01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.09.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010914011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901091401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901091401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
- Tag1901-09-14
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Ämtsötatt -es königlichen Land- und ÄintsgerichLes Leipzig, -es Mathes «nd Volizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Annahmrschluß fir Auzeize«: Ibind-Ln-gab«: vormittag« w Uhr. Margaa-SinSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bet de» Filiale» and Annahmestellen je eins halb« vtuud« fniher. Anzeige» sind stet« an di« Vxpebtttoa I» richten. Die Expedition ist Wochentag« numrterbröche» geöffnet von früh 6 bi« Aband« 7 Uhr. Ertra-Beilagen (gesalzt), n»r mit der Morge»-Au«gab«, »ha« PostbefSrderung SO.—, mit Postbesürderung 70.—. Anzeige«-Preis die S gespaltene Petitzeile LS L. Neelamon »ater de« Nedacttoaüstrta» («gespalten) 7L vor den Kamiltenaach» richten (S gespalten) SO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuannaym« LS (excl. Porto). Druck »nd Verlag von E. Pakg 1» Leipzig Sonnabend den 14. September 1901. WMMWWMWWW——WSSSVSWMMW-WIMW—WWWMWSWWS—SWWWSW» 95. Jahrgang. Die einseitige Berufung. SS Der sensationelle Ausgang der Gumbinner Mord angelegenheit in der Berufungsinstanz hat natürlich die Frage der Zweckmäßigkeit der Wiedereinführung der Berufung im bürgerlichen Strafverfahren von Neuem aufgerollt, und es ist ganz natürlich, daß angesichts dieses Resultates vie Beweis führung so manches Freundes der Wiedereinführung der Be rufung eine starke Abkühlung erfahren hat. Diese abschreckende Wirkung ist menschlich durchaus er klärlich und es ist nichts dagegen zu sagen. Wohl aber ist sehr viel dagegen zu sagen, wenn man die Gumbinner Angelegenheit dazu benutzen will, zwar die Berufung auch im bürgerlichen Strafverfahren wieder einzuführen, aber in einer Art und Weise, die niemals die Zustimmung der Regierung finden wird und kann. ES wird nämlich der Vorschlag wieder hervorgeholt, die einseitige Berufung einzuführen; d. h. es soll wohl dem von der Strafkammer in erster Instanz Verurtheilten zustehen, durch Einlegung der Berufung eine erneute Verhandlung vor einer höheren Instanz herbeizuführen, es soll aber nicht der Staats Anwaltschaft gestattet sein, im Falle der Frei sprechung eines Angeklagten durch die Strafkammer Berufung rrnzulagen. Für diese Forderung beruft man sich unter Hinweis auf den Gumbinner Fall auf das alte Sprichwort, daß es besser sei, wenn zehn Schuldige der Strafe entgehen, als wenn ein Unschuldiger zur Strafe verurtheilt werde. Wir wissen wohl, daß damit eine landläufige Meinung ausgesprochen wird, aber wir gehen vielleicht in der Annahme nicht fehl, daß diejenigen, die dieser Auffassung beipflichtcn, sich wohl nie sozusagen plastisch vor Augen geführt haben, was damit gesagt wird. Wir waren einmal bei einer Schwurgerichtsverhandlung thätig, in der ein Ackerknecht wegen eines Lustmordes angeklägt war. Nach Lage der Sache konnte der Beweis nur ein Jndicienbeweis sein, und da der Beweis doch kein absolut erdrückender war, so sprachen die Geschworenen den Angeklagten frei. Gewiß mit Rechr, aber wenn nun der Angeklagte doch der Mörder war, war es dann nicht entsetzlich, daß eine That, die