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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.09.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010910011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901091001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901091001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
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Es ist natürlich, daß bei dem allgemeinen Zusammenströmen der Arbeitermassen aus den verschiedensten Staaten nach Amerika auch anarchistische Elemente aus Europa, aus Deutschland, Rußland und Polen, sich dort niedergelassen haben. Zweifellos hat die anarchistische Bewegung durch Johann M o st, den ehemaligen socialdemotratischen Reichs tagsabgeordneten für Chemnitz, einen größeren Impuls erhalten. Nachdem Most wegen seines Treibens in England dort wiederholt Bekanntschaft mit dem Gefängniß gemacht hatte und bei den eng lischen Arbeitern unmöglich geworden war, ging er nach Amerika, um die dort so berüchtigte „Freiheit" zu rcdigiren. DaS Blatt Wurde aber immer schamloser und alberner, und zuletzt hat auf den „tollen John", der den Spiritus stark liebte, wohl Niemand mehr gehört. Mit Most ging der ehemalige socialdemolratische Reichs- tagsavgeordnete für rrlverfeld, Hasselmann, nachdem er sich zum Anarchismus „bekehrt" hatte, nach Amerika. Aber auch der „lange Wilhelm" ist bald in der Versenkung verschwunden; der ehemalige Chemiker hatte rasch vom Anarchismus genug bekommen. Der Dritte im Bunde war der ehemalige Maurer Grottkau, unter dessen Vorsitz Stöcker seine Erstlingsre'de im Jahre 1878 in Berlin im Eiskeller gehalten hatte. Grottkau hat bis an sein Lebensende stark für den Anarchismus gewirkt; aber diese drei deutschen Agitatoren Haden im Großen und Ganzen herzlich wenig Anhänger finden können. Der Anarchismus in Amerika ist fast ausschließlich durch tschechisch«, polnische, italienische und englische Elemente gefördert worden. Der Verbrecher C z o l g o S z ist ein Pole. Die Polen und die Tschechen haben gerade in der letzten Zeit eine außerordentlich lebhafte Agitation für den Anarchismus in Amerika entfaltet. Im März dieses Jahres veranstalteten die polnischen und die tsche chischen Anarchisten in New Jork, Hoboken, Newark und Cleve, land zahlreiche Versammlungen und Feste zu Ehren der er schossenen Communalkämpfer von 1871. Neben dieser Bewegung für den Anarchismus ging eine solche, namentlich der Tschechen, gegen die Religion Hand in Hand. Ein sogenannter „Bund der Ebenen" (8lrar O-;vozLii^cli) wurde, so berichten die anarchi stischen Blätter, gegründet; er besteht aus Vereinen und einzelnen Personen und beschäftigt sich mit antireligiöser Propaganda, insbesondere mit der Gründung von religionslosen Schulen, „in welchen den Kindern eine frei«, natürliche Geistesnahrung ge reicht wird" — so schrieb das Berliner Anarchistenorgan „Neues Leben". Wie die französischen Anarchisten ihre Louise Michel, die deutschen ihre Agnes Reinhold, so hatten die tschechischen ihre Barbara Nowak und „Novy Zivot" überschlug sich förmlich in Begeisterung über diese edle Vorkämpferin, die in Böhmen und in der Schweiz schon «ine Rolle als Anarchistin gespielt hatte. Die Polen hatten ihre Vorkämpferin in der Emma Gold- mann, deren Lehren Czolgosz so begierig eingesogen hat. Es ist bemerkenswerth, daß das Berliner Anarchistenorgan mit der Emma Goldmann sehr befreundet war. Es berichtete 1899 über dies schmächtige, kleine Frauenzimmer mit schwarzen Haaren und hervorstechenden schwarzen