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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.09.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010926018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901092601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901092601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
- Tag1901-09-26
- Monat1901-09
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Donnerstag den 26. September 1901. Anzeigen »PreiS die 6 gespaltene Petitzeile Necla mou unter dem RedamvnSstri.y (4 gespaltea) 7» L» vor dru FomUicanach» richten («gespalten) SO Tabellarischer and Ztffernsatz entsprechend Häher. — Gebühre« für Nachweisungen nuh Offertenannahme SS Lj (excl. Porto). Ertra-Beilage« (gefalzt), n«r mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördernug «0.—, «tt Postbefördernug ^g 70/—» ^noahMschluß fir Aiyeizeil: Abead-Sa-gabe: Vormittag» lv Uhr. Nr»rg«»-U»-gab«: Nachmittag» 4 UhL Bat den Filiale, «ad Annahmestellen je eins halb« Stunde früher. Anzeige« find stet« an bi« Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentaa» unmrterbroche» geöffnet von früh 8 bi« Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag vo» L. Pol» l» Leipzig 95. Jahrgang. Nach -em Zarenbesuche in Frankreich. Man schreibt unS: Kaiser Nikolaus von Rußland 'ist heimgereist, die Conferenzen in Reim- zwischen den russischen und den französischen Diplo maten haben ihr Ende erreicht und die Franzosen beginnen, sich zu beruhigen. Besondere Ereignisse haben sich nicht abgespielt und außer in den gewöhnlichen Trinksprüchen ist die Politik nach außen fast gar nicht hervorgetreten. Aber die Reden des Zaren und des Präsidenten Loubet bieten Anlaß zu Betrachtungen und Muthmatzungen. Sie unterscheiden sich in Manchem von früheren Ansprachen und eröffnen bei der gegenwärtigen Weltlage eigen- thümliche Aussichten. Dir Reden waren vorsichtig wie immer gehalten, aber sie lüfteten doch etwas den Schleier von den Plänen, die Rußland und Frankreich gemeinschaftlich verfolgen. Namentlich war cs bemerkenswert^ daß der Zar in seinen ersten Trinksprüchen nicht den Nachdruck auf die Erhaltung des Friedens legte, wie es vor vier Jahren und bei Gelegenheit des Petersburger Besuches Felix Faure's geschah. Er gedachte des Friedens eigentlich nur im Zusammenhänge mit der Armee und der Flotte, die er als „mächtige Stützen der Grundsätze der Billigkeit, auf denen die Ordnung, der Friede und die Wohl fahrt der Nationen ruhen", Umstellte. Erst kurz vor der Ab reise versicherte der Kaiser, daß Rußland und Frankreich von den „friedlichsten Absichten beseelt" seien, fügte aber hinzu, daß sie „ihren Rechten, ohne die Rechte Anderer zu beeinträchtigen, Anerkennung zu verschaffen wißen". Das klingt entschloßen, besonders wenn man in Erwägung zieht, daß Nikolaus II. gleich zu Beginn die Franzosen als „befreundete und verbündete Nation" bezeichnete und damit das Fortbestehen des Zweibundes proclamivte. Jeder unbefangene Beobachter der Kaisertage in Dünkirchen und Reims muß die Ueberzeugung gewonnen haben, daß die Festigkeit des Bundes gegen äußere Feinde und die Stärk« der Rüstung dieses Mal heroorgehoben werden sollten. Die Frage ist nur, gegen wen die französisch-russische Macht aufgeboten wer den soll. Als der Zweibund bei Gelegenheit der Kronstädter Flottenschau gegründet wurde, richtete sich seine Spitze unver kennbar gegen das deutsche Reich. Die Spannung hat Jahre lang angehalten, aber sie ist gewichen, und heute haben wir sicherlich nicht die mindesten Kriegsdrohungen vom Zarenreiche zu besorgen. Auch die Danziger Begegnung bürgt dafür, daß keinerlei Verstimmungen zwischen Deutschland und Rußland be stehen und daß für uns ld«r Friede auf lange