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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.09.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010927022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901092702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901092702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
- Tag1901-09-27
- Monat1901-09
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as7o aus dem auf ftüherem Mireland (Mireland ist Ackerland, das, als der Regierung gehörig und nur zu Lehen gegeben, an gesehen wird) erbaute Häuser stehen, der sogenannte verlorene Zehnte, d. h. der Zehnte in dem Betrag erhoben, den das Land liefern könnte, wenn es nicht überbaut, sondern mit Getreide angebaut wäre. Um aber diesen Betrag festzustellen, macht die Regierung sich sonderbarer und ungerechter Weise die Sache sehr bequem, indem sie denZehnten von dem Werthe der auf dem Platz befindlichen Gebäude erhebt. Und was ebenso auffallend ist, sie erhebt diesen sogenannten verlorenen Zehnten nicht von jetzt an, sondern von der Zeit an, wo die Gebäude errichtet wurden. Fast unsere ganze Kolonie, die zwar an die Stadt grenzt und zur Stadt gehört, steht ans Land, das für Mireland erklärt worden ist, und deshalb muhte kürzlich bei Ueber- schreibung einiger Häuser auf andere Eigenthümer der verlorene Zehnte für 17 Jahre zurückgezahlt werden, ohne das wäre die Ueberschreibung nicht ausgeführt worden. Ohnehin macht die Regierung, die wohl größere Einnahmen haben möchte, der aber die Hebung des Landes durchaus gleichgiltig ist, den Europäern bei jedem Kauf oder Bau die größtmöglichen Schwierigkeiten, um so die Europäer mehr abzuhalten. So wurde vom Bali in Beirut angeordnet, daß, wenn Europäer hier in Haifa irgend welche Liegenschaften von türkischen Unterthanen kaufen, sie die Erlaubniß zur Ueberschreibuny auf ihren Namen bei ihm in Beirut einholen sollten. Da dies von hiesigen türkischen Unter khanen nicht verlangt wird, so stimmt diese Anordnung nicht mit den mit den Mächten abgeschlossenen Verträgen, laut welchen die Ausländer in Betreff der Erwerbung und Benutzung von Liegenschaften den türkischen Unterthanen gleich gestellt sein sollen. Auf einen deshalb von unserer Seite er hobenen Protest gab der Bali dem deutschen Generalcon'ul Herrn Dr. Schröder in Beirut die Erklärung ab, er habe be sohlen, daß die betreffende Anordnung auf die Deutschen nicht angewendet werden solle. Nun will zwar weder der hiesige Kaimakam, noch der Tabubeamte, die hauptsächlich hierbei in Betracht kommen, einen solchen Befehl erhalten haben, aber doch hielten sie sich nach demselben, als man ihnen den Bericht des Generalkonsuls hierüber vorlasi. Könnte von der deutscher» Regierung auf dem Wege der Vorstellung vom Sultan durch «in Jrade desselben das Mulk - Recht („Mulk" bedeutet abso lutes Eigenthum, über das der Eigenthümer unbeschränkt ver fügen darf) für unsere Colonien erlangt werden, so wäre das für den Bestand und die Fortentwickelung derselben von sehr großer Bedeutung. Wir würden dadurch zwar nur den Be wohnern der Städte und Dörfer, die alle seit jeher das Mulk- Recht besitzen, gleichgestellt, allein wir würden dadurch doch Mancher willkürlichen Bedrängniß Lberhoben und auch in den bben erwähnten Erbfällen nicht in so große Nachtheile kommen. Die türkische Regierung könnte dies um so eher thun, als der Platz, auf dem unsere Colonie steht, eine Felsbarre war, auf der niemals hätte gebaut werden können. "Um Gärten anlegen tu können, mußten die einzelnen Kolonisten —2 Meter dicke Felsschichten durchbrechen, die Steine fortschaffen und dafür Erde herführen lassen. Deutsches Reich. */* Leipzig, 27. September. Durch Beschluß des Danziger Landgerichts ist die Beschlagnahme der bei Lippert und Comp. zu Naumburg gedruckten Schrift: „Mein Abgang auS dem Amte. Ein Beitrag zur