Augen, wie folgt: „Unsere Genossin Emma Goldmann ist soeben auf einer Agiiationstour begriffen, die nicht ohne Erfolg sein dürfte, vor Allem bei dem englischen Theile der Bevölkerung, der bisher unseren Ideen gegenüber im großen Ganzen thcilnahmslos blieb. Emma Goldmann ist eine hinreißende Rednerin, und da die bürgerliche Presse überall, wo sie hinkommt, tüchtig auf sie schimpft, so fehlt es ihr nirgends an Zuhörern. Wie sie uns schreibt, gelang eS ihr . . . ., nicht nur dak EiS und die gegen unS gehegten Vorurtheile zu brechen, sondern permanenten Zutritt für jeDe freie Idee zu ge- wrnnen, und dos ist für amerikanische Verhältnisse unendlich viel In Chicago gelang es unserer Genossin, 15 Versammlungen zu arrangiren, in denen sie theils deutsch, -Heils englisch referirte. Zu Ende dieses Jahres, nachdem Emma Goldmann noch den Westen Nordamerikas bereist, wird sie ein: Vortragstour durch England unternehmen." — Und diese Emma Goldmann, zu der CzolaoSz mit Verehrung emporblickt,, sollt« au-b «>k dem int--, nationalen Anarcknstencongreß in Paris erscheinen, der trotz aller polizeilichen Bemühungen im Geheimen abqehalten werden konnte. Die Tagesordnung zeigte, daß die deutschen Anarchisten vollkommen verschwunden waren; Engländer, Franzosen und Polen waren die Referenten. Es lagen nach dem anarchistischen Organ folgende Berichte aus Amerika vor: 1) Rapport über die historische Bewegung in Amerika von William Holmes, James Morton und vr. Cohn; 2) Rapport von Philadelphia von Voltwrine de Cleyre; 3) Rapwort über die Märtyrer von Cbicago von Lizzie E. HolmeS; 4) Rapport von St. Louis von Inter- national Association of Mackinist (Nordamerika); 5) Rapport der Emma Goldmann. Bemerkenswerth ist, daß ein Rapport über die anarchistische Bewegung in D:utlch- kand nicht vorlag und auch ein deutscher Anarchist unsere« Wissens in Paris nicht erschien. Auf dem inter nationalen Anarchistencongreß in Paris sollte auch Fiirs^ Peter Kropotkin über die Klein-Industrie referiren. Peter Kropotkin hat sich nach Amerika begeben und hält dort angeblich aut besuchte Dorträge über ..Xnarcd^, sts ?diln5pd^ an it» Icknnl". Die Anarchisten glauben, daß die Dariräie Kravoikin'« ihrer Sache sehr gedient haben. Sehr rührige Anarchisten sind in Amerika bekanntlich die Italiener, die namentlich in Paterson Hausen. Dort dort kam ja auch der Verbrecher BreSci nach Monza, um den König Humbert zu ermorden. DaS italienische Anarchistenblatt in Paterson, „La Ouesiione Sociale", soll einen ziemlich starken Abonnentenstand haben und die sonst so sparsamen Italiener unterstützen noch die beiden anderen anarchi stischen Blätter „L'Agita-ione" in Rom und „Jl Ritvegia" in Genf, 6 Rue de« ScrvoiseS, so reichlich mit Geldmitteln, daß diese beiden Blätter sich wenigsten« über Wasser halten könne», ein Beweis, wie start die anarchistische Be wegung der Italiener in Amerika ist. So sehr die Anarchisten auch in Amerika einander stellenweise bekämpfen, so haben sie doch immerhin mit großer Einmllthigkei den 11. November al» Feiertag begangen. An diesem Lage wurden bekanntlich die anarchistischen Bombenwerfei in Chicago, die Genossen Spie«, Parson», Engel und Fischer, gehängt. Es ist ein Zeichen sirr die Stärke der anarchistischen Bewegung in Amerika, daß man diesen Individuen ein prüchtvolles Denkmal errichtet hat. Es ei daran erinnert, daß - auch in Deutschland die lnarchisten versucht haben, den 11. November als Feiertag zu begehen. Die Polizei hat aber diesen Veranstaltungen einen Riegel vorgeschoben. Die deutschen