02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.09.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010930022
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- LDP: Zeitungen
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
- Tag1901-09-30
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Der permanente Ausschuß de» Haager Schiedsgericht« ist durch den bei ihm eingereichten Antrag der Boeren- Vertreter auf Schiedsspruch vor die heikle Frage gestellt, in welcher Weise er den Antrag den Conferenzmächten gegenüber behandeln soll. Bekanntlich waren die Boerrnrepubliken bei der Haager Eonferenz nicht rugelassen, und zwar auf Verlangen Eng land», welche« die Republiken nicht al« selbstständigen Staat an- erkenuen wollte. Der Ausschuß kann unter diesen Umstanden den Boerenantrag den einzelnen Staaten nur dann officiell zur Keantniß bringen, wenn diese sich zur Annahme vorher bereit erklären. England würde aber eine solche Bereit- erklär»«« feiten» eine« Staate« entschieden al« einen un- freundlichen Act auffassen. Nicht« destoweniger wird in einigen von Borrenkreisen inspirirten französischen Blättern behauptet, daß die SchiedSgerichtSangelegenhrit der Boeren in Fluß kommen soll. „Patrie" nimmt die Wünsche der Boerenvertretung schon für Wirklichkeit. * Part», LS. September. Die Kenntnißnahme de« beim Haager Schiedsgericht angebrachten BoerenantrageS wäre trotz gewißer, »och nicht völlig geschwundener Bedenken selten« der hollän dische» Regierung für nächsten DieuStag zu gewärtigen. Holland würde Deutschland, Rußland, Frankreich, Italien, Griechen land auf seiner Seit« finden, wenn e« diese erste Actton de« Schiedsgericht« al» dem Statut entsprechend anerkennen würde. Sollt« aber au« irgend einer Ursache jene Kennt- uißuahm« de« Schiedsgerichte« unterbleiben, würde der Zar »ach einer „Patrie-Meldung" de» in Petersburg beglaubigten Diplomaten eine auf daS Rescript vom 1L. August 1898 bezug- uehmeude Rote übermitteln lassen, wonach eine neue Conferrnz der Haager Bertrog-mSchte einberufen wäre. Zugleich kündigt der französische Deputiere Baillant für die erste Kommersitzung einen »«urn Antrag an auf Erweiterung der Tompetenz de- internationalen Schiedsgericht». (Berl. L.-A.) Nach einer amtlichen Zusammenstellung waren in den , sogenannten Flüchtlingslagern im Monat August zusammengedrängt an Weißen: 16 095 Männer, 36 427 Frauen und 52 225 Kinder (zusammen 105 347), an Farbigen: 4208 Männer, 10 149 Frauen und 17 915 Kinder (zusammen 32 272). In Natal starben 3 weiße Frauen und 2l Kinder, in der Capcolonie 1 Frau, in Transvaal 32 Männer, 185 Frauen und 1014 Kinder (von 10 496 Männern, 22 036 Frauen und 25 983 Kindern), in dem Oranje-Freistaat 622 Weiße, darunter 510 Kinder (von 5826 Männern, 13,381 Frauen und 24 415 Kindern), während unter den Farbigen 97 Männer und 333 Kinder starben. Die Einwanderungsbehörde von Natal hat, wie dem „Standard" au« Durban gemeldet wird, über 200 indischen Kaufleuten, die dort mit dem deutschen Dampfer „Herzog" rintrafen, die Zulassung versagt. Dieselben haben sich dann nach ver schiedenen Häfen der Capcolonie begeben. Wohlgemerkt, die betreffenden Indier sind britische Unterthanen. * Eapstadt, 29. September. („Reuter'S Bureau".) In der Er widerung auf ein vom 5. d. M. datirteS