Beurtbeilung unserer kirchlichen Zustände von O. Franck, Consistorialrath a. D." angeordnet worden. Berlin, 26. September. „Genosse" Bernstein er hält nunmehr, nachdem er lauckadiliter ss subjecit, auch vom socialdemokratischen Moniteur ein WohlverhaltenS-Zeugniß ausgestellt. Nach den überaus heftigen Debatten und grund sätzlichen Meinungsverschiedenheiten soll nun Alles wieder in schönster Einigkeit sein. Der „Vorwärts" sagt, das Ende des Lernstein-Streits werde in der ganzen Socialdemokratie, auch über Deutschlands Grenzen hinaus, mit großer Genugtuung begrüßt werden. „Der harte Kampf hat zu glücklichem Frieden geführt. Indem Bernstein selbst erklärte, den Gefühlen der Parteigenossen die schuldige Achtung und Beachtung zu bezeigen, ist die Gewähr geschaffen, daß er in engster Verbindung Schulter an Schulter mit den Kameraden gegen den Feind den Kampf führen wird, ohne daß der innere Zwist Narben zuläßt. Der AuSgang der Bernstein-Debatte bedeutet den Ausgleich von Gegensätzen, die Zuversicht auf weiteres gemeinsames Wirken Aller in der Partei; er bekundet die feste Absicht, den persönlichen Streit zu begraben. Nicht Sieger und Besiegte giebt es, sondern ehrlich Verbunden». Auf dem Parteitage herrschte, wie uns aus Lübeck telegraphirt wird, allgemeine Freude über die Erklärung Bernstein's. Viele Genoffen, die für die angenommene Resolution eingetreten waren, schüttelten ihm die Hand und gaben ihrer Freude über seine Erklärung unverhohlen Ausdruck, so Bebel, Adolf Hoffmann, Leutert, Stadthagen." Man braucht nur den ausführlichen Bericht des „Vor wärts" über die Bernstein-Debatte zu lesen und mit ihm die Bernstein'sche Erklärung zu vergleichen, um zu erkennen, daß die Phrase „Nicht Sieger und Besiegte" nichts als Phrase ist. Auf daS Eindringlichste hat „Genosse" Bernstein ermahnt, das theoretische Denken und Forschen durch Gewährung voller Freiheit der Kritik hochzuhalteu. „Wenn Sie wirklich wissenschaftlich sein wollen", so sagte er, „wenn Sie den wissenschaftlichen Geist für den SocialiSmuS sesthalten wollen, dann müssen Sie auch bei allem, was die Theorie anstrebt, das Reckt der Kritik anerkennen und gelten lassen." — Und als „Genosse" Ledebour dazwischenrief: „Bestreiten wir ja gar nicht!" — fuhr Bernstein fort: „Ja, theoretisch, in der Absicht thun Sie eS nicht, aber in Wirk lichkeit schreckt und hemmt doch die Art Ihres Vorgehens Diejenigen, die in der Sache arbeiten." — Entsprechend diesem Gedankengange hat Bernstein auch in seiner Er klärung betont, daß die gegen ihn vom Parteitage beschlossene Resolution ihm „objectiv unrecht thut, auf falschen Voraus setzungen beruht". Trotzdem verspricht Bernstein, dem Votum der Mehrheit Achtung und Beachtung entgegenzu bringen! Wenn damit nicht bewiesen sein soll, daß Bern stein als Besiegter von der siegreichen Mehrheit daS Opfer deS Intellekts bringt, so giebt e« überhaupt keinen Beweis dafür. Ergötzlicher Weise ist cS ein klerikales Hauptorgan, die „Germania", welche die moralische Selbstvernichtunz Bernstein's in der schärssten Form geißelt. Man wird sich hieran erinnern, wenn wieder einmal gleich dem Würzburger Professor Schell ein katholischer Gelehrter von der Jndex- Congregation zu Rom den intellektuellen und sittlichen Kotan vollzieht. * Berlin, 26. September. Ueber die deutsche Handels- marine veröffentlicht der frühere französische Teputirte I. Charles Roux in der jüngsten Rümmer deS «Journal des TöbatS" einen höchst anerkennenden Artikel. Roux hat die Probefahrt des vom „Norddeutschen Lloyd" in Bremen in den Dienst gestellten neuen PacketbootS „Kronprinz Wilhelm" mitgemacht und ist deS Lobes voll für dieses Musterschiff. Er giebt einen alles Wesentliche zusammen fassenden Ueberblick über die Geschichte deS „Norddeutschen Lloyd" und dessen Einrichtungen, und der Vergleich, den er zwischen Deutschland und Frankreich in