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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.12.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001204012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900120401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900120401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Ämlslilatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Molizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis die bgespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrich («gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) SO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (rxal. Porto). Grtra-Beilagen (gesalzt), nur mit dec Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürdrrung 60.—, mit Postbrsürderung ./t 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittags 10 Uhr. Margen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Erpedition zn richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Dienstag den December 1900. 91. Jahrgang. preußische Schulreform. L. Die mitgetheilte Verordnung über Aenderungen im köderen Schulwesen Preußens stellt der Schulreform von 1892 ein gutes Zeugniß aus. Die Verordnung dringt aber auf baldige Beseitigung der „Abschlußprüfung" vor der Ver setzung nach Obersecunda, also einer der einschneidendsten Neuerung der Reform. Die Einrichtung bat vollständig FiaSco gemacht. Sie hat nicht nur, wie die neue Ver ordnung einräumt, dem Andrange zum Universitätsstudium eher Vorschub geleistet als Einhalt getban, sondern auch die geistige und körperliche Ausbildung vieler Schüler, denen der Beruf zum UniversiiätSstudium nicht abzusprechen war, ge schädigt. Die eine wie die andere Wirkung hätte man vorder» sehen können und die meisten Schulmänner hatten sie voraus- gesehen. Die jetzt erschienene königliche Verordnung, die, waS wohl- thuend berührt, vom Unterricktsminister gegenge^eicknet ist, enthält keine bestimmten Vorschriften, sondern die Gesichts punkte, nach denen die Reform von 1892 weitergeführt werden soll. Bei dieser Gelegenheit hebt der Kaiser und König hervor, daß jene Reform von ihm persönlich ein geleitet worden sei. Der nächste Gesichtspunkt ist der der Gleich bewerthung der Gymnasien, der Real gymnasien und der Oberrealschulen. Doch geht aus der Verordnung nicht bervor, daß diese verschiedenen Unterrichtsanstalten völlig gleich gestellt werden sollen. Darüber werden Ausführungsbestimmungen zu entscheiden haben, ebenso darüber, wie eS mit der Vermittelung und dem Nachweis jener Vorkenntnisse gehalten werden soll, die für gewisse Studien nach wie vor als nötbig erachtet werden, aber künftig nicht mehr von allen Studirenden auf die Universität mil gebracht werden müssen. Auf die darauf bezüglichen Vor- tchriften und vor Allem auf die Bezeichnung dieser Vorkennt nisse und ihres Umfanges darf man begierig sein. Die Verordnung führt zur Empfehlung der grundsätzlichen Gleichbewerthung „der drei höheren Lehranstalten" an, daß sie die Möglichkeit biete, die Eigenart jeder einzelnen Schul gattung kräftiger zn betonen. Aber die Verordnung giebt selbst zugleich die Möglichkeit, diesen Zweck gründlich zu ver eiteln. Zwar eine „entsprechende Verstärkung" dcö Latein- betriebeS wird nicht nur den Realgymnasien, sondern auch den humanistischen Gymnasien erlaubt, daneben wird aber verkündet, daß der Kaiser großen Werth auf die Kenntniß der englischen Sprache lege und daß demgemäß an den Gymnasien neben dem Griechischen englischer Ersatz- unterickl bis Untersecunda gestattet und außerdem, wo die örtlichen Verhältnisse