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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.11.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-11-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001126024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900112602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900112602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-11
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Montag den 26. November 1900. Anzeige«-Preis die «gespaltene Petitzeile 25 H. Reclaiuen unter dem Redactionsstrick (4 gespalten) 75 vor den Fauiilienu.i.y- richten (0 gespalten) 50 Labellarijcher und Ziffernsap entsprechend liöher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenaunahme 25 H (exel. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mü der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung .U! 80.—, mit Postbesörderung 70. -. ^unahmeschluß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgeu-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Druck uud Verlag vou L. Polz in Leipzig. 94. Jahrgang. Die Wirren in China. Die Haltung Deutschland»^ Aus New Jork, 25. November, wird uns depeschirt: (Lin Telegramm beS „New Aork Herald" auS Washington besagt: Der deutsche Botschafter v. Ho lieben habe sich dahin geäußert, daß keine Aenderung in der Haltung Deutschlands in der chinesischen Frage stattgefunden habe. Deutschland sei ebenso sehr gegen eine Tbeilung Chinas, wie die Vereinigten Staaten. Zn Deutschland bestehe rin Gefühl entschiedener Freundschaft für die Vereinigten Staaten und herzliche Uebereinstimmung mit dem Bestreben Amerikas, die Wiederherstellung des stntu8 quo nute zu sichern. Es bestehe durchaus kein Grund, anzunehmen, daß Deutschland irgendwie weitcrgehende Zwecke verfolge. Die Politik von heute sei dieselbe, wie am 10. Juli, wo Graf Bülow seine Erklärung abgegeben habe, auf die der Botschafter hin deutete. v.Holleben habe noch bemerkt: DaSen gli sck-d euts ch e Abkommen sei eine Folgerung aus den in jener Erklärung dargclegten Grundsätzen. Es stimme auch mit den Principien überein, die die Vereinigten Staaten so beständig vertreten bätlen. Deutschland wünsche, unter den gleichen Bedingungen Handel zu treiben, wie die übrigen Mächte. In Deutschland herrsche der Eindruck, daß das Abkommen die Vereinigten Staaten durchaus zufrievenstelle. Keine Mackt sei mehr bestrebt, der gegenwärtigen Lage in China ein Ende zu machen, als Deutschland. Vom kaiserliche» Hofe. Die „Morning Post" berichtet nach einem uns rugehenden Londoner Telegramm aus Peking unter dem 24. November: Der Minister Wang-wen-sckao, der sich jetzt in Singanfu be findet, sagt in einem Briefe an Sir Robert Hart: Die Kaiserin-Wittwe würde, soweit die Bequemlichkeit der Existenz in Frage komme, gern nach Peking zurück kehren, er selbst jedoch würde dabei schlecht weg kommen und in Gefangenschaft gerathen, da ja die fremden Truppen Peking beherrschten. Auch der Kaiser sähe eine Gefahr in einem Zusammenstöße zwischen seinen Geleitmann schaften und den fremden Truppen. — Die „Times" berichten aus Shaugbai unter dem 24. November: Nach Nachrichten aus Singanfu soll die Kaiserin-Wittwe ernstlich krank sein. Die hiesige Bevölkeruug nimmt jedoch diese Nachrichten skeptisch auf. Pessimistische Anwandlungen. Die „Köln. Ztg.", von der man weiß, daß sie über die Stimmung in unserem Auswärtigen Amte unterrichtet ist, schreibt: „DaS Ziel der Verhandlungen, die Fertigstellung