gesichert ist. Die politische Lage hat sich in den Jahren wesentlich ver ändert. Der wichtigste Feind, gegen den cie Rußen seit Jahren rüsten und mit dem cs gewiß zu einer Auseinandersetzung kommen wird, ist Großbritannien. Mit den Engländern führen die Russen in Asien und Europa durch ihre Diplomaten einen erbitterten Kampf, der nicht selten eine so heftige Wendung genommen hat, daß dec Eingriff der Armee unvermeidlich schien. England ist nun seit dem Ausbruche des Krieges im Süden Afrikas derart gelähmt, daß es unmöglich eine größere Action beginnen kann. Man hat sich vielfach darüber gewundert, daß Rußland diese Schwäche seines alten Widersachers nicht schärfer ausnutzte und ihn nicht mit den Waffen aus seiner Welt stellung zu verdrängen suchte. Es hieß, diese Haltung sei durch ein Versprechen des Kaisers Nikolaus an die verstorbene Königin Victoria veranlaßt worden, worin aber ein Vorgehen idurch die Diplomatie offenbar nicht eingcschlossen war. Zu verschiedenen Zeiten hat man von Petersburg aus in den letzten Jahren politische Vorstöße gegen England unter nommen, die meistens zu Gunsten der Rußen verliefen. Ein solches Unternehmen scheint auch jetzt im Gange zu sein. Wir erinnern an die Thatsache, daß beim Ausbruche des französisch türkischen Conflicts von russischen Truppenbewegungen im Süden des Reiches berichtet wurde. Auch mehrere Kriegsschiffe der Schwarzmeerflotte sollten sich in der Richtung des Bosporus in Bewegung gesetzt haben; es hatte den Anschein, als sei man ent schloßen, die Meerengenfrage aufzurollen, und als beabsichtige Rußland, die Durchfahrt durch die Dardanellen zu erzwingen. Der Streit zwischen Frankreich und der Pforte führte wider Erwarten einen Bruch herbei, hat aber einstweilen keine schwer wiegenden Folgen nach sich gezogen. Zeitweilig trat Stille ein. Man wollte offenbar die Zarentage vorübergehen laßen, bevor man sich zu ernsteren Maßregeln entschloß und über die Ansicht des hohen Verbündeten volle Klarheit besaß. Das ist jetzt jeden falls geschehen. Ein französisches Geschwader wird in diesen Tagen mit ver siegelten Ordres nach der Levante abdampfen. Diese Thatsache durfte als erste bedeutsame Folge des Zarenbesuches anzusehen sein. Deshalb ist noch nicht gesagt, daß Frankreich mit Rußland nun kriegerische Operationen gegen die Türkei beginnen wolle. Das dürfte auch kaum den Wünschen des Kaisers Nikolaus ent sprechen, dessen Regierung die Nachricht von den Truppen ansammlungen seiner Zeit in Abrede stellen ließ. Aber daß man aus die Pforte einen Druck in mehrfacher Hinsicht ausüben will, ist sehr wahrscheinlich. Wenn Frankreich und Rußland sich ge einigt haben, di« Meerengenfrage zur Lösung zu bringen, so ist der Zeitpunkt glücklich gewählt. England, als die nächst, betheiligte Macht, ist ganz außer Stande, den Zweibundplänen hindernd in den W«g zu treten, und mit Deutschland hat sicher auf der Danziger Rhede eine Einigung stattgefunden. Eine Floltendemonstration, unterstützt durch Drohungen, würde den Sultan zur Nachgiebigkeit zwingen und der Oeffnung der Darda nellen geneigt machen. Darin liegt vermutlich die politische Bedeutung der dies- jährigen Reise d«S Kaisers von Rußland. Daneben haben zweifel los auch finanzielle Pläne und Anleiheabsichten mitgespielt. Aber wegen eines Darlehns allein geht der Zar schwerlich nach Frank reich. Das kann auch der Finanzminister Witte vermitteln. Läßt sich die Kaiserreise nach ihrem äußeren Verlaufe beurteilen, so haben all« Theile erreicht, was sie wollten. Wenn die Benach teiligung der Quai-Gesellschaft durch Frankreich ungewöhnlich aukgebauscht wurde, so verfolgte es dabei eigentlich daS russische Interesse und bereitete «den Boden für «inen Eingriff de» Zaren- reiche», aber «» wußte