Anarchisten haben übrigens auch aus Amerika reichliche Geldsendungen für di« verschiedensten Zwecke empfangen. Ist schon die Sprache der beiden in Deutschland erscheinenden anarchistischen Blätter schamlos und aufhehend, so leisten die amerikanischen anarchistischen Blätter an Aufreizung, Aufwiege lung und Verächtlichmachung doch noch mehr und streuten so den Samen, der einen CzolgoSz zu seiner entsetzlichen That auf reifen mußte. Franz Holzerland. ZUM Attentat auf Mac Linley. * Buffalo, S. September. (Telegramm.) Da- heute iriib 6 Udr über taS Befinden de« Präsidenten Mac Kinley auSgegcbenr Bulletin lautet: Der Präsident ;atle eine etwas unruhige Nackt, er schlief jedoch ziemlich aut. DaS Allgemeinbefinden ist unverändert. Puls 120, Temperatur lOl, Athmung 28. * Buffalo, 9. September. Ueber die Untersuchung des Präsidenten Mac Kinley durch den New Aorker Arzt Mac Burney wird noch gemeldet, daß derselbe erklärte, wenn kein Rückschlag eintrete, werde der Präsident in drei Wochen oder einem Monat die Geschäfte wieder über nehmen können. ES batten sich Anzeichen der peristaltischen Thäiigkeit wieder eingestellt, wodurch die Gefahr einer Peri tonitis erbeblich herabgemindert sei. * Berlin, 9. September. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Ztg." meldet: Der Kaiser telearaphirte an den Präsidenten der Bereinigten Staaten von Amerika Mac Kinley anläßlich deS Anschlages: „In die tscsste Trauer versetzt durch die Nachrichten von dem ruchlosen Attentat auf Ihr Leben, preche ich Ihnen mein und d«S ganzen deutschen Volkes Mitgefühl mir Jbrem und mit dem Kummer au-, von dem Ihr Land betroffen worden ist. Möge Gott Ihnen sickere und schnelle Genesung schenken." — Auf die gemeinsame, bereits mitgetbeilte Depesche deS Kaiserpaares an Frau MacKin leyist dem Auswärtigen Amte von der amerikanischen Botschaft folgende Mittheilung zugcgangen: Die rührende Bekundung deS Mitgefühls Ihrer Majestäten deS Deutschen KaiierS und der Kaiserin ist MrS. Mac Kinley übermittelt worden; die Botschaft ist beauftragt, in ihrem Namen tief empfundenen Dank auszusprechen. * Wien, 9. September. (Telegramm.) Wie die „Polit. Coircsx." erfährt, ließ Kaiser Franz Josef auS An laß deS MorvanscklageS auf den Präsidenten Mac Kinley der amerikanische» Regierung durch die österreichisch-ungarische Gesandtschaft in Washington seine wärmste Theilnahme aussprechen. * New Park, 9. September. In GerffeybolderS (Penn- syloanien) dielten gestern 200 italienisch« Anarchisten eine Versammlung ad, in der sie ihrer Freude über den gegen Mac Kinley verübten Mordanschlag Ausdruck gaben. — In Cbicago war in einer Versammlung von 2000 Socialisien die Annahme einer SympalHie-Reso- lulion für den Präsidenten vorgeschlagen worden; sie wurde jedoch abge lehnt. Die Gegner deS Antrages betonten, Mac Kinley sei der Vertreter der Capitalistenclasse; cb er in Sicherheit oder Gefahr sei, bilde keinen Gegenstand der Sorge für die Socialisien. — In Boston waren gestern die Socialisten des Staates Massachusetts zusammengetreten. Sie nahmen eine Resolution an, die di« That deS CzolgoSz verurtheilt. Der Krieg in Südafrika. * Johannesburg, 8. September. (Meldung deS „Reuter'- scheu BureauS".) Die GienSberg-Mine wird in diesem Monat den Betrieb mit 60 Pochdämmern wieder auf- nehmen. Die Minen-Gesellichaften verwenden mit Er- laubniß Kitckener'S zu den BergwrrkSarbeiten Eingeborene aus dem PieterSburg-District. Die Eingeborenen stellen sich zahlreich zur Arbeit ein. Deutsches Reich Q Berlin, 9. September. (Häuslicher Streit in der