uud die Unterzeichnung der Note ist noch nicht erreicht. Es entzieht sich der Oefsentlichkeit, welche Regierungen für einige der elf Puncte die Zustimmung zu den Beschlüssen ihrer Ver treter in Peking nochvorenthalten und wie weit dieVerhandlungen über die hinzuzufügenden Puncte gediehen sind. Aus Aeußerungen der Presse gehl hervor, daß über drei Fragen die Einstimmigkeit der Regierungen (nicht ihrer Vertreter in Peking) noch aus steht. ES sind dieS: Art. 2. „Die Todesstrafe ist zu ver hängen über die Prinzen Tuan und Tlchwang, den Herzog Lan, ferner über Amgnien, Kangyi, Tscbaotschutschiao, Tungfubsiang, Jähsten und weitere von den Vertretern der Mächte noch zu benennende Rädelsführer." Russische und amerikanische Preßstimmen lassen iu überraschender Einstimmigkeit erkennen, daß man in Rußland und m den Vereinigten Staaten mildernde Umstände für die Rädelsführer gesunden zu haben scheint. DaS ist um so selt samer, als gerade Russen in der Mandschurei und amerikanische Bürger im mnern China besonders zahlreiche Opfer deS chinesischen Fanatismus geworden sind. Die russische Presse ist gewöhnlich freilich nicht über die Auffassung der russischen Regierung unterrichtet und immer ohne Einfluß auf die Politik. Indessen, die Einstimmigkeit in dieser Frage darf nicht übersehen werden. Die amerikanische Negierung scheint zwar ihrem Vertreter in Peking freie Hand lassen zu wollen, doch bestehen, wenn man amerikanischen Stimmen glauben darf, die Staaatsmäuner in Washington nicht auf der Todesstrafe für die Rädelsführer. An der grundsätzlichen Einigkeit Frankreichs, Deutschlands und Eng lands, sowie der weniger betheiligten europäischen Staaten, sind Zweifel nicht aufgetaucht. Zn den Erwägungen, ob die Todesstrafe zu verhängen sei oder nicht, spielt der Zweifel eine Rolle, ob es nicht der Entfaltung ganz be sonderer Machtmittel bedürfen würde, die Vollstreckung der Todesstrafe zu erzwingen, und ob es in diesem Falle nicht besser sein würde, sich mit dem leichter Erreichbare» zu begnügen, falls dies nicht leere Komödie wäre. Die Frage ist ernst genug, um den Aufschub in ihrer Beantwortung zu erklären. Da zweifellos mit dem allerschlechtesten Willen der chinesischen Machthaber zu rechnen ist, die sich natürlich nickt selbst ausliefern werden, damit die Mächte sie hinrichlen, so muß die Ausübung eines Zwanges in Be tracht gezogen werden. Gewaltsam aber auS China «in Dutzend Schuldiger, die fast das ganze Volk hinter sich haben, herauSbolen, heißt einen Krieg führen und doch noch nicht deS Erfolges sicher sein. Ohne Mithilfe von China selbst wird die Todesstrafe nie vollstreckbar werden, und diese Mithilfe — bat man nicht nnd wird sie nicht haben. DaS sind die Erwägungen praktischer Art, die gegen den Artikel erhoben werden. Lyrische Ergüsse, wie der Einwand, man dürfe einem Volke nicht seine größten Männer nehmen, man dürfe nickt allzu streng und rauh mit den, armen Volk« verfahren, haben nur den Werlb, zur Kenntniß Derer beizutragen, die sie geleistet haben. Die Mächte haben es au Thatkraft nicht fehlen lassen und ihrer Einigkeit sind schwere Dinge gelungen. Wenn sie angesichts der Bedenken gegen die Ausführbarkeit des Artikels 2 sich schließlich mit einer anderen Fassung begnügen sollten, so wird ihnen Niemand Mangel an Thatkraft vorwerfen dürfen. Ein anderer von den Vertretern vereinbarter Punct, über den die Ermächtigung der Regierungen noch auSsteht, ist Art. 5: „China bat gereckte Entschädigung an Negierungen, Gesellschaften