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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.09.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010926018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901092601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901092601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
- Tag1901-09-26
- Monat1901-09
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ans >5. Gotha, 25. September. Der diesige Verwaltung«, gericht-hof hielt dieser Tage eine Sitzung ab, in der auch da« neu eingetretene Mitglied, der Socialdenwkrat Wilhelm Bock, in vorschriftsmäßiger Weise den Staatsdienereid leistete. Durch den Eid hat Bock u. A. geschworen, das; er sich in allen Beziehungen so verhalten will, wie es einem redlichen, ehrliebenden und treuen StaatSdiener zukvmmt. — Die Zukunft wird eS ja lehren, wie Herr Bock seinen Eid auffaßt. * Detmold, 24. September. Am Sonnabend hat der Einzug des Erb grafen Leopold (dessen SuccessionS- fähigkeit bekanntlich von Schaumburg-Lippischer Seite be stritten wird) mit seiner jungen Gemahlin, geb. Prinzessin Bertha von Hessen, stattgefunden. Um 9 Ubr mit dem fahr planmäßigen Zuge trafen die Neuvermählten von ihrer Hochzeitsreise in Salzuflen ein, und von hier wurde die Fahrt durch daS Land in vierspännigem Wagen unter- »ominen. In Salzuflen, Schötmar, Lage und Detmold hatten sich die Bürgermeister, Magistrat, Stadtverordnete zur Begrüßung eingefunden. Auf alle Reden dankte Graf Leopold herzlichst. In den Straßen der verschiedenen Städte batten die Perrine, Schulen rc. Spalier gebildet. Abends fand in Detmold ein Fackelzug von 600 Fackelträgern und Serenade der Gesangvereine start. Vorher war eine Fest vorstellung im Theater. Sonntag Morgen brachte die Re- gimentScapelle dem jungen Paare eine Morgenmusik vor dem Palais. Nach dem Gottesdienst in der Schloßcapelle war ein großer Empfang im Ahneusaale. Zum Familien frühstück im Eßzimmer concertirte die Rezimcntscapelle auf dem Schloßplatze. Nach der Galatafel begann auf der Terrasse ein Gartenfest, zu dem über 100 Einladungen ergangen waren. Mit einem prächtigen Feuerwerk nahmen die Festlichkeiten ihr Ende. * Mülheim a. d. Ruhr, 24. September. Die Stadtver ordneten beschlossen den Erlaß eines OrtSstatutS, das den Besuch deS Unterrichts der kaufmännischen Fortbildungs schule obligatorisch macht. * Aus Slsak-Lothriugen. Die Klerikalen, d. h. in diesem Falle die Geistlichen, sind unausgesetzt thätig, ihren politischen Einfluß zu stärken und zu vermehre». Zn den zahlreichen Blättern, die sie im letzten Jahrzehnt im Elsaß gegründet, soll nunmehr auch in Lothringen, wo man sich bisher mit den alten, schon seit den siebziger Jahren bestehenden, begnügt hatte, ein neues kommen. Der Entwicklung Rechnung tragend, soll dieses neue Blatt, daS in Metz berauSgegeben wird, in deutscher Sprache er scheinen. Man will damit nicht blos die deutschsprechenden Lothringer, sondern auch die altdeutschen Katholiken einfangen. Redakteur dieses neuen Blattes, daS „Der Lothringer" heißen soll, wird selbstverständlich ein Priester; etwas Anderes ist ja gar nicht denkbar. Ein klerikales Blatt in Elsaß-Lothringen, das keine» geistlichen Redakteur hätte, das würde selbst Ben Akiba für etwas, waS noch nicht dagewesen sei, erklären. (Münch. N. N.) * Aus Bayern. Die in Ansbach tagende General synode der evangelischen Landeskirche lehnte einen Antrag, bei gemischten Ehen die Trauung zu versagen, wenn dos Paar sich weigert, einen Vertrag über die religiöse Kind er er Ziehung vorzulegen, ab. * München, 24. September. Eine für gestern Abend nach dem Kreuzbräu