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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.12.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-12-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190012099
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19001209
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19001209
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-12
- Tag1900-12-09
- Monat1900-12
- Jahr1900
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.12.1900
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86-18 Herren! Heute noch bin ich dieser Ansicht, ja ich bi» heute mehr denn je davon überzeugt, daß kein feindlicher Gegensatz bestehen dürfe zwilchen Fürstenrecht und Volksrecht, wenn nur immer von allen Seiten verstanden wird, sich zu mäßigen, wenn nur daS Wort richtig verstanden wird, daß Freiheit Selbstbeherrschung ist. Diese Erkenntniß hat sich, ich sage eS mit Freude, mehr und mehr beseitigt in den verflossenen 25 Jahren, und wenn ich aus diese Jahre zurückblicke, so wissen Sie mit mir, weshalb ick davon rede, denn eS ist eine Zeit vorhergegangen, wo diese Erkenntniß noch nicht plopgegrissen hatte; sie hat aber platzgegriffen, sie hat sich be festigt, und wo diese Erkenntniß besteht, da ist auch Glaube an die Zukunft; in ihr wird hoffentlich noch vieles möglich, und all' das ansqebout werden, zu dein wir in dieser Zeit mit vieler Arbeit den Grund gelegt haben auf dem Wege der Gesetzgebung in der Or ganisation der Gemeinden und anderer Zweige deS öffentlichen Lebens, wo die Thätigkeit der Gemeinden oder größerer Verbände einzutreten hat." Än der Erhaltung der Einigung und an der Kräftigung der Macht des deutschen Reiches hat Großherzog Friedrich von Baden wacker gearbeitet. Wie er gedacht und gefühlt bat, davon giebt diese Sammlung von Reden beredt« Kunde. Del vecchio's Kunstausstellung. Hans Thoma. Von Hans Thoma, der neben Böcklin als einer der größten Poeten in der Malerei aller Zeiten, als einer der energischsten Per- treter des Deutschthums in der bildenden Kunst gelte» darf, sind zur Zeit zwei Schöpfungen in Del Vecchio's Kunstsalon aus gestellt, von denen die umfangreichere „Das Ielsenthal", ein Oel- gemälde, zweifellos mit zu den besten Arbeiten des Meisters zu zahlen ist. Die Kraft seiner Darstellung, die Größe der Anschauung und Diese der Empfindung treten hier in so schöner Entfaltung auf, wie sie vereint nur bei den hervorragendsten Werken der Kunst zu finden sind. Welche Ruhe, welchen Frieden athmet dieser weltferne stille Winkel, welcher Ausdruck des besänftigenden Gefühls, das nur die Natur dem irrenden, ringenden Menschenherzen zu geben vermag, gelangt hier zur malerischen Erscheinung! Schon ist die Dämmerung in den engen Felsengrund herabgejunken und überzieht die Landschaft mit gebrochenen Farbentönen. Das farbige Moos der Felswände verschwimmt mit dem düsteren Grau des Gesteins, stumpser erscheint das Grim des dichten Laubes der sommerlichen Bäume, zart nur blinkt das Weiß und Gelb und Roth der Blumen hervor, die die gütige Mutter Natur mit kundiger Hand in den Rasenteppich gewebt, der unten im Vordergründe sich ausbreitet und aus dem ein zunger wandernder Musikant sich niedergelassen hat, um träumend den rosigen Wolkenzügen zu folgen, die über ihn und den Fels- gipfeln im blauen Aether dahinziehen. Welche geringen Mittel hat der Künstler für seine Darstellung aufgewcndet, wie schlicht ist das ganze Motiv und doch wie schön und nachhaltig der Eindruck des Bildes. Der schlichten Art der Composition entspricht auch die einfache ungesuchte Darflellungsweise, in