dieser Hinsicht zieht, fällt durchaus zu Gunsten Deutschlands auS. Gegenüber den allzu pessimistischen Berichten einzelner französischer Blätter über die industrielle Krisis in Deutschland führt I. Charles Roux auS: „Ich glaube, daß man in Frankreich die Bedeutung der fiuan- ciellen und industriellen Krisis übertreibt, von der Deutschland augenblicklich durchzogen wird. Es ist wahr, daß einige Industrie- zweige an einer allzu hastigen Entwicklung und an einem Ueber- maße der Production leiden, und daß die Banken, von denen diese Industriezweige begünstigt worden, kranken, so daß einige sogar zu einem Stillstände genöthigt waren. Die Geiammtheit des Landes befindet sich aber nichtsdestoweniger im Wohlstände und hat Las volle Bewußtsein der eigene» Kraft und Lebensfähigkeit. Abgesehen von den Seehäfen habe ich auch Städte im Innern besucht wie Köln, Berlin, Dresden, München, Stuttgart, die ich vor nicht langer Zeit bereits gesehen batte, und ich habe überall bemerkcnswerthe Fortschritte, eine Bewegung, einen Eifer für die Arbeit, cin unbestreitbares Wohlbefinden constatirt." Der ganze Artikel zollt der deutschen Industrie volle An erkennung. Hervorgehoben zu werden verdient, daß auch der frühere französische Marineminister Edouard Lockroy nach einer Studienreise in Deutschland sich in ähnlichem Sinne vernehmen ließ. Nicht minder bezeichnend ist, daß gerade die angesehensten französischen Organe, das „Journal dcS T6bats" und der „Temps", sich in diesem Sinne ver nehmen lassen. Andere Blätter bemühen sich daher aus taktischen Rücksichten vergebens, sowohl bei den Italienern als auch bei den Oesterreichern und den Ungarn Verstimmung gegen Deutschland hervorzurufen, indem sie Frankreich als das Land preisen, von dem wirthschaftlichc Vortheile erwartet werden könnten, falls der Dreibund nickt verlängert werden sollte. I. Charles Roux und Edouard Lockroy haben gerade daS Ausland über die wachsende wirthschaflliche Bedeutung Deutschlands für den Welthandel aufgeklärt. — DieDenkmäler deSKaisers und derKaiserin Friedrich vor dem Brandenburger Thor sollen in größerem Maßstabe gehalten werden, als die Figuren der Siegeöallee. Diese sind nur bis 2,80 m hoch, während daS Standbild des Kaisers Friedrich eine Höhe von 3,15 m und das der Kaiserin Friedrich eine dementsprechende Höbe erhallen soll. Die geplanten Umänderungen beschränken sich übrigens auf den Platz vor dem Brandenburger Thor. — Im Anschluß an eine Besprechung der gegenwärtigen Differenzen zwischen der Krone und der Stadt Berlin erzählt die „Freis. Ztg.", daß Oberbürgermeister Zelle von dem Augenblick an beim Kaiser in Ungnade gefallen sei, als er eS abgelehnt habe, für rin zweites Natbbaus der Stadt Berlin die letzten Bürgerhäuser am Schloßplatze zu erwerben. — Die „Post" schreibt zur Beschleunigung der Heimreise deS Prinzen Tschun: Einer Meldung aus Köln zufolge soll daS Reiseprogramm des Prinzen Tschun nicht bloS auf Wunsch der chinesischen Regierung abgekürzt worden sein, sondern auch weil man deutscherseits die Ausdehnung der Reisen nicht gern gesehen habe, zumal dieselben sich zu Triumphzügen zu gestalten drohten. Soweit in dieser Meldung von einer Einflußnahme von deutscher Seite auf da- Reiseprogramm de» Prinzen die Rede ist, sind wir in der Lage, dieselbe als eine Entstellung de» Sach verhalt» zu bezeichnen. — In der am 18. und 19. d. M. abgehaltenen Börsen con seren z war am Schluffe der Berathunzen die Unter commission, bestehend au» den Abgg. vr. Spahn und Gamp, sowie den Justizräthen vr. Staub und Rießer und dem Geschäftsinhaber der DiSconto-Gesellschaft vr. Sa lo mo ns oh n gebildet worden. Diese soll die Meinungs äußerungen der Versammlung zusammenfaffen und ein Ge- sammtbild der Berathungen geben, welche» dann officiell veröffentlicht werden soll. Die Untercommission ist heute Vormittag im Handelsministerium zusammengetreten und hat sich der gestellten Aufgabe unterzogen. — Der Reichsverband der nationalliberalen Jugend vereint wird in den Tagen vom 11.