft worden, die für den flüchtigen Hof bestimmt seien. Die Vice könige mühten ihren ganzen Einfluh daran setzen, diesem Treiben Einhalt zu thun. In seiner Erwiderung bat der Vicekönig den Generalconsul, dem Kaiser Wilhelm den Ausdruck seiner Be wunderung zu übermitteln. Er wisse, dah Kaiser Wilhelm ein ebenso großer Monarch sei, wie der chinesisch« Kaiser. Geld brauche er, der Vicekönig, momentan nicht, auch besitze er absolut keinen Einfluh, da die Kaiserin-Regentin gegen ihn sowohl als gegen Tschangtschitung aufgehetzt worden wäre. Er könne also in keiner Weise etwas thun. Er sei immer gegen den Krieg gewesen, habe niemals Waffen oder Geld geliefert und bedauere es sehr, dah die Mächte so viel Verluste an Leben und Gut erlitten. Er habe niemals einen Befehl bekommen, der ihn zum Friedens- commissar ernennt, allerdings wäre er indirect ersucht worden, als solcher zu fungiren. Schließlich kragte er, ob vr. Knappe auch sicher sei, dah die in Shanghai gekauften Waffen gegen die Verbündeten verwendet werden würden, was Knappe be jahte, worauf Liukunyi erwiderte, er seinerseits glaube, sie seien dazu bestimmt, die Rebellion zu unterdrücken. Zum Lchluh versprach er, sein Möglichstes zu thun, um den Wünschen der Mächte zu willfahren. Die Unterredung dauerte zwei Stunden, worauf der Generalconsul nach Shanghai zurückkehrte. Der Verlauf der vorstehend geschilderten Unterredung beweist wieder einmal, wie wenig den chinesischen Würdenträgern zu trauen ist. Der Vicekönig von Nanking gehört zu denjenigen hohen Mandarinen, die den Ausländern verhältnißmäßig noch am wohlwollendsten gegenüberstehen, und wiederholt war ge meldet worden, daß sich Liukunyi von dem Einflüsse des kaiser lichen HofeS freigemacht und seine Bereitwilligkeit ausgedrückt hab«, die Mächte in ihrer Friedensarbeit zu unterstützen. Von allen diesen Gefühlen und Absichten merkt man in den Ant worten, die «r dem Generalconsul vr. Knappe gab, nicht viel. Sie machen den Eindruck von unvermindertem Selbstbewußt sein, Schlauheit und Unaufrichtigkeit, und verrathen das Be streben, nach wie vor ein Doppelspiel treiben zu können. Man kann gespannt sein zu erfahren, wie sich di« Mächte nunmehr zu Liukunyi zu stellen gedenken. Die niilitürische Action ge>e« Leu Hof in Siuganfu. „Standard" berichtet au« Shanghai unter dem 19. d. M.: Nach amtlichen chinesischen Berichten haben die verbündeten Truppen »w«i Pässe genommen, dir au« der Provinz Tschili nach der Provinz Sckausi führen. Gleichfalls au« Shanghai meldet „Reuters Bureau" unter dem 18. November: Die Vicekönige deS Aanqtse-ThaleS stellen die Verschiffung deS ReiStrivut« nach Singanfu ein, weil sie befürchten, daß die Verbündeten ihn abfangen. verprnpianttruugSsar««» Lor Verbündeten. Au« Peking, 20. November, berichtet .Reuter« Bureau": Die Wiederherstellung der Eisenbahn Peking-Tientsin macht rasche Fortschritte, so daß man erwartet, sie werd« bis zum Ablaufe diese« Monat« beendet sein. UeberdicS sind Vorkehrungen für eine Verlängerung der Bahn bis zur Stadt Peking mit einem Bahnhöfe dicht bei dem Tempel deS Himmel« getroffen worden. Die« wird eine große Verbesserung sein, da der bisherige Endbahnhof außerhalb der Umtvallnng der Stadt und mehr als 4 Meilen von den Gesandtschaften entfernt liegt. Tie Russen thun noch nichts Ernstliches zur Aus besserung der Schon-hai-keran-B abn. Wenn die Bahn strecke nickt bald wieder vervollständigt wird, so wird durch Zufrieren des Peibo die Verbindung mit der Außenwelt ab geschnitten sein und eine ernste Verzögeruug und sonstige jlngelegenheiten in dem Transporte der Lebensrnittel und der Post daraus erwachsen. Wie eö heißt, soll versucht werden, den Hasen von Taku offen zu halten. Wenn dies gelingt, werden die Truppen hier und in Tientsin von der Schan-hai-keran-Linie so gut wie unabhängig sein. Tie Lage im Tü-e». In chinesischen Kreisen Hongkongs heißt e-, dem Rcuter'- schen Bureau zufolge, eine größere Macht habe um die Er- laubniß nachgesucht, den die Sladt Can ton beherrschenden Hügel mil Truppen zu besetzen. Diese Nachricht ist nickt beglaubigt, die Cantonesen aber befürchten, daß Frankreich Absichten auf die Stadt habe. Der Krieg in Südafrika. In Pariser diplomatischen Kreisen wird versichert, daß England infolge eines freundschaftlichen RatheS oer fran zösischen Regierung davon abgesehen habe, noch vor Ankunft Krügcr'S auf französischem Boden die Einverleibung von Transvaal