der nicht das Geringste von technischen Mätzchen, von verblüffenden Jongleurkünsten deS Pinsels zu finden ist. Hier erscheint alles Dargesiellte so natürlich, so selbst verständlich, wie in der Natur selbst, und die weise ordnende und wahre Schönheit verkörpernde Haud des Künstlers drängt sich nirgends hervor. Tas zweite Bild, eine Gouache, zeigt «inen „Meergreis" auf schmalem Felsenriff, der sich wohlgefällig von der wärmenden Sonne bescheinen läßt und dabei Umschau hält über die weite Meeressläche, deren blaue Wogen von weißschimmernden Kämmen bekrönt sind. Um den seltsamen Bewohner des Meeres tummeln sich Sterobben, die zum Tbeil neugierig zu ihm herankommen, um das beschränkte Fleckchen festen Bodens eine Zeit lang mit ihm zu theilen. Ernst Kiesling. Äus dem Kunstgewerbe-Museum. Ausstellung neuer Tapete»« der Chemnitzer Ta-etenfabrik Max Langhammer. Der Tapctendruck ist verhältnißmäßig jung. Eine industrielle Erfindung des 19. Jahrhunderts bezeichnet er die glückliche Be friedigung des allgemeinen Bedürfnisses nach einem wohlfeilen praktischen Wandschmuck. Wohl war man in Bezug aus die künstlerische Behandlung der Tapeten lange Zeit an die maßgebenden traditionellenMuster derEiigländer gebunden, an jene einseitigen, nüchter nen Vorlagen, die man gedankenlos ausnahm und womit man den Ge schmack der kaufenden Kreise ganz gründlich verdarb,indessen, es rang sich Loch allmählich die Ueberzeugung durch, daß mit dem zum Ucberdruß copirten alten Mustern einmal recht durchgreifend aufgeräumt werden müßte, um einem neuen Tapetenstil den Weg zu bereiten. Vor Allem galt es für das in dieser Richtung thätige Kunstgewerbe sich von dem überlieferten Fremden zu befreien und nach eigenen Ideen seine Entwürfe zu schaffen. Diesem wohlgeglückten Versuch kam vor Allem die tiefgehende kunstgewerbliche Bewegung in Deutschland fördernd und anregend zu Gute; unter ihrem belebenden Einfluß empfing auch die heimische Tapetenindustrie einen neuen Impuls, indem sie durch diese Resorm deS Kunstgeschmacks bestimmt wurde, in einem vernünftigen Tapctendecor, der schön in der Composition, farbenfreudig in der Stimmung war, die sein gestimmte harmonische Grundlage für die selbstständigen Formen der Möbel zu bieten. Mit der Kunst sollte sich die Behaglichkeit vereinen. Unter den deutschen Etablissements, welche in vollem Verständnis für solche Ausgaben der Tapete der neuen Kunstrichtung in den angebrachten Grenzen huldigen, ist die Chemnitzer Tapeten- fabrik Max Laug Hammer eine der bekanntesten und ange sehensten und eine der größten Betriebe in der Branche. Sie be steht bereits seit einem Vierreljahrhundert, und ihr Besitzer darf sich rühmen, ein thaikräftiger Organisator einer die Industrie wie Len Handel gleichmäßig umschließenden deutschen Bereinigung von Fabrikanten und Händlern zu sein, welche nickt nur die wirthschaft- liche sondern auch die künstlerische Hebung der Tapetenindustrie im Auge hat. dou der Chemnitzer Tapetenfabrik stammt jene Reihe bestechender überraschender Muster, welche gegenwärtig das Kuustgewerbe^-Museum zu einer Sonderausslellung im reckten Flügel des Obergeschosses vereint hat. Alle der hier ausgestellten. Pnnneaus — es sind deren 26 —, dienen keineswegs dem Zweck ^chaunücke zu sein, vielmehr sind sie, obwohl ihr Inhalt durch und Lurch künstlerisch gestaltet, für den großen Markt berechnet, und schon au- dieiem Grunde muß es hoch anerkannt werden, daß die Firma dem heutigen künstlerischen Empfinden vollaufRechnungträgtund der Tapete mit der Behaglichkeit auch die Schönheit verleiht. Sie legt die neueilen 2ntwur;e aus, wobei sie auch