einberufene anarchistische Versamm lung, in welcher der Anarchist Rudolf Lange aus Berlin sprechen wollte, wurde noch in letzter Stunde polizeilich verboten. Die Ankommenden fanden den Saal versperrt. * Fürth, 24.September. Hier hielt die deutsche Volks partei ihren 2t. ordentlichen Parteitag ab. Ueber den Reichstag und dessen Thäligkeit sprach der ReichStagS- abgeordnete Payer. Redner beklagte nach der „Franks. Ztg." die großen Lasten, die dem Volke aufgebürdet würden, besprach die Chinafrage, wies hin auf die heutige Machtlosigkeit der Volksvertretung, gedachte der einzelnen gesetzgeberischen Arbeiten des Reichstages und mahnte zum Schlüsse, jetzt schon überall den künftigen Wahlen vorzuarbeiten. Ueber dea Zolltarif und die Handelsverträge sprachen Redakteur Oeser und Professor Quidde. Der Parteitag nahm im Anschluffe an diese Reden eine Resolution an, worin der neue Zolltarif für unannehmbar erklärt wird. Einen weiten Raum in der Berathung nahm der Bericht des Reichs- und Landtagsabgeordneten Haußmann über Eisenbahnpolitik und Eisenbahntarif und deren noth- wendige Reformen ein. In der zur Annahme gelangten Resolution wird u. A. ausgesprochen, daß eine staatsrecht liche Verwaltungsgcmeinschaft zwischen einzelnen Bundes staaten für die süddeutschen Staaten sowohl unter sich als mit anderen Staaten abzulebnen fei. Nachdem sodann noch die Wahlen für die Ausschüsse vorgenommen worden waren, war die Tagesordnung erschöpft und der Parteitag wurde geschlossen. Oesterreich-Ungarn. Die deutschen Ehinakrieger. * Wien, 25. September. (Telegramm.) Ueber den Aufenthalt der deutschen Cbinatruppen in Oesterreich schreibt die „Neue Freie Presse": „Unsere Verbrüderungsfeste mit Deutschland sind zu Familienfesten geworden, wie dasjenige, daS wir jetzt mit dem deutschen China bataillon begehen. Wir freuen uns aufrichtig mit den Deutschen, weil der Besuch ein neuer, besonderer Beweis der unerschütterlichen Festigkeit und Innig keit unseres Bündnisses ist." — „In der Aufnahme der deutschen Soldaten", sagt daS „Neue Wiener Ta geb!.", „findet die enge Waffenbrüderschaft der verbündeten Reiche «inen sichtbaren Ausdruck. DaS Gefühl der militärischen und politischen Solidarität tritt zu Tage, und daS ausge zeichnete Einvernehmen zwischen Deutschland und Rußland, das in Wyschtyten erfreulicher Weise documentirt wurde, ergänzt die Bedeutung der Festtage, welche die heim kehrenden deutschen Chinatruppen in Oesterreich verbringen." — Die „Oesterreichische Volkszeitung" sagt: „Der enge Bund zwischen beiden Staaten und daS intime Freund- fchaftSverhältniß zwischen beiden Monarchen haben Europa Jahrzehnte hindurch den Frieden gewahrt. DaS allein wäre hinreichend, den Truppen des Nachbarstaates einen herzlichen Empfang in Oesterreich zu bereiten. Zugleich wird durch den Empfang deS deutschen Bataillons in Oesterreich der Welt in Erinnerung gebracht, daß den Grund- und Eckstein deS europäischen Friedensgebäudes der öster reichisch-deutsche Bund bildet." — DaS „Extrablatt" schreibt: „ES spricht für die Intimität der deutsch- »»sterrrichischen Beziehungen, daß man der Gelegenheit, kameradschaftlich« Feste zwischen den deutschen und den öster reichisch-ungarischen Soldaten zu feiern, nicht aus dem Wege gegangen ist, sondern ibr Zustandekommen gefördert hat. Der Besuch der deutschen Truppen in Wien wird so zu einer deutlich sprechenden Kundgebung für die Festigkeit deS deutsch- österreichischen Bündnisses, womit die unmittelbar voran» gegangenen friedlichen Kundgebungen in Danzig und in Frank reich die drei denkbar schönsten Friedensbürgschaften bilden. * Triest, 25. September. (Telegramm.) Um 10 Uhr