wohl, worum es solches that. Und sollte Deutschland fein« Zustimmung zum Vorgehen der Zweibund. Mächte gegeben haben, so hat es sein« Gründe dazu gehabt. Wir dürfen demnach der Entwickelung de» Eonflicte» Frank reichs mit der Pforte nicht ohn« Spannung entgegen sehen. Der üricg in Südafrika. Lage tn der Capcolonie. * London, 25. September. (Telegramm.) „Neuter's Bureau" berichtet aus MatjeSfontein unter dem 23. September: Es haben sich viele Farmer in dem Distrikte von Sutherland mit den Commandos unter Maritz Louw und Smith ver einigt. Es mehren sich täglich die Zeichen Lasur, Lag die Capcolonie der Schauplatz der letzten Ereignis! «des Kriege- wird. Ma lau ruckt noch Sutherland vor, nachdem er in dem Oronje-Freistaate mit Dewet Rücksprache genommen hat. — Major Lapper griff Theron an, der am 22. September die Eisenbahn südlich vom Touws-Flusse mit etwa 100 Mann überschritten hatte; der Erfolg deS Gesichtes war nicht entschieden. — Scheepers brach nach Nordweslen über Mairingspoort durch. — Ein Farmer ist hierher gebracht worden, der beschuldigt wird, den Engländer» falsche Informationen gegeben zu haben, die es ermöglicht hätten, Laß Theron die Bahnlinie überschritt. Mangel an englischem Ersatz. In den drei schweren Niederlagen, die die Engländer seither erlitten, haben sie insgesammt 45 Officiere und 524 Mann, sowie 5 Geschütze eingebüßt. Während sonst, allerdings nur nach englischen Berichten, die Boeren ihrer Sorglosigkeit und Vernachlässigung des Sicherheitsdienstes die erlittenen Schlappen zu verdanken haben, hat sich diesmal in allen drei Fällen der Spieß umgedreht. Zwei Umstände sind bemerkenswerth und verdienen nachträglich hervorgehoben zu werden. In dem Ge fecht bei Utrecht wurden fünf Compagnien berittener Infanterie völlig aufgerieben und verloren 24 Officiere und 275 Mann. Nur dem Commandeur, Major Gough, gelang es, fein werth volles Leben unter dem Schutze der Nacht in Sicherheit zu bringen. Danach zählten die Compagnien ungefähr 60 Mann, d. h. etwa ein Drittel der ursprünglichen Stärke. Aehnlich mag es wohl auch hinsichtlich der Stärke bei den andern Truppentheilen aussehen. Also derartig sind die Bataillone in Folge des nunmehr zwei Jahre andauernden Krieges und Mangels tauglichen Nachersatzes zusammengeschmolzen., Denn die nach Tausenden zählenden unausgebildeten Recruten sind nicht nur werthloses Material, sondern Ballast, da sie behufs ihrer Ausbildung der Feldtruppe das entsprechende Lehrpersonal entziehen. Engkischc Verleumdung. Die Boeren haben kaum wieder einige Erfolge zu ver zeichnen, als auch auf ein vom Kriegsamt gegebenes Commando die Jingoblätter begannen, den Heldenkämpfcrn in Südafrika di« größten Schändlichteitrn anzudichten. Da ist es angebracht, mit der Münchner „Allgemeinen Zeitung" auf eines der vielen Schreiben englischer Officiere hinzuweisen, in denen die Humanität der Boeren anerkannt wird. Com- mandant Grothus erhielt folgenden Brief: To tds Eomuwuclaut Loer korces. T-illiokonteill. Sir! Ich schreibe, um Ihnen in meinem Namen und im Namen der Truppen, welche zu commandiren ich die Ehre habe, zu danken für die humane Behandlung, welche Sie allen unfern in Ihre Hände gefallenen Verwundeten und Gefangenen er wiesen haben. Es ist besonders peinlich für mich, Farmen ver brennen und Eigenthum zerstören zu müssen von Menschen mit solcher Tapferkeit und feinem Gefühl, und ich bedauere sehr, daß ich diese scharfe Maßregel fortsetzen muß, bis Ihr ganzes Volk die Waffen niedergelegt hat. Sobald Alle die Waffen niedergelegt haben, wird Friede beobachtet, und den 16 000 Boerengesangenen in unfern Händen gestattet werden, auf ihre Farmen zurückzukehren. Ich hoffe, der Tag wird bald kommen. Wenn Friede hergestellt sein wird, möchte Ach das Vergnügen haben, Ihnen zu begegnen. 