dafür sprechen, zugelassen werden soll, daß das Englische an Stelle des Französischen in den drei obersten Classen obligatorischer Unterrichtsgcgenstand werde. Also: die facultative Beseitigung des Griechischen bis Untersecunda und die facultative Beseitigung des Französischen in den oberen Classen. Es ist unerfindlich, warum man in einer Verordnung, von der eine weitgehende Einschränkung, wenn nicht die Aufhebung dcS Zwanges,Gymuasialvorbilduiig zu erwerben, datiren soll, die Möglichkeit schasst, das Gymnasium in derart weitgehender Weise seines Charakters zu entkleiden. Ein Gymnasium, an dem viele Schuljahre hindurch der Schüler nicht Griechisch treiben muß, ist kein Gymnasium mehr, seine „Eigenart" ist nicht stärker betont, sondern nahezu ausgehoben. Dabei soll aber — allerdings nur, wo die örtlichen Verhältnisse dafür sprechen — neben dem Klassischen das Moderne zu kurz kommen, denn die „Nationalzeitung" wird sicherlich Recht behalten, wenn sie sagt, daß Schüler, die blS zu den drei oberen Classen Französisch und von da ab Eng lisch treiben, Weber Französisch noch Englisch lernen werden. . Es ist nicht leicht, an dieser Bevorzugung der englischen Sprache im Vergleich zu dem bisherigen Stande der Dinge Kritik zu üben. Der leitende Gesichtspunkt wird doch Wohl nur ein utilitarischer sein und über die Nützlichkeit der Kenntniß deS Englischen besteht ja auch kein Zweifel. Aber eine Verordnung, die selbst als Grundsatz das Llultum uou multa aufstellt, kann doch unmöglich aus dem Lehrplane der Gym nasien nach einem anderen „Grundsatz", dem des Thealer- directorS im „Faust": „Wer Vieles bringt, wirb Jedem etwas bringen", ein Ragout machen wollen, nach Dessen Genuß der Abiturient vielleicht persönlich befriedigt, aber gewiß nicht mit befriedigender geistiger Ausbildung auS dem Schulhause gehen wird. UebrigenS scheint uns bei der Zulassung deS Englischen statt deS Französischen dort, wo die „örtlichen Verhältnisse" dafür sprechen, nicht einmal der NützlichkeitSstandpunct richtig gewählt. Gemeint ist natürlich das nördlichste Deutschland, die „Wasserkante". Aber gerade dort ist die Gelegenheit, außerhalb der Schule sich baS Englische anzueignen, in weit höherem Maße gegeben als sonst im Reiche, während umgekehrt das private Erlernen deS Französischen schwieriger ist al« beispielsweise im Westen und Südwester«. Und der praktische Werth der französischen Sprache ist doch auch nicht gering zu schätzen, selbst für künftige Kaufleute und In genieure nicht, denen zudem — und das ist und bleibt doch die Hauptsache — daS Realgymnasium und die Ober-Real- schule offen stehen. Die Wirren in China. Tie Halt««« Anhlan--. Au« Berlin wird der „Halleschea Ztg." geschrieben: Ver schiedene Plätter legen die Nachricht, raß der russische Ge sandte v. GierS seine Zustimmung zu dem Entwurf der an China zu stellenden Forderungen zurück gezogen haben und sich ivrigrrn solle, die Prälimi narien »u unterzeichnen, wenn die Bestimmung wegen der Bestrafung der Schuldigen und wegen der Ent schädigung nicht zurückgezogen werde, so au«, al« ob Rußland au« dem Eoncert der Mächte auSschriden wolle. Dies, Annahme ist durchau« geg en stand«lo«. Tic Verbandlungen der Gesandten in Peking sind nur provi sorisch; di« Regierunaen sind nicht an di« Beschlüsse der G«s»adt«n gebunden. Di« Eabinet« habrn vielmehr noch zu dem von den Gesandten beschlossenen Text Stellung zu nehmen, und zwar baben sie ihre Ansichten zu präcisiren und genau zu erklären, welche Aenderungen sie wünschen. Wie die Reichsregierung zu den etwa hervor tretenden Wünschen steht, läßt sich natürlich