Schreiben Schalk Burger'», in dem dieser das Verlangen nach Frieden auS- drückt, erklärt Lord Kitchener, dieser Wunsch werde von den Engländern getheilt; die Verantwortung für die Fortdauer de» Krieges treffe die Boeren. Nach der Annectiruug der beiden Republiken, di« eine Folg« de« Kriege« gewese» sei, könne Groß britannien der Bevöllerung gegenüber, di« d«r »tuen Herrschaft Loyalität bewiesen habe, nicht die Treue brechen. * London, 30. September. Ein Telegramm LordKitchener'» au» Pretoria vom 28. September meldet: Dle Colonne Bruce Hamilton'«, dir heut« früh im Fort Jtala angekommsn ist, berichtet, daß dir Bo«r«n in nordöstlicher Richtung abgezogen seien. Di« britischen Truppe» verth«idigtrn sich ausgezeichnet und brachten den Boeren, di« sie mit Uebrrmacht angriffen, große Ver luste bei. (?) Hamilton sucht die Stellung d«S Feindes zu finden und wird dann die Verfolgung aufnehm«». * Melnoth, 27. September. („Reuter'S Bureau".) Die Zahl der Boeren, die eine» Angriff auf da» Fort Prospekt machten, wird auf 1500 geschätzt; sie standen unter Grob«laar'S Lom- mando. Der Angriff hielt d«n ganzen DoanerStag an. Di« von de» Engländer» auSgrhobenen Eingeborenen (l!) an der Grenz« zersprengten die Angreifer, verbrannten zahlreiche Kraal« und erbeutete» viel Vieh. Tag« darauf erneu«,.:« sich der Angriff. * Durban, 29. September. Geueral Bruce Hamilton meldet, dir Boeren geben zu, bei dem Kampf« an der Grenze 19 Todte verloren zu haben. Die Aafsern hingegen be haupten, daß die Boeren schwere Verlust« erlitte» hätten; sie hätten den ganzen Tag über Todte und Verwundete gehabt, dir sie fort gebracht hätten. (?) * Pretoria, 29. September. Heute ist «ine Proklamation erlassen worden, die über den Verkauf der Güter der noch im Felde stehenden BurgherS gemäß der in einer früheren Pro klamation Kitchener'» bekannt gegebenen Bedingungen Bestimmungen trifft. Danach wird die Unterhaltung der Familien solcher BurgherS, die noch nach dem 15. September im Felde stchen, als eine Last angesehen, für die au» dem Vermögen diestr Burghei Deckung zu nehmen ist. Die Proklamation regelt im Einzelnen oie Art der Berwerthung dieser Güter und die Verwendung de- E^öje». Potttische Tagesschau. * Leipzig, 30. September. Der socialdemokratische Parteitag in Lübeck, der nunmebr zu Ende gegangen ist, hat sich kurz vor seinem Schluffe noch einmal auf daS Ueberzeugendste erwiesen, daß dir Partei, welche die Diktatur de« Proletariat« erstrebt, unter der eisernen Diktatur ihrer Führer steht. Hätten, nachdem Herr Bebel seine Rede gegen den „Zollwucker" gebalten, die Genossen Calwer und Schippei eS wagen dürfen, dem Bewunderer Frankreichs und Amerika« entgegenzuhalten, daß diese Länder vielfach ködere Zölle erheben, al« Deutsch land, Frankreich auch höhere LebenSmittelzölle; hätten sie ibm nachzuweisen gewagt, daß sie und andere Partei mitglieder auf dem Boden der Schutzzollpolitik stehen und wegen derselben sich ganz unzweideutig für Repressalien gegenüber Amerika ausgesprochen haben, falls dieses Land sortfahren sollte, das deutsche Reich zollpolitisch in der bis herigen Weise zu behandeln: e« wäre zu einem Krach ge kommen, wie ihn die Partei noch nicht erlebt bat. Aber die Herren Calwer und Schippel hielten sich da« Beispiel B ern- stein'« vor Augen, der