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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.11.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001124021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900112402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900112402
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- Images teilweise schlecht lesbar
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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Sonnabend den 24. November 1900. Anzeige»-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reelamen untrr dem RevnelionSstrich (4gespalicni 7.'» Z, vor den Familiennack-« richtcn '-gespalten- 50 Tabellarischer und Zissernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen nnd Ofsertenannahme 25 H (excl. Porto). ——WM—— Ertra-Beilagen gefalzt), nur mit der Morgen ausgabe, ohne Postbesörderung >/t 60.—, mit Postbesürderung 70.—. Ijnnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Berlag von E. Polz in Leipzig. 94. Jahrgang. Die Wirren in China. Die chineslschtn Depeschen der Londoner Blätter sind voll Mißstimmung über das Ttscken der Pekinger Verhandlungen wegen der Frage der Hinrichtung Tuan'S und der übrigen Prinzen und derSchwierigkeiten, die Tungfubsiang's herrschende Stellung der Nachgiebigkeit deS HofeS entgegensetzt. Eine Meldung deS „Standard" aus Shanghai besagt, der langsame Fortgang der Verhandlungen bestärke die Chinesen in brr Ansicht, die Verbündeten, nicht die Chinesen, bäten gegen wärtig um Frieden. Dr« Hauptfrage ist, ob die auf der Liste der Gesandten angegebenen Mörder vom Prinzen Tnan abwärts bingerichtet werden sollen oder nicht. Der CntscheidungSkampf, schreibt „Daily Telegraph", muß bis zum dittern Ende um die Per sonen dieser Leute au-gefochten werden. Wenn die Hin richtung durchgesetzt werden kann, ist Alles gewonnen; im andern Falle nichts. Hätten erst die Mächte bewiesen, daß langsam, aber sicher und schrecklich ihre Vergeltung selbst die Dynastie treffen und die Verbrechen gegen die Gesittung strafen würde bis weit ir. daS Herr de- Reiches hinein, so würden auch den Verbündetsten und Anmaßendsten die Schuppen von den Augen fallen. Die Lehre würde dann auf ein Menschenalter vorhalten. Sicher wird die Kaiserin aber Tnan nicht Preisgeben, bis die Mächte einen schärfern, unmittelbarern Druck auf sie ausznüben im Stande sind, als bisher. Seine Hinrichtung würde die Dynastie mit Schande bedecken. Anderseits macht die unzweifelhaft drohende Stellung Tungfubsiang's, der seiner Zeit den Aufstand der mohammedanischen Chinesen niedergeworfen und zuletzt einen neuen Ausstand unter diesen seinen ehemaligen Glaubens genossen anfachen könnte, die Lage der Kaiserin bedenk licher und zweifelhafter, als gewöhnlich angenommen wird. Die Mächte jedoch haben den Pflug in die Hand genommen und können nicht mehr zurück. Sie müssen weitere Schritte thun, um einen etwaigen ferner« Widerstand zu überwinden. Ter Besuch des deutschen Consuls in Shanghai bei Vicekönigen deS Nangtsethale» beweist, daß im Nothsall auf dem Strome eine Polizeiaufsicht eingerichtet und die Zufuhr von Geld und Reis für den Hof jedenfalls vom Süden ab geschnitten wird. Erwiese sich auch diese Maßregel nicht erfolgreich, so würde die Frage einer Expedition ins Innere aufhören, von der Erwägung ausgeschlossen zu sein. P. Peking» 23. November. (Privattelegramm.) Das Pork'sche CorpS hat den weiteren Vormarsch über Hsurnhwa hinaus ohne ernstlichen Widerstand fortgesetzt. Tie regulären chinesischen