in einer geradezu bestialischen Weise verübt worden war, ungesühnt bleiben konnte und daß der Mörder frei und vergnügt Herum laufen durfte? Denn nach der kaltblütigen Brutalität, mit der die Mordthat verübt worden war, durfte man wahrlich nicht onnehmen, daß der Mordgeselle wenigstens durch Gewissensbisse gepeinigt werden würde. Wer einmal das Empfinden durch gemacht hat, wie furchtbar auch ein unrichtiger Freispruch bei einer schweren Missethat ist, der wird gewiß nicht so leicht den Satz unterschreiben, daß es schließlich auf die Freisprechung von zehn Schuldigen nicht gar so sehr ankomme. Wir meinen, daß es ebensowenig Sache der Justiz sein dürfe, den Angeklagten der Anklage gegenüber in eine günstigere Position zu bringen, wie ihn umgekehrt ungünstiger zu stellen, als die Anklagebehörde. Daß auch in letzterer Hinsicht gesündigt wird, wissen wir wohl, und die Beseitigung der Mißstände, die durch die Bevorzugung der StaaiHanwaltschaft gegenüber der Vertheidigunq henbeigeführt werden, erscheint unS als «ine höchst dankenswerthe Aufgabe. Wir meinen, daß es lediglich Sache der Justiz sei, bas Recht zu finden und dir Schuld zu sühnen. Dies aber kann nur geschehen, wenn Licht und Schatten gleich mäßig vertheilt sind. Deshalb aber darf, wenn dem Angeklagten das Rechtsmittel der Berufung gewährt wird, der Anklagebehörde dieses Mittel nicht verschränkt werden. Die Voraussetzung einer derartigen Einseitigkeit wäre doch, daß eine Strafkammer sich wohl zu unrichtigen Derurtheilungen hinreißen lassen kann, daß sie aber niemals aus unrichtiger Bewoiswiirdigung zu einem Frei spruche gelangt. Dagegen spricht schon die einfache Thatsache, daß zur Freisprechung nur zwei Richter nöthig sind, zur Ver- urtheilung aber vier Richter — wenigstens so lange man die Besetzung der Strafkammer mit 6 Richtern beibehält. Nun Wird Man doch wohl zugeben, daß die größere Wahrscheinlichke't vorhanden ist, daß 2 Richter die Sachlage falsch auffassen, als daß 4 Richter einen nicht genügenden Beweis als ausreichend für die Derurtheilung ansehen. Und wenn man meint, daß Richter, die lange in der Strafpraxis sind, zu Verurtheilungen leichter geneigt seien als zu Freisprechungen, so müssen wir uns doch dagegen verwahren, als ob diese angeblich« Tbatsache als eine unabänderliche Regel anzusehen sei. Es csiebt nch-n den soaenannten „Blutrichtern" auch genug Richter, die ängstlich nach jedem Argumente fahnden, daß ihnen die Möglichkeit zur Freisprechung des Angeklagten gewähren könnte. Es wäre unbillig, wenn man der Staatsanwaltschaft daS Mittel nehmen wollte, gegen Freisprüche dieser Art Berufung einzulegen, während der An geklagte jederzeit Gelegenheit hätte, sich gegen die Urthetle von „Blutrichtern" an «ine höhere Instanz zu wenden. Und noch Eins. Es ist niemals k'ir «inen Richter erwünscht, wenn sein« Urthrile durch eine höhere Instanz umgeworfen werden. Wenn nun die Richter sich sagen müßten, daß sie be Verurtheilungm der Kritik durch die höhere Instanz auSgesetzt, bei Freisprrchungen aber davor geschützt seien, so würden sie, ohne es zu wollen, in das Fahrwasser ungenügend motivirter Freisprechung hinübergelritet werden. DaS mag vom Stand punkte der Dertheidigung auS recht angenehm sein, vom Stand punkte der Gerechtigkeit aber auS giebt r», wir wiederholen eS, nur EinS: Licht und Schatten gleichmäßig zu vertheikn vr. v. Miquel als