nur zwischen Unterwerfung und HinauSfliegen zu wählen hatte und die Unterwerfung wählte. Freilich mögen sie sich im Stillen auf den Tag gefreut haben, an dem Herr Bebel gezwungen sein wird, für oder wider Handelsverträge, die auf der Basis de« verlästerten Tarifs geschlossen sein weiden, sich zu entscheiden, und an dem aller Voraussicht nach wie im Jahre 1892 unter den Ja sagern sich befinden wird. Aber wenn sie auch auf diesen Tag hoffen, so werden sie sich doch auch klar dar- Uber sei», daß sie dann den ihnen von Bebel selbst bereiteten Triumph nur in ganz bescheivener Weise werden ausnutzen dürfen, denn der Paneipapst hat auf dem Lübecker Concil den Beweis geliefert, daß er von seinen Gläubigen die Kritik nicht vertragt und zu ertragen braucht, von der er selbst der bestehenden Ordnung gegenüber unumschränkten Gebrauch macht. Ohne Ver stimmung sind natürlich die „Zollwucherer" unter den Ge nossen von Lübeck ebensowenig nach Hause gereist, wie Bernstein und die anderen „Ueberstimmien". Es trifft also auch im Wesentlichen zu, was die „Nat.-Lib. Corr." über den Lübecker Parteitag und sein Ergebniß sagt: „Der socialdemokratische Parteitag hat sein« Zeit fast ausschließlich den durch das unbequeme Auftreten Bernsteiu'S und durch die Hamburger Accordmaurer hervorgerufenen Streitigkeiten ge widmet. Beide Angelegenheiteu endigten mit einem äußerlich glänzende» Siege der Autoritäten des Partei vorst aude«, welche am empfindlichsten durch diese Differenzen betroffen waren: Bebel und Auer. Und Beide mußten ihre ganze Persönlichkeit einsetzen, um einen AuSgang der Debatten und Abstimmungen zu erzielen, der nach außen hin die volle Einheit und Geschlossenheit der Partei bekunden sollte. ES blieb den Delrgirten aber auch gar kein anderer Weg übrig, wenn in Lübeck die Socialdemokratie nicht in zwei Heerlager sich spalten sollte. Daß diese Gesahr sehr nahe lag, weiden sich die Mitglieder de« Parteivorstandes jetzt, nach, dem Aller einigermaßen nach ihrem Wunsch verlief, unter, einander wohl »ingestehen und sich daher vor einer baldigen Wiederholung solcher Kraftproben hüten. Denn daS Maß der persönlichen Erbitterung ist zu hoch gestiegen, al- daß eS nicht bei erster bester Gelegenheit zum Uebrrlausen käme, wenn nicht eine lange Z it der Beruhigung die Vorgänge in Lübeck vergessen macht. Einen leichteren Standpunkt al- Burr als Verthridiger de« Schiedsspruch« in der Hamburger Accordmaurrr-Augelegenheit halt« Bebel gegen Bernstein. Aber wer vermag zu sagen, we'che Wvdrug di« Debatt« gen"mmeu hätte, fall« nicht Pebel als der zähe, unerbittliche Gegner aus den Plan getreten wäre, der nicht eher ruhte, bis Bernstein völlig zu Boden geworfen war und kläglich um Gnade und Verzeihung flehen mußte? Durch diese Niederlage, die einem Widerruf glich, verliert Bernstein für ge- raume Zeit die unmittelbare Einwirkung auf seine sociatdemo- kratijchen Genossen; auch die Lächerlichkeit, mit der er als un- klarer Kopf und Denker stigmatisirt wurde, macht ihn vor läufig ziemlich unschädlich. Aber die führenden Männer der Partei werden sich doch gewaltig in der Annahme täuschen, so leichten Kaufs wie in Lübeck die Kritik Bernstein's an der Social- demokratie überwunden zu haben: Bernstein ist nicht durch logische Gründe, sondern durch daS