die bedeutsame künst« lerrsche M'.lhilte von Robert Weber in Dresden und Paul Neubert in Chemnitz in Anspruch nimmt, beide tüchtige, in Dresden ausgebildete, erzahrene Kräfte. Mau darf es getrost aus- einzelnen Entwürfe ein ausgeprägtes feines Stil- grsuhl bekunden, frei von aller überschwenglichen Coucrption, klar in den Formen und discret im Kolorit, das neuem Empfinden nach nur in Hellen neutralen Töven seinen Ausdruck findet. Die «arm, ruhige Wirkung, die vornehm« apart« Formeusprache und di« froh« Farlwustimmung a«beu dies«» ueuestiu Tapeteumusteru von vornherein die beste künstlerische Empfehlung mit aus den Weg. Dem modernen Geschmack entsprechend, gli«d«rn sich di« Muster der Chemnitzer Tapetenfabrik Max Langhammer in zwei bevorzugte Formen in die sogenannte Streisrntapete und in eine reine, init naturalistisch gehaltenen oder stilisirteu Pflanzenmotiven ausgefillfte Flächrntapete, welch beiden Geschmacksrichtungen Original- entwürfe von künstlerischer Hand zu Grunde liegen. Mit fein- sühligem Erkennen der Wirkung sind hierbei die mannigfachsten tecorativen Elemente der Pflanze verwendet worden, bald im natürlichen Sinne, wie bei der flott entwickelten Kirschblathen-Tapetr mit dem reizenden Kleefries darüber oder in der in lichtem Colorit erscheinenden Brombeer-Tapete, bald in einer äußerst wirkungsvollen, kräftigen, doch nicht aufdringlichen Weinlaub-Tapete. Hier, wie in der wundervollen Ltlien-Tapete, die Blüthenzwria auf Blüthenzwrtg in den einfarbigen gelbbraunen Fonds fetzen läßt, wird erneut der reizvolle Effect in der discreten Flächenbehandlung erzielt. Als höchst apart darf wohl die in helllila und gold getrennte Moiröe- Streifen-Tapete gelten, die mit ihrem Goldregen-FrirS eine entzückende malerische Wirkung übt, ebenso zart und duftig al» die für einen Damensalon berechnete Nelkrn-Tapete, deren naturalistisch componirten blauen Blüthen auf den olivgrünen Foods einen höchst au- muthenden Drcor bilden. Mehr im künstlerischen Jdeenkrei» d»S JaponismuS ist eine Palmen-Tapete mit streng stilifirten Palmen- Motiven auf purpurnem Grund gehalten, dagegen giebt sich eine lindenblüthrngrünr Distel-Tapete durchaus als freie moderne Com- Position, die mit unendlichem Geschick Blatt und Blüthr zu einem seinen, klar dahinstießenden Ornament auf der ruhig wirkenden Wand gestaltet Hot. Während hier Blatt- und Blüthensormen ganz im Ornament aufgehrn, sind in einem anderen Ponneau die ver- scklungenen Ranken der Glycine zur Belebung der mit eingesetzten Blüthentrauben gefüllten Fläche decorativ verwendet. Der künst- lrrische Spielraum ist übrigens rin großer: eS mangelt nirgends an fesselnden decorativen Elementen, selbst nicht an solchen von kräftiger Betonung des Colorits, wie eS beispielsweise die dlauleuchtende Pfauseder-Taprte ist und die originelle Margueriten-Narztffen-Tapele. Im Einklang mit den Tapeten selbst stehen die gesällig compo- nirten Friese, die, von malerischer Wirkung, den Wandschmuck der Tapete sehr glücklich ergänzen, mag eS nun rin Liliensries über dem blaugrünen Dämmer einer Wald-Tapete sein oder ein Aehren- fries mit Rebhühnern über den verstreuten goldnen Haferähren einer anderen Tapetenfläche. Es würde zu weit führen, sollten alle Entwürfe ihrer Eigenart nach Erwähnung finden; eins ist nur zu betonen, daß sämmtliche Muster allgemein verständlich sind, daß sie sich durch die Anwendung der gegebenen Kunstmittel tu ihrer tadellosen künst- Krischen und technischen Ausführung hoch über die üblichen Tages« erscheioungeu erheben, ohne für die großen Kreise unerreichbar zu werden. V. LI. Gemeinnütziger Verein „Vorwärts" zu Leipzig-Gohlis. Am vergangenen Donnerstage hielt der Gemeinnützige Verein „Vorwärts» zu L.