7. November 1900. Ihr aufrichtiger H. L. Smith-Dorrien, Maj. General, Cdt., Belfast-Distrikt. Verletz«»« der Rcutralität durch Oesterreich t Don der Gesandtschaft der Südafrikanischen Republik in Brüssel wird uns Folgendes mitgetheilt: „Seine Excellenz I)r. Leyds hat vor einigen Tagen bei der österreichischen Regierung Widerspruch erhoben gegen die Lieferung von Sätteln an die Ueomanry. Diese Lieferung fand gerade statt, als die Engländer Sättel sehr brauchten, deren Lieferung, was officiell im englischen Blaubuch A. D. 803 anerkannt wird, als eine besondere Gun st der österreichischen Regierung der Ueomanry gegenüber betrachtet wurde." Schon im Januar und März 1900 legte Dr. Leyds Protest ein gegen die Liefe rung von Pferden und Kanone r? durch die öster reichische Regierung an England, aber ungeachtet der wieder holten Proteste von Di-. Leyds, worauf er nie eine Antwort er hielt, fuhr Oesterreich-Ungarn ruhig fort mit diesen Neutra- kitätsverlehungen. Deutsches Reich - Leipzig, 25. September. Das Geschäftsjahr 1900/1901 der HilfScasse für deutsche Rechtsanwälte schließt ab mit einer Mitgliederzahl von 4375 gegen 4325 im Vorjahre. Der Capitalgrundstock hat sich von 680 337,70 im Vorjahre auf 792 967,68 erhöht. Für Unterstützungen ist ausgeschieden der Betrag von 93 889,09 -4t; hiervon war am 1. Juli 1901 schon über 71 210 -4k durch Urberweisungen verfügt. -4- Berlin, 25. September. (Der Kaiser und die R e i ch 8 ha u p t st a d t.) Die Freisinnigen Berlins sind darüber verstimmt, daß der Kaiser es endgiltig abgelehnt hat, den OberbürgermeistervonBerlin zum Vortrag: in der bekannten Straßenbahnangelegenheit zu empfangen. Nachdem gestern Abend ein aus dem rothen Hause unterrichtete» freisinnige» Blatt festgestellt hat, daß diese endgiltige Entscheidung mit der Wiederwahl deS Herrn Kauffmann zum Bürgermeister nicht» zu thun haben könne, weil sie bereit» vor jener Wiederwahl erfolgt sei, scheint »«»gerade vom con- stituttonellen Standpunct« au» kein Grund zur Verstimmung über di« Verweigerung de» Empfanges des Herrn Kirschner vorzuliegen. Wenn der Kaiser, dessen Genehmigung die Anlage von Straßen bahnen in Berlin und Potsdam unterliegt, an der Meinung fest hält, es dürfe die Straßenbahn über die Straße „Unter den Linden" nicht geführt werden, so kann er sich mit dem Ober bürgermeister Berlins nicht persönlich in Debatten über die Streitfrage einlassen, ohne den konstitutionellen Grundsätzen zu nahe zu treten, die namentlich auch von freisinniger Seite — un seres Erachtens mit Recht — dagegen geltend gemacht werden, daß die Person des Monarchen in irgend eine Art von Streitig keiten hineingezogen wird. Man denke sich nur einen anderen Fall. Gesetzt, die Entscheidung des Kaisers in Sachen der G e - treidezölle wäre endgiltig gefallen, resp. er hätte als König von Preußen über die Abgabe der preußischen Stimmen im Bundesrathe in dieser Sache entschieden, und derVorstand des Bundes der Landwirthe verlangte alsdann beim Kaiser eine Audienz, um seine entgegengesetzte Ansicht vor zutragen: würden die Freisinnigen Berlins auch in diesem Falle verstimmt sein, wenn der Kaiser den Empfang des Bundes vorstandes ablehnte? Die Frage stellen, heißt sie beantworten! Was aber die sachliche Seite der Straßenbahn-Angelegenheit anbetrifft, so wird nicht in Abrede gestellt werden können, daß einerseits die Reichshauptstadt als solche speciell in Bezug auf die Straße „Unter den Linden" Rücksichten nehmen muß und daß andererseits die Entwickelung des Berliner Straßenverkehrs es geboten erscheinen lassen sollte, Verkehrsfragen im Hinblick auf die Verkehrszunahme der Zukunft zu lösen. Unter letzterem Ge sichtspunkte verdienen unterirdische