und Privatpersonen, sowie auch an solche Chinesen zu leisten, die im Laufe der jüngsten Ereignisse an ihrer Person oder ihrem Vermögen durch den Umstand Schaden erlitten haben, daß sie im Dienste von Fremden standen." An der grundsätzlichen Berechtigung, diese Entschädigung zu verlangen, wird von keiner Seite gezweifelt. Die Höhe der zu zahlenden Entschädigung wird jedoch, und abermals in der russischen und amerikanischen Presse säst mit Ein stimmigkeit und nicht selten in der Presse anderer Länder bemängelt: Wenn China die Expeditionen der Truppen, die Verluste an Eigenthum der Fremden in Cbina und die Kosten einer langen Besetzung durch die Verbündeten zahlen solle, so würden viele Milliarden auszubringen sein. Cbina würde, finanziell vernichtet, den Ausländern! auSgeliefert sein. Bisher ist die Höbe der zu zableneen Ent-, schädigung in Ziffern noch nicht annäbernd abgeschätzt worden; wenn die Entschädigung eine gerechte sein soll, so wird sie nickt vernichten wollen. ES scheint nicht zweifelhaft, daß in dieser Frage eine Verständigung unter den Mächten, von denen keine sich auf Kosten Chinas bereichern will, zu erlangen ist, und zwar zunächst in der Form der Ermächtigung an die Vertreter in Peking, Punct 5 im Namen der Regierungen zu unterzeichnen. Die Festsetzung der Höhe der Ent- fchädigung kann im Lause der Zeit und ohne dem Werke zu schaden, sogar viel später erfolgen. Die russische Regierung bat übrigens den durchaus annehmbaren Vorschlag gemacht, für den Fall langwieriger Schwierigkeiten in der Erledigung dieser Frage das Bureau deS internationalen Schiedsgerichts im Haag entscheiden zu lassen. — Der dritte unerledigte Punct betrifft die Schleifung der Takuforts. Artikel 7 sagt: „Die Forts von Taku und diejenigen Forts, die die freie Verbindung zwischen Peking und dem Meere bindern könnten, sollen entfestigt werden." Bekanntlich tauchte der Gedanke zuerst in Delcasst)'S Note vom 30. September auf. Der Präsident der Vereinigten Staaten erklärte, wie der Gesandte Thiöbaut am II. Ociober berichtet, mit seiner Meinung noch zurückbalten zu müssen, bis er genauere Meldungen über den Zustand in China erkalten hätte. Die Nothwendigkeit, sich für die Zukunft die Verbindung zwischen Peking und den: Meere zu sickern, ist einleuchtend, so lange Peking Hauptstadt ist. Zieht dagegen der chinesische Hof vor, eine andere tiefer im Innern gelegene Stadl zur Haupt stadt zu macken, so wird die Absicht, die durch die Schleifung der TakufortS angestrebt wird, nickt erreicht werden können. Es sind also noch manche Fragen, die der Beantwortung durch die Negierungen warten. In der Uebereinstimmung der Gesandten in allen Fragen, die in den 11 Artikeln enthalten sind, ist eine gute Vorbedeutung zu sehen." DaS ist ein etwas magerer Trost, zumal da der Einigkeit der Gesandten die Einigkeit der Cabinete nicht durchaus entspricht. Oer Krieg in Südafrika. Krüger in Paris. Ueber die Ankunft des Transvaalpräsidenten in der Hauptstadt Frankreichs wird noch berichtet: Krüger kann auS dem Zuge nickt auSsteizen; man muß den Waggon erst von der Menge befreien. Endlich erscheint Krüger auf der Plattform des Waggons. Seine männliche Er scheinung belebt die Begeisterung noch mehr. Er blickt ruhig und ernst auf die stürmisch bewegte Menschenmenge, welche ibn umbraust. Man kennt das Porträt Krüzer'S. Es ist iu den Aeußerlichkeiten genau. Man findet die äußere Erscheinung Krüzer'S Wohl getroffen; aber waS kein Bild wiedergeben kann, das