Truppen haben sich über Kalgan zurückgezogen. Die Haltung der eingeborenen Bevölkerung ist gut. * Washington, 23. Noveniber. (Telegramm des „Reuter'schen BureauS.) Staatssekretär Hay hat an die Mächte eine gleichlautende Note gerichtet, in welcher er die Ziele darlegt, welche die Ber einigten Staaten bezüglich Chinas verfolgen und auseinandersetzt, wie sich die Ziele, welche allen Mächten gemeinsam wären, am besten erreichen lasten würden. Der Krieg in Südafrika. Krüger in Frankreich. Wie uns aus Dijon berichtet wird, traf Präsident Krüger gestern Nachmittag 5*/« Uhr dort ein. Schon auf den ver schiedenen Stationen, die der Eisenbabnzug passirr hatte, so in Avignon, Tarascon, Valence und besonders in Lyon, waren dem Präsidenten stürmische Ovationen dargebracht worden; verschiedene MaireS hatten den Präsidenten in Ansprachen begrüßt; man batte ibm Adressen und Blumen überreicht. Auch der Empfang in Dijon gestaltete sich zu einer enthusiastischen Kundgebung sürKrüger. Auf die Be grüßungsansprache deS MaireS antwortete Krüger mit DankeS- worten für den ihm in Frankreich bereiteten Empfang und sprach die Ueberzeugung aus, daß seine Sacke, da sie eine gerechte fei, doch triumpbiren werde. Der Präsident begab sich sodann nach seinem Hotel; aus dem Wege dorthin erneuerten sich die Kundgebungen des PublicumS. Als Krüger im Hotel angekommen war, bereitete ibm die Bevölkerung auf der Straße vor dem Hotel Kund gebungen, so daß er dreimal auf dem Balcon erschien. An dem von der Stadtverwaltung gegebenen Ebrentrunke nahm Krüger wegen Ermüdung nicht Tbcil. Mehrere Straßen der Stadt waren festlich beleuchtet. Sonnabend früh reist Präsident Krüger nach Paris ab. "Paris, 22. November. Tie „Agcnce HavaS" meldet: Tie Königin von Holland richtete heute an den Präsidenten Krüger folgendes Telegramm: „Haag, SS. November. An Herrn Paul Krüger, Präsidenten der südafrikanischen Republik. Hs ist mir angenehm ge wesen, Euer Excellen, meinen Kreuzer „ikclderland" an zubieten und ich viu glücklich, zu erfahren, datz Sie Ihre Reise bei guter ikejnndheit znrückgelegt haben. Wilhelmina." Tie englandfeindlichcn Temonstrationen in Marseille. AuS Marseille wird dem „Berl. Tageblatt" unterm 23. November noch gemeldet: Die Manifestationen, die sich besonders gegen das Hotel de Louvre richteten, wo Engländer Vormittags Soustücke in die hurrahrufende Menge geworfen hatten, um die Menge zu ver höhnen, nahmen in den Abendstunden einen immer schlimmeren Charakter an. Die meist aus dem niedrigsten Hafcnpöbel gebildeten Cchaaren vor dem Hotel wurden immer dichter. DaS Hotel liegt an drei Straßen, man konnte es daher von drei Seiten umbrüllen. Man fang „Oonsxuez. rief „Nieder die Engländer!" „Znö Wasser die Engländer!", und verfiel schließlich daraus, den Besitzer des Hotels mit stürmischem Geschrei aufzufordern, Fahnen hinauSzuhängen. Wirklich erschienen darauf zwei Fahnen, was mit Beifall begrüßt wurde. Um 11 Uhr wurde die Situation ernster. Die Banden suchten mit Gewalt ins Hotel einzndringen. Die ganze Cannebiöre, an der daS Hotel liegt, wurde von einer beulenden Menschenmasse besetzt. Alles, waS Marseille an Polizei hat, rückte an, säuberte den Platz und sperrte die ganze Gegend ab. Bei dem Kampf mit dem Pöbel wurden zwei Polizisten verwundet, einer durch einen Stiletslich ins Bein. Die halbe Nacht fuhr die Menge fort zu schreien, mehrere Engländer, die zum Bahnhof wollten, wurden mit Rufen „Nieder die Engländer" verfolgt. Präsident Krüger an Bord der „Eelderland". Ein Lsficier der „Geldrrland" schreibt