—13. Oktober in München einen Vertretertag abhalten, zu welchem man eine große Betheiligung aus allen deutschen Bundes staaten erwartet. — Dem Vernehmen nach werden die Sachverständigen der chemischen Industrie im preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe in der Mitte der nächsten Woche über verschiedene den neuen Zolltarifentwurf be treffende Fragen vernommen werden. Mit dem Ende der nächsten Woche oder spätestens Anfang der übernächsten dürften die Vernehmungen der Sachverständigen in dem ge nannten Ministerium zum Abschluß kommen. — Ueber die Beförderung von Leichen auf dem Wasserwege bat der Reichskanzler an die kaiserlichen diplomatischen Vertreter und Consularämter, die zur Aus stellung von Leichenpässeu befugt sind, den folgenden Erlaß gerichtet: Nachdem sich neuerdings die Nothwendizkeit er geben hat, die Beförderung von Leichen auf dem Wasserwege einheitlich zu regeln, sind die betbeiligten Reichsbehörden mit der Ausarbeitung der erforderlichen Bestimmungen befaßt worden. Voraussichtlich werden diese in sinngemäßer An lehnung an die für die Beförderung von Leichen auf Eisen bahnen bereits in Kraft befindlichen Vorschriften getroffen werden. Inzwischen bestimme ich, daß bis zur endgiltigen Regelung der Angelegenheit, so weit die Ausstellung von Leichenpässen für die Beförderung von Leichen zu Schiffe in Frage kommt, nach den für die Ertbeilung solcher Pässe bei Beförderung mit der Eisenbahn erlassenen Anordnungen zu verfahren ist. — Prinz und Prinzessin Adolf von Schaumburg-Lippe, welche sich seit einiger Zeit zur Erledigung vrivaler Angelegenheiten in England aufhielten, sind gestern über Blissingen und Köln in Bonn wieder eingetroffen. Der Ober-Präsident von Hannover, Graf zu Stolberg- Wernigerode, ist heute früh aus Hannover angekommen. — Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, königlich sächsische Geheime Finanz, rath vr. Rüger, ist zu ständigem Aufenthalt hier eingetroffen. — Ter Generalinspector der türkischen Medicinschule, Professor vr. Rieder, ist aus Konstantinopel hier eingetroffen. — Abgereist ist der Präsident de» Ober-Landesculturgerichts, Wirkliche Geheime Ober-Regieruugsrath Rintelen, nach der Provinz Hannover. — Der amerikanische Botschafter am Berliner Hofe, Mr. Andrew D. White, wird mit dem gestern von Hamburg auS in See ge- gangenen Dampfer „Auguste Victoria" die Reise nach New Aork autreten, und zwar beabsichtigt der Botschafter, welcher sich seit einigen Tagen in London ausdält, sich in Southampton an Bord deS genannten Dampfer» zu begeben. — Freiherr v. Cramm-Burgdorf, der braunschweigische Gesandte am preußischen Hofe, war während des Sominers von einem heftigen rheumatischen Leiden heimgesucht, das ihm nur auf Krücken zu gehen gestattete und Le» Gebrauch der Hände anfs Aeußerste behinderte. In den letzten Wochen hat sich nun das Be- finden des Gefandten so weit gebessert, daß er wieder im Besitze seiner körperlichen Kräfte ist und demnächst auf völlige Genesung rechnen darf. Frhr. v. Cramm hält sich während seiner Beurlaubung aus seiner Besitzung Burgdorf auf. — Der verstorbene Genosse Schmitz in Aachen, der der social- demokratischen Partei die Summe von 40 000 hinterlassen hat, war, wie Las Solinger Parteiblatt mittheilt, von Beruf Apotheker. Sein Vater war vor langen Jahren Professor am Karlsgymnasium in Aachen. Der Verstorbene, Ler 80 Jahre alt geworden ist, huldigte schon früh fortschrittlichen Ideen und nahm an den Er eignissen von 1848 lebhaften Antheil. Seit Jahrzehnten gehörte er dann der Socialdemokratie an, wenn er auch nicht in die Oeffent- lichkeit getreten ist. * Braunschweig, 27. September. Bekanntlich hatte im Juni dieses Jahres die braunschweigisch-welfische