-Gohlis im „Neuen Gasthofe» daselbst feine letzte Monatsversammlung in diesem Jahre ab. Zu derselben waren Gäste und die Damen der Mitglieder mit eingeladen worden, da der Vorstand an diesem Abende in einer Reihe von Lichtbildern Ansichten von Städten und Landschaften Norwegens zur Unter haltung und Belehrung der Anwesenden darbieten wollte. Um die Geduld der zahlreich Erschienenen nicht allzu lange aus die Probe stellen zu müssen, beeilte sich der Herr.Vorsitzende, Herr Kaufmann H c r m. V i e h w e g, in anzuerkcnn'ender Weise die einzelnen Puncte der Tagesordnung so bald als möglich zu erledigen. Bald waren denn auch die eingcgangencn Schreiben verlesen und in kurzen Umriffen der Verlauf der letzten Stadtverordnetenwahlen berührt worden, aus welchen das von dem Verein aufgestellte Ehrenmitglied desselben, Herr Kaufmann Liebold in Gohlis, zur Freude und großen Genugthuung der Mitglieder mit als Sieger hervor gegangen war. Ebenso kur, wurde des am 3. v. M. gefeierten HerdstfesteS gedacht, das allgemein befriedigt hatte. Auch hielt die Berathung über die Abhaltung des kommenden 35. Stif tungsfestes die Mitglieder nicht lange auf. Sie beschlossen in großer Majorität, dasselbe im „Schloß Trachenseis» am 19. Februar 1901, das ist am Fastnachts-Dienstage, abzuhalten. Wohl hatte der Vorstand beabsichtigt, noch einige Anträge zur Be sprechung gelangen zu lassen, doch verzichtete er für heute Abend daraus, so daß nunmehr, nachdem zuvor noch das Protocoll zur Ver lesung gekommen war, zur Vorführung der Lichtbilder ge schritten werden konnte. Dieselben gelangen vortrefflich und fühlten sich durch sie die Anwesenden für kurze Zeit in daS an Natur schönheiten so reiche Norwegen versetzt. In den ersten Bildern wurde die Seefahrt von Hamburg nach der Südküste Norwegens vorgeführt; die folgenden führten nach Cap LindeSnäS und in die Straßen und Umgebungen der Städte Stavanger und Bergen. Weiter folgten die Hardanger- und Sogne-Fjorde, schließlich die wildeste» und großartigsten Hochgebirgsgegenden ganz Europas, die Jotuufjeldc mit ihrem höchsten Gipfel, dem Galdhöpig, der eine Höhe von etwa 2600 Meter erreicht. An Städten wurden noch Oddc und Molde gezeigt, und von letztgenannter Stadt aus die Rückreise in die deutsche Heimath wieder angetreten. 1^4 Stunden nahmen die Vorführungen in Anspruch, denen ein erklärender Vor trag zur Seite ging. Trotz der schon vorgerückten Nachtzeit waren doch die Mitglieder und ihre Gäste den Bildern bis zuletzt mit großer Aufmerksamkeit gefolgt, und durch den Beifall ermuthigt, versprach der Herr Vorsitzende, auch im nächsten Jahre für Dar bietungen ähnlicher Art besorgt sein zu wollen, - - Gerichtsverhandlungen. Proceftz Sternberg. Jeder Tag bringt in diesem Proceffe neue Ueberraschungen oder bestätigt alte Vermuthungen. Am Freitag beschäftigte man sich hauptsächlich mit der Vertheidigung. Wir lassen über diese Angelegenheit hier de» Bericht des „B. T." folgen: Der Detectivdirector Schulze bestreitet, daß seine Begegnung mit dem Criminalschutzmann Schelenz sich in der Weise abgespielt habe, wie dieser gestern angegeben. Er bestreitet, jemals mit Thiel etwas zu thun gehabt zu haben. — Präs.: Ist Ihnen nicht be kannt, daß und wie Herr Thiel die Verthcidigung bedient hat? — Zeuge: Nein. Justizrath vr. Sello wünscht Aufklärung darüber, was der Vorsitzende mit seiner Bemerkung meine. — Präs.: Ich nehme Veranlassung zu dieser Frage auf Grund deS vorliegenden Ge ständnisses des Commissars Thiel, der zugestanden hat, daß er Berichte