über Len Aufenthalt des Präsidenten Krüger an Bord der „Gelderland" u. A.: Das Anerbieten der portugiesiichen Regierung, in Louren^o Marquez ihr Gast zu sein, war dem Präsidenten durchaus nicht willkommen, da er sich in der Hut des Consuls Pott sehr sicher fühlte und die Hal- tung Portugals gegenüber England während des Krieges lehr bereitwillig und unlrrthänig ist. AlS deshalb das Anerbieten der niederländischen Regierung eintraf, acceptirte der Präsident es dank bar und nahm von der geplanten Reise Mit dem „Herzog" Abstand. Von ofsicirUer portugiesiicher Seite wurden drin Präsidenten zu seinem Geburtstage keine Glückwünsche angeboten, wohl von einigen bundert Boercn, die sich still, mit gezogenen Hüten, vor der Villa Krügers aufstellten und von ihm einen Gruß mit der Hand empfingen. Dem alten Herrn standen dabei Tdränen in den Augen. Gerne hätte er mit seinen Bürgern einige Worte gewechselt. Ter Präsident befindet sich wohl, ist gänzlich frei von Seekrank heit geblieben, nnd litt nur einigermaßen an den Augen, wenn der Wind von der Seite übers Schiss bließ. An Bord, wo man für Alles Rath weiß, wurde an der Windseite täglich ein Segeltuch aufgespannt, sodaß dieses Uebel beseitigt war. Eine Sportmütze ersetzte gar bald den an Bord unpraktischen Cylinder, und wegen der Wärme mußte der lästige schwarze Rock einer luftigen Khaki- Drilljovpe Platz machen. Die Mahlzeiten wurden in der Cajüte in Gegenwart des Colonels und des Gefolges eingenommen. Ter Präsident sieht vor 6 Uhr aus, nimmt seinen Kaffee mit Zwieback ein, liest sodann eine halbe Stunde in der Bibel, empfängt Ivdann vr. HcymannS, der seine Augen untersucht, und nimmt um '/,7 Uhr im Stuhl aus der Campagne Platz, nachdem er erst Vie Route controllirt und ans seinem Taickencoinpaß den Curs verfolgt hat, was er täglich mehrere Male wiederholt. Ter Diener Happö ist fortwährend in unmittelbarer Nähe des Präsidenten, um der ihm bekannten Winke zu harren und die Wünsche seines Herrn zu erfüllen. Um 8 Uhr nimmt der Präsident den Morgenimbiß ein, um 9 Uhr ruht er eine Stunde lang aus einer ledernen Chaiselongue in der Cajüte, von 10—12 Uhr nimmt er wieder, aber diesmal in Gesellschaft der bekannten großen Pfeife, auf der Campagne im Rohcstuhl Platz und blickt hinaus auf daS weite Meer, das die Herzen Derer so wehmüthig stimpien kann, die glauben, hoffen und lieben. Um 12 Uhr wird gefrühstückt, von 1 bis 3 Uhr geruht und darauf der bekannte Platz auf der Campagne w-edec eingenommen. Präcise mit Sonnenuntergang (zwischen halb sechs und sechs Uhr), zu gleicher Zeit mit dein Einziehen der Flagge, zieht der Präsident sich in die Cajüte zurück, um in der Einsamkeit, nach all dem vielen Nachdenken wahrend des ganzen Tages über das Loos seines Landes und Volkes wieder Kraft zu schöpfen aus der Bibel. Um 7 Uhr wird das Abendbrod verzehrt, weichem ebenso wie allen anderen Mahlzeiten, ein kurzes Gebet vorhcrgeht, das der Präsident kant spricht. Der Präsident schläft ausgezeichnet, ist niemals ermüdet und giebt, was Seekrankheit anbetrifft, seinem Gefolge eine gute Lehre, das trotz des andauernd schönen Wetters oft unter dem Einfluß der geringen Schiff-jchwankuiigen steht. Der Präsident spricht sehr wenig. An diejenigen, die auf der Campagne oder in deren Umgebung anwesend sind, wird wohl mal eine Priese verabreicht, falls die Tose aus der Tasche hervorgeholt wird; aber Viele, die gerne ein Gespräch mit dem Präsidenten an- knüpfen möchten, versuchen dies vergebens. Kein Wunder auch, daß unter den trüben Umständen