Verkehrswege zweifellos den Vorzug vor oberirdischen, zumal in Stadtgegenden, wie die bei den „Linden". Kostspielig wird allerdings eine Unterpflaster bahn „Unter den Linden" sein; aber die Möglichkeit, daß dort die Zukunft eine oerartige Unterpflasterbahn unter noch viel größeren Opfern als jetzt anlegen muß, ist nicht zu bestreiten. Wenn heute die Verstimmung über die Straßenbahn-Angelegen heit auch mit d«m Hinweise darauf erörtert wird, daß der theure Ankauf der fraglichen zwei Linien durch die Stadt Berlin im Vertrauen auf die kaiserliche Erlaubniß zur Verbindung beider Linien über die „Linden" erfolgt sei, so ist darauf zu erwidern: nicht auf unverbindliche Aeußerungen des Polizeipräsidiums hätte sich der Berliner Magistrat verlassen dürfen, sondern er mußte die formelle Zustimmung des Kaisers vorher einholen. Wäre die» geschehen, so werden die jetzigen Weiterungen erspart worden sein. (Zu den letzten beiden Sätzen ist zu bemerken, daß solche Berliner Blätter, die Fühlung mit dem rothen Hause haben, versichern, nicht nur der Berliner Polizeipräsident, sondern auch der Minister des Innern habe die Zustimmung des Kaisers zu dem fraglichen Projecte in Aussicht gestellt, und zwar auf Grund einer früheren Auslassung des Mon archen, die geradezu als Anregung des Projektes aufzufassen sei und die städtischen Behörden zum Ankäufe der betreffenden Linien bewogen habe. Ist das so, so ist dem Magistrate nur daraus ein Vorwurf zu machen, daß er mit der Möglichkeit nicht gerechnet hat, der Kaiser könne seit jener früheren Auslassung seine Ansicht berichtigt haben. D. Red.) /S. Berlin, 25. September. (Die Hakatisten und die Theilung Polens.) Aus den Kreisen des deutschen Ost markenvereins wird uns geschrieben: Die „Köln. Volksztg." wirft den Hakatisten vor, daß bei ihnen „die wahren Ur sachen für den Untergang Polens" mehr ver schwiegen würden, als bei den Polen. Im Widerspruche hiermit beutet das rheinische Centrumsorgan unmittelbar darauf an, cs seien den Hakatisten jene „wahren Ursachen" überhaupt nicht be kannt. Offenbar zur Aufklärung der Hakatisten nennt die „Köln. Volksztg." sodann als den letzten Grund der endgilt'igen Theilung Polens die Furcht, „namentlich" Rußlands, daß die polnische Verfassung vom 3. Mai 1791 eine Gesundung der Verhältnisse in Polen herbeiführen werde. Die polnische Wirtschaft an sich mit ihrem durch die Verfassung vom 3. Mai 1791 beseitigten libornrn veto sei nur bis zu einem gewissen Grade die wahre Ursache für den Untergang des polnischen Reiches. Nun ist aller- dings richtig, daß die russische Expansionspolitik den Anstoß zur endgültigen Theilung Polens gegeben hat. Wie wenig aber des wegen die polnische Nation von der Verantwortung für ihr Ge schick entlastet werden darf, darüber läßt die unbefangen« Ge schichtsschreibung keinen Zweifel zu. Wohl die neueste Darstellung der einschlägigen Verhältnisse hat der Münchner Historiker K. Th. He igel seinem Werke „Deutsche Geschichte vom Tode Friedrich's des Großen bis zur Auf lösung des alten Reiches" (Stuttgart, Cotta) gegeben. Heigel schreibt in dem Abschnitt „Polen und die deutschen Mächte" u. Ä. Folgendes: „Was hatte es genutzt, daß sowohl vvm (deut schen) Kaiser als vom König von Preußen das Versprechen ge geben worden war, den Willen einer freien Nation (betreffs der Verfassungsreform vom 3. Mai 1791) zu achten, — Rußland war nicht gesonnen, im Bunde der Dritte zu sein; damit war dir ganze Lage sofort verändert. In der Weigerung Rußlands lag für die beiden Genossen d«r ersten Theilung Polens nicht blos eine Verlockung, sondern «in« Art Nöthigung, nicht dem immer mächtiger aufstrebenden Zarenreiche allein die B«ut« zu über lassen. Dazu kam, daß der Staatsstreich (vom 3. Mai 1791) keineswegs