AutoritätSprincip und brutale Stimmenmacht zu Boden gedrückt worden die Vergeltung dafür kann nicht ausbleiben. Der Kampf Auer's gegen die centrali- sirten Gewerkschaften anläßlich des Schiedsspruchs in der Hamburger Accordmaurer-Frage ist vielleicht einer der schwersten gewesen, den bisher ein angesehener Führer der Socialdemokratie gegen entgegen stehende Strömungen seiner Parteigenossen durchzufechten hatte. Im letzten Grunde handelte es sich hier um eine Macht frage, wer zukünftig das Hest zur Leitung in der Hand führen soll, die Ge- werkschaften oder der Parteivorstand. Die Entscheidung konnte nicht anders ausfallen, alS es geschah, denn die „Genossen" mögen sich der Folgen einigermaßen bewußt gewesen sein, wenn sie den Schiedsspruch des Parleivorstandes für ungiltig erklärt hätten. In diesem Ringen gab es viele blutige Köpfe und tiefe Wunden, die nicht so bald wieder vernarbe». ES ist in der Lhat erstaunlich, welch' hohen Grad persönlicher Kritik oder eigentlich Verunglimpfung die Genossen unter einander vertragen können, ohne sich aufs Tiefste verletzt zu fühlen. Es läßt sich schwerlich denken, Laß der aus dem jocialdrmokratischrn Parteitag« zu Lübeck angeschlagene To» keine tiefer, Spur«» nachträglicher Erbitterung hinterlassen sollte. Präsident Singer singt freilich das bekannt« Loblied auf die unerschütterliche Einheit und Einigkeit d«r Social demokratie, aber er wie die übrigen Führer werden sich doch in«- geheim bekennen muffen, daß die Lübecker Tagung zwei Pyrrhus siege des Parteivorstande« verzeichnet, die letzterem noch manche bittere Stunde bereiten werde»." Aber eS würde eine veroängnißvolle Täuschung sein, wenn die bürgerlichen Parteien au« der Verstimmung, welch« die Lübecker Tagung in den Reihen der Genoffen zurückgelaffen hat, auf einen baldigen Zerfall oder auch nur auf eine baldig« Spaltung der socialdemokratischen Partei schließen wollten. Auch im Cent rum kriselt e« seit langen Jahren und doch verstehen eS die Parteiführer immer wieder, den „festen Thurm" vor einem R'ffe zu bewahren. So oft eine politische oder wirtbschaftliche Frage die Gemüther trennt, so oft wird eine kirchenpolitische aufgeworfen, die als Kitt wirkt. Und so lange die Diktatoren der socialdemokratischen Partei e« verstehen, den durch innere Vorgänge entstandenen Groll auf den gemeinsamen Gegner abzulenkcn, so lange werben diese Dictatoren auch das Heft in der Hand behalten. Zn den Kreisen der pharmaceutischen Groß industrie, die sich in verbältnißmäßig kurzer Zeit zu einem bedeutenden Gewerbe entwickelt bat, ist man in einige Sorge versetzt durch die Art, wie unlängst von Regierungsvertretern eine Neuregelung deS ÄchrimmittelwesenS angekündigt worden ist. Man befürchtet eine schematische Ausdehnung dieser Neu regelung auch auf solche Mittel, die ihrem wirklichen Wesen nach keineswegs als Gebeimniitlel behandelt zu werden ver dienen, und sieht mit schweren Bedenken dem Zustand entt- gegen, daß die Tbätigkeit einer ganzen Industrie in da« Belieben einer Behörde gestellt werden soll, für deren aus reichende fachmännische Information bisher keine Gewähr gegeben ist. Tie Befürchtungen Werden bestärkt durch da« etwas gespannte Verhältniß zwischen der pharmaceutischen Großindustrie und den Apothekern, da« auch auf dem letzten Apotbekertage