wenig Raum für andere Gedanken als die an sein bedrohtes Land und Volk übrig sind. In Dar-es-Salaain wurden wir durch die Musikcapelle des deutichen Kanonenbootes „Condor" mit der niederländischen National- bymnr begrüßt. Emen osficiellen Besuch durften die deutschen Autoritäten dem Präsidenten ja nicht bringen; privatim jedoch machten sie ihm ihre Aufwartung. Recht angenehm berührte es den Präsidenten, als im Canal von Suez Passagiere und Bemannung des deutschen Dampfers „Kronprinz" ihm eine Ovation brachten, alt sie ihn in seinem Strohstuhl entdeckten. Politische Tagesschau. * Leipzig, 24. November. Noch einen vollen vierten Tag bat die erste Lesung der Chinavorlage im Reichstage beansprucht, obgleich die überflüssigen Reden des dritten BerathungstazeS da- Interesse tcS Hauses an dem Berathungsgegenstande schon merklich abgeschwächt hatten. Es war gewiß nicht leicht, daS Interesse neu zu beleben, und doch gelang dies gestern dem Vertreter Leipzigs, dem Abgeordneten Pros. vr. Hasse, der als Vater deS Wortes „Wellpolitik" wohl berufen war, sowohl die Grünte, tie Deutschland zwingen, auch seinerseits Weltpolitik zu treiben, als anch die Grenzen zu bezeichnen, innerhalb veren die deutsche Wel:poli»ik sich bewegen muß, wenn sie eine wahrhaft deutsche bleiben soll. Man wird aufdieseRctr, wennsie im Wortlaute vorliegt,wobl zurückkommen müssen,schon deshalb, weil sie eine gesunte Heimathpolitik als unerläßliche Vor bedingung einer wirksamen Wellpolitik bezeichnete und außer dem aus die Nolbwendigkcil einer Colonialarmee hinwies, die im Reiche selbst zu organisiren sei und jeden Augenblick bereit sein müsse, unsre überseeischen Interessen zu schützen. Zufolge seines Hinweises auf die Pflicht deS Reiches, wie im Allgemeinen das Deutschlhum im Auslände zu schützen, so auch speciell für eine Entschädigung der aus Transvaal auSgewicsenen Deutschen zu sorgen, erfuhr man auS dein Mund des Staatssekretärs v. Richthofen, daß die englische Regierung sich habe bereit finden lassen, den unberechtigter Weise auSgcwiesenen Deutschen eine Ent schädigung zu gewähren; mau erfuhr auch, daß es nickt immer leicht ist, die Berechtigung der erhobenen Ansprüche festzustellen; jedenfalls haben diejenigen Ausgewiesenen, die einen Grund zu Beschwerden baden, durch die Anregung des Abg. Hasse den Eindruck empfangen, daß es im Reichstage eine Stelle giebt, die nachdrücklich eine sorfältige Prüfung dieser Beschwerden fordern wirb. Leider war der Reichs kanzler im Sitzungssaale noch nicht anwesend, als ihn Professor Haffe aufforderte, dem Kaiser einen genauen Bericht über die die Cdinapolitik belreffenden Ver handlungen zu unterbreiten. Hoffentlich kommt Gras Bülow dieser Aufforderung trotzdem nach. Tenn cs ist höchst erwünscht, daß der Monarch von der Zustimmung unterrichtet werde, die eine wahrhaft deutsche Weltpolilik bei allen bürgerlichen Parteien findet, daß er aber auch andererseits erfahre, wie die verbissenen Gegner einer solchen Politik vergebens sich abmühen, sachliche Gründe für diese Gegnerschaft zu finden, und mit um so größerer Begier gewisse Neben ausbeulen, die während den Vorbereitungen zu der vstasiatischen Expedition gehalten worden sind. Wären diese Reden ober vielmehr gewisse Wendungen in ihnen nicht und böten sie nicht der Social demokratie eine Handhabe zu der Behauptung, die angeblich durch Soldatenbriese constaticte barbarische Handlungsweise unserer Truppen in China sei die nolbwendige Folge von Anweisungen, die ihnen mit auf den Weg gegeben worden seien, wie viel