Soclaldemokratie.) Seit mehreren Wochen tobt in der socialdemokratischen Presse ein Kampf, der in letzter Linie seine spitze Waffe gegen ein Urtheil deS vom Parteivorstande eingesetzten Schiedsgerichts, dessen Vorsitzender Genosse Auer war, richtet. Es handelt sich bekanntlich um eine Anzahl von Accordmaurern, die von den Hamburger Gewerkschaften des Streikbruch« angeklagt und wegen dieser „ehrlosen Hand lung" au« der Gewerkschaft und au« der Partei autgeschlossen werden sollten. Da« angerufene Schiedsgericht hat jedoch in dem Verhalten der Accordmaurer eine „ehrlose Handlung" nicht zu erblicken vermocht und sieht sich nun dethalb den schärjsten Angriffen eine« Theil« der Genossen au«aesetzt. Auf dem Lübecker Parteitage wird diese Streitfrage rm Mittelpunkte der Verhandlungen stehen. Vor der Auffassung die schon jetzt viel fach in der bürgerlichen Presse zum Ausdruck gelangt, dieser Streitfall werde innerhalb der Socialdemokratie zu einem Risse führen, möchten wir indeß warnen. Der gewaltige Ansturm gegen da« Schiedsgericht, hinter de» die Partei leitung steht, wird sich auf dem Lübecker Parteitage, wie so oft in ähnlichen Fällen, wieder zu allgemeiner Zufriedenheit ver- flüchtigen. Genosse Auer sucht schon jetzt die Gegner mit der Darstellung de« einfachen Sachverhalt« zu entwaffnen. S» kommt nach dieser Schilderung zumeist der Streik auf einem Bau der Firma Baumgarten in Hamburg in Betracht; hier waren ursprünglich Accord- und verbandtmaurer beschäftigt. Bon tzrn letzteren hatte man die Accordmaumr in Verdacht, daß sie mit den Bauunternehmern verhandeln und schließlich den ganzen Bau in Lecord nehmen würden. Dem wollten die Ver- bandSmaurer zuvorkommen, indem sie den Bau mit der Er klärung verließen, mit den Accordmaurern nicht mehr zusammen arbeiten zu wollen; sie glaubten damit zu erzielen, daß der Bau herr die Accordmaurer entließe. Es trat aber das Geaentheil ein: die Accordmaurer besetzten die frei gewordenen Stellen unv der Bau wurde im Accord fertiggestellt. Auf diesem Bau war es auch, wo die Maurer Zimmererarbeiten verrichtet haben. Ueber diese That, welche den Accordmaurern als besonders verbrecherisch und ehrlos ungerechnet wurde, ergaben die Ver handlungen vor dem Schiedsgerichte folgenden Sachverhalt: Um ihren Zweck zu erreichen und Vie Accordmaurer vom Bau zu vertreiben, hatten die Verbandsmaurer die Zimmerer be stimmt, mit ihnen gemeinsame Sache zu machen. Die Zim merer gingen darauf ein. Um in der Arbeit fortfahren zu können, legten nun die Maurer selbst die Balken, was sonst Aufgabe der Zimmerer ist, aber auf anderen Bauten öfter von Maurern ausgefübrt werden soll. Inzwischen waren, wie ein Mitglied deS Schiedsgerichts mittheilte, die Accordmaurer wieder mit den Zimmerern in Verbindung getreten und bestimmten sie, indem sie auf ihren Lohn 10 H pro Stunde zulegten, die Arbeit auf dem Bau wieder aufzunehmen. Die Zimmerer ging n auf dies Anerbieten auch ein. DaS ist, meint Auer, der vielberufene „Streikbruch", der durch Verrichtung der Zimmerarbeit durch Accordmaurer ausgeübt worden ist. Das Schiedsgericht hat in seinem Urtheile seine Ansicht dahin ausgedrückt, daß die Accordmaurer durch das Borgehen der Berbandsmaurer, indem sie mit den Zimmerern gemeinsame Sache machten und die Ar beitsstätte verliehen, in eine Zwangslage gebracht seien, die bei Beurtheilung des Falles zu ihren Gunsten spreche und nicht als „ehrlose Handlung" anzusehen sei, die mit dem Ausschluß aus der Partei gesühnt werden müsse. Die Darstellung Auer'S spricht in ihrer klassischen