noch nickt sagen. Jedenfalls ist eine Einigung auf einer mittleren Linie zu erhoffen. Wenn eine solche Verständigung erzielt ist, dann erst liegen die China zu stellenden FriebenSbedingungen endgiltig vor. Tie Einäscherung der Pekinger Universität. Der „Vorwärts", so schreibt die „Köln. Ztg.", nennt es ,,'dr- staunliche Leichtgläubigkeit", daß wir das Zeugniß des Eng länders Morrison, wonach die Chinesen selbst die Hanlin- Akademie in Peking angezündet haben, gegen seine Behauptung anführen, „Khakifäuste" hätten diese „Hunnenthat" begangen. Da dem socialdemotratischen Blatte die Auslassungen englischer Quellen als „gewerbsmäßige Schwindeleien" gelten, können wir ihm mit den Zeugnissen einiger Angehöriger anderer Nationalitäten dienen, die dasselbe behaupten, wie Or. Morrison. So schreibt ein Japaner, der in der in Tokio erscheinenden Zeitung „Asahi" in Tagebuchform eine Beschreibung der Schreckenstage in Peking veröffentlicht hat, unter dem 23. Juni: „Die Universitätsgebäude, die Hanlin-Akademie, wurden von dem Feinde niedergebrannt." Die Gattin eines amerika nischen Missionars, Frau E. K. Lowdry, schreibt in ihrem Tagebuch, das Mc Clures „Magazine" abgedruckt hat, von dem selben Tage: „Nachdem sie die Russische Bank niedergebrannt haben, legen die Chinesen Feuer an die Hanlin-Akademie, da der Wind von Norden weht und so das Feuer uns (in der englischen Gesandtschaft) sehr gefährlich wird." Ferner sagt der Deutsche Hermann Bismarck, Beamter im Seezolldienst, in seinem vom „Ostasiatischen Lloyd" veröffentlichten Tagebuche am 23. Juni: „Das Hanlin Man, die älteste und werthoollste Bibliothek in China, in der die Hanlin-Examina stattfinden, bietet den Truppen der Boxer gute Unterkunft. Wir könnten dasselbe in Brand schießen, thun das jedoch nicht, um uns nicht den Haß der Gebildeten zuzuziehen." Am 24. Juni schreibt Herr Bismarck weiter: „Gestern Nacht wurde das Hanlin Man von den Boxern selbst angezündet mit der Absicht, uns von Norden her durch Feuer zu vertreiben." Ein Mitarbeiter der „Westminster Gazette", Herr Jasper Whiting, schreibt aus Tientsin von Mitte October, daß die Fremden in Peking noch immer auf Bentemachcii ausgehen, und zwar nicht nur Soldaten, Officiere und Civilisten, sondern auch Missionare, hohe Beamte der Gesandtschaften und Damen. Nur sehr Wenige hätten der Versuchung, zu plündern, widerstanden. Zwar hätten verschiedene der Mächte, besonders Großbritannien und Amerika, die Praxis ofsiciell verurtheilt, indem sie ihren Truppen verboten, ohne Bezahlung von einem Chinesen oder aus einem chinesischen Gebäude irgend einen Gegenstand zu nehmen, doch das Verbot könne so leicht um gangen werden, daß es thatsächlich wirkungslos sei. Jetzt würden die Sachen „gekauft" und eine Quittung entgegengenommen. Ein Officier oder Soldat, der einen Chinesen mit einem Gegen stand entdecke, der ihm gefalle, nehme sich den Gegenstand, gebe dem Manne eine kleine Münze dafür und bitte ihn mit dem nöthigen Nachdruck, eine schon fertiggestellte Quittung zu zeichnen. Der Chinese thue das, nicht, weil er mit dem Handel einverstanden sei, sondern weil die Erfahrung ihn gelehrt habe, daß es so am klügsten sei. Der Korrespondent theilt dann einige Fälle solcher Räuberei mit, nennt aber leider keine Namen. Ueber die Ausreise der Truppcii-Transporldampfer nach China ,Aachen" .Valdivia" .Köln" Batavia" H.H.Meier"(N. D.Llovd) .Pbönicia" (Hamb. A. L.) Darmstadt"(N. D. Lloyd) .Andalusia" (Hamb.A.L) .Arcadia" .Crefeld" reise). - von Kobe. - von Port Said (Heimreise). » von Wladiwostock (Heimr.). - in Bremerkaven (Heimr.). » in Suez (Heimreise). - Gibraltar passirt (Heimr.). - von Moji (Heimreise). - von Taku. Oct. von Taku. liegen folgende letzte Meldungen vor: (N. D. Lloyd) 28. Nov. Perim passirt (Heim (Hamb.A.L.) 26. (N. T. Lloyd) 28. (Hamb. A. L.) 20. 