rascher und ruhiger wäre trotz LeS Rede- bcbürfnisseS der Partei-, Gruppen- und Grüppckenfübrer die Chinadebatle verlausen! Ohne diese Handhabt häkle eS Sj Die Malerin. Roman von I. Marsven Sutcliffe. Nachtruck rkrbci r. Reginald wollte Zeit gewinnen, die soeben gemachte Ent deckung zu überdenken. Also war's doch seine Frau, die Maclean zu dem Bilde gesessen hatte, vor welchem ihn das Verlangen er griffen hatte, um jeden Preis in den Besitz der dargestellten Dame zu gelangen. Wer hätte das denken können? Und Maclean hatte gar nicht einmal geschmeichelt. Damals, als Reginald die Hand nach der Tochter des armen Majors aus- streckte, war's ihre mädchenhafte Frische gewesen, welche in ihm die Sucht nach ihrem Besitz hatte groß werden lassen. Als dann in Folge schweren Kummers und arger Enttäuschungen Win- frieden's äußere Reize schwanden, war er ihrer bald überdrüssig geworden. Nun er sie so unvermuthet und in so unerwarteter Schönheit wiedersah, verwünschte er seine Thorheit, sie damals so leicht aufgegeben zu haben, und schwor sich zu, sie um jeden Preis wieder in seine Gewalt zu bekommen. Denison kannte einen so hehren Begriff, als die Liebe es ist, überhaupt nicht, sonst hätte man vielleicht sagen können, er habe sich jetzt ernsthaft und heiß in seine frühere Frau verliebt. Dreizehntes Capitel. Klaus hatte sein Atelier sofort geschloffen, er war durch Denison's Besuch arg verstimmt; Leute von einem Schlage wie dieser, welche durch ihr« Lasterhaftigkeit die Mißgunst des Volkes gegen ihren hohen Stand heraufbeschwören, verachtete er ge radezu, seinem Grundsatz „Noblossv oblig-e" entsprechend. Denison's Frage nach der Adresse deS Modells versetzte ihn noch nachträglich in «ine derartige Erregung, daß er die heftigsten Verwünschungen gegen den Mann schleuderte, der sein Heiligstes so besudelt hatte. Plötzlich sprang er auf, griff nach seinem Hut und stürmte davon in wilder Hast. Die Gräfin hatte sicher ihren Bruder direct zu Winfriede geführt, ihr Mann hatte ja durch seine eigene — Klausen- —Vermittelung ein neues Bild bei ihr be stellt. Kein Zweifel, sie sind zu ihr hingefahren. „Daß mir das auch erst so spät einfallen mußte!" Me sehr auch daS Winfried« umschwebende Geheimniß ihn quälte, Klaui hatte unwandelbar an seinem Glauben festge halten, daß sie die Enthüllungen jener Tage nicht zu scheuen habe, sondern fleckenlos, vielleicht nur um Vieles hehrer, daraus Herdorgehen werde. Er vermochte es bei seiner Hochachtung vor den Frauen sehr wohl sich vorzustellen, daß Winfriede sich in einer Lage befände, die sie zwänge, aus Rücksicht auf Andere zu schweigen. Aber wer konnte wohl eine derartige Macht über sie gewonnen haben und wodurch? Jetzt fiel ihm wieder ein, wie eigenthümlich Denison ihr Bild besehen hatte. Sollte er viel leicht zu dem Geheimniß in Beziehung stehen? Schon vor der bloßen Annahme schrak er zurück. Aber was hatte in jenem Blick nicht Alles gelegen! Wiedererkennen, Verlegenheit, uns auch wieder Zweifel. Er bekam Angst, daß das Lüften jenes Ge heimnisses ihm doch Kummer verursachen könnte, aber gleich zeitig wurde er sich klar, daß er sie mit einer Hingabe liebte, welche nichts zu zerstören vermöchte. Er kam noch rechtzeitig genug in die Nähe des Hauses, um die Damen wegfahren und Denison gemächlich nach der gleichen Richtung fortgehcn zu sehen. Ungeduldig stürmte er an der öff nenden Dienerin vorüber nach dem Atelier. Dort saß Winfriede bleich und äußerst erschöpft, tief in Gedanken versunken. Sie hatte sich 'in London glücklich gefühlt. Angestrengte