Einfachheit ganze Bände über die Art, wie Streiks inscenirt und durchgeführt werden können. In diesem Falle schlug nur das angewandte Mittel nicht an, und darob Helle Ermpörung in den social- demokratischen Gewerkschaften. Das Urtheil des Schieds gerichts ruft aber die Erinnerung an den Streik der Werft arbeiter wach, wo im größeren Maßstabe ähnliche Vor gänge sich zugetragen hatten und die Schlosser, die Maschinen bauer u. s. w. in die Lage kamen, die Arbeiten anderer Hand werker zu verrichten. Damals war eS, wie dies auch aus den Reichstagsdebatten hervorgrht, gerade die Parteileitung, welche ein solches Verhalten der „Streikbrecher" als besonders er schwerend bezeichnete und gegen die Unternehmer deshalb die schwersten Vorwürfe erhob. Jetzt nehmen die Parteileitung und das Schiedsgericht den Standpunkt der damals so bitter Ge schmähten ein so ändern sich die Ansichten, je nachdem eS der socialdemokratischen Parteileitung gefällt! 6. k. Berlin, 9. September. (ReisendrrAngebörigen der ostasiatiscken Besetzung-bri g a d e nach Cbina.) Der Kaiser bat bestimmt, daß die verheiratbeten Angehörigen der ostafiatischen BesetznngSbrigade, die mit Genehmigung deS CommandeurS derselben ibre Familie nach ihrem Stand orte in Cbina heranzieken, die Kosten für Hin- und Rück beförderung der Familien, sowie MietbSentsckätigung für die verlassene beimatblicke Wohnung erkalten. Zur Familie sine Frau und Kinder, unter Umständen auch sonstige Anverwandte zu zählen, sofern diese schvn bisher dem Hau-Lande angebörten. Bezüglich letzterer bebält sich daS Kriegsministerium indessen im Einzelfall Entscheidung vot. DaS Kriegsministerium ist bereit, für die be treffenden Familien die erforderlichen Plätze auf ReickS- postvampfern sicher zu stellen, und zwar für Familien von Ossicicren und oberen Beamten Cajüte 1. Classe, für solche von Untrrosficieren und der Unterbeamten Cajiite 2. Classe. Während der Seereise werden tägliche Zulagen gewährt; in der 1. Cajüte: für Frauen und Kinder über l6 Jabren je 3 für Kinder unter 16 Jahren je l,50 .6; in der 2. Cajüte: für Frauen und Kinder über 16 Jabren je 1,50 für Kinder unter 16 Jabren je 1 Die Rück beförderung der Familien nach Deutschland wird von dem Cvmmando der ostasiatischen Besatzungsbrigade entsprechend den Bestimmungen für die Ausreise geregelt. Als Ein- schiffungS- bez. AuSschiffungSorte kommen bei allen Kosten berechnungen nur Bremerhaven und Hamburg, bezieh. Taku und Shanghai, nickt aber Zwischenhäfen in Frage. /?. Berlin, 9. September. (Polen und Cent rum.) Die „Köln. GolkSztg." nimmt mit großer Freude Kenntniß von vem Artikel eines polnischen Blattes, daS die Angriffe der ravicalen Polen gegen daS Centrnm als unerhörten Leichtsinn bezeichnet und die Freundschaft mit dem Ceutrum als eine Existenzfrage für die Polen ansiebt. So un richtig manches in dem Artikel de« polnischen Organs sein mag, ein« ist zweifellos zutreffend, nämlich die Con- statirung: „Die. „Kölnische Volkszeitung" stebt unS stets treu zur Seite." Ja, diese Anerkennung ver dient das Polenblait am Rbeine wirklich, und wenn daS Polenreich wieder ausgericktct würde, so wäre es eine schnöde Ungerechtigkeit, wenn die Herreu Bachem und Cardanuö nickt Ministerposten bekämen. Im klebrigen ist der crntrnmS- srrunbliche Artikel deS „Kraj" darum nur von beschränkter Be deutung, weil dieses Blatt daS Hauptorgan derconservativen Polen ist, die von jeher sich bemüht haben, mit dem Ccntrum in gutem Einvernehmen zn bleiben. Die Sache ist aber nur die, daß der konservative polnische Flügel immer mehr zu Gunsten v«S polnischen Radicali-muS an Macht und Ein fluß einbüßt und daß eben gerade der immer stärker werdende Radicali-muS in Gegnerschaft zum Centrum steht. Ja, wären alle EentrumSleute nach der Art der „Köln. BolkSztg.", so würde» sich auch die polnischen Radikalen gut mit dem Ceutrum verständigen. Da eS aber sckändlickerweise EentrumSleute girbt, die sich gelegentlich noch ihre« Deutsch- tdum« erinnern, so wird trotz der „Köln. VolkSztg." der Riß zwischen Centrum und Polenthum immer tiefer. 