an Luppa geliefert hat, und diese Berichte wohl an die Vertheidigung gelangt find. Or. Sello: Keiner von unS weiß oder hat eine Ahnung davon gehabt, daß Thiel an irgend Jemand irgend etwa? be richtet hat. Vors.: EL liegt aber die Aussage Thiel's vor, daß er schon im März dem Justizrath vr. Sello davon Mit theilung gemacht hat, daß er ein bestochener Be amter sei, und damit stimmt doch die E n t r ü st u n g n i cht, mit welche, hier vom D «r»h ei dl se rkl sch« bi« auf Thi«l bezüglichen Mitth«ilungen des Schutzmanns Stierstädter begleitet worden sind. vr. Dello: Das hat Herr Thiel nicht auigesa-t; ich selbst bin gestern zu den Aussagen Thiel's vor dem Untersuchungsrichter vernommen worden. Herr Thiet ist etwa im März zu mir ge kommen und hat mir den Eindruck gemacht, als ob er in schwerer Gewifsensbedrängniß sich befunden und eine gepreßte Seelenstimung hatte. Er hat ihm davon Mit- theilung gemacht, daß er in den Verdacht gekommen sei, bei dem Besuch, den Luppa und Münchhausen in der Wohnung der Haus mann gemacht haben, zugegen gewesen zu sein. Ich habe ihn auf die Strafbestimmungen und die TiSciplinarbesttmmungen auf merksam gemacht und ihm gerathen, die Finger von solchen Sachen zu lasten. Vors.: Da haben Sie also doch erfahren, daß Thiel ein bestochener Beamter war. Justizrath vr. Sello: Ich habe allerdings den Eindruck ge habt, daß der Verdacht gerechtfertigt sei, daß er allerdings bei der HauSmann beziehungsweise bei der Callis gewesen ist und mich als Menschen und Vertheidiger um Rath fragt. Vors.: Ich erinnere mich, daß, als die ein gehenden Behauptungen über Thiel aufgestellt wurden, Herr Stierstädter in ganz besonders nachdrücklicher Weise angegriffen worden ist. vr. Sello: Von Berichten des Thiel ist damals mit keiner Silbe die Rede gewesen, ich habe auch solche Berichte niemals gesehen und niemals gehört, daß solche rxistiren. Im klebrigen war ich damals von der Pflicht der Amtsverschwiegenheit noch nicht ent bunden. Meine damalige Entrüstung bezog sich auf die Behauptung des Zeugen Stier st ädter, wonach Herr Thiel ihm gesagt haben sollte, ich hätte eine Summe von 200 000 Mark in Aussicht gestellt. Ich habe ausdrücklich die Frage offen gelassen, wer von Beiden die Unwahrheit gesagt habe. Präs.: Sie geben doch zu, daß Sie mindestens geahnt haben, daß Herr Thiel in strafbarer Weise sich vergangen hat. — Or. Sello: Die Vorgänge im Einzelnen sind mir keineswegs bekannt gewesen. Er hat mir nur gesagt, daß er in den Verdacht gerathen sei, bei der Hausmann und Callis gewesen zu sein, und da habe ich ihm gerathen, seine Finger davon zu lassen. Vors.: Sie haben ihm bestimmte Paragraphen des Strafgesetzbuches verlesen, die doch zweifellos die Bestechung bestrafen, Sie haben ihn auch in Kenntnis; gesetzt über das Tisciplinarverfahren. Der Commiffar ist auch bei dem Untersuchungsrichter trotz Ihrer gegentheiligcn Behauptung bei seiner Aussage verblieben und hat erklärt, daß er abwarten werde, ob Sie den Eid daraus leisten werden. Er bleibt dabei, daher Ihnen gesagt habe, er sei ein bestochener Be amter. vr. Sello: DaS ist nicht wahr, er hat nur von dem Verdacht gesprochen, in welchen er gekommen. — Vors.: Sie haben doch aber Bericht« bekommen, von denen Sie sich sagen mußten, daß sie nur von einer amtlichen Person herrühren konnten. — vr. Sello: Auch das ist nicht richtig! Ich wiederhole aus daS Bestimmteste, daß ich nie Berichte erhalten habe, die ich auf eine Thätigkeit Thiel's oder einer anderen Amtsperson hätte zurückführen müssen. Vors.: Es kann doch den Vertheidigern gar nicht unbekannt gewesen fein, daß solche Auskünfte ertheilt