Lolonialpoliliker. Die „Deutsche Tolonialztg." veröffentlicht eine Wür digung de« Schaffens vr. v. Miquel'S au colonialem Gebiete, welche so viel des Interessanten enthält, daß wir sie an dieser Stelle unverkürzt wiedergeben: „Bei der Trau«, di« da» plötzlich« Hinscheidrn d«s thatenreichen und thatenfreudigen Finanzministers vr. v. Miquel in weiten Kreisen deS aesammten Vaterlandes wachruft, darf die Deutsche Colonialgesellschaft nicht in der vordersten Reihe der Leidtragen den kehlen. Denn sie verehrt in dem Entschlafenen einen ihrer Mitbegründer, der in dem ersten Jahrzehnt ihres Bestehen» ihr den Odem seine» starken Geiste» gegeben und sie mit starker Hand und mit mächtigrr Rede au» dem Nebelmrere phantastischer Be strebung«« »ur Verwirklichung praktischer Ziel« geführt hat. Schöpfer der Gesellschaft ist der Fürst Hermann zu Hohrnlohe- Langenbura. Aus einrn Aufsatz „HandrlS-Eolonirn, «ine Lebens frage für Deutschland", d«n Hermann Freiherr v. Maltzan in der »AugSburg«, Allgemeinen Zeitung" vrröffentlicht hattr, berief ihn der Fürst nach Langenburg und schlug die Bildung einer deutschen colonialen Vereinigung vor. In Ausführung dessen etzte sich Herr v. Maltzan, der in Frankfurt ein naturwissenschaft- iches Institut „Linnaea" gegründet hatte, in erster Linie mit dem damaligen Oberbürgermeister Frankfurts in Verbindung. Nach einer Vorbesprechung im „Englischen Hofe" wurde ein öffentlicher Aufruf zur Bildung eines „Deutschen Colonialvereins" für den 6. December 1882 erlassen. Der Aufruf trug die Unterschriften hervorragender Politiker, Kaufleute, Geographen, National ökonomen und Forscher. In der Versammlung wirs nach Nohlfs und Hübbe-Schleiden der Oberbürgermeister vr. Miquel auf die Ziele und Bestrebungen der zu gründenden Gesellschaft hin. „Endlich sei eine neue Aufgabe gefunden, die alle Theile des Volkes zu gemeinsamer nationaler Mitarbeit wachrufe, die ver ähnlich und veredelnd auf sic einwirken müsse, da sie nicht vom Hasse der Parteien zersetzt sei." Neben dem Fürsten Hermann u Hohenlohe als Präsidenten wurde vr. Miquel zum ersten Vicepräsidenten aewählt. In Frankfurt wurde ein Bureau er richtet, an dessen Obliegenheiten er den thätigsten Antheil nahm. Keine Angelegenheit war ihm zu geringer half überall bei derOr- > anisation mit und hat Wohl kaum in einer der vielen Ausschuß- itzungen gefehlt, die durch Jahre wöchentlich ein- bis zweimal tattfanden. Seinem Einflüsse und seinen Bemühungen gelang es in kurzer Zeit, die rheinischen Großindustriellen Heimendahl- Crefeld, Friedrichs-Remscheid, Hasenclever-Ehringhaus, die unter Fabri's Führung schon vorher einen thatkräftigen rheinisch westfälischen Exportverein gegründet hatten, zu dem neuen Verein heranzuziehen. Ebenso war seine Mitwirkung ausschlaggebend bei Glättung der Sä wierigkeiten, die sich mit dem Anschlüsse der von vr. Peters gegründeten Gesellschaft ergeben hatten. Unermüdlich war er in der Ueberwindung aller Schwierigkeiten, bei denen sowohl die Eindrucksfähigkeit seiner klaren, logischen Entwickelung, als die Lebhaftigkeit und Schärfe feines auf lammenden Temperaments mithalfen. Oftmals rannte letzteres nit heftigem Anprall den Gegner zu Boden. Einem Manne von Miquel's stets auf das Greifbare gerichteten Zielen konnte die bloße Agitation nicht der alleinige Zweck sein. Vielmehr sollte die Gesellschaft auch zu praktischen Unternehmungen