8. Berit», 9. September. (Privattelegramm.) Die „Nat.-Ztg." schreibt: „In den letzten Tage» hat eine den deutschen Botschafter in Wien, Fürst z« Eulenburg, betreffende Preß-Erörterung Aufsehen erregt. Der Bot schafter war in der „Voss. Ztg.", wie schon früher wieder hol», »»gegriffen worden, weil er z» häufig und zu langt von seinem Posten abwesend sei, in-besondere nach der Rück kehr von' der kaiserlichen Nortzlandreise sich »ach Gastein begeben hatte. Darauf erschien in der „Neuen Freren Press«"' ein au« Berlin datirttr Artikel zur Verthridigung deS Botschafters, worin in leicht verständlicher Weist, wenn gleich er nicht genannt wurde, rin hoher Beamter des Auswärtigen Amtes al« der Urheber ver Angriffe bezeichnet ward. Wir erfahren indeß aus Kreisen, die über die Anschauungen deS Fürsten Eulenburg unterrichtet sein müssen, baß der Fürst selbst ich entschieden dagegen verwahrt, mit dem in der „N. Fr. Pr." erschienenen Artikel irgendwie in Verbindung gebracht werden zu können." — Ter »ationalliberale Landtagsabgeordnete Stock mann auS Göttingen hat krankheitshalber sein Mandat niedergelegt. (Wiederholt.) (-) Königsberg, 9. September. (Telegramm.) In An- wesenbeit des Kaiser», der Kaiseria und ver Prinzen des königlichen HauscS erfolgte heute Vormittag 10 Uhr die feierliche Einweibung der unter dem Prorrctorate der Kaiserin erbauten Königin Luise-Gedächtnißkirche auf dem Hufen. Die Geistlichkeit, die obersten Hof- und StaatS- würtenträger, daS ConsularcorpS, Vertreter der städtischen Behörden, der Universität, der Kaufmannschaft und der Hufen gemeinde nabmen an der Feier Theil. Glockcugelaute verkün dete das Nahen der Majestäten. Der Regierung»prästdent v. Waldow begrüßreal«Po,sitzender des Kirckenbau-EomiiSS das Kaiserpaar vor der Kirchentdiir. Nach Urberreichung des Schlüssels wurde der Befehl zur Oeffnung ver Kirckenthür crtbeilt. AlSbann begaben sich der Kaiser und die Kaiserin unter Vorantritt des Generalsuperintendenten Braun, de« Superintendenten Borgiu« und deS Pfarrers Lackner in die Kirche und nahmen die Plätze links vom Altar rin. Chor gesang unv dann Gemeindegesang eröffneten den Gottesdienst. Den Weiheact vollzog der Generalfuperinteadent Braun. Der Kaiser, die Kaiserin und alle Anwesenden knieten bei dem Weidegebete nieder. Die Liturgie dielt der Super intendent BorgiuS, die Predigt Pfarrer Lackner. Nach einem abermaligen Gemeindegesang, der von brr Orgel be gleitet wurde, sprach der Generalsuperintendent Braun daS Schlußgrbet, sowie da» Vaterunser nach ost preußischer Sitte zusammen mit den Anwesenden und spendete dann den Segen. DaS Kaiserpaar verließ darauf mit Ge folge die Kirche durch eine Tbür am Altäre und besichtigte vaS Denkmal und das Königin Luisen-HauS bei Luisenwohl. Von einer Eskorte der Wrangel-Kürassiiere begleitet, kehrten die Majestäten unter brausenden Hochrufen einer zahlreich zufammeugeftrömten Menge nach der Stadt zurück. — Um l2 Uhr erschien daS Kaiserpaar und der Kronprinz im LandeSbause. Graf zu Eulenburg.Pranen