Vormittag unternahmen Major v. Förster und das deutsche OfficiercorpS in Begleitung deS Brigade-CommanbeurS Generalmajor Conrad und von Officiercn deS 97. Infanterie- Regiment-, im Ganzen etwa 50 Theilnehmer, einen Aus flug nach Miramare, um daselbst das Schloß zu besichtigen. Im Laufe de» Vormittag« sah man Gruppen deutscher Mannschaften in Begleitung österreichischer Uutrrossiciere in «er Stadt rinhergrhen. Da« OfficiercorpS de« hier garniso- nireude« Infanterie-Regiment« Nr. 97 giebt zu Ehren der Kameraden vom deutschen Bataillon einen MittagStisch in »«r OfficierSmrffe in der großen Easerne. genehmer Herbsttag den Aufenthalt in freier Luft wünschenSwerthee erscheinen ließ als in einem Gebäude, wenn es auch so herrlich und prächtig ist wie das Hamburger Rathhaus. Wahrlich ein fürst licher Empfang wurde etwa 1500 Congreßmitgliedern durch den Senat, als dessen Vertreter Herr Senator Westphal Jeden einzeln begrüßte, mit Zustimmung der Bürgerschaft zu Theil. Aus der Ehrentreppe zwischen 20 galonirten Hausdienern hindurch gelangte man in das obere Stockwerk und versammelte sich in dem runden Thurmsaal nebst den anstoßenden Festräumen, worunter der Kaiser- saal besonders erwähnenswerth ist, bis der große Festsaal sich öffnete, um die sämmtlichen Erschienenen aufzunehmen. Hier hielt Bürgermeister vr.Hachmann eine Ansprache, für welche der Vorsitzende derGesellschast, Prof. I)r. Hertwig, Len Dank abstattete, der in einem Hoch auf Hamburg ausklang. Alle die erschienenen Gelehrten, worunter Geheim rath Virchow und Geh. Admiralitätsrath Neumayer am meisten die Aufmerksamkeit erregten, vereinigten sich nun in den sämmtlichen zur Verfügung gestellten Räumen bei hervorragenden Speisen und gutem Trank. Auch ein Blick in die Versammlungsräume be hoben Senates und der Bürgrrvertretung wurde gestattet, und erst spät schieden die Letzten auS den prächtigen gastlichen Räumen. Äus Ladern und Curorten. 8 Kolberg. Das alt bewährte See- und Solbad Kolberg darf auf eine glänzende Saison zurückblickrn. Die Zahl der wirklichen Curgäste betrug in diesem Jahre 12715 und die der Passanten außerdem 7193. Die lhMkilttilhste Merie, d. h. eine Lotterie, bei welcher nicht der blinde Zufall entscheidet, son dern auf 2 Loose (wenn eins derselben eine gerade, das andere eine ungerade Nummer hat) mindestens 1 Treffer garantirt wird, ist unstreitig die diesjährige Münchener Ausstellungslotterie. Bei der selben entfallen nämlich 75.000 Treffer auf 150.000 Loose. Darunter sind Hauptgewinne i. W. von 12.000 Mk., 0000 Mk., 5000 Mk., 2000 Mk., 2000 Mk. ic. Zur Verloosung gelangen: Kunstwerke, Kleinkunstwerke, Kunstwerks-Reproduktionen, Prachtwerke und Erzeugnisse des Kunstgewerbes. — Ziehung am 15. November 1901. — Loose ä, 2 Mk. find zu haben in allen bekannten Loos» geschästen. Das unterzeichnete Bureau verfendet gegen Einsendung von 4 Mk. --- 2 Loose (eine gerade und eine ungerade Nummer), bei welchen mindestens 1 Treffer garantirt wird; gegen Einsendung von 20 Mk. — 10 Loose (5 gerade und 5 ungerade Nummern), bei welchen mindestens 5 Treffer garantirt werden; einzelne Loose gegen Einsendung von ä, 2 Mk. Für Frankozusendung bis zu 13 Loosen sind 10 Pfennig (Ausland 20 Pfennig) Porto beizusügen; wird die Loossendung „Eingeschrieben" gewünscht, fernere 20 Pfennig — für srankirte Zusendung der amtlichen Gewinnliste gleich nach der Ziehung weitere 20 Pfennig. Lotterieburean der >111. Internationalen Kunstausstellung München im Kgl. wlaspalast. Interessenten ^esclnnnclcvoller Interieurs ivie einzelner Nobel und Oecorntionen 6n6en ini ^.usstellun^sbnus VVeststrnsse 49—zi eins K.eibe completer Ammer - Linricbtun§en