wurden. Luppa ist fortgesetzt beim Rechtsanwalt Or. Werthauer gewesen, eS sind dort wiederholt Conferenzen abgehalten worden, es sind immer neue Ordres an Detectivs ertheilt worden, die doch eine ganz genaue Kenntnitz aller Vorgänge voraus fetzten, daß man über den Ursprung dieser Kenntniß kaum zweifelhaft sein konnte. Wir müssen hier entschieden wissen, wie die Sache liegt. Wenn man daran denkt, daß von der Verthcidigung immer neue Anträge eingingen, so kann es doch kaum zweifelhaft sein, daß der Vertheidigung Manches bekannt gewesen sein mnß, was doch nur durch die verbreche rischen Berichte Thiel's erlangt sein kann. Or. Sello: Ich weiß nicht eine einzige mir bekannt gewordene Thatsache, von der ich hätte annehmen müssen, daß sie auf die verbrecherische Thätigkeit eines Beamten zurückzuführen wäre. Vors.: Ist eS Ihnen nicht bekannt gewesen, was die Callis auf dem Polizeipräsidium ausgesagt hat? vr. Sello: Nein, das ist mir nicht bekannt gewesen, fch habe das erst aus den Acten erfahren. Vors.: Wenn inan daran denkt, wie diel Tausende in dieser Sache weggeworfen worden sind, so könnte doch eine Spur von Verdacht bestehen bleiben, daß die Vertheidiger irgend wie und in irgend einer Form Kenntniß von diesen Mittheilungen erhalten haben, denn daß ein Mann wie Luppa diese Tausende auSgiebt, um die Berichte im Kasten ruhen zu lasten, ist doch nicht anzunehmen. — vr. Sello: Demgegen über habe ich auf das Allerbestimmteste zu erklären: daß ich auch jetzt noch nicht eine einzige Thatsache angeben könnte, von der ich hätte vermuthen können, daß sie auf Informationen von Thiel herrührte. Staatsanwalt Braut: Nach meiner Erinnerung hat, als die Sache hier zur Sprache kam, JustizrathSello eine Erklärung abgegeben in dem Sinne, daß er von irgend welchen verbrecherischen Manipulationen des Thiel keine Kenntniß hatte. Ich habe den Eindruck, als habe er bekunden wollen, daß er selbst nie an Thiel herangetrcten, ihm aber auch nichts von einer verbrecherischen Thätigkeit des Thiel bekannt sei. Nun erfahren wir, daß Justizrath Sello schon damals wußte, daß Thiel mit Luppa bei der Hausmann und Callis gewesen war. Ich frage nun, ob Justizrath Or. Sello geglaubt hat, Thiel habe die- aus Un- cigennützigkeitSgefühl gethan. vr. Sello: Meine Erregung seinerzeit entstand, wir ich wiederhole, daraus, daß Herr Stierstädter behauptete, er habe von Thiel erfahren, daß ich 200 000 in Aussicht gestellt hatte. Jetzt habe ich erst durch daS Zugrständniß des Herrn Thiel erfahren, daß er thatfächlich eine solche Erzählung gemacht hat. Herr Thiel hat im März nicht von Geld gesprochen, ich werde wohl vermuthct haben, daß es sich bei ihm um Geld handelte und gerade deshalb habe ich ihn auf die strafgesetzlichcn und disciplinarischen Be stimmungen hingewiesen. Im Uebrigen hatte ich damals noch die Pflicht der Amtsverschwiegenheit, von welcher ich jetzt entbunden bin. Vors.: Ich constatire, ich hatte denselben Einoruck wie der Herr Staatsanwalt, daß sich die mit besonderer Feierlich keit abgegebene Erklärung des Verthcidigcrs auf Thiel im Allgemeinen bezog. — vr. Sello: Ich habe keine derartige Erklärung abgegeben, wiederhole aber nochmals, daß ich weder dircct, noch indirect, weder mündlich, noch schriftlich, noch sonst irgendwie solche Berichte Thiel's gekannt oder von ihnen gehört habe. Vors.: Es wäre doch wohl angezeigt gewesen, zu sagen: Ich wußte im Mär, schon, daß Thiel «in bestochener Beamter war. — vr. Sello: Dann würde ich die Obliegenheiten meines Amtes aus das Gröblichste verletzt haben. Meine Erklärung bezog sich lediglich auf die angebliche Mittheilung Thiel's an