begrüßte die Majestäten und bot ihnen einen Ebrentrunk dar. Der Kaiser hielt, ehe er den Pokal leert«, eine längere An sprache, welche lautete: „Aus Wunsch der Provinz übernehme ich diesen Pokal, um au- deinsrlben in deutschem Weine daS Wohl der Provinz zu trinken. Wie auf all' den Tagen, die jetzt ia Königsberg vrr- sirichen sind, der Schatten der Trauer lagert und dieselben da durch zu ernsten Gedenkfeiern umgestaltet sind, so auch der heutige. Ich habe selbstverständlich nicht versagen können, der Ein ladung und dem Wunsche meiner Ostpreußen, unter ihnen zu weilen, nachzukommen, und uni so mehr in einem so bedeutungsvollen Jahre wie das Jahr 1901. Und in der That, auch der heutige Tag ist in jeder Beziehung ein weihevoller Gedenktag. Wenn ich für Las in so schönen Worten mir im Namen der Provinz ausgesprochene Mitgefühl tiefen Dank »»«spreche, jo thue ich daS um so bewegter, denn zu dem SLmerz und zu der Trauer des Sohnes gesellt sich die tiefe Bewegung der Erinnerung. Bon dem Sterbe- lager ia FriedrichShof und dem stillen Mausoleum in dem biumenreichen Garten in Marly zieht sich der Weg nach dem Hafen hinauf zu der neuen Kirche. Und wie heute pietät voll der Hollen verblichenen Königin gedacht worden ist, die, ei« einziger Demant unter ihrem Geschlecht, hervorlenchiet unter Europas Fürstinnen, ein Bild, nachzustreben für jede, die aus den Thron berufen ist, so schlingt sich auch um diesen Tag die Kette der Erinnerung fester und inniger, welch« die Provinz mit meinem Hause und meiner Person verknüpft. Aber ich sehe in der heutigen Feier noch mehr. Ich sehe darin zugleich eine Gedächlniß- und Ecinuerung-feier an den großen Kaiser ihren Heldensohn, der, wir alle seine Zeitgenossen uud zumal die jenigen, die in seiner Nähe haben Dienst thun dürfen, genau wissen, mit einer ungeheuren Liebe an dieser unvergeßlichen Mutter ge hangen bat. Und Leß bin ich fest überzeugt, daß der heutige Tag so ganz seinen Gefühlen sich anschmirgt, daß auch ich in seinem Sinne handle, wenn ich meinen Dank ausspreche. Wie vorgestern auf dem Parodeselde über den in der Sonne flatternden Fahnen der alten ostpreußischen Regimenter der lange Trauerflor sich in ihre bunten Farben milchte, so auch am heutigen Tage. Ich wünsche von ganzem Herzen, Laß die Provinz erkennen möge auS der Feier des gestrigen Tages, wie hoch ich das Band schätze, La« uns miteinander verbindet. Um noch einmal feierlich zu betonen, daß da« Königthum Preußen und, au« ihm hervorgebend, das deutsche Kaiserthum ia Köaig«berg und Ostpreußen wurzle, habe ich mein« ReichSinsigaien hierher gebracht und sie gestern an GottrS Altar stellen lassen, damit Ihre Augen sie sehen und damit der kegru GottrS von Neuem aus sie herobgeslrht wirb, vor denselben Altar, wo einst Kaiser Wilhelm der Große stand und sich bi« Kron« aus- Haupt setzt« atS diejenige, wrlche nur von Gott allein ihm gegeben und als von Gott allein ihm zustehend erachtet wurde. So war denn der gestrige Tag ein Symbol zur Erinnerung an die Bethättgung deS KönigthnmS von GottrS Gnade», zme Er innerung an di« schweren und guten Tage, die Ostpreußen mit seinem Küni-Shause erlebt hat. Denn da« Großartig« ia der Er- Hebung, die zu den Freideit-kriegen führte, lag nicht nur darin, daß auf den Ruf seines König- rin jeder Lstpreuß» nnd jeder Preuße zu de» Waffen griff und sein Schwert schwang, sondern daß vor Allem dir Einkehr in sich selbst und di« Buß« vor dem Allerhüchsien d«a Ausang machten. So möge dieser Geist der Väter,
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