anregen. Seinem Einflüsse folgend, unternahm sein Freund vr. Adolf v. Br üning, der zweite Vicepräsident der Gesellschaft, den Versuch der Erwerbung der Loßinseln an der nordwestafrika nischen Küste, die später durch französische Einflüsse aufgegeben wurden. Ebenso veranlaßte er die Betheiligung von Frank furter Capital für das Lüderitz'sche Unternehmen. Den 24. April 188<s^pn welchem Fürst Bismarck ein Tele gramm an den deutscher^Consul in Capstadt gesandt hatte mit dem Auftrage, der Regierung daselbst mitzutheilen, daß die Er werbungen durch Deutsche nördlich vom Oranjefluß unter den Schutz des deutschen Reiches gestellt seien, feierte er als den Be ginn einer activen deutschen Colonialpolitik. Auf der außer ordentlichen Generalversammlung 1884 begrüßte er in den an wesenden Wo ermann und Lüderitz die ersten Pioniere der deutschen Colonialbewegung, und das von dem Präsidium (Fürst Hohenlohe, Miquel) dem Reichskanzler übersandte Tele gramm der Versammlung „dankerfüllt für das entschlossene und erfolgreiche Vorgehen auf dem Gebiete der Colonialpolitik" fand seitens des Fürsten-Reichskanzlers den Gegendank „für die thätiqe Unterstützung unserer überseeischen Bestrebungen". Unter Miquel's förderndem Einflüsse fanden die Bestrebungen für deutsche Colonisation in Paraguay und Brasilien sorgfältige Prüfung und Gestaltungskraft. Besonders interessirten ihn die Templer-Colonien in Syrien, die mit ihrer nationalen Anhäng lichkeit ihn gewonnen hatten. Wie flammte seine Rede in spätester Abendstunde in traulichem Kreise auf, wenn er auf die Templer zu sprechen kam. Als der Justizminister Transvaals, Jorrissen, in Frankfurt erschienen war, um Gelder für den Bau d Transvaalbahn von Delagoabai aus zu schaffen, klopfte Miquel veraeblich an die Thllren der Bankinstitute. „Wie wird sie der einst diese Kleinmüthigkeit gereuen", meinte er. Langsam, aber stetig wuchsen die Angelegenheiten unter Miquel's kräftiger Mitarbeit. Auf der Hauptversammlung 1886 in Karlsruhe stand die Auswanderung auf der Tagesordnung. Der Großherzog von Baden war erschienen und horte geduldig ein nimmer endendes Referat an. Alles fürchtete eine Verflachung des Themas. Da erschien als Retter auf der Rednertribüne Miquel. Wie wundervoll wußte er die nationalökonomischen mit den na tionalen Gründen zu verflechten und den Vorwurf der mangeln den bisherigen Erfolge zu Boden zu schlagen. „Wer hätte ge dacht, als wir in Frankfurt vor vier Jahren den Verein grün deten, als selbst die Idee der Nothwendigkeit der Erstreckung un serer Grenzen auf überseeische Länder noch sehr wenig Boden im Volke hatte, als große wirthschaftliche und politische Parteien einen principiellen Widerstand entgegensetzten, als kaum irgend ein Preßorgan in Deutschland systematisch und bewußt diese Idee vertheivigte, daß wir in der kurzen Spanne von vier Jahren bis zu der Stellung gelangen könnten, die wir heute einnehmen. Wo ist da ein Grund zu klagen über mangelnde Erfolge!" Der Großherzog von Baden ergriff da» Wort zum Abschiedsgruße in formvollendeter Weise. Es wußte Niemand im Kreise zu sagen, w«m von den beiden Rednern die oratorische Palme zu erkannt werden müsse. Der Großherzog schloß damit, daß er einen lieben Gast zu erwarten habe, seinen Neffen, den Prinzen Wilhelm, „das ist auch ein Ausblick, meine Herren, in die deutsche Colonialpolitik." Auch nachdem der Sitz der Centralstelle