Partei ein ErzebenheitS-Telegramm an den Herzog von Cumberland zur Absendung gebracht, in welchem der Herzog unter Anderm als braunschweigischer Landesherr angeredet wurde. Nachdem diese Depesche seinerzeit in Berlin von der Weiterbeförderung ausgeschlossen wurde, weil nach Ansicht der Berliner Ober - Postdirection Fassung und Inhalt des Telegramms eine Demonstration gegen die bestehende verfassungsrechtliche Ordnung im Herzog tum Braunschweig bedeute, führten die Braunschweiger Ab sender der Depesche Beschwerde beim Reichs-Postamt. Nun mehr hat auch diese — für den vorliegenden Fall — letzte Instanz gesprochen. Die hiesigen Beschwerdeführer (z. H. deS Herrn Fabrikdirector Sollmann) empfingen nämlich vor wenigen Tagen di« nachstehende Entscheidung: „DaSReichs-Postamt Berlin erachtet den Bescheid der hiesigen kaiser lichen Obrrpostdirection vom 19. August bezüglich deS am 24. Juni diese- Jahres aufgegebeuen Telegramms für gerechtfertigt und ist daher nicht in der Lage, Ihrer vorbezeichneten Beschwerde stattzugeben. ReichS-Postamt (2. Abthrilung). gez. Sydow." Nach den „B. N. N." hoffen die Welfen, daß der Reichs tagsabgeordnete für den Wolfenbüttler Kreis, Kaufmann- Linken, die Angelegenheit im Reichstage zur Sprache bringen wird. Sollte die- nicht zutreffen, so soll Reichstags abgeordneter Freiherr v. Hodenberg-RibebeSbittel bei der Beratbung des PostetatS dieserhalb interpelliren. * Osnabrück, 26. September. Bischof vr. Voß wird in den nächsten Tagen eine Rom reise antreten. * Detmold, 26. September. Bei der Galatafel, die aus Anlaß deS Einzuges des Erbgrafenpaares im Schlöffe stattfand, hielt der Graf-Regent eine Ansprache, aus der wir folgenve Sätze hervorheben: „Heute ist rin Freudentag für unser alteS Schloß und da? ganze Land, denn der Sohn und Erbe führt seine traute junge Gemahlin heim in das Land seiner Ahnen. Willkommen im Lande, willkommen im Fürstenschlossei So klingt es heute auS allen Herzen den hohen Neuvermählten entgegen .... Euch beiden lieben Kindern bringe ich auS tiefster Seele unser Aller Segenswünsche Lar: Euren Eingang segne Gott! Möchte die Zu- kunft Euch reiches Glück gewähren und die Strahlen dieses Glückes und Eurer Liebe zurückfallen auf unser ganzes herrliches Heimath- land. Möchte die Liebe und Treue, die Euch schon jetzt mit dem selben verbindet, eine immer festere und innigere werden I" v. Rudolstadt, 26. September. Anfang dieses Monats war von dem Ortsschulzen von Gräfinau der dort geplante Parteitag der Socialdemokraten des Fürstenthums verboten worden. Am 22. d. M. sollten als Protest da gegen 14 socialdemokratische Versammlungen stattfinden. Auf Verfügung des fürstlichen LandrathsamtS sind sie sämmtlich verboten worden auf Grund deS 8 3 des Gesetzes vom 5. Januar 1894. Als Grund deS Verbotes ist in der Ver fügung angegeben! daß mit den Versammlungen eine Demon stration der socialdemokratischen Partei gegen die Staats regierung wegen Verbots des Parteitages in Gräfinau be zweckt werden solle und deshalb Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu befürchten sei. * Nürnberg, 26. September. Die Stadtgemeinde bat in zwei verschiedenen Stadttbeilen eine Reihe Wohnhäuser er bauen lassen, um gesunde und billige Wohnungen für städtische Bedienstete und Arbeiter zur Verfügung zu stellen. Zu allgemeiner Ueberrasckung ist aber die Nachfrage nach diesen Wohnungen jetzt, nachdem diese Häuser sertiggestellt sind, sehr gering. Oesterreich-Ungarn. Lueger gefordert; Teutschfortschrittlicher Wahlaufruf. >V. Wie», 27. September. (Privattelegramm.) Der hiesige Advocat Victor o. Ofenheim ließ heute durch zwei Officiere den Bürgermeister vr. Lueger fordern, weil dieser gegen Ofenheim wegen dessen Vorgehens gegen die kommunalen Wassergebühren im Gemeinderathe ab fällige Acußerungen gethan hatte, vr. Lueger lehnte die Forderung unter Hinweis auf