ist die Sickerheit, die Ruhe, mit welcher Krüger auftritt, diese Entschiedenheit des Willens, diese Entschlossenheit, diese Unbeugsamkeit. Er imponirt der Menge, die ihn verehrt, durch die Festig keit seines Wesens. Seine Trauer ist nicht weick. Dieser Unglückliche ist nicht gebrochen. DaS gefällt. Mit seinen kleinen Augen, welche sanft scheinen, blickt er um sich. Ebe er den Waggon verläßt, grüßt er die Menge, indem er den mit einem Trauerflor versehenen Cylinder lüftet. Seine Redingote ist mit der Rosette der Ehrenlegion geschmückt. Krüger kann nicht in den Saal gelangen, welcher für den Empfang bestimmt gewesen ist. Alle Leute drängen sich um ihn, Zeder will ihm die Hand schütteln. Man bleibt deshalb in der BabnhofSballe. Dem Vicepräsidenten deS Pariser Boerencomitös, Senator Guvrin, antwortete Klüger: „Vor Allem muß ich Ihnen meine Rührung ausdrückcn über diese freiwilligen Sympathie- Kundgebungen, welche die Gefühle von Hunderttausenden von Franzosen beweisen. Ich lege Werth darauf, Zbnen Allen zu sagen, daß unsere Sache eine gerechte Sache ist. Die Unabhängigkeit, welche die BoerS-Republiken verlangen, ist basirt aus Gerechtigkeit. Sie soll auch den Frieden sicherstellen. Um keinen Preis wollen wir eine Gunst, welche auf Ungerechtigkeit begründet ist, nur Gerechtigkeit ver langen wir, nichts als Gerechtigkeit. Indem wir ein Schiedsgericht vorgeschlagen, welches wir noch ver langen, haben wir gezeigt, daß cs uns nur um den Frieden und die Unabhängigkeit zu thun ist, welche wir fordern." Stürmischer Beifall folgte diesen Worten. Dem Stadtpräsidenten Gr^bauval erwiderte Krüger mit einer Huldigung für Paris. Er sagte: „Ich weiß, daß diese große Stadt immer in der vordersten Reihe gestanden, wenn es galt, die Zdeen des Rechts und der Gerechtigkeit zu verthei- digen. Zch war bereits in Paris. Ich bin glücklich, hicher zurück- zukommen, nach diesen schmerzlichen Prüfungen diese Stadt wieder zu sehen, welche der Mittelpunkt der Welt ist. In dem Augenblicke, wo ich den Fuß auf den Boden von Paris gesetzt, fühle ich mein Vertrauen erwachen. Dieses Vertrauen in den Erfolg meiner Sacke giebt mir das Wappen ihrer Stadt. Wenn ich dieses Schiff sehe, daS niemals untergebt und ewig auf den Wassern wogt, .dann sage ich mir, daß unsere Republik auch niemals untergehen kann." Der Beifall wollte kein Ende nehmen, als Kriiger in dieser Weise die Pariser bei ihrer Eitelkeit traf. Immer wieder erneuerte sich der Beifallssturm. Nock einmal sprach der greise Präsident, indem er die Anrede deS Präsidenten des GeneralratheS der Seine, Cberioux', beantwortete: „Ich bin stolz", sagte er, „nach Paris gekommen zu sein, wo ich so viel Eifer für die Sache der Gerechtigkeit finde." Damit waren die Reden zu Ende. Krüger sprach gemäßigter als in Marseille, da er in Paris officicll begrüßt wurde und sich Rücksichten auferlegte. Im »Hotel Scribe fuhr Krüger mittels Auszugs in die zweite Etage hinauf. Am Treppenabsatz erwarteten ihn Damen der niederländischen Gesellschaften Südafrika-, denen sich auf ibren Wunsch die Prinzessin Mathilde, Prinzessin Pierre Bonaparte, Marquise de Villencuve und andere Damen angeschlossen hatten. Nach einer kurzen Begrüßung betritt, wie dem „Berl.Tagebl." berichtet wird, Krüger das Vorzimmer. Plötz lich mackt er gerührt Halt. FünfkleineKnaben, zwei davon seine Urenkel, singen mit etwas zitternder Stimme die Boerenhymne. Madame Pierson, die Gattin des ConsulS von Transvaal, begleitet sie auf dem Clavier. Der