in eins-tcber unä eleganter ^.ustübrunA clnssisck wie modern. VoranscblL^e bereitwilli^st. Xunstmöbelütbrilc kranr Lcbneider, I.eip2i§. Niederlande. * Blissingcn, 25. September. (Telegramm.) Der König und die Königin von England sind heute Vor mittag hier eingetrosfen und wurden vom englischen Ge sandten in Haag Howard begrüßt. Nach einem kurzen Aufenthalte setzten sie auf der Jacht „Victoria and Albert", die von neun englischen Kriegsschiffen begleitet war, die Reise nach Port Victoria fort. Großbritannien. * London, 25. September. Der König genehmigte die Ernennung des Herzogs von Connan ght zum General im Generalstabe und zum Commanbeur de« gemäß des Armee-Reformplanes im District Curragh (Irland) gebildeten dritten Arm eecorpS. Amerika. * New Aork, 25. September. (Telegramm.) Für den Mayorpvsten von New Hork ist von den Republikanern Seth Low als Candidat aufgestellt. Militär und Marine. * Zur Schnellseuer-Feldgrschützfrage wird der „Nat.- Ztg." geschrieben: „Bei dem großen Interesse, Las in fast allen europäischen Armeen der Bewaffnung der Feldartillerie zugewandt wird, kann cs nicht ausfallend erscheinen, daß den am 6. Sep tember in Gegenwart Les Kaisers von Oesterreich unweit Ves-prim in Ungarn abgehaltenen Schießübungen von ollen Seiten mit großer Aufmerksamkeit gesolgt wurde. Wie es aber so häufig bei Ereignissen von einiger Wichtigkeit der Fall ist, Laß sich in der Berichterstattung Zutreffendes mit Falschem vermengt, so find auch über die in Rede stehenden Schießverjuche eine Reihe von Angaben verbreitet wordeu, die aus Grund zuverlässiger Informa tionen eine Richtigstellung verlangen, damit nicht auch bei uns in einer so wichtigen Frage schiefe Urtheile oder falsche Vorstellungen aus- komme». Bei der Schießübung bei Veszprim oder Zircz, wie sie nach dem kaiserlichen Hauptquartier auch genannt werde» kann, ist nur die Probcbatterie Les 3. CorpsartiUcrie-Regiinrnts, bestehend aus 6 Geschützen österreichischer Construction sKropatjchek-Thicle) aus Federspornlaffette mit Keilbremse zur Verwendung gelangt; 4 Ge schütze waren aus geschmiedeter Bronze, 2 Rohre aus Stahl. Feld geschütze anderen Ursprungs haben an der Uebung nicht Theil genommen, also auch kein Ehrhardt'jches, von dem es unrichtiger Weise hieß, eS sei Las Zukunftsgeschütz der österreichischen Artillerie. Unzutreffend ist auch die Meldung eines ungarischen Blattes, die Probegejchütze hätten bei der Veszprimer Uebung Fiasko gemacht und durchaus nicht den Erwartungen entsprochen. Richtig ist dagegen die Meldung der „Neuen Freien Presse", daß die Schnellseuer-Feldgrschützfrage in Oesterreich noch nicht als abgeschlossen anzusehen sei. Es «ollen die Versuche noch fortgesetzt und, wie es heißt, Rohrrücklauf-Laffetten erprobt werden, um die nicht für hinreichend erachtete Feuer geschwindigkeit der Geschütze zu erhöhen." * Außer dem General der Infanterie v. Lentze begeht am 1. October noch der General der Infanterie z. D. Alexander von Spitz die Feier seines üOlährigen militärischen Dienst jubiläums. General v. Spitz, der sich große Verdienste um die Entwickelung des Jnvalidenwesens erworben hat, wurde am 1. No vember 1832 als Sohn des 1861 verstorbenen Hofraths und Quästors au der Bonner Universität Josef Spitz geboren. G Berlin»25.September. (Telegramm.) S.M.S.„Geier", Comniandant Eoroetten-Capitän Hilbrand beabsichtigt am 26. Sep- tember von Shanghai nach Chinkiang in See zu gehen. — Mit- lheilung des Kriegsministeriums über die Fahrt der Truppe u- tronsportschiffe: Dampfer „Alesia" trifft voraussichtlich am 2. October in Bremerhaven ein. — Der Dampfer „Silvia" hat am 24. September Nachmittags Gibraltar passirt. Der Dampfer „Krefeld" ist am 23. September in Singapore eingetrosscn und am 24. September wieder abgegangen. Parteitag der socialdemokratischen Partei Deutschlands. 