seine religiöse Üeberzeugung und mit der Begründung ab, daß er sich die Freiheit, seine Meinung zu äußern, als Bürgermeister nicht beschränken lasse. * Prag, 26. September. Ein heute von der Versammlung der Vertrauensmänner der deutsch-fort schrittlichen Partei in Böhmen beschlossener Wahl aufruf betont, die deutsch-fortschrittlichen Landtagswähler werden bei der bevorstehenden Landtagswahl zu entscheiden haben; ob sie Jenen folgen sollen, welche die Untheilbarkeit Böhmens ausrufen, oder Jenen, welche den Aufbau fester gesetz licher Wälle zum Schutze des deutschen Volksthums und zur Wahrung seines bedrohten Sprachbodens die thunlichste Be seitigung der Anlässe zum nationalen Streite und die möglichste Selbswerwaltung beider Sprachenstämme anstreben. Der Wahl aufruf zählt eine Reihe von Forderungen auf, unter ihnen Aenderung der Landtagswahlordnung auf demokratischer Grund lage durch Einschränkung des Wahlrechts des Großgrundbesitzes, Heranziehung der bisher unvertretenen Volksschichten durch An gliederung an die allgemeinen Wahlclaffen, Errichtung nationaler Curien mit Vetorecht in der Landesvertretung, Regelung des Sprachgebrauchs bei den autonomen Landesbehörden und Staats behörden derart, daß in rein deutschen Sprachgebieten nur Deutsch amtirt werden soll. Der Wahlaufruf giebt schließlich cin alle Gebiete des socialen und wirthschaftlichcn Lebens umfassendes Programm der im Landtage anzustrebenden Reformen an und wahrt sich gegen den Vorwurf, daß die deutsche fortschrittliche Partei sich allzu passiv verhalten habe. Der Ainnwalder Ueberfall. Die „Dresdner Nachrichten" erhalten eine Zuschrift, der wir Folgendes entnehmen: „Gestatten Sie einem in Sachen der evan- Cilli schluckte das auf der Zunge lose sitzende: „i itt'" hinunter und nickte, zum Zeichen, daß die Amtsrichterin in spe zum Nachgeben im Ehestande bereit sei. Der laute Ruf: „Bojazzel hopp!" drang von einer anderen Menschengruppe herüber und veranlaßte ein Anstürmen von Neu gierigen in jene Richtung. Eugen humpelte, auf Cilli gestützt, auch hin, denn das Bvjazzel-Spiel der Sennen rnteressirte ihn von klein auf, und lange genug hat er es feit der Studienzeit nicht mehr gesehen. Dem Stadtherrn machten die ländlichen Zuschauer willig Platz, so daß Lugen mit seiner Braut mählich in die vorderste Reihe gelangen und das interessant« Spiel gut beobachten konnte. Auf dem Wiesenplane lagen di« Gegner kampfbereit, immer je zwei auf dem Rücken und stets rechtsseitig aneinander, so daß deS einen Kopf dort liegt, wo deS anderen Füße sind. Auf das Kommando „Bojazzel hopp!", welches der Un parteiische nun wiederholte, begann der Kampf mit allem Ernst und gebirglerischer Energie. Di« Gegner werfen rasch feder das Bein in di« Höhe, suchen mit der Kniekehle oder mit den Waden das Dein des Gegners zu umfassen und durch krastvollrs Dagegenstrmmen dasselbe nieder zu drücken. Diesem Druck sokher Kraftmenschen zu widerstehen, ist nicht leicht. Giebt ein Gegner nur in etwas nach,so ist sofort auch ein Nachgeben deS ganzen Körpers unvermeidlich, der nun wie cin rollivender Hase nach rückwärts überschlägt, ähnlich dem Purzelbaum eines Bajazzo, und von diesem Bajazzo-Ueberschlag hat dieses Kampfspiel den Namen erhalten. Wer hinfliegt, hat selbstverständlich das Spiel verloren und ist dem allgemeinen Ge lächter preisgegeben. Und die Meisten flogen auch wie Gummi bälle hinweg. Hell auf mit den Zuschauern lachte Cilli, als wieder ein Bojazzel rollirte und hinwegflog, und auch Eugen amüsirt« sich Estlich. „Schade, daß ich itt' nrttthun kann! Da« ischt wohl für immer vorbei!" meinte er. „Wer itt' übel!" flüsterte Cilli, „denk' doch: der Herr Amts richter und — bojazzeln! WaS die Luit sag« thäte!" „Ja, da hascht recht!" seufzte Eugen und äußerte dann den Wunsch, zum Fuhrwerk zuriickzukhren, denn es werde kühl und das Tageslicht nehm« auch schon