29. 26. 29. 15- (Hamb. A. L.) 23. (N.D. Lloyd) 27. Der Krieg in Südafrika- Krüger « Abweisung. Der Entschluß deö Kaisers Wilhelm, den Präsidenten Krüger nicht zu empfangen, wird iu London allgemein mit lebhafter Genugthuung begrüßt und von der Presse als weiterer schlagender Beweis der Herzlichkeit der Be ziehungen zwischen den Negier ungen DeutschlandS undGrvßbcitannienS betrachtet. Die Zeitung „Morning Post" bezeichnet die Haltung deS Kaisers als männlich und ehrenvoll und hofft, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Regierungen dürsten weiter glücklich ent wickelt werden und daS deutsche Volk dazu gelangen, die britische Nation freundlicher zu beurtheilen, die ihrerseits die alten Zerwürfnisse freudig vergessen werde. „Daily Telegraph" hofft, die grradsinnige Handlungsweise de« deutschen Kaiser« werde beitragen, Krüger zu über- zeugen, daß der Krieg nur geendet werden könne durch die Unterwerfung der noch im Felde stehenden Boeren. Wa« das deutsche Volk anbelangt, so wird e« gerade im gegenwärtigen Augenblick am wenigsten geneigt sein, die „Weiterentwickelnng der herzlichen, freundschaftlichen Be- riebungen" zu England mitzumachen. E« weiß, wohin sie schließlich führen müssen. Die ganze französische Press« bespricht Kaiser Wilhelm'S Telegramm an Klüger mit einer Hestigkeit, die selbst Andeutungen über Form und Inhalt der betreffenden Aufsätze bedenklich macht. Natürlich zeichnen die Nationalisten blätter sich durch besondere Flegelei au»; aber selbst der „Matin" versagt sich die kleine BoSbeit nickt, unter der Botschaft nach Köln da« Telegramm an Krüger von 1896 in Festschrift abzuvrucken. Ueber Krüger's weitere Absichten wird der „Voss. Ztg." auS Köln 3. December berichtet: Krüger's Abreise ist endgiltig ans Mittwoch Morgen festgesetzt. Er begiebt sich von hier aus nach dem Haag, alsdann, wie er zur Um gebung äußerte, nach Petersburg. Krüger gab mebr- sack der Hoffnung Ausdruck, daß die Parlamente aller Staaten Eympaibickunbgebnngen für die Boeren er lassen möchten. Dann würde das Ziel seiner Wünsche bezüglich des Schiedsgerichtes sicuer erreicht. (?) Ein bewaffnetes Einschreiten der Mächte wolle er keineswegs berbeifübren. Tie Tepcicke Kaiser Wilhelm's bat Krüger tief verstimmt. Die Umgebung des greisen Präsidenten, vollständig bestürzt, zeigt liefe Niedergeschlagenheit. Krüger meinte, wenn große Staaten ihn im Stich lassen, könnten auch kleinere (gemeint ist Holland) nichts macken. Von Petersburg will Krüger sich nach Wien und Rom begeben. Der folgende, der Stimmung der überwiegenden Mehrheit des deutschen Volkes in trefflichcn, beredten Worten Ausdruck gebende Artikel der „ T ä g l. N u n d s ch." ist geschrieben, bevor man wußte, daß Krüger nicht nach Berlin kommen werde, da er aber auch jetzt noch sehr lesenswerth ist, lassen wir ihn seinem Hauptinhalte nach hier folgen: Daß die Realpolitik unserer Regierung in dieser Frage andere Wege gehen muß, als die Gefühlspolitik des Volkes, liegt auf der Hand, und der begeistertste Transvaalschwärmer wird unserer Regierung nicht zumuthen, daß wir mit England einen Krieg beginnen, um das zweifellose Recht der niedergetretenen Transvaalboeren gegen die englischen Eoberer zu vertreten; aber deswegen muß es doch erlaubt sein, zu sagen, was ist und was jeder Nichtcngländer fühlt: daß nämlich der südafrikanische Eroberungskrieg Englands einer der