8. u. 6. Lübeck, 25. September. Zu Beginn der heutigen dritten Sitzung schlägt Singer vor, um für die anderen Fragen auch noch Zeit zu gewinnen, die Bern steindebatte spätestens heute Mittag zu schließen. (Zustimmung.) Nachzutragen ist, Laß die Abgeordneten v. Volmar-München und Schippel-Berlin diesmal nicht zum Parteitage erschienen sind. In der Bernsteindebatte spricht heute zunächst Leutert- Apotda. Er sagt: Wenn Bernstein, David, Schippel, Calwer, um der Wissenschaft willen studiren wollen, müßten sie aus der Uuiversität bleiben. Wenn sie bei uns sind» müßten sie praktisch arbeiten. Für uns Arbeiter ist das zu viel Kritik. (Zurufe.) Mir ruft man soeben zu, Laß wir nicht in einer Volks- Versammlung sind. (Große Heiterkeit). Das weiß ich selbst, so dumm bin ich nicht (erneute Heiterkeit). Im Wahlkampfe hielt mir ein Freisinniger die „Neue Zeit" vor, in welcher Bernstein da mals geschrieben: „Die Bewegung ist mir Alles, Las Endziel nichts." Wie ich Las las, wurde ich leichenblaß (große Heiterkeit). Unser Genosse Bebel, — er hat sich auch schon manchmal gemausert, aber, die Hauptsache: die Beseitigung des Capitalismus hat er niemals vergessen. Wir wollen die Kritik nicht verbieten, aber wir ver langen, daß wir im Kampfe gegen unseren gemeinsamen Feind zu- sammensteben. Abgeordneter Stadthagen (Berlin) ist für die Resolution Bebel. Die Anderen seien unannehmbar. Die Resolution richte sich nicht persönlich gegen Bernstein, sondern gegen eine bestimmte Richtung. ES muß erklärt werden, daß es noihwendig ist, auch an den bürgerlichen Parteien Kritik zu üben, und daß es nicht geduldet werden kann, daß eine vermeintliche Kritik gegen die Partei an unpassenden Stellen abgelagert wird. Ich hätte gewünscht, Heine hätte schon vor Jahren das Lob der Nationaljocialen und der „Welt am Montag" abge- schüttelt, und nicht erst hier vorgestern. Freilich, es geht einem ja gegen den Strich, sich mil jedem . . . abzugeben. Im Branden burgischen Wahlkampfe empfahl das nationalsociale Organ die Wahl von Peus. Derselbe sei ein Mann mit recht verständigen Ansichten, derselbe habe sogar vorgeschlagen, den socialistischen Theil Les Pro grammes zu streichen und sich auf den praktischen ersten Theil zu beschränken, die socialistischen Forderungen aber nur als Manifest be stehen zu lassen. Weiter hieß es in dem Artikel des Herrn von Gerloch, seine Wahl sei im Sinne der bürgerlich radikalen Partei; denn er bedeute eine Stärkung des rechten Flügels der socialdemokratischen Fraction (hört, hört!). Statt dieie unverschämten Anrempeleien abzuschütteln, benutzt sie Herr Pöus zur Reclame (hört, hört!). Bernstein sollte sich freuen, daß wir Alle ihm zurufen: Bernstein, bleibe bei unS, bereite uns keine Schwierigkeiten mehr (Beifall). Wir verurtheilen, daß Bernstein von anderer Seite geschoben wird, ohne es selbst zu wollen. Wer von uns hat nicht einmal Zweifel an irgend einem Punct deS Pro- grammS. Aber dann setzt man sich in das Kämmerlein und druckst jo lange, bis die Zweifel überwunden sind (Beifall und Lachen). Bernstein war es nicht, sondern seine sogenannten Freunde, di« ihm riethen, in »ine gegnerische Versammlung zu gehen und die Wissen- schastlichkeit der Partei anzuzweiseln. Wenn man den Vortrag Nest, muß man glauben, Bernstein feien seine ruhigen Gedanken durch- gegangen. Man macht ja auch manchmal «ine Dummheit (Rufe: sehr richtig, Heiterkeit!). Ja, in socialdemokratischen Versammlungen können auch