stark ab. WlliggekitrdeCilli denVerlobten vom mealchenerfüllten Plane hinweg. Dom Fuhrwerke des Hinterhaunholdhofes war bei Lo retta nicht» zu sehen; Toni wird wohl, nachdem er seine Fahr gäste auf dem Festpluhe abgeladen, nach Oberstdorf zurückgefahren und auf der „Post" eingestellt haben. Eugen wollt« den Weg nach Oberstdorf mit Rücksicht auf sein geschwächtes Bein nicht laufen und bat «daher Cilli, das Fuhrwerk zu reauiriren und hierher nach Lorettv zu dirigiren. Willig fügte sich Cilli und schritt eilig in den Ovt, um Toni zu holen. Fast eine Stund« verfloß, bis der Schaffer anfuhr mit Cilli im Wagenfond. Trotz der Dämmerung erkannte Eugen augen blicklich, daß Toni die Gurgel sehr stark befeuchtet haben mußte, und scharf wies Fleschhut, der Trunkenheit bei Kutschern grimmig haßte, den Oberknecht zurecht. Toni grinste, seine Augen flackerten, doch schwieg der Schaffer. Kaum daß Eugen im Wägelchen, trieb der Schaffer den Gaul scharf an und fuhr in überschnellem Tempo von "dannen. Zornig rief Eugen: „So prefsirt 's itt'! Langsam fahren!" Der Schaffer schien taub geworden und pritschte das Roß geradezu unsinnig, so daß es in Galopp überging, und das Wägelchen hin- und hergeschleudert «ward. „Der schmeißt bei Gott noch um!" jammerte Cilli. Eugen verspürt« Lust, dem tollen, trunkenen Knecht die Zügel zu entreiß«n, und beugte sich eben vor, La stütz der Wagen an einen Rainstein, krachend brach di« Deichsel, ein Ruck und Riß, der Wagen kippte um. Mit einem Sprung« hatte sich der Schaffer in Sicherheit ge bracht. Glücklicher Weife blieb der Gaul stehen, und «in weiteres Glück war, daß die Wagemnsassen auf weichen Wiesengrund ge worfen wurden, daher keime besonderen Verletzungen eintraten. Eugen empfand lediglich ob der Prellung am empfindlich ge bliebenen Dein arge Schmerzen. Cilli war überhaupt mit dem Schrecken davongekommen und völlig heil geblieben. Ehe Eugen dem leichtsinnigen Schaffer noch di« Meinung sagen konnte, hatte Anton den Wagen wieoer aufgerichtet und so demllthig um Verzeihung gebeten, daß die weichherzig« Cilli Len Bräutigam bestürmte, «den gut abgelaufenen Unfall ohne Ahndung zu lassen. So befahl denn Fleschhut, es soll« der Schaffer das Fuhr» werk sammt Gaul Heimdringen und sodann die Reparatur des Wägelchens veranlassen. Das Pärchen ging dann den Rest des Weges plaudernd h«im. „Muetti! Ich han*ab«r schon e saumäßige» Glück!" rief am Morgen kurz nach Erscheinen des Postboten Eugen freudestrahlend der Mutter entgegen, als man «ben das Frühstück auftrug. „Was ischt passiert?" meint« die Matrone. „Ich habe die Ehre, mich als neuernannten Amtsrichter von Sonthofen vorzustellen!" „Wirklich! Welche Freud«! Also bleibst Du ja in der nächsten Nachbarschaft?! So «im Glück! Da können wir uns schier jeden Sonntag »wohl sehen! O! wie bin ich dem Schicksal dankbar!" „Ich o, Muetti! An Sonthofen habe ich wahrlich gar itt' gedenkt! So nahe dem Heimathle!" Fragen und Antworten kveuztrn sich, vielerlei wollt« di« Mutter wissen; man besprach die Einrichtung des neuen Heims, und Eugen ward zapprlig im Gedanken, daß er schon am nächsten Tag« den Amtsposten onireten, also noch heute nach Sonthofen fahren müsse. So eine Freude und «in großes Pech dazu, denn das Flesckhut-Wägelchen ist nicht benutzbar. „Ich bitt' den Nachbar um den Landauer, da können wir dann alle mit einander nach Sonthofen fahren!" rief Eugen, und griff nach dem Hut. „Halt, Buebli! Das geht itt'! Du wirst hübsch allein fahren! Allenfalls begleitet Dich die alte Mutter! Auf keinen Fall aber die Braut! Cilli kann doch itt' so lange in Sonthofen bleiben, bis ich Dir die Wohnung eing«richtet habe." „So, meint Muetti?" klang es gedehnt und enttäuscht aus Lugen's Mund. „Ja, so umd itt' anders!" „Na, dann will ich wenigstens Abschied nehmen drüben und dem Nachbar um den „Einspänner" bitten!" Und weg war der junge