von Frankfurt nach Berlin verlegt worden war, hörte Vr. Miquel nicht auf, die Brstrebungen des Vereins aufs Wärmste zu unterstützen. So in der Entsendung eitler Emin Pascha-Expedition. So in der Förderung einer Antisklaverei-Bewegung, für welche er in Frank furt einen Aufruf mit Unterzeichnern aller Confrssionrn ver anlaßte. Alst nach d«r Verlegung der Centralstelle eine Abtheilung in Frankfurt a. M. in» Leben gerufen wurde, war er bei allen wichtig«« Anlässen derselben stets zur Hand. Al» der Afrika forscher Flegel, von seiner Niger-Benur-Expedition zurückgekehrt, cm Saalbau einen Vortrag halten sollte und vor dem dicht gedrängten Auditorium etwa 20 Minuten über den Nutzen der brutschen Colonialvereine sprach, während zu seinen Füßen die beiden mitgebrachten Hauffa-Fürsten in Folge von zu reichlichem Opiumgenusse ringeschlafen waren, daS Publicum sich nach Be endigung der kurzen, mühsam«« Ansprach« Flegel'» enttäusch» erhoben hatte, sprang Miquel in die Bresche. Selten wohl hat er unvorbereiteter und trotzdem wirksamer gesprochen. Er erging sich mit erstaunlichem Wissen über die geographischen und ethno logischen Verhältnisse Kamerun», die Art seines Handel», die Un zweckmäßigkeit des Zwischenhandel«, die Bedeutung de» Hinter lande» und d«» Lschad-S«e» in so fesselnder Weise, daß wahre Beifallsstürme dem geistvollen Redner dankten. Mit einer Be rufung in das Ministerium im Juni 1890 hörten die früheren Beziehungen naturgemäß auf. Daß der Finanz ¬ minister aber nicht aufgehört hat, die coloniale Sache auf das Wärmste zu fördern, das bewies ein Eintreten für die Flottenvermehrung, die er von An- ang an zielbewußt als eine notwendige Bedingung der deutschen iolonialentwickelung betrachtet hatte. „Vieles hat die deutsche Colonialbewegung erreicht", so sagte er noch in seinen letzten Tagen, „vieles aber bleibt ihr noch zu thun übrig; sie ist aber un aufhaltsam." So lange aber, als es eine deutsche Colonial bewegung geben wird, wird der Name ihres Mitbegründers und kräftigen Förderers im Vaterlande unvergessen sein! ZllM Attentat auf Mac Linley. Folgende Telegramme liegen gegenwärtig über das Befinden Mac Kinley'S vor: b'. Buffalo, 13. September. (Privat telegr amm.) Heute morgen war der Präsident bewußtlos, dir Herzschläge setzten wieder holt temporär aus. Das Ab scheid en ist nur eine Frage von Stu «den. * Washington, 13. September, 7'/« Uhr Vormittags. Sorben ist im Weißen Haufe die telegraphische Meldung des Sekretärs Cortelyou eingegangen, daß in dem Befinden deS Präsidenten Mac Kinley seitdem letzten Bulletin einige Besserung eingetreten sei. k. Washington, 13. September. (Privattelegramm) Die letzten Meldungen auS Buffalo über eine neuerdings in dem Be rnden Mac Kinley's eingelretene Besserung haben bis jetzt keine officielle Bestätigung gefunden. In Regierungskreisen wird der Zustand Les Präsidenten al» hoffnungslos bezeichnet. Deutsches Reich. 6. 