alte Krüger weint, Thränen rollen über sein Gesicht. Von der Straße herauf dringen brausende Hochrufe. Krüger setzt sich in einen rotben Fauteuil und betrachtet die kleinen Zungen. Im Salon herrscht jetzt minutenlanges Schweigen, während von draußen immer das Geschrei der Menge ertönt, die den Präsidenten sehen will. Krüger fragt Or. LeytS um seine Ansicht. LeydS bittet ihn, auf den Balcoa zu treten. FenölletsN ioj Die Malerin. Roman von I. Marsden Sutcliffe. Nachtruck verbrt'N. Diese Erwägungen ließen ihm eine andere Taktik rathsamer erscheinen. Er griff zu jenen heuchlerischen Mitteln, denen Win friede schon einmal zum Opfer gefallen war. Demüthig gab er Alle- zu. „Verstehst Du? Alles, aber Du hast Dich damals von mir losgesagt, und ich selbstsüchtiger Narr glaubte, so meine Freiheit wieder zu erlangen. Und warum breche ich jetzt mein Wort? Ich thue es aus Liebe zu Dir." „Sprich Du doch nicht von Liebe", rief Winfriede unwillig, „treibt Liebe wohl je einen Menschen zu schurkischen Hand» langen? Du weißt es nicht und wirst es nie wissen, wa» Liebe ist. Dein Mund entweiht das Wort nur." „Vielleicht fass« ich sie nicht so auf, wie Du, wir können nicht All« das Gleiche empfinden, trotzdem ist sie mir nicht fremd. Als ich neulich bei Maclean das Bild der Helena sah, flogen meine Gedanken sofort zu Dir, lvenn ich Dich auch nicht gleich erkannte. Ich schwor mir zu, das Original des Bildes aus findig zu machen. Der Zufall hat meine Schritte in Dein Atelier gelenkt, und ich bin ihm dafür zu großem Danke ver- pflichtet. Jetzt komme ich, um zu werben, wo ich daS Recht hätte, Gehorsam zu fordern. Ich bedauere schon längst, Dir da- mal» in York nachgegeben zu haben. Ich hab« Dich vermißt, mehr als sich das sagen läßt, ich lernt« Dich erst schätzen, nachdem wir uns getrennt hatten. Damals war ich arm und lebte au) der Hand in den Mund. Heut bin ich ein reicher Mann, über hoben der bittern Nothwendigkeit, zu zweifelhaften Mitteln greifen zu müssen, um unser Leben zu fristen. Jetzt bitte ich Dich, Dir meinen Besitz zu Füßen legen zu dürfen. Du wirst mir gewiß einräumen, daß m«ine Absicht den Vertragsbruch ent- schuldigt erscheinen läßt. Laß die Vergangenheit ruhen. Ich weiß. Du liebst mich nicht so, wi« ich Dich liebe. Aber gieb mir wenigsten» Gelegenheit, Vergangenes wieder gut zu machen." RtginUd verfocht seine Sache sehr gut. Daß er allen Tadel auf sich nahm und reumüthigst Sühne versprach, verwirrte Win- friede. Sie fragte sich, ob er nicht gerade jetzt aufrichtig sei, ob sie denn nicht trotz de» Mangel» an Liebe ihr« Pflicht al« Frau nochmal» ernstlich zu Rath« ziehen müsse. Da fiel ihr ein, mit welch schneidendem Hohn er sie begrüßt und wi, bo»haft trium- phirend er sie dabei angeblickt hatte. Jedes Wort scharf be tonend sagte sie daher: „Du hast mir das Schlimmst« angethan, was es giebt, und gewiß hat nur selten eine Frau das von ihrem Manne erlitten, was Du über mich gebracht hast. Wie willst Du das je wiener gut machen, außer indem Du mich in alle Zukunft unbehelligr lässest?" „Versuch's noch einmal mit mir, Du sollst sehen, wie ver schieden Dein Leben gegen früher sein wird", bat Reginald. Ihr Zögern war ihm nicht entgangen, und sich dasselbe günstig als Vorboten ihres Nachgebens auslegend, trat er auf sie zu, um ihre Hand zu ergreifen. Aber Winfriede wich zurück und raffte ihr Kleid an sich, damit er nicht in Berührung mit ihr käme. Diese abwehrende Bewegung trieb ihm alles Blut aus dem Gesicht. Er hielt aber an