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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.12.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-12-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001222029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900122202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900122202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-12
- Tag1900-12-22
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Äinisötatl des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Rattzes und T>olizei-Ämles der Ltadt Leipzig. Sonnabend den 22. December 1900. Anzeige«-Pret- die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redaction»strich (4 gespalten) 7b vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Aunahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags IO Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei de« Filialen und Annahmestelle« je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet oon früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag vo« E. Polz i» Leipzig. 94. Jahrgang. Die Wirren in China, vin Besuch bei Li-Hung-Tschang. Ein Berichterstatter der Nachrichten-Expedition des Deutschen Flottenvereins schreibt aus P c - ling, I. November. Heute Nachmittag stattete ich Li-Hung-Tschang meinen Be such ab, zu dem ich mich schon vor einigen Tagen bei seinem Sekretär, einen Herrn Tseng, der sehr gut englisch spricht, hatte anmelden lasten. Seine Excellenz, wie er allgemein genannt wird, bewohnt ein sehr unscheinbares Haus, in cmem großen Tempel, welcher gerade gegenüber dem großen Arsenal liegt, das zur Zeit von der deutschen Cavalleric und Artillerie besetzt ist. An dem Eingänge zu seinem Wohnhaus befindet sich eine Wache, die von den Rusten gestellt ist. Im Hofe wimmelt es von Dienern und Bittstellern aller Art, während der Eingang zu den Empfangsräumen durch chinesische Soldaten aus der persönlichen Leibwache besetzt ist, die jedoch keine Waffen tragen und von kleiner Statur sind. Nach meiner Anmeldung empfing mich ein Chinese, der sehr gut deutsch sprach und der mir dann als Dolmetscher diente. Ich wurde sofort zu Seiner Excellenz geführt, welcher mich in seinem Jamen empfing, der ihm als Wohnraum dient. Der selbe^ ist sehr einfach ausgestattet, viel einfacher, als man solche Wohnungen jetzt bei den hier in Quartier liegenden Officieren sieht, die ihre Einrichtungen meist den Wohnungen reicher Kauf leute entliehen haben. Nachdem Li-Hung-Tschang mir die Hand gedrückt hatte, nahmen wir am Tische uns gegenüber Platz, mir wurden Ciga retten und Thee auf chinesische Art gereicht, während er sich mit einer Pfeife begnügte, die aber nur wenige Züge erlauot und die dann öfters im Gespräche erneuert werden mußte. Da es heute schon empfindlich kalt im Schatten ist, und die chinesischen Häuser sich schlecht Heizen lasten, so trug der alte Herr einen dicken Pelz, nur ein großer Brillant, von Edelsteinen eingefaßt, welcher in der Mitte seines seidenen Käppis faß, wie wir die Kokarde tragen, ließ äußerlich den hohen Rang er kennen. Li ließ mich die ganze erste halbe Stunde gar nicht zum Worte kommen, sondern fragte mich, stets seine klugen Augen auf mich geheftet, als ob er mir im Innern dec Seele lesen wollte.. Nachdem ich ihm mit vieler Mühe den Zweck der Nachrichten- Expedition des Deutschen Flottenvereins klar gemacht hatte, den er durchaus wissen wollte, fragte er mich, ob ich den Marschall und auch den neuen Gesandten, Herrn von Mumm, kenne, ob ich Officier sei, wie alt ich wäre, kurzum, das reine Examen. Dann fing er plötzlich ganz unvermittelt an, sich darüber zu beklagen, daß die deutschen Soldaten in die Häuser der Chinesen gingen, auch Sachen dort wegnähmen, so daß eine Menge Chinesen Klagen darüber jeden Tag einbrächten. Da vom deutschen Commando aufs Strengste verboten ist, irgend etwas zu requiriren, ich auch nicht weiß, inwiefern diese Klagen irgendwie auf Wahrheit beruhen, ging ich darauf nicht ein, konnte aber nicht umhin,' ihm zu versprechen, daß ich dies nach Deutschland berichten wolle. Er kam im ganzen Verlaufe der Unterredung immer auf diesen einen Punct zurück, und betonte, daß ihm sehr viel an dem guten Einvernehmen zwischen Deutschland und China liege. Li kam dann auf seinen Besuch in Berlin zu sprechen, wobei er mit großer Dankbarkeit der großen Freundlichkeit des Kaisers und der Kaiserin gedachte, auch des Prinzen Hein rich, der stets sehr gut zu ihm gewesen sei, dachte er in großer Verehrung. Er ließ mir anknüpfend hieran sagen, daß er Alles, was er thun könnte, für uns Deutsche thun würde, doch hoffte er auf die Ehrlichkeit Deutschlands, und daß die deutschen Soldaten nicht mehr hier in Peking die Chinesen angreifcn sollten. Es sind dies die Worte des Dol metschers wortgetreu. Ich betonte hierauf die Unverschämtheit einzelner chinesischer Räuberbanden, die sich nicht entblödeten, hier mitten in der Stadt deutsche Soldaten in der Nacht anzugreifen, und daß solche Dinge dann stets Repressalien im Gefolge hätten, worauf er mir sagte, daß er es bei solchen Angriffen sehr recht fände, wenn die deutschen Soldaten die Chi nesen über den Haufen schössen. Nun kam ich mit meinem Fragebogen an die Reihe. Die erste Frage galt natürlich dem muthmaßlichen Gange der Friedensverhandlungen, doch wollte der kluge Herr nicht recht mit der Sprache heraus, denn er markirte den Un wissenden und meinte, daß dieselben bald anfangen würden, ob aber bald, d. h. noch vor Winter irgend ein Abschluß zu erwarten sei, könne er nicht sagen. Auf meine Frage, ob der K a i s e r v o n C h i n a und wann nach Peking kommen würde, meinte Herr Li, daß derselbe im nächsten Frühjahr hierher käme. Wahrscheinlich denkt Herr Li-Hung-Tschang, daß bis zum nächsten Frühjahr alle weißen Teufel entweder durch die Boxer vernichtet oder durch Krankheiten aufgeriebcn sind. Daß der Kaiser wirklich hierher kommt, wenn die fremden Truppen noch hier sind, ist doch sehr unwahrscheinlich. Als ich hiernach das Gespräch auf die eventuelle Bestrafung des