den erhofften Auf schwung der inneren Verhältnisse gebracht hatte; wüste Anarchie herrschte im Lande, eine Genesung des Staatswesens war als nahezu ausgeschlossen an zusehen. Ein warmherziger polnischer Patriot, dessen Denkwürdigkeiten eine zuverlässige Quelle für die Geschichte jener Tage bieten, der Magnat Michael Ogineri, räumt selber ein, daß auch die Auswüchse der Revolution in Frankreich nach- Iheiligen Einfluß auf das Schicksal Polen? üben mußten; die monarchischen Regierungen der Nachbarstaaten mußten ver hindern, daß sich in ihrer Mitte ein neuer Herd revolutionärer Leidenschaft anfthue, und konnten immer auf Z u - stimmung und Unterstützung eine? namhaften Theiles des polnischen Volkes rechnen." — Nach dem Vorstehenden muß der Versuch der „Köln. Volksztg.", die polnische Nation von der Schuld am Untergange des Polenstoates zu entlasten, beurtheilt werden. Wind K. Th. Heigel wegen seiner Darstellung von dem klerikalen Polenblatt am Rheine in die hakatistische Wolfsschlucht geworfen, so wird er sich hierüber zu trösten wissen! — Zum Falle Spahn wird der »Bonner Zig." au« Berlin geschrieben: Nu» den ErSrternnaen zu diesem „Fall" geht klar hervor. Laß wir «» hier allerdiag» mit einer sehr unangebrachten Nachgiebigkeit gegen daS Eentrum und mit einer großen Rücksichtslosigkeit gegen die philosophische Fakul tät der Universität Straßburg zu thun haben. Ist aber, wenn man die Persönlichkeit des Herrn Spahn be trachtet, dte Freude der Ultramontanen begründet? Wir glauben, nein. Spahn gehört zu jenen vielen Katholiken, die innerlich anti ultramontan sind, deren wissenschaftliches Gewissen sich gegen die Unwahrheit deS ultramontanen Systems auflehnt. In Berliner Kreisen ist eS ganz bekannt, daß, al« Spahn Privatdocent i« Berlin war, er sich wiederholt zustimmend zu dem antiultiamou- tanen Vorgehen des Grafen v. Hoensbroech ausgesprochen und sogar, als Graf Hoensbroech Mitherausgeber der „Tag- lichen Rundschau" war, ihm seine Mitarbeit angeboten hat. Spahn'S innere Gesinnung ist also durchaus nicht sattelfest im ultramontanen Sinn. Freilich scheint Spahn zu jenen antiultra montanen Katholiken zu gehören — e» giebt deren leider so viele —, die nicht den rechten Muth haben, ihrer antiultramontanen Ge- Innung offenen Ausdruck zu geben. Wie Schell u. A. fürchtet er die ultramontane Verfolgung. Nach keiner Richtung hin wird also Straßburg etwas an ihm gewinnen. * Tuchcl, 24. September. Die Klage der Synagogen- gcmeinve hierselbst gegen die Stadt Tuchel wegen Leistung deS Schadenersatzes für die im Sommer 1900 gelegentlich eineS antisemitischen Krawalls in der Synagoge verübten Beschädigungen ist nunmehr nach der „Danz. Ztg." in zweiter Instanz zu Ungunsten der Stadt enticvieren und letztere verurtheilt worden, den nackgewiesenen Schaden nebst 4 Proc. Zinsen seit dem 5. November v. I. an die Klägerin zu zahlen. Nach dieser Entscheidung dürfte die Stadt nunmehr verpflichtet sein, den damals auch anderen jüdischen Bewohnern gelegentlich deS Anlisemitenkrawalle» zugefügten Schaden zu ersetzen. * Elbing, 24. September. Die „Elbing. Ztg." schreibt: Sind wir recht unterrichtet, so dürfte die Zeit nickt mehr fern sein, daß die Panklauer Waldungen, die dem Freiherr» v. Minnigerode geboren und etwa 60 Hektar groß flud, mit dem kaiserlichen Gute Kabinen vereinigt werden. Zu Kabinen gehören 760 Hektar Wald. Da indeß die könig liche Forst Slellinen mit 730 Hektar Wald daran grenzt, außerdem die Tolkemiter Jagd von der Kadiner GutS- verwaltung gepachtet ist, ist daS kaiserliche Jagdrevier in unserer nächsten Umgegend ein reckt ausgedehnte«, wenn e» auch mit der Rominter Haide, zu der die vier Oberförstereien Warnen, Nassaven, Szittkchmen und Goldap gehöre», einen Vergleich