Arbeit und die daraus entstandene innerliche Befriedigung hatten ihr geholfen in dem Kampfe gegen die erwachende Leidenschaft. Sie wähnte, sich selbst besiegt zu haben, und suchte Frieden. Und wieder war es um ihren Frieden geschehen! Sie begann mit ihrem Geschick zu hadern. Hatte sic denn noch nicht genug gelitten? War jene unheilvolle, aus Lebcnsunkenntniß begangene Jugendthorheit noch immer nicht gesühnt? Was harrte ihrer denn noch? Mußte sie den Kelch bis auf die Neige leeren? Ein Gefühl der Ohnmacht, mit ihren schwachen Waffen dem Schick sal unterlieg«» zu müssen, ergriff sie, sie fühlte sich in geradezu erschreckender Weise der Kämpfe und des Lebens müde. Da trat Klaus ein. Sie erhob sich sofort und begrüßte ihn freundlich. „Wie hübsch von'Ihnen, daß Sie sich mal wieder sehen kaffen. Ihr letzter Besuch liegt gewiß schon vierzehn Tage hinter uni. Und ich empfand gerade jetzt sehr deutlich, wie willkommen mir der Anblick eines freundlich gesonnenen Menschen sein müßte." Etwas verlegen über sein ungestümes Eindringen platzt: Klaus heraus: „Sie hatten soeben Besuch?" ^Jawohl, Lady Pole und ihr Bruder waren hier." Mit schlecht verhehltem Aerger rief er: „Was gäbe ich darum, wenn das nicht geschehen wäre. Denison's Blick, als er meine Helene von Troja sah, bedeutete nichts Gutes. Nun hat er das Original doch gefunden, und das erfüllt mich mit Sorge um Sie." „Ich fürchte den Baron Denison nicht, meinetwegen brauchen Sie sich keinerlei Besorgnissen hinzugeben", entgegnete Winfriede ruhig und würdevoll. „Winfriede", sagte Klaus, setzt« sich zu ihr und ergriff ihre rechte Hand, „Winfriede, ich habe schon zu lange geschwiegen, ich fürchtete Ihnen durch mein Geständniß Schmerz zu bereiten. Sehen Sie mir, bitte, in die Augen und sagen Sie mir, daß Sie mich auch lieben. Ich liebe Sie, seit ich Sie kenne. Als ich aus der langen Bewußtlosigkeit im Spital erwachke, fiel mein erster Blick auf Ihr schönes über mich gebeugtes Antlitz, und diese Hand hier kühlte meine fieberheiße Stirn. Ich sah in die Augen des Engels., der mir mein Leben gerettet hatte. Alles verdanke ich Ihnen. Aber dafür gehört auch jede Fiber meines Herzens Ihnen. All mein Hoffen, all mein Glück liegt in Ihrer Hand. Geben Sie mir das Recht, Sie zu schützen. Sagen Sie mir, daß Sie mir gut sind, daß Sie mein Weib werden wollen." Und er zog die nicht Widerstrebende an sich, bis ihr Haupt an seiner Brust ruhte und ihre Lippen sich fanden. Einen Moment lang gab sich Winfriede der erträumten und ersehnten Seligkeit hin. Dann aber kehrte die ihr secundenlang entschwundene Kraft wieder, sie löste sich aus seiner Umarmung, erhob sich und sah ihm tief bekümmert ins Gesicht. „Ach, Klaus, vergeben Sie mir! Ich hätte sie unterbrechen sollen, Ihren Worten nicht lauschen dürfen. Meine Lieb« zu Ihnen ließ mich einen Augenblick vergessen, daß Ihr Wunsch sich nie und nimmer erfüllen kann." „Was sagen Sie da?" fragte Klau» ganz entsetzt, „lieben Sie mich denn nicht, Winfriede?" Sich in seine Arme werfend, rief sie: „Klaus, geliebter Klaus, mein Herz wird brechen. Ich liebe Sie von ganzer Seele, aber ich kann Ihr Weib nicht werden. Sagen Sie mir, daß Sie mir vergeben!" „Ganz famos gespielt, Lady Denison! Ich habe es stets ge sagt, daß Sie eine großartige Schauspielerin sind!" Reginald hatte durch Bestechung des Dienstmädchens den Weg zum Atelier unangemeldet gefunden und war geräuschlos eingetreten, gerade zu rechter Zeit, um Winfrkedcns Geständniß mit anzuhören. Völlig überrascht wandten sich die Beiden zu ihm