8. Berlin, 13. September. (Die social- vcmokraiische Gewerkschaftsbewegung.) Erne höchst eigenthümliche und bemerkenswerthe Erscheinung ist, daß die socialdnnokratischr Gewerkschaftsbewegung ein vollständiges Fiasco in derjenigen Branche zu verzeichnen hat, deren Angehörige mit dem großen Publicum unausgesetzt in Berührung kommen und Gelegenheit haben, sich auch mit den bürgerlichen Classen über die Tages fragen zu unterhalten. Da sind zunächst die Barbiere; 1899 gab es 875 organisirte Barbiergehilfen, 1900 giebt es nur noch 463; also fast die Hälfte hat der Socialdemokratie den Rücken gekehrt. Von den Kellnern — die „Genossen" pflegen „Gast- wirthsgehilfen" zu sagen — sind 1470 „organisirt", und zwar 83 mehr als im Vorjahre, aber circa 300 weniger als im Jahre 1895. In Berlin soll «s häufig vorgekommen sein, daß Gast- wirthsgehilfen, die in socialdemokratischen Kneipen aufwarteten, schleunigst aus der Organisation austraten, nachdem sie bei dem socialdemokratischen Principal zu „schlagend" den Unterschied zwischen Theorie und Praxis kennen gelernt. Bei den Gärt nern soll es jetzt 358 organisirt« „Genossen" geben, 1895 wur den deren bereits 300 gezählt, es scheint also, als ob auch diese Branche, welche durch ihre Arbeiten viel mit dem Publicum in Berührung kommt, von der Socialdemokrcrtie herzlich wenig wissen wolle. Dasselbe gilt von den Handlungs gehilfen und den Fleischern. Unter den Ersteren sollen sich jetzt 750 organisirte „Genossen" befinden, 1895 wurde ihre Zahl bereits auf 700 angegeben; von Fleischern sind jetzt Alles in Allem 254 „organisirt". Diese Zahlen beweisen jedenfalls schlagend, daß der socialdemokratische Einfluß in denjenigen Arbeiterkreisen, die sich täglich davon überzeugen können, daß de: „hartgesottene" Bourgeois weit weniger mit Arbeitergroschen sich mästet, als die socialdemokratischen Agitatoren, ein sehr ge ringer ist. Berlin, 13. September. (Internationale Ver einigung für gesetzlichen Arbeiterschutz.) Die constituirende Versammlung für diese internationale Ver einigung tritt am 27. und 28. September in B a s r l zusammen. Auf der Tagesordnung stehen u. A.: Bericht deS Director- de» internationalen Arbeitsamtes, Prof. Vr. Stephan Bauer, über die Aufgaben deS internationalen Arbeitsamtes; Begründung des Antrages der österreichischen Gesellschaft für Arbeiterschutz, betr. die Ausarbeitung eines internationalen Schemas der Ursachen der Betriebsunfälle in den einzelnen Berufen: Prüfung des Pro gramm» des internationalen Arbeitsamtes, Festsetzung der nachst- lähtigen Berathungsgegenstände und Vorschläge für den nächsten Versammlungsort. — Für die constituirende Versammlung haben folgende Staaten, die zu der internationalen Vereinigung ge hören, Delegirte entsandt: Deutschland, Oesterreich, Belgien, Frankreich, Ungarn, Italien, die Niederlande und die Schweiz. Deutschland entsendet folgende Delegirte: Staatsministrr a. D. v. Berlepsch, Prof. vr. L. Brentano-München, Prof. Vr. Francke-Berlin, Arbeitersekretär GieSbertS-M.-Gladbach; Land tagsabgeordneten vr. M. Hirsch-Berlin; vr. Pieper, General sekretär de» katholischen Volksvereins-M.-Gladbach; Prof. vr. Sombart-BreSlau; Christ. Tischendörfer, Lithograph, Berlin; Pfarrer Via. Weber, Vorsitzender der evangelischen Arbeiter vereine, M.-Gladbach; Oberregierungsrath Vr. Woerrishofer, Vorstand der badischen Fabrikinspection, Karlsruhe. L. Vertin, 13. September. (Der deutsche Klerika- liSmuSalSFördererdrsösterreichischrnFöde« rali-mui.) Die „Köln. VolkSztg." ist dahin gelangt, sich offen für da» auSzusprech««, was der Herzenswunschdrr Tschechen ist, nämlich für die Herstellung d«S Födera- li» musin Oesterreich. Zwei Staatsmänner, deren Namen mit B beginnen, hätten Oesterreich an den Rand de» Abgründe» ge bracht, nänMch BiSmarck und Beust. Wir übergehen den plumpen und in diesem