ungerechtesten, brutalsten und in seinen Folgen für Sieger und Besiegte verderblichsten Kriege war, die jemals geführt worden sind. Frankreich hat uns eben das Beispiel gegeben, wie eine Regierung die noth- wendigen freundschaftlichen Beziehungen zum Nachbarstaate mit unantastbarer Correctheit wahren kann, obgleich das Volks empfinden ungehindert zu seinem Rechte kam, indem es den Boeren und ihrem Vertreter begeistert zujauchzte, die englische Brutalitätspolitik verdammte und nachdrücklich seinen Wunsch kundthat, daß dem Blutvergießen bald dadurch ein Ende ge macht werde, daß den Boeren verständige Zugeständnisse ge macht werden. Präsident Krüger weiß so genau wie wir, daß derartige Kundgebungen höchstens Wechsel auf die Zukunft sind und für die Regierungen zur Zeit gar nichts bedeuten; aber er weiß auch, das; es auf die englische Negierung nicht ohne Eindruck bleiben wird, wenn sie zwar die Regierungen durch die Gewalt der Verhältnisse zur Aufrechterhaltung der freundschaft lichen Beziehungen bewegen kann, aber dem moralischen Verdammungsurtheile der ganzen Welt gegen übersteht. Für ihre Entscheidung fallen solche Impondera bilien gewiß in die Waagschale; denn wenn die Mißstimmung der ganzen nichtenglischen Welt auch zur Zeit leine praktisch fühlbare Bedeutung für England hat, so dürften doch aus solcher Saat Früchte entsprießen, die auch dem mächtigen Eng land todtbringend sein könnten. Uebriqens hat Krüger bei den Demonstrationen in Paris und Marseille einen so großen poli tischen Tact bewiesen, daß man die übergroße Vorsicht unserer Officiösen nicht begreift. Der Kaiser wird den Präsidenten der Transvaal-Republik wohl nicht empfangen. Wir können das verstehen, und billigen cS vollkommen, daß unsere Regierung kühlen Kopf behält und die Rücksichten auf das Allgemeinwohl, auf die deutschen politischen Interessen höher stellt, als eine noch so berechtigte Gefühlswallung über das verletzte Recht eines Andern. Für i h r Verhalten ist der einzige Compaß: daS Interesse des deutschen Volkes, dem jede unnützliche Gefühlspolitik unterzuordnen ist; aber das deutsche Volk besteht nicht aus lauter Diplomaten, und der deutsche Staatsbürger ist gar nicht verpflichtet, den Diplomaten zu spielen und der hohen Politik zu Liebe sein Nrtheil umzufälschen. Er begreift daher sehr wohl die Zurückhaltung unserer Regierung; aber er hofft, daß diese Reserve nicht in Unhöflichkeit umschlägt, denn diese wäre ein politischer Fehler. Die politischen Verhältnisse haben sich geändert, unsere Interessen sind andere geworden, wir haben andere Pläne als damals, da das Kaiscrtelcgramm an Krüger abging — das Alles wird Krüger, der ein sehr kühler Realpolitiker ist, begreifen und sogar billigen; aber Krüger ist der Präsident eines noch zu Recht bestehenden Staates und kann schon als solcher die Ehren und das Ent gegenkommen verlangen, das jeder Regierende von der anderen Regierung fordern kann, ganz abgesehen davon, daß sein Cha rakter, seine Begabung und sein Unglück ihn besonderer Ehren würdig erweisen. Belgien ist von England, nach den neuesten Nachrichten, jede Kundgebung verboten worden. Das kann Belgien pastiren, nicht aber Deutschland, dessen Bürger nach deS Kaisers Wort sich fühlen und ihr deutsches Bürgerrecht mit Römerstolz bekennen sollen. Deswegen werden wir es in der Transvaalfrage auch weiter mit der doppelten Buchführung halten: möge die Regierung thun, was sie im Interesse der Macht, aber auch der Würde des Reiches für nöthicz hält. Das deutsche Volk aber wird frei bekennen, wem es in diesem Kriege das Recht und damit seine Sympathien