Dummheiten abgelagert werden, aber nicht in gegnerischen Versammlungen. Im Interesse der Partei bitte ich die Resolution Bebel anzunehmen. Frau Tiara Zetkin (Stuttgart) stellt einen Schluß«ntrag, der Annahme findet. Danach erhält noch einmal Eduard Bernstein daS Wort. Bernstein führt aus: Ich will möglichst unpersönlich sein. Ich ver kenne durchaus nicht, daß beide Resolutionen mir gegenüber freund lich gemeint sind. Die Resolution Bebel spricht kein Mißtrauen gegen meine Person aus, sondern tadelt nur bestimmte Handlungen. Dennoch muß ich die Genossen bitten, dieselbe obzulehnen, fall« Bebel die Resolution nicht zurückzieht. Sie geht von falschen Voraussetzungen auS. Wenn sie die Tendenz meine» Vortrages unbeeinflußt betrachten, werden sie zu der Erkenntniß kommen, daß er dem SocialiSmuS mehr giebt, al« nimmt. Ich sage nicht, der Socialismu» sei keine Wissenschaft, sondern er sei und könne nicht ausschließlich Wissenschaft sein. Die Gegner haben sich geirrt, wenn sie glaubten, mein Vortrag sei eine Gegnerschaft gegen Len EocialiSinu«. Bebel hat mir vorgeworsru, daß ich auf den Artikel der „Frankfurter Zeitung" nicht geantwortet habe. Diese Zeitung ist »in Blatt voll wrrihvoller Informationen. Ich hab« aber kein« Zeit, da« Blatt 5» lesen. Zur Frankfartrr Zeitung habe ich niemals Beziehungen gehabt. Wohl haben verschieden« Genossen für die Frankfurter Zeitung geschrieben. Ich mache ihnen daraus keinen Vorwurf; eS kommt darauf an, waS man dort schreibt. Ich habe auch keine Beziehung zur „Welt am Montag". Herr v. Gerlach, der hier ist, wird eS bestätigen. Bebel wirst mir vor, ich Hütte kein Wort gegen die bürgerlichen Kreise gehabt. Ich habe Artikel gegen Nauman», die Broschüre Kuleman» über die Gewerkschaften, gegen den sociajen Liberalismus von Franz Oppenheimer und die jüngste Brochüre Szombart'S Ich habe die Schriften doch Bebel zugejchickt. (Bebel ruft dazwischen: Sehr richtig. Mei» Antrag richtet sich nur gegen einen bestimmten Punct.) Gegen meine politische Thätigkeit seit der Rückkehr wird Niemand etwas einwenden könne». In Versammlungen habe ich stets die Parteithätigkeit vertreten. Man wirst mir Unklarheit vor; aber Hube ich nicht sehr bestimmt zu allen praktischen Fragen in meinem Buche über die Voraussetzungen des SocialiSmus Stellung ge nommen ? Ich habe ausdrücklich die Nothwendigkeit deS Kampfes für die Demokratie betont. Wie kann man da sagen, man wisse noch gar nicht, wie Bernstein zu einer Reihe von Pniicten steht! ES giebt manche Fragen, zu denen man keine br- stimmte Stellung nehmen kann, weil sie täglich Veränderungen unterworfen sind. Ich möchte Bebel Vorhalten, wie er und ich früher über die Znsammenbruchstheorie dachten. Anläßlich deS Pariser Bontoux-Bank-Krachrs sagte ich, „das sei schon ein Funke des Fegefeuers; und da schrieb mir der verstorbene mit Unrecht als Denker in der Partei weit unterschätzte Genosse Hoechberg: „Du täuschest Dich vollständig über die bürgerliche Gesellschaft". Im ersten Augenblick acceptirt man so etwas nicht, aber später denkt man darüber »ach. Auf dem Brüsseler Congreß 1891 vertrat man in der Commission die Ansicht, daß eS mit dem wirthschastlichen bürgerliche» Aufschwung für immer vorbei sei. Dasselbe äußerte auch Engels. Wie ist es aber gekommen? Die Krisensrage ist noch nicht erledigt. Wir sahen, wie der Auf schwung eintrat, wie sich auch die Lage der Arbeiterclasse hob. Ich habe keineswegs prophezeit: Es wird keine Krisen mehr geben. Ich wendete mich gegen die Speculation in unseren Reihen, auf eine bestimmte Katastrophe, auf die man vielfach in der Partei LaS Thun lind Handeln einrichtet. Es können ja solche