Herrn Stierstädter. Vors.: Es wäre doch mindestens Pflicht gewesen, irgendwie auf da» Gebot der Amtsverschwiegenheit hinzuweifen. Bei der be sonder» feierlichen Art macht« es doch den Eindruck, al» od d« Vertheidiger fest von der Unschuld Thiel's überzeugt sei, und vielleicht hat der Staatsanwalt auch gerade mit Rücksicht hierauf von der sofortigen Verhaftung Thiel's damals Abstand genommen. Staatsanwalt Braut: Ich habe nur zu bemerken, daß bei der Frage, ob ich Jemand verhafken oder nicht verhaften soll, mehr oder weniger feierliche Erklärungen der Ber- theidigung auf mich keinen Eindruck machen Rechtsanwalt vr. Wert Hauer erbittet sich daS Wort: D«r Herr Vorsitzende hat sich etwa dahin geäußert, daß eine Spur des Verdachts, von amtlichen Berichten des Thiel Kenntniß gehabt iu haben, bestehen bleiben würde, wenn nicht die Unmöglichkeit nach gewiesen würde. Ich bin in der Lage, die Unmöglichkeit nach- zuweisen. S viel ich weiß, soll Thiel den Besuch bei »er Callis im Januar gemacht Haden; ich bin erst viel später überhaupt in di« Vertheidigung «ingetreten, habe von Thiel keine Ahnung gehab», ich Hobe keine feierliche Erklärung abgegeben, hätte sie aber aufs Feierlichste abgebcn können, weil mir nicht das Geringste davon bekannt war, ivas Thiel mit Luppa vorhattc. Mir ist nicht ein einziger Bericht Thtel'S zu Gefickt gekommen, ich weiß kei§ Sterbenswort von dem, waS Thiel mit Luppa abgemacht hadav soll, ich habe nie einen Bericht gesehen, der mir auch nur im -nl- ferntesten den Gedanken nahe legen konnte, daß er von amtlicher Seite herrührte. Ich habe mich dem Gerichtshöfe gegenüber schon neulich durchaus bereit erklärt, über Alles glatt Auskunft zu ge/oe«. Rechtsanwalt Fuchs: Wer Herrn Stierstädter auf Grund seiner überraschenden Mittheilungen an dem betreffenden Lage scharf angegriffen hat, war nicht College Sello, sondern ich. Meine Entrüstung war optima licke ausgedrückt, denn ich habe mt» nicht Vorsteven können, daß so etwas überhaupt denkbar fei. Ich glaubte, daß dabei vielleicht ein Mißverständniß obwaltecke. Wir werden hier mit einer außerordentlich schweren Beschuldiguua be lastet und bitten, uns doch zunächst mitzutheilen, was an THat» jachen vorliegt. Vors.: Ich habe keine Beschuldigung erhoben, sonder» halte es nur für meine Pflicht, diese Dinge hier aufzukläre». Staatsanwalt Brant: Die Herren Vertheidiger konnten mit Vorstrafenverzeichnisse u, Wohnungkre Zistern auswarten; Thiel hat zugestanden, daß er solche an Luppa gegeben hat, und jeder vernünftige Mensch muß sich doch sagen, daß er diese Dinge nicht in der Tasche behalten, sondern an die Bertheidiger weiter gegeben hat. Vors.: Thiel hat auch gestern bei der Confrockitation mit dem Justizrath Sello vor dem Untersuchungsrichter ausdrücklich gesagt, er habe im März dem Or. Sello ge. sagt, daß er bestochen sei. Thiel hat sich auch erkundiszt, ob durch vr. Sello schon der Eid geleistet fee, und sich glücklich geschätzt, daß dies nicht der Fall sei. Ich habe dies hier zur Sprache bringen müssen. Rechtsanwalt Fuchs: Wenn Thiel nichts we.iter geliefert hat, als Vorstrafen und Wohnungsregister einzelner Zeugen — woher sollte denn wohl die Vertheidigung sehen, daß dies von amtlicher Stelle komme? Nichts berechtigt zu dem der Vertheidigung g« machten schwerwiegenden Vorwurf. Ich habe saächc Berichte nie ge sehen und nie empfangen, aber selbst wenn ich erfahre, wo Herr D oder Herr V- wohnt, so würde ich doch wie auf den Gedanken gekommen fein, daß dies von einem Beamten herrührt. Justizrath Sello: Ich bitte, mich als Zeugen zu vernehme«. Ich habe nie Mittheilungcn über Vorstrafe,; der