zum Ausdrucke gekommen ist. Die Apotheker sieben den Großbetrieben der Heilmittelfabrikation wenig freundlich gegenüber und winden eS nicht ungern sehen, wenn deren Erzeugnisse möglichst vollständig in die angeblichen Gebeimmittel eingereiht würden. Es ist zu wünschen, daß die Bebörden bei der bevorstehenden Neu regelung des GehcimmittelwesenS sich von beiden Seilen gründlich beralhen lassen und die vielfach herrschende Ver wirrung in sachgemäßer Weise beseitigen, anstatt sie noch zu vermehren und durch einseitige Entscheidungen ein großes Gewerbe zu schädigen, dessen Ruf im Vereine mit dem Gesetze gegen den unlauteren Wettbewerb ausreichende Gewähr gegen die Fabrikation schwindelhafter Mittel von dieser Seite bieten dürfte. Die englanvfeindliche Strömung in Spanien ist in der letzten Zeit durch verschiedene bedeutsame Umstände verstärkt worden. Wie die neue Befestigung Gibraltars und gewisse englische Flottenbewegungen an der Küste Spaniens weite Kreise des spanischen Volkes verstimmt und beunruhigt haben, so mußte der südafrikanische Krieg vornehmlich die Spanier gegen England erbittern; befand sich doch vor Kurzem Spanien den Vereinigten Staaten gegenüber in einer Lage, welche der der Boeren gegenüber England einigermaßen ähnlich ist. Welche Entrüstung d»e englische Gewaltpolitik in Südafrika » Feuilleton. Themis im Gebirge. .Zwei Erzählungen aus dem Allgäu von ArthurAchleitner. Nachdruck rerdcUL (Schluß.) Eugcn ärgerte sich gründlich über die Darlegung:» deS alten Praktiker«, der nicht einmal Jurist ist und dennoch mehr Weis heit verzapft, als der im Amt sitzende Untersuchungsrichter. Höflich dankte Eugen jedoch für den ertheilten Wink und bat zugleich, den Zunderstreifen ja sorgsam zu verwahren, weil zum leider noch an Volumen sehr mageren Act gehörig. „Unbesorgt, Herr Amtsrichter! Der Act ischt heilig. Bin ja trotz Medici» selber Actenmensch, wenn auch lein Kanzlethengst im engsten Sinne deS Wortes. Also auf Wiedersehen! Und ver- geffen Sie mir dem Zwirn nicht! Wer weiß, wozu daS gut ischt! Hab« die Ehr«, mich ganz «rgebenst zu empfehlen! Apropos: zum Dämmrrschoppen kommen Sie doch in den „Ochsen"?! Würde mich freuen, den Abend in Ihrer Gesellschaft verbringen zu können! Mutz ja morgen in aller Herrgottsfrühe heim nach Jmmrnstadt!" „Werde prompt erscheinen!" versichert« der Amtsrichter und begleitete den Bezirksarzt, der den Zunderfireffen in sorgsamer Verpackung an sich genommen, zur Stube hinaus. Gegen sein« Absicht mußte Eugen immer wieder an den Brandfoll und die Aeußerungen deS alten Praktikers denken, und mählich begann der jung- Beamte zu erkennen, daß wirklich ein Fingerzeig geg-ben sein könnte, wenn cS gelänge, ein Zwirn- Pendant aufzutreiben. Aber wie, wo, und wann? Eugen überprüfte den Terminkalender und fand, daß der morgige Tag ohne Verhandlung, also die Möglichkeit gegeben ist, behufs weiterer Recherchen in die nahe Heimath zu fahren. Wenn d«r erst« Frühzug nach Oberstdorf benutzt wird, tonn eint Stund« später der Elternhof erreicht feen und unauffällig mit den neuen Recherchen in der angegebenen RichWng begonnen werden. Wo aber recherchiren? Wie ein Zwirn-Pendant finden? Unter dem Dienstpersonal auf dem Gehöft des Ruef? Das ist blanker Un sinn, denn das Wohnhaus ist vernichtet, der Himmel