Amtsrichter. Gleich nach Tisch wurde gepackt, und Nachmittags erfolgte die Abreise von Mutter und Sohn im Gefährt des Nachbars. Cilli stand am Gartenzaun und sah »dem enteilenden Wagen mit Thronen in den dunklem Augen nach. Ein letztes Winken, umd das Gefährt verschwand. Cilli fuhr mit der Hand über die Augen und ging, den Abschiedsschmerz mederkämpfend, dem Haufe zu, an dessen Thüre der Schaffer stand, welcher höhnenden Blickes das mit sich ringende Mädchen beobachtet hatte. „Fort ischt er, der gestrenge Amtsrichter! Der kommt so bald nimme!" „Was willscht?" klang es schroff von Cilki's Lippen. „Gleich nur trösten! Die Jungfer soll's itt' zu herb nehme!" „Ich brauch' seinen Trost itt'!" sprach Cilli, ließ den Schaffer stehen und schritt ins Haus. „Sperrige Föl!" knurrte beleidigt der Oberknecht und ging weg. Di« Tage vergingen einförmig. Nach einer Woche kehrte Frau Fleschhut von Sonthofen zurück, sehnlich erwartet von Nach bars Cilli, die mm zur Mutter des Verlobten „huigarten" kam umd sich nicht genug von Eugen, seinem Leben, Wirken, und jetzi gem Heim erzählen lassen konnte. Bei solch' traulichem Verkehr ward Frau Fleschhut mählich wärmer in ihren Empfindungen für die brave Föl, wenn auch die geheime «Sorg« betreffs der wirthschaftlichen Situation des Nachbars nicht schwinden wollte. Hierüber wollt« die Matrone aber doch nicht mit Cilli sprechen, man muß eben still vbwartrn, was die Zukunft bringen wirb. Wenige Tage zu Weihnachten konnte der junge Amtsrichter im Heimathle verbringen, und Cilli fand sich Abends stets im Himter- haunholdhof« ein, fleißig strickend umd den Blick andächtig auf den Bräutigam gerichtet, der in seiner Amtswürde viel ruhiger, gesetzter geworden ist, "wenngleich es im engsten Familienkreise an einem launigen Worte nicht fehlte. Das Pflichtgefühl trieb »den Beamten aber bald wieder fort, Eugen haßte Actenrestarrten und hatte keine Ruhe, bis nicht auf gearbeitet und Alles im laufenden Geschäftsgang ist. Ebenso kurz wie zu Weihnachten blieb der Besuch zur öster lichen Zeit, herzlich, aber kurz. Doch als der Friihsommer sein« Pracht zu entfalten begann, veranlaßte ein Brief von Eugen's Hand die Mutter, mit Cilli ein« Rücksprache zu nehmen, deren Resultat schon am nächsten Tage nach allgäuischem Brauche am Mädchen zu sehen war. Cilli trug schwarz« Kleider, zum Zeichen, daß der Brautstand officiell geworden, Standes- und Pfarramt mit der Einleitung der Amtshandlungen zur Schließung einer Ehe beauftragt sind. Natürlich waren die beiderseitigen Mägde die «rsten, welche die schwarze Drauttleidung augenblicklich ge» wahrten und richtig zu deuten wußten. An Gesprächsstoff war demgemäß kein Mangel. Der Schaffer ward fahl im Gesicht, als er die Dirnrn vom wirklichen Brautstand schwatzen hörte, und starr sein Blick, da er Cilli in schwarzer Brautkleidung ge wahrte. Don dieser Veränderung im Gewand bis zur erst maligen Verkündigung des Paares von der Kirchenkanzel kann jetzt nur ein Zeitraum von wenigen Wochen liegen, «dann wirb der Ehebund geschlossen sein für's ganze Leben. Auch im Hinterhaunholdgehöft vermehrtem sich die Anzeichen auf bevorstehende Veränderungen; Frau Fleschhut stöbert« in den Leinwandkästen und rumorte sonst im Hause herum, schrieb viel und schickte einen Knecht des Oefteren nach Oberstdorf. Eifrig beschäftigt, hörte sie kaum mit halbem Ohr auf die Mittheilungen des Schaffers und seine Fragen betreffs Alp auftrieb, und erwiderte nur so halbhim, daß es gehalten werden solle wie immer. „Gut, Frau! Nur möchte ich noch fragen, ob tvrr da» Ge selchte (Rauchfleisch) itt' noch mit Saliter (Salpeter) beizen sollen; di« Hitz' nimmt zu, das Flrisch könnt' leicht verderben. Ischt etwas z'wenig g'selcht worden im Winter." „Recht! Mach's wie's gut ischt und kauf' was nöthig ischt." (Fortsetzung folgt.)
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