Zeugen erhalten, meine Angaben über die Vorstrafen der Schnörwange und der Ehlert beruhen auf meinen Notizen aus der ersten Verhandlung. -- Rechtsanwalt vr. Werthaucr: Vor'/trafen- und WohnungS- register können doch sehr leicht auch von Detectivs erkundigt werde«. Ich bin seit acht Jahren Vertheidiger nwd habe auch noch nicht eine einzige disciplinarc Rüge erhalten. Die Vertheidiger würden nicht mehr im Saale fungiren können, wenn ein solcher Verdacht weiter auf ihnen ruhen sollte. Die Rechtsanwälte Heinemann und Wronler schließen sich den Erklärungen deS Rechtsanwalts Fuchs an, ebenso Rechtsanwalt vr. Mendel, der noch darauf hinweist, daß er erst kurz vor dieser Verhandlung mit in die Ber- theidigung eingetretcn ist. Der Vorsitzende erklärt nochmals, daß er gar keine Vor würfe erhoben, sondern nur feine Pflicht erfüllt habe, diese Dinge möglichst aufznklären. Aus dem Geschäftsverkehr. k Schulstraße 12, an der Promenade, ist uuter der Firma: Deutsches Colonialhaus, Ludwig Reinhard, von Herrn Rein hard ein Geschäft eröffnet worden, in welchem die Erzeugnisse unserer Colonien zum Berkaus gelange». Herr R. steht schon seit vier Jahren in der colonialen Bewegung und kennt unsere Colonien durch jahrelangen Aufenthalt in den Tropen. Interessant find die Photographien, Briefe von Eingeborene» und Waffensammluage», welche Herr R. aus Jaunde (Hinterland von Kamerun) mitgebracht hat, und die im Geschäft zur Auslage gelangen. Eine Besichtigung derselben ist sehr zu empfehlen, wie auch Jedermann anzurathea ist, seinen Bedarf durch deutsche Colonial-Erzeugnisse zu decken, welche ebenso gut und billiger sind, als die der fremdländischen Colonien. k Wir nehmen jetzt kurz vor dem Weihnachtsfeste Gelegenheit, die feit einer Reihe von Jahren unter der Firma KönigSbazar (Inhaberin Frau Margarethe Stakst) bestehende Luxus, und Spiel» waareuhandtuug König-Platz Nr. 17 und Wächterstraße 12 beim Einkauf von Weihnachtsgezchenken in empfehlende Erinnerung zu bringe». Diese Firma ist stet- bemüht, daS Neueste der gesammten Kurz«, Galanterie« und Spielwaarenbrauche in geschmackvollen und soliden Fabrikaten in ihren großen Verkaufsräumen zur Schau zu stellen und ist rin Besuch der Weihnachtsau-stellung sehr lohnend. Auch Wächterstraße Nr. 12 hat diese Firma eine weitere große Ausstellung besonders von Spielwaarea jeder Art veranstaltet. ? Belehrende und unterhaltende Apparate und Instrumente auf den Gebieten der Elektricität, Mechanik, Optik «ud Pbyfik für die Heranwachsende männliche Jugend findet man in reicher Auswahl in O, H. Meder'S WeihnachtS-AuSftellnng. Eiu umsaugrricher Weihnachts-Katalog, 135 Seiten stark, mit b35 Abbildungen, int- haltend Artikel für die Jugend, welcher Erwachsenen gratis Ver abfolgt wird, unterrichtet uns über die Fülle des Gebotenen. k Ltta Pahley, Brühl 5, Optisches Institut und Näh. maschiuenlager, bringt recht elegante Neuheften in Opern, gläsern, Barometern, Brillen- und Klrmmersassuoge» zu soliden Preisen in den Handel, weshalb wir nicht verfehlen möchten, aus dieses solide Geschäft aufmerksam zu machen. Herr Pohleh hat 32 Jahre lang ununterbrochen in einer Stellung gearbeitet, was jedenfalls ein glänzender Beweis für seine Tüchtigkeit ist. Obschon er erst kurze Zeit etablirt ist, so ist es an dem regen Zuspruch, den daS junge Geschäft genießt, ersichtlich, mit welcher Solidität gearbeitet wird. Herr Pohley bat außerdem noch die Niederlage der weit uud breit berühmten Psaff-Nähmaschioen und möchten wir unser« Leser ganz besonders noch hierauf Hinweisen. belmMk 8eiä.-Me M. 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