weiß, wo die Dienstboten unterdessen untergrbracht sind. Und im eigenen Gehöft ist ein Brandstifter wohl auch nicht zu suchen. In Gesellschaft deS alten DezirkSarzteS verflogen die Abend stunden rasch und für den jungen Amtsrichter lehrreich; man besprach unter Anderem auch die Möglichkeit, ähnliche Zwirn- theile vielleicht an einer Joppe aufzufinden und Mit Hilfe des Mikroskope» die gemeinsame Herkunft und Verwendung nach weisen zu können. Da der Arzt jeglichen Ton der Schulmeisterei vermied, im Gegentheil die Bereitwilligkeit gemeinsamer Arbeit und gegenseitiger Unterstützung anssprach, söfinie sich Eugen mit dem Loblied auf das Mikroskop aus und nahm mit aufrichtigem Danke die anyebotene Unterstützung an. Spät schloß der zur Nachtsitzung erweiterte Dämmerschoppen. Eugen hatte am dunklen Morgen zu springen, um den Früh zug nach Oberstdorf zu erreich-n, der dann bei spätherbstlichem Nebel erreicht wurde. Eigentlich ist «S zu früh für jegliche Diensteshandlung, auch möchte der Amtsrichter in Oberstdorf vor her mit dem Gendarm sprechen. Go begab sich Eugen in die Nebenstube de« Gasthofe» zur „Post" und frühstückt«. Mählich rückte der Stundenzeiger vor, es ging auf neun Uhr, doch der Nebel wollte sich nicht heben. Trüb glotzte die Sonnenschcib: durch die dicken Schwaden. Eugen blickte auf den freiten Platz hinaus und zuckte plötzlich zusammen. Ist daS nicht der Schaffer vom hrimathlichen Ge höft? Wal thut der Mensch an einem Werktage zur frühen Stund« in Oberstdorf? Commissionen werden hast immer an Sonn- und Feirrtagen, zum Mindesten an Werktagen de» Nach mittags besorgt. Eugen konnte genau verfolgen, wir der Schaffer, der «ine von langem Gebrauch verwetzte Mütze trug, tn einen Hutladen trat und nach geraumer Well« wiedrr heraulkam, wobei er jetzt einen neuen Filzhut auf dem Kops« hatte und ein in ZrttungSpapier p-hvllte» Packetchen in der Hand trug. Flugs war der Amtsrichter htntndreia. Der Huttauf inter- essirt« Ihn in amtlicher Eigenschaft und auch privatim. Eine solch« Zeitverschwedung eine» Knechte« am Werktag« fordert «ine energisch« Rüg« geradezu herau«. Der Schaffer schvttt scharf au« und verließ auf dem nitchfi»n Wege den Marktflecken in der Richtung zum Hintcrhaunholdhof. ES pressirte ihm also, nach Hause zu kommen. Wozu aber der Hutkauf? Eugen hatte Mühe, Abstand zu halten; einig« Male ver schwand der Fußwanderer vor ihm im Nebel, der Schaffer ist „gängig", wie nicht leicht ein Anwerer. Plötzlich erblickte der Richter mitten im Wege ein Packetchen, von Aeitungspapier um hüllt, das zweifellos der Schaffer verloren haben muß. Eugen griff zu, riß die Umhüllung weg und hatte die Mütze in Hän den, die arg verweht und abgetragen, mit grobem Zwirn einen Riß zusammengenäht, aufwies. Eugen fühlte, wie er am ganzen Körper zitterte. Was er auf Anrathen des Bezirksarzks suchte, ist hier ourch Zufall gefunden. Aber der Schaffer, sein eigener Verwalter, soll der Brandstifter sein, weil dessen Mütze mit grobem Zwirn geflickt ist? Undenkbar! „Nur keine Uebertreibung, keinen Fehlgriff!" flüsterte Eugen, legte die Mütze in Falten und barg sie, gleich einer Kostbarkeit, in seiner Manteltasche. Soll nun daheim wette: recherchirt oder der Fund sogleich dem Mikroskopiker übermittelt werden? Eugen fühlt« sich zu aufgeregt, um jetzt