Zusammenhänge ganz überflüssigen Ausfall auf Bismarck; jeder einigermaßen einsichtige Politiker wird wohl ohne Weiteres zugeb«n, daß da» heutige Oesterreich, also da» Oesterreich nach 1866, in einer sehr viel gesünderen Haut steckt, als das Oesterreich vor 1866. Was Beust anlangt, so sind wir von Sympathirn für diesen ränkevollen und speciell gegen di» Einigung Deutschland» intrigirenden Staatsmann sicherlich frei; das aber ist zweifellos ein unvergeßliche» Verdienst Beust'», daß «r noch im letzten Augenblick« d«n Kaiser Franz Joseph davon zu überzeugen vermochte, daß die Durchführung des Belcredi'schen Planes einer Fünftheilung der Mon archie — wovon auf Cisleithanien 3 Theile ge kommen wären — den Ruin drr Monarchie be deuten würde. Das Belcredi'sche Projekt, das vor Allem Böhmenzu einem selbstständigen Staate machen wollte, war ja an sich nichts Neues, denn schon im Revolutionsjahre von 1848 waren die Böhmen daran gegangen, eine Verfassung für die Länder der „Wenzelskrone" auszuarbeiten, und sie hatten ihre friedlichen Tendenzen dadurch bekundet, daß sie einen furcht baren Aufstand entfesselten, der erst nach mehrtägigem Kampfe und nach der Beschießung von Prag durch kaiserliche Truppen rin Ende sand. Ebenso gaben die Tschechen einen deutlichen Beweis ihrer Loyalität, indem sie nach dem Scheitern des Belcredi'schen Projektes ihrer Bosheit dadurch Ausdruck verlieh««, daß sie »m Mai 1867 eine große Procession zu einem panslawistischen Con- greß in Moskau entsandten, wo alles Andere eher in» Auge ge faßt wurde, als die Erhaltung und Selbstständigkeit der habs burgischen Monarchie. Wollte man Böhmen die Selbstständigkeit Ungarns verleihen, so wäre der Abfall Böhmens von der Ge- sammtmonarchie bei den panslawistischen Tendenzen der Tschechen nur eine Frage der Zeit. Wenn also die „Köln. Volksztg." ver sichert: „Wir brauchen unsere österreichfreundliche Gesinnung nicht besonders zu betonten", so sollte sie doch den tschechischen Forde rungen etwas weniger eifrig assisnren. Dies vom österreich- freundlichen Standpunkte aus; vom deutschen Stand- nmcte aus — und die „Köln. Volksztg." erscheint ja nun einmal zufällig in Deutschland — braucht wohl kaum erwähnt zu wer den, daß die Erfüllung des Wunsches des rheinischen Blattes die Verslawung und Versklavung der Deutschen in Böhmen und Mähren bedeuten würde. Der Widerstand der Deutschen gegen derartige Absichten datirt ja doch nicht etwa erst von heute, sondern von jener Zeit her, wo diese Plän« überhaupt auftauchten. Als die Belcredi'schen Projecte verwirklicht zu werden drohten, er hoben dir Deutschen dagegen den schärfsten Protest, weil sie wohl wußten, daß sie alsbald von der tschechischen Majorität terrorisirt werden würden. Die „Köln. Volksztg." meint zwar, wenn da mals der Föderationsstaat durchgeführt worden wäre, so würde sich heute bereits „alle Welt in diese Lage der Dinge gefunden haben". Sicherlich, denn in diesen 35 Jahren wäre das Deutsch- thum in Böhmen und Mähren und Schlesien mit Stumpf und Stiel auSgrrottet worden. Das mag der „Köln. Volksztg/ recht gleichgiltig sein, un» ist es ganz und gor nicht gleichgiitig. Di« „Köln. Volksztg." hat schon vor mehr als Jahresfrist den wohl verdienten Titel „das Polenblatt am Rheine" verliehen bekommen, sie hat aber zweifellos auch Anspruch auf den Untertitel „da» Tschechenblatt ain Rheine". (-) Verltn, 13. September. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Ztg." meldet: Die diesige am erika nischje Botschaft hat dem Auswärtigen Amte auf das Beileids telegramm deS Kaiser» an Mae Kinley eine Depesche mit- getheilt, welche lautet: „Die rührende Sympathiekundgebung Seiner Majestät, di« an» 6. September an den Präsidenten nach Buffalo gerichtet wurde ist »ingetroffen. Ich bin beauftragt. Sie zu ersuchen, Namen» de» Präsidenten Mac Kinley S«iner Majestät den gebührenden Ausdruck tiefster Erkenntlichkeit für diese freundliche Kundgebung zu übermitteln, die durch die Art, wie sie den Gefühlen Seiner Majestät und de» ganzen deutschen Volke- Ausdruck giebt, den Präsidenten und seine Landsleute zu besonderem Dank« verpflichtet. Das Befinden des Präsidenten macht günstige Fortschritte. Adee, geschäft-führender Staatssekretär." In einer anderen Depesche spricht Adee warmen Dank für die Sympathiekundgebung deS Reichskanzler» Grafen Vklow au». Der amerikanische Botschafter White hat an den Präsidenten deS Reichstage», Grafen valleftrem, folgen des Antworttelegramm gerichtet: „Ich hatte die Ehre, Ihr Sympathietelegramm, betreffend da» Mordattentat auf den Präsidenten Mac Kinley, zu erhalten. Ich sage dafür Ew. Excellenz Namens drr Regierung und des Volke» der Bereinigten Staaten, sowie auch für mich persönlich herz lichsten Dank." (7) Berlin, 13. September. (Telegramm.) Wie die „Norddeutsch« Allg. Zeitung" mittheilt, ist dem deutschen Consul in Prag, Frhrn.». Seckendorfs, drr Kronen-Orden zweiter Clasie verliehen worden. D Berlin, 13. September. (Telegramm.) Stadtrath Kanffmann hat die Wahl zum zweiten Bürgermeister drr Stadt Berlin angenommen. — Wir der „Hilde»b. Allg. Ztg." mitgetheilt wird, hatte der verstorben« Staatsministrr vr. v. Miquel die Absicht, sich in Zukunft weiter activ am politischen Leden zu brtheiligrn. Sofort, nachdem er aus dem Staatsdienst geschieden war und noch in Berlin weilte, wurden seitens des Vorstandes der nationalliberalen Partei im Hilde«heimer Rtich»ragSwahlkreise Verhandlungen mit idm gepflogen zweck» Uebernahme der Hilde»h eimer Reich»tag»candidatur bei den nächsten Wablen. Die nationalliberale Partei ging dabei vou drr Absicht au-, die widerstrebenden nationalen Elemente im Wahlkreise auf eine Candidatur Miquel wieder zu vereinigrn und auf diese Weise an Stelle der welfischen eine nationale Vertretung im Reichstage anfzurichten. Herr v. Miquel ergriff den Gedanken mit großer Lebhaftigkeit und sagte dir Urbernabmr der Candidatur zu, wobei er durch blicken ließ, daß er noch mancherlei auf dem Herzen habe, da« er im Parlament zu sagen gedenk«. — Eine in viele Zeitungen übrrgrgangene Nachricht, der Oberpräsident von Westpreußen v. Goßler beabsichtige an» GesundbeitSrücksichteu zum 1. Januar von seinem Posten zurückzutreten, bestätigt sich nicht. Herr v. Goßler hat einem Vertreter de» Graudenzer „Geselligen" gegenüber per sönlich jene Nachricht für erfunden erklärt. — Der „Franks. Ztg." wird von hier berichtet: Da» Feurrwrhrdeakmal auf dem Mariannenplatz, da» die Stadt Berlin errichtet, sollt« bereit» in diesem Monat ausgestellt «erden. Di«s« Hoffnung wird sich nicht «füllen, wie e« h«ib«, hat di« weit«« »utführnng d«« lv«rk»» unter rinem eigenartigen Zwischenfall zu Iriden, der d«» öffentlich«» Jnttrrss«» nicht entbehrt. Drr Kais«»
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