sich, denn noch hatte er einen Pfeil im Köcher, den abzu schießen ihm jetzt an der Zeit schien. „Thu's um unseres Kindes willen, Winny, laß das An denken an diesen Engel das Band sein, welches uns wieder vereint." Entsetzen und Abscheu im Gesicht, rief Winfriede, gebieterisch die Hand nach der Thür streckend: „Wie magst Du es nur wagen, Dich darauf zu berufen? Augenblicklich verläßt Du mich!" Also hatte sie nichts vergessen, nichts vergeben, ihn dagegen auf einer schamlosen Heuchelei ertappt und ihm die Maske vom Gesicht gerissen. Aber selbst jetzt wich er nicht von der Stelle. „Wie bedauere ich es, die alte Wunde berührt zu haben! Aber kehr zurück zu mir. Der Himmel wird unseren Bund von Neuem segnen", rief er. „Niemals! Zwischen uns ist Alles aus! Deine Reue ist er heuchelt. Du bist auf den Grund Deiner Seele verdorben. Mein Vertrauen zu Dir ist längst dahin und kann nie wieder erstehen." Als Reginald jetzt erkannte, daß er sich vergeblich vor seiner Frau gedemüthigt hatte, verlor er alle Selbstbeherrschung. „Gewinne ich Dich nicht auf diese Weise, so gelingt mir's wohl auf eine andere!" rief er, sie rauh an der Schulter fassend. „Du bist mein Weib, und eS ist die höchste Zeit, daß diese unwürdig« Comödie mit dem Namen Fräulein West ein Eede nimmt." „Laß mich los — Du thust mir weh!" schrie Winfriede vor Schmerz auf und entwand sich ihm. „Du stehst, mit mir ist nicht zu spaßen. Entweder Du kommst mit mir, oder ich bleibe hier." Ganz fassungslos sah Winfriede, daß daS keine leere Drohung war. Gemächlich legte er seinen Ueberzieher ab, steckte sich »in« Tigarre an und machte r» sich bequem auf dem Sopha. Scheinbar ganz ruhig blickte er den Rauchwolken nach. Eine völlig unerwartete Wendung war eingetreten. Hätte ich dock Klaus nicht fortgeschickt, dachte Winfriede bei sich. Ihr sichtliches Mißbehagen und ihre Rathlosigkeit erfüllten ihn mit hämischer Freude. Welch einen meisterhaften Streich hatte er gegen seine Frau geführt. Als ob ihn das Innere des Ateliers ausschließlich in Anspruch nähme, sagte er endlich: „Du hast Dich hier ganz hübsch eingerichtet^ aber auf Alberts hof wird Dir's doch noch besser gefallen, verlaß Dich darauf." Als sie ihn keiner Antwort würdigte, blieb auch er eine Zeit lang still. Winfriede überlegte, ob sie wirklich völlig hilflos sei gegen ihres Gatten ausgesprochene Absicht, dazubleiben. In der zu Ueberlegungen gewährten, zwar nur kurzen Frist erkannte sie, daß eS sich für sie darum handelte, Zeit zu gewinnen, um ihre Flucht zu ermöglichen. Nachdenklich verharrte sie in tiefem Schweigen. Als dies ihm lästig wurde, begann er erregt: „Sieh cs doch auch einmal von einer besseren Seite aus an. Als Dein Mann habe ich ein Recht auf das Zusammenleben mit Dir. Ich verlange ja nichts, als was mir zusteht. Du selbst zwingst mich durch Deine Pflichtwidrigkeit, Dir das zu sagen. Beugst Du Dich meinem Willen, so werde ich Alles daran setzen, Dich glücklich zu machen." Eisig und unaussprechlich verachtungsvoll entgegnete sie: „Darauf hast Du meine Antwort schon in Aork bekommen. Ich stürbe lieber, als daß ich je wieder mit Dir zusammen lebte." „Schön, schön, dann bleibe ick eben hier, bis Du Dich wenigstens entschließest, nach Albertshof mitzukommen", sagte er möglichst gleichgiltig. „Ich gehe mit Dir weder nach Albertshof, noch sonst irgend wohin. Bleibst Du gegen meinen Wunsch hier, so muß ich Deine Anwesenheit ertragen, aber nur, bis ich Mittel und Wege ge sunden habe, auch meine Rechte zur