dem elterlichen Hause einen Besuch abzustatten; liebe: will er nach Jmmenstaot fahren und persönlich der mikroskopischen Untersuchung beiwohnen. Doch ein Gedanke ändert« diese Disposition. Wie, wenn der Schaffer bestimmte Gründe für den Hulkauf hätte? Vielleicht will er abreisen? Dann würde aber der Dienstvertrag gebrochen, ein Abreise ohne Kündigung käme einer Flucht ähnlich. Wes halb sollte der Schaffer aber fliehen wollen? Ist Schraudvlf irgendwie in Beziehung zu dem Brandunglück, so darf er nicht aus dem Auge gelassen, e« muß eine etwaige Flucht verhindert werden. Es fragt sich nur, ob der Amtsrichter selbst oder die Gendarmerie die Polizeiaufsicht bewerkstelligt. Lugen entschloß sich, Letzteres anzuordnen und ging rasch nach Oberstdorf zurück. Stn Gendarm erhielt Befehl, zu recherchiren, wozu der Schaffer sich den neuen Hut gekauft, und im Fall« nicht plausibler Auskunft bei Irgend verdächtigen Anzeichen solle zur „Vorführung", also nicht zur Verhaftung geschritten werden. Eugen telearaphirte dann an den BezirkSarzt nach Immen stadt: „Bewußte« gefunden, -ringe eS heut, Lbend nach Sont hofen. Bitte, weil dringend, mit Apparat inS Amt zu kommen." Schon nach Verlauf von zwei Stunden hatte der Amtsrichter die Meldung des Gendarmen, daß der Schaffer in gänzlich harm loser Weise den Hutkauf mit dem für morgen beabsichtigten „Gang zum Hundsrennats" (Hundevennen) im Wafferthal motivirtt, und daher der Gendarm von einer Vorführung Abstand genommen habe. Ein Mißgriff ist somit vermieden, ober Eugen brachte ein Gefühl des Unbehagens, «inen freilich äußerst unbe stimmten Verdacht nicht los. Zu verfügen ist, wie die Sache momentan liegt, gar nichts, und so reiste Fleschhut mit »dem Mittagszuge zurück nach Sonthofen, um in der Kanzlei der Ankunft des Bezirksarztes zu harren. Statt diesem kam aber ein: Depesche, welche wegen Unabkömmlichkeit die Einsendung des „Bewussten" nach Jmmrnstadt erbat. Nun hieß es, Geduld üben. Die Mütze wanderte, sorgfältig verpackt, per Post nach Jmmenstadt. Drei Tage später meldete ein Diensttelegramm die Ankunft des BezirkSarztes, und in großer Erregung harrte Eugen des aufklärenden Bescheides. Ter alte Doctor kam frischweg vom Bahnhof in die Gerichts kanzlei und grüßte lustig: „Guten Tag, Herr Amtsrichter! Hübsch neugierig, waS? Kann mir'» denken! Na, ich war auch einmal jung und rin Pression!" „Wenn ich bitten darf, Herr BezirkSarzt, zur Sache!" „Gut! Aber Sie erlauben doch, daß ich Platz nchme!" „Bitte sehr! Ich habe in der Aufregung vergessen, ent schuldigen Sie gütigst da« Berschen!" „Macht nichts! Aber das Aufgeregtsein müssen Sie sich ab gewöhnen! Dcr Richter, zumal der Untersuchungsrichter, muß kalt bleiben wie ein Eiszapfen um Weihnachten!" „Ja, schon, wer'S kann! Einstweilen bring' tch's noch nicht fertig! Bedenken Sie, mein erster Fall und persönlich auch noch intereffirt!" „Schön, Herr Amtsrichter! Also nck rem! Und hübsch be dächtig! Also ich habe mittel« Mikroskops sowohl den Zwirn am Zunderstreifcn als auch jenen an der eingeschickten Mütze — ein schäbiges Ding, nebenbei bemerkt, — untersucht, und —* „Und?" fragte in höchster Spannung Eugen. „Und kann attf Diensteid constatiren, daß ein und derselbe Zwirn verwendet worden tst!"
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