zuspricht. Ta« zweite angebliche Complot aearn Lard Robert«. Aus London, 29. November, schreibt man uns: Die Thatsache, daß Lord Roberts die Meldung von einem abermals gegen ihn geplanten Complot in seinem amtlichen Bericht be stätigt hat, läßt darum die Sache nicht ernsthafter erscheinen. Als die englische Geheimpolizei in Pretoria daS kindische Co-n- plot ves Hans Cordua erst fabricirt und dann „entdeckt" hatte, telegraphirte Lord Roberts ebenfalls nach London, cs seien 15 Mitschuldige verhaftet worden, während thatsächlich außer Cordua nicht eine einzige Person als dessen Genosse hatte auf gefunden werden können. Daher sprechen diesmal, wo man ein mißglücktes Bombenattentat gegen Roberts volle drei Wochen später entseelt haben will, selbst solche Blätter, die sonst den Krieg mit allen seinen Conseguenzen vertheidigen, ernste Zweifel bezüglich der Echtheit deS Attentate, au«. Gleich wohl wird von anderer Seite die Schauermär benutzt, um nun mehr die rücksichtslose Ausweisung aller ver dächtigen Ausländer und Abenteurer auS Transvaal zu fordern. Tie AufstandSgcfahr i» Ver Capcolonie. Aus Brüssel, 2. December, wird uns geschrieben: D ' Gefahr eines allgemeinen Aufstandes in der Capcolonie wird von ver Lransvaalgesandtschaft nicht geleugnet. Als Ursache wird angegeben, daß die Erbitterung der capholländischen Bevölkerung hauptsächlich durch das seit drei Monaten betriebene System ocs Verbrennens der Farmen heroorgerufen sei. In Folge dessen seren Tausende von Frauen und Kinsern aus beiden Boeren staaten nach der Capcolonie gebracht worden oder selbst dorthin geflüchtet, wo sie bei Sen dortigen Boeren Unterkunft suchen mußten. Die meisten der Bedauernswerthen aber befinden sich dort in der allergrößten Noth, weshalb auch der soeben zusam mentretende Voltscongreß der Capholländer als wichtig sten Berathungsgegenstand die Frage behandeln soll, wie diesen Flüchtlingen zu helfen sei. Noch gefährlicher werde freilich die Lage für England werden, sobald Lord Roberts Südafrika ver lassen und K i t ch e n e r das von ihm angekündigte Ausrottungs system beginnen werde. Daß Dewet, wie die Engländer be fürchten, schon jetzt die Absicht habe, in die Capcolonie einzu brechen, wird von der Transoaalzesandtschaft als unwahrschein lich erklärt, da dieser voraussichtlich das Gebiet des Freistaates nicht freiwillig verlassen werde. Tte »rutsche evangelische Geistlichkeit. Wir erhalten folgende Zuschrift: Tief geht durch'« deutsche Volk die Erregung gegen die Engländer, die „die Frauen und Kinder der Boeren erbarmungslos von Haus und Hof jagen und sie den Kaffern oder dem Hungertode preisgeben und die Gefangenen halb verhungern lassen." Die Erbitterung dar über spricht sich in einem Briefe aus, den eine Leipziger Dame, eine „deutsche Frau und Mutter", an einen sächsischen Geistlichen gerichtet hat; sie klagt die evangelischen Geistlichen an, daß sie der Brutalität der Engländer gleichmüthig zusehen und nicht die Stimme des christlichen Gewissens darüber laut werden ließen. Aber in vielen kirchlichen Zeitschriften ist manch' kräftiges Wort zu Gunsten der Boeren geschrieben, manch herber Tadel über die Engländer ausgesprochen worden. Was soll sonst noch von kirchlicher Seite aus geschehen? Auch englische Geistliche haben ihre Regierung ernst und eindringlich wegen ihres Verhaltens gegen die Boeren zur Rede gesetzt. Tie „deutsche Frau und Mutter" kann doch aus dem einstimmigen Verdick des christlichen Volkes über die Engländer schließen, daß das evangelische christliche Bewußtsein nicht schläft, sondern die Engländer verurtheilt. Ihr Vorschlag, daß