um. Klaus wollte sich auf Denison stürzen, aber eine rasche Bewegung Win friedens hinderte ihn daran. „Rühren Sie ihn nicht an, Klaus, Sie sollen Ihre Hände nicht besudeln. Gehen Sie, mir zu Liebe, gehen Sie. Ich habe diesen Mann nicht zu fürchten. Gehen Sie, Klaus, und lassen Sie mich allein mit diesem elenden, feigen, wortbrüchigen Menschen." „Ich füge mich nur ungern Ihrem Wunsch, aber ich wider rufe nichts von dem, was ich soeben gesagt habe, ick lasse Ihnen mein Herz zum Pfände zurück!" Klaus ging, aber nur nach dem Empfangszimmer, er wollt- der über Alles Geliebten nahe bleiben, rem sie eventuell vor Ge waltthätigkeiten zu schützen. Also das war ihr Geheimniß, sie war das Weib des Barons. Aber zu seinem eigenen Erstaunen entfremdete diese Enthüllung sie ihm nicht. Natürlich müßten, so gelobte er sich, seine Lippen künftighin sich jedes Wortes der Liebe gegen sie enthalten. Aber er empfand, daß sie jetzt mehr denn je jeines Schutzes bedürfe, da Angesichts der Macht, welche das englische Gesetz dem Mann: über sein eheliches Weib giebt, Winfriedens Zukunft zu regen Befürchtungen Anlaß bot. Vierzehntes Capitel. Zum ersten Male seit jenem Abende in Dark stehen sich Mann und Frau gegenüber, er sehr siegesgewiß dreinschauend, sie ihre Erregtheit gewaltsam niederdrückcno und sich zu dem Kampfe rüstend, in welchem sie weder Pardon geben noch nehmen wollte. Ihre Schönheit wurde durch ihre helvenmüthige Haltung nock gehoben, was Reginald'» Wunsch nach ihrem Besitz zu verzehren der Leidenschaft anfachte. Endlich brach Winfriede das gewitter schwüle Schweigen. Flammenden Auges rief sic: „Was bedeute: dieser freche Ueberfall?" „Gemach, Madame, gemach!" entgegnete er, „Ihre theatra lische Haltung macht keinerlei Eindruck auf mich, Ihre be schimpfenden Worte vergebe ich gern." „Was hast Du mir zu verzeihen? Vergebung zu gewähren stände mir allein zu. Meine Anklage ist gerecht. Warst Du nicht ein gemeiner Betrüger und Spieler? Hast Du nicht ver sucht, mich in den Schmutz Deiner betrügerischen Handlungs weise mit hineinzuziehen? Und wie hältst Du den mit so furcht barem Eid beschworenen Vertrag, Dein gegebenes Wort? Du bist in meinen Augen falsch und meineidig." Gerade ihre Würde, die immerhin noch gemessenen Worte und ihre freilich nur mit unsagbarer Mühe gewahrte Ruhe er höhten die Wuchtigkeit der, wie Reginald sich eingestehen mußte, so berechtigten Vorwürfe. Aber sein Verlangen, sich diese be rückende Schönheit, die da so dicht vor ihm stand, wieder zu eigen zu machen, war zur vollsten Leidenschaft in ihm erwachsen. Ec wand sich unter ihren Anklagen wie ein Hund unter Peitschen hieben, blieb aber nichtsdestoweniger der Sclave seiner ihn aller Vernunft beraubenden Sinne. Und stand ihm nicht das Recht zur Seite, Gehorsam von ihr zu fordern? Seitdem er soeben Winfriede in Klaus' Armen gesehen, wurde sein Inneres von Eifersucht geradezu zerfleischt. Nuc das Bewußtsein, dem stahlharten jungen Mann sicher zu unter liegen, hatte ihn davon abgehalten, sein Ziichtiaungsrecht zu üben. Zudem glaubte er, fein Spiel unter allen Umständen ge winnen zu müssen. Jener Vertrag hatte ohne ausgesprochen- Scheidung keinerlei gesetzliche Giltigkeit. Da sie also nur sein Wort gegen ihn anzuführen vermochte, war sie kn seiner Gewalt. Ja, wenn alle anderen Mittel verschlügen, mußt« die Macht deS Gesetzes selbst ihm auf sein Verlangen zu seinen Rechten verhelfen. Doch wollte er hierzu erst im alleräußersten Falle greifen. (Fortsetzung folgt.)
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