nicht aushalten kann. — Wie ferner der Graudcnzer „Gesell." hört, soll eS in der Absicht de» Kaisers liegen, Kabinen zu verpachten. * Eisenach, 24. September. In den nächsten Lagen hält der Allgemeine Deutsche Frauenverein in Eisenach seine Generalversammlung und damit ver bunden einen öffentlichen Frauentag ab, den 21., welchen er seit seiner Begründung durch Luise Otto-Peters im Jahre 1865 berufen hat. Damals waren es 19 Frauen, die durch Unterschrift ihren Eintritt in den Verein erklärten, jetzt zählt der Verein, der in allen T'heilen Deutschlands Orts gruppen und Zweigvereine besitzt, in dessen Vorstand Nord deutsche und Süddeutsche sich zu gemeinsamem Wirken zu sammenfinden, über 14 000 Vereinsmitglieder, er verfügt über ein Vermögen von nahezu Millionen Mark, das ihm durch Schenkungen und letztwillige Verfügungen zugewandt wurde. Die von ihm im Jahre 1894 in Leipzig eröffneten Gymnasial« curse für Frauen, welche unter Leitung von Fräulein vr. Wind« scheid, der Tochter des berühmten Pandectisten, stehen, haben be reits vierzehn Schülerinnen mit gutem Erfolg zum Abiturienten examen entlassen. 70 000 hat der Verein bereits bis zum Jahre 1899 für Gymnasial- und Stipendienzwecke verausgabt. Was die Versammlung des deutschen Frauenvereins von jeher auszeichnete, war der doch immer maßvoll bleibende Freimuth, mit dem er die Wünsche der Frauen schon zu einer Zeit vertrat, als man für solche Wünsche höchstens Spott und Hohn, mit leidiges Lächeln kannte. Damals, vor 35 Jahren, gehörte Muth dazu, Vorkämpferin der Frauensache zu sein. Aber für die Entwickelung der deutschen Frauenbewegung ist es zum Segen geworden, daß Frauen, wie Luise Otto-Peters, bahn brechend für sie geworden sind, Frauen, die nicht mit ungeduldigem Ungestüm Umsturz aller bis dahin geltenden Anschauungen her beiführen wollten, sondern den Weg allmählicher Entwickelung, langsamer Erziehung des Frauengeschlechts einschlugen. Auf dem Programm der diesjährigen Tagung stehen zunächst Be richte über die verschiedenartigste praktische Thätigkeit der Zweig vereine. Ueber Rechtsschutz st eilen für Frauen, wie wir sie in den letzten Jahren in zahlreicheren Städten finden berichten Frau Eichholz-Hamburg und Frau Pfungst- Frankfurt a. M., über Gründung von Heimstätten zur Förde rung der Waisenpflege Frl. Helm-Nürnberg, über Frauen» erwerb durch Obst- und Gartenbau Frl. Blum- Spandau. Die Hamburger Ortsgruppe wünscht für die in den Gewerbeaufsichtsdienst einzustellenden Frauen eine einheitliche Vorbildung, über Hauspflege berichtet die Abtheilung „Hauspflege" des Berliner FrauenvereinS. Da zwischen liegt ein Vortraq von Frau Krukenberg-Bonn über „Agitation in der Frauenbewegung". Auf dem eigentlichen Frauentage folgt der Begrüßung durch Herrn Ober bürgermeister von Fewson ein Vortrag von Frau von Forster- Nürnberg: „Frauenbewegung". Frau Hecht-Tilsit spricht über „Die Frau in kommunalen Aemtern", Alice Salomon-Berlin über „Consumentenmoral und Käuferinnen-Vereine", Frl. Bäumer-Berlin über „Moderne Erziehungsprobleme". Am letzten Tage schließlich folgt einem Vortrage „Zur SittlichkeitSfrage" von Frl. Pappenheim-Frankfurt a. M. noch ein Schlußvortrag von Frau Stritt-DreSden, der Vorsitzenden deS Bunde- deutscher Frauenvereine, über „Die deutschen VereinSaesetze und die Frauen". Wie erinnerlich, hatte die Braunschweiger Polizeibehörde die Theilnahme von Frauen an dem christlich- socialen Tongreß, die seit Jahren anstandslos erfolate, auf Grund der bestehenden DereinSaesetze untersagt. Der All gemeine Frauenvercin bat daraufhin dte Anmeldung zur General versammlung, welche in Braunschweig stattfinden sollte, direkt zurückgezogen und tagt nun dafür in Eisenach.
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