man die eng lische Geistlichkeit nochmals auffordere, die Staatsmänner in London an Recht und Humanität zu erinnern, wird beachtet werden. Deutsches Reich. Berlin, 3. December. (BiSmarck und Savigny.) Als jüngst Veiöffeunickungen der „Deutschen Rundschau" au," ren Taaebüchern Tbeodor von Bernbardi'S die Auf merksamkeit weitester Kreise ans die Tbatsacke gelenkt batten, daß der bekannte preußische Diplomat und spätere CenirnmSabgeordnete von Savigny als Vertreter des erkrankten Grafen Bismarck den Abschluß eines Ver trages mit Frankreich betrieb, demzufolge der Kirchenstaat garantier werden sollte, machte die „Köln. VolkSz'g." in einer Polemik, unter Berufung auf den Grafen Armin, die Bemerkung: Herr v. Savigny sei ans dem Staatrtienste geschieden, weil Bismarck keine selbstständigen Naturen neben sich babe dulden können. Wir baben damals sofort hierauf entgegnet, daß ungeachtet der Angabe deS B»'.zckaftcrs Grafen Arnim ganz allgemein die Auffassung vorherrsche, Herr von Savigny habe den Staatsdienst verlassen, weil er nicht Bundeskanzler geworden ist. Diese Auffassung wird jetzt durch ein Zeugniß Tbeodor von Bern bardi'S bekräftigt. Im Decemberheft der „Teutsckeu Rundschau" nämlich findet sich unter den Mittheilungen auS Bernbardi'S Tagebüchern ein Bericht über Unter redungen, die Bernbcndi im September l867 mit dem preußischen Gesandten in Florenz, Grafen von Usedom, gebadt hat. In rem Berichte heißt eS: „Er (Graf Usedom), der kürzlich in Berlin gewesen war, erzählt mir auck, wie Savigny ausgeschieden ist. BiSmarck batte ibn zum Bundeskanzler machen wollen, sich dann aber daraus besonnen, daß Preußen, wenn es auch der Sacke nach reu Norddeutschen Bund beherrscht, doch der Form nack in den Bund englobirt ist, daß also der Vundeekanzllr über dem preußischen Premierminister steht, daß folglich der preußische Premierminister stciS selber Bundeskanzler sein muß. Er bot demnach Savigny an, ibn zum Bund es - Vicekanzler zu macken. Daraus wollte dieser in keiner Weise eingeben — er babe das Versprechen des Königs u. s. w. — lieber schied er ganz aus." SS Berlin, 3. December. (Zum Moltkc-Denkmal.) Aus OfficierSkreisen böien wir, daß der Auslassung ter „Nationalzeitung" über den Plan, dem General Feldmansckall Grasen von Molike ein Tenkmal ausschließlich au- Mitteln der Armee zu errichten, gewiß von einem großen Tbeile deS Officier - Corp« zugestimml wird. Gerade in der Armee ist die Anerkennung diese« ibreS unvergleichlichen Führers so groß, das es von ibr als eine Zniück- fetzung der unsterblichen Verdienste deS Grafen Mo.ike um daS ganze deutsche Reich empfunden werden würde, wenn ikrn in deS Reiches Hauptstadt nickt ein Natioualdenkmal zu Tbeil werden sollte. Wenn aber, wie eS nach der Anregung durch Se. Majestät den Kaiser den Anschein hat, eine ent sprechende Vorlage der Regierung an den Reichstag nicht in Frage kommen kann, so darf und wird eS sich das deutsche Volk nickt nehmen lassen, an der Ehrung desjenigen Helden durck freiwillige Beitrage lbeilzunebmen, obne dessen geniale Heeresleitung auch die Staatskunst eincS ViSmalck solche Erfolge im Zeitraum weniger Jadre zu er ringen Nicht im Stande grwefcn wäre. Selbstverständlich wird da« deutsche Osficiercorp« in diesem Falle nicht Zurück bleiben, und e- wird bei mäßigen Beiträgen aller dankbaren Patrioten, dir jeder nack seinen Verhältnissen bemessen kann, ein wü dige« Denkmal zu Stand« kommen, welches durch da« BiSmarck-Trntmal nicht allzusehr in den Schatten gestellt wird. Durch di« Ojficwrr, Sanität« - Ösfic>«re nutz
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