und Oranjefreistaat den Cabineten amtlich bekannt zu geben. Es war von französischer Seite darauf hingewiesen worden, daß ein solcher Schritt gerade in diesem Augenblick in Frank reich große Aufregung Hervorrufen und daß die Regierung dann noch weniger in der Lage sein würde, gegenüber den boerenfreundlichen Kundgebungen ihre bisherige zurückhaltende Stellung weiterhin aufrecht zu erhalten. Die englische Negierung macht jetzt kein Hehl mehr daraus, daß die Sriegskosten die bisher bewilligten Summen schon bei Weitem übersteigen und daß dem Parlament nack seinem Zusammentritt im December alsbald eine neue große Forderung zugehen wird. Wyndham, der damalige Adlatus deS KriegSministerS, erklärte am 27. Juli d. I., mit den bis zum 1. Juli bewilligten Geldern werde man bis zum Februar 190l reichlich auS- kommen. Jene Summe betrug damals 70 Millionen Pfund Sterling oder 1400 Millionen Mark. Nun aber kostet, wie der „Schles. Ztz." geschrieben wird, nach Berechnung der englischen Blätter der Krieg jede Woche zwei Millionen Pfund. Er bat jetzt bereits 56 Wochen gewährt, und das macht — nach jener einwandfreien, von der britischen Regie rung zugegebenen Berechnung — 112 Millionen Pfund oder 2240 Millionen Mark. Es wäre demgemäß zunächst eine weitere Forderung für schon gemachte Auslagen im Betrage von mindestens 42 Millionen Pfund oder 840 Millionen Mark zu bewilligen. Man hat also auf der Londoner Börse einen ganz richtigen Begriff von den Kriegskosten, wenn man dort, wie das „Daily Chronicle" mittheilt, tie zu erwartende Nachtragsforderung auf rund 50 Millionen Pfund Sterling veranschlagt, d. h. eine weitere Milliarde. Damit aber werden, wie gesagt, erst die bereit« baar ver ausgabten Beträge gedeckt fern, nicht aber die noch ent stehenden Kosten, da der Krieg eben doch noch nicht zu Ende ist. Der englische Steuerzahler wird sonach bald mit weiteren Lasten bedacht werden, und die Versicherung de« Schatz kanzlers Sir Michael HickS-Beack, der dieser Tage sagte: „Wir müssen eber vorbereitet sein auf erhöhte Lasten, denn auf eine Erleichterung der Steuerlasteu", dürste sich bald verwirklichen. Deutsches Reich. 0. u. Berlin, 20. November. (Streik« und Arbeiter.) Dir Frage, was den Arbeitern die Streiks im Jahre 1899 gekostet haben, ist natürlich sehr schwer zu beantworten. Die Feststellung deS wirklichen LobnentgangS ist mit außerordent lichen Schwierigkeiten verknüpft, in vielen Fällen sogar über haupt nicht durchführbar. Hauptsächlich dürfte der Verlust der durch die Streiks unmittelbar oder mittelbar in Mit leidenschaft gezogenen Arbeiter iu dem Lohnentgrnge bi« zur Wiederaufnahme der Arbeit in dem alten, bez. bis zur Aus nahme von Arbeit in einem anderen Betriebe bestehen. Soweit Angaben gemacht worden, ist nach den Mittbeilungrn der Orts- pollzeibehörden ein Gesammtverlust von circa 4 300 000 entstanden. Di« Aussperrungen Wege« der Maifeier waren 1899 nicht umfangreich, aber doch nickt so bedeutungslos, wie e« viel fach hiogestellt wird, denn es sind circa 13 000 Arbeiter auS- gesperrt worden, 6000 Holzarbeiter in Berlin nur «inen Tag, 2932 Former in Leipzig 42 Tage. Unter den AuSgesperrten befanden sich aber nur ca. 400 Arbeiter unter 21 Jahren, eine jedenfalls erfreuliche Thatsache. 170 mal mußte bei den Streiks die Staatsanwaltschaft angerufe«, 256 mal mußten die Polizeibehörden in Anspruch genommen werden. Wa« die von den Polizeibehörden entwickelte Thätigkeit an langt, so bat dieselbe nur iu einem Theil« der vor erwähnten 170 Fälle in directem Einschreiten gegen die Streikenden bestanden, vielfach konnte di« Polizeibehörde sich beschränken auf die Aufstellung von SchutzmanuSnosten auf der Arbeitsstelle (behufs Ueherwachung der LohaauSzahlvng, Sicherung der Arbeitswilligen) oder auf Bahnhöfen (Sichrrung ankommender Arbeiter), auf die gesteigert« Eoatrol« der WirthShäuser, der Versammlungen von Streikenden u. s. w. Tie Bedeutung und Wirksamkeit der Arbeiterorganisation dürfte sich darin zeigen, daß an den Streiks mit Intervention von BerufSvereinigungen nur 34 Procent ohne jeden Erfolg und 41 Procent mit theilweisem Erfolg endigten, während die entsprechenden Ziffern bei den Ausständen ohne Inter vention solcher Vereinigungen sich auf 50,5 bez. 62,8 Pro cent stellt. * Berlin, 20. November. Zu den „Hunnen briefen", mit Venen jetzt kritiklos« Blätter ihre Spalte«
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