Geltung zu bringen." Ueberlegenen ToneS entgegnete er: „Winny, sei doch kein Kind. Du hast ja gar keine Rechte. Eine verheirathete Fra» ist rechtlos. Der Mann kann sie zwingen, bei ihm zu leben. Von dieser Machtvollkommenheit will ich aber keinen Gebrauch machen, vielmehr Dich zu überzeugen suchen. Du kennst jetzt die Lage der Dinge, und ich sage Dir: Es giebt kein Gesetz, das den Mann daran hindern könnte, seine Frau mit sich in sein HauS zu nehmen." ES war Winfriede keineswegs klar, ob sie mit ihrer Be hauptung Recht hatte, aber mit großer Bestimmtheit sagte sie: „Du sprichst sehr zuversichtlich; ich habe ganz das Gegentheil gehört." Man hat mir gesagt: Wenn der Mann aufgehört hat, mit seiner Frau zusammenzuleben und nichts mehr zu ihrem Lebensunterhalt beiträgt, so schützt das Gesetz das Heim der Frau und Alle», wa» st« sich selbst erworben hat. Ich werde jedes gesetzliche Mittel, welches es nur giebt, zum Schutze gegen Dich anrufen." Dieser ganz neue Gesichtspunct setzte Reginald in Verlegen heit. Ob Winfriede Recht habe, und ob ein solches Gesetz über haupt bestände, wußte er nicht. Ader eines durfte er sich nicht verhehlen: Winfriede schien entschlossen, ihre Sache anhängig zu machen. Den dann unausbleiblichen, für ihn selbst peinlichen Enthüllungen mußte aber auf jeden Fall vorgebrugt werden. Selbst wenn er vielleicht doch gegen sein« Frau gewänne — dieser Preis war ihm zu hoch. Als ob er gar nicht bemerkt hätte, daß seine Frau den Spieß umgedreht hatte, polterte er in scheinbarer Ueberlegenbeit her aus: „Ha, ha, Winny, Du wolltest hingehen und die Lsfentuche Aufmerksamkeit auf unser eheliches Zerwurfniß lenken. Manch Andere möchte diese Verunglimpfung vielleicht auf sich nehmen. Du gewiß nicht, Winny." Festen Tones erwiderte sie: „Der Schimpf würde ganz allein auf Dich fallen, nicht auf mich. Aber selbst öffentlich« Ver lästerung will ich eher ertragen, als daß ich mich je Deinem Willen fügte." Seine Zuversicht wurde hierdurch schwer erschüttert. Jetzt noch Winfriede mit sich nach Albertshof zu nehmen und sie dort bis zu ihrer Bekehrung in strengstem Gewahrsam zu halten, schien ihm mißlich. Im freien England greifen die Männer nur ungern zu Gewaltmaßregeln. Da tauchte in ihm ein neuer Plan auf, wie er seine Frau, deren Schönheit ihn jetzt so un widerstehlich in Fesseln schlug, sich wieder zu gewinnen ver möchte. Dies Mal hatte sie sich, trotzdem er fest glaubte, sie völlig in die Enge getrieben zu haben, meisterhaft vor ihm ge rettet. Den neuen Plan ausreifen zu lassen und ihn in die richtige Form zu bringen, brauchte er Zeit. Ein möglichst schleuniger Abgang konnte später nur um so förderlicher sein. Er überlegte daher, wie er einen geschickten Rückzug einleiten könnte, ohne sich doch zu viel zu vergeben und sich jrdenfall» eine Thür zur Wiederkehr zu sichern. Er erhob sich plötzlich und empfahl sich mit den Worten: „Ich gehe jetzt, ich möchte da nicht gern zur Last fallen, wo meine Gesellschaft nicht erwünscht ist. Vielleicht bedauerst Du Dein« Voreingenommenheit gegen mich schon bald, und wünschest den Oelzweig genommen zu haben, den ich Dir entgegenhtelt. Ich bitte Dich, vergieb mir, daß ich so dringlich in nwinen Ausern- andersetzungen geworden bin." Wie von einer Centnerlast befreit und doch voller Anost vor neuen Ränken, sah Winfriede höchst erstaunt über den fast un vermittelten und eiligen Abschied ihn wirklich sortgehen. (Fortsetzung folgt.)
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