Krisen durch Hungrrsnöthe eintreten, aber dann wird die Socialdemokratie als geschaffene, mächtige Partei der Situation gewachsen sein. Dasselbe gilt von meiner Stellung zu der Verelendungstheorir. Früher waren wir der Ansicht, daß wir dem Abgrund zugiagrn. Man glaubte in der Partei, daß mir schon vor dem Rochen Meer stehen, hinter dein das gelobte Land liegt. Ich vertrat Len Siandpunct, daß wir nicht schrittweise zurückgehen, sondern daß sich eine Vorwärtsrntwickelung zeige. Es liegt für mich also kein Grund vor, etwas principiell zurückzunrhmen. Ich bin überzeugt: Es wird eine Zeit kommen — ich bin von mir nicht eingenommen, das weiß man, aber ich kann eS ruhig sogen, — es wird eine Zeit kommen, wo die socialdemokratische Partei stolz sein wird, daß ein solches Buch in ihrer Mitte geschrieben ist (höhnisches Lachen und Beifall). Jawohl! Wenn erst die gegenwärtige Krise verlaufen sein wird, dann wird man sagen. Laß mein Buch eine Reihe wichtiger Er- kenntnißmomente enthält (Hohnlachen). DaS ist mein Stolz, das kann ich ruhig sagen, und ich habe ein Recht dazu (Beifall und Lachen). Es thut mir leid, wenn ich der Agitation Schwierigkeiten gemacht habe. Aber man überschätzt diese Schwierigkeiten. Mein Buch ist Euch eine wesentliche Hilfe. (Hoffmann rüst: Das ist aber stark! Gelächter.) Was mich bei der gestrigen Debatte betrübend berührte, war die Verachtung der Theorie, welche bei einer Reihe Genossen zum Ausdruck kam. Angesichts der gehässigen Weise des Angriffs gegen mich mußte sich mir der Gedanke auf drängen, das Ende der Polemik wird die Herabsetzung der Theorie in unseren Reihen sein. (Bewegung und Unruhe.) Haltet das theoretische Denken in der Partei aufrecht! Nach weiterer Debatte wird beschlossen, über die Resolution Heine abzustimmen. Die Abstimmung ist namentlich. Bernstein enthält sich der Abstimmung. Für die Resolution stimmt u. A. auch Aner. Bebel ruft ein kräftiges: Nein! Unter den Telegirten befindet sich auch der frühere württembergische Pfarrer Blnmhardt aus Baden. Derselbe stimmt mit nein! Die Resolution wird mit 166 gegen 71 Stimmen abgelehnt. Darauf wird die Resolution Bebel mit großer Mehr heit — 203 gegen 31 Stimmen — angenommen. Bernstein und Auer enthalten sich der Abstimmung. Heine und David stimmten jetzt auch dafür. Daraus erhält Bernstein das Wort zu einer Erklärung; unter athemloser Spannung und mit lautloser Stimme führt er auS: Werthe Genossen! Wie ich schon in meinem Rechtfertigung«- schreiben auf dem Stuttgarter Parteitage ausführte, kann rin Votum deS Co.igresfes mich nicht an meiner Urberzeugung irre machen. Es ist mir aber auch das Votum der Mehrheit meiner Parteigenossen nicht gleichgiltig. Meine Ueberzeugung ist, daß die Resolution mir in objektiver Beziehung Unrecht thut, weil sie auf falschen Voraus setzungen beruht. Aber nachdem Genosse Bebel erklärt hat, daß mit der Resolution kein Mißtrauensvotum verbunden sein soll, erkläre ich, daß ich das Votum der Mehrheit meiner Parteigenossen entgegen- nehmen und ihm auch diejenige Achtung und Beachtung entgegen- tragen werde, die ihm gebührt. (Tin großer Theil des Parteitages begleitet diese Erklärung mit lauten Bravorufen. Ein kleiner Theil verharrt in Schweigen.) Es folgt eine kurze Preßdebatte über allgemeine Angelegenheiten. Darauf tritt die Mittagspause rin. 73. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. —0. Hamburg, 24. September. Der heutig« Tag war be stimmt zu Arbeiten in den gebildeten 27 Abtheilungen und keine geringe Zahl von Vorträgen wurden in diesen einzeln oder bei combinirten Sitzungen abgehalten, eine ansehnliche Reihe inter essanter Mittheilungen als Resultate neuer Forschungen wurden dargrboten. Es verbietet sich von selbst, auf Berichterstattung hier über einzugehen, da eS zumeist nur Gegenstände betraf, welche für die Allgemeinheit nicht hervorragend wichtig erscheinen. Immerhin erscheint e» geboten, darauf hinzuweisen, daß Professor Braun (Straßburg) bei Besprechung der elektrischen Wrllentelegraphie mit- thrilen konnte, daß eS in Folge Verbesserungen an Cohärer und Empfänger gelungen sei, jetzt von Cuxhaven nach Helgoland beziehungs weise unter Benutzung des Feuerschiffes Elbe II, also auf eine Ent- fernung von 65 Ion sicher und correct Nachricht zu geben. Von Leipziger Gelehrten betheiligten sich die Herren His, Marchand, Kölliker, Trendelrnburg, Kollmann, Krönig, Soltmann, DümS und CHun bei der Geschäftsleitung, beim Halten von Vorträgen oder beim Eingreifen in dir DiScussion in diesen Abtheilungs- sitzungen. Neben diesen Arbeiten waren eS di« Ausstellungen physikalischer Art (besonders reich die Röntgenphotographie) und medicinischer Hilfsmittel, welche zu Besichtigungen einluden und vieles Bemerkenswerthe boten; auch die Institute und Kranken häuser Hamburgs rechtfertigten ihre» hohen Ruf, den sie bei allen Fachleuten genießen. Verschiedene Veranstaltungen waren außer dem getroffen, um den College» und Fachleuten Neuerungen vor- zusühren, doch wurden dabei die Sammlungen und Kunstmuseen der Stadt, der botanische und zoologische Garten nicht un berücksichtigt gelassen. ES bedarf jedoch kaum besonderer Er- wähnuag, daß eine nicht geringe Zahl von Theilnehmer» sich doch der besonderen Eigenthümlichkrit der Hafenstadt Hamburg zuwendete und durch eine Rundfahrt mit den Fährbooten eine Be sichtigung der großartigen, noch immer sich erweiternden Hasen anlagen vornahm. Da die Hamburg-Amrrika-Packetsohrt-Actien- Gesellschaft (kurz jetzt „Hamburg-Amerika-Linie" genannt) die Zahl der Einladungen zu einer Lustfahrt auf ihrem Prachtichiffe be- schränken mußte, so bot sie Gelegenheit, am heutigen Nachmittage zur Besichtigung de» ansehnlichen Personendampfers „Graf Walder- see", welcher am Lswaldquai log, und in Folge dessen svon vielen Domen und Herren besucht wurde. Auch der zur Sanirung aus ersehene Stadttheil wurde einer Besichtigung unterzogen. und mit großem Interesse dir Mittheilung gelesen, welche die Festschrift hier über darbietrt. „Herr N. N. wird zum Empfang der 73. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzt, durch den Senat der treten und Hanse- stadt Hamburg im Rathhause am DienStag, den 24. September 190l, AbeudS 8 Uhr, ergebenst eingrladea. Di» Commission deS Senat»" lautete die Inschrift der vielbegehrten Karte, welche die Abtheilungen an Nicki-Hamburger nur beschränkt vertheilrn konnten, da die gr- lammte Zahl der bi« heute gemeldeten Theilnehmer auf reichlich 3000 angewachsen war und selbstredend diese alle nicht an dem Em pfange theilnehmen konnten. Da zu gleicher Zeit die Hamburg-Amerika- Pockrtfahrt-Gesellschast eingeladen hatte zum Besuche ihrer in Ham burg liegenden Schiffe „Victoria Luise" und der in Brunshausen liegenden „Augusta Bictoria" und r» sicher zu erwarten stand, daß mit dem Besuch eia gastlicher Empfang, eiur Fahrt in See und eia opuleute« Mahl noch Rückkehr verbunden sein werde, so dürste die» für viele eine ausreichende Ent schädigung gewesen sein, welch« noch weit mehr Reiz bot, da da« Wetter auch heut« »och recht günstig «ar und eia warmer an Grammophone, ^»rl Gartenstr. 6, am Krystallpalast. Luor-vossISIlUvIlt Itlultiplvx-6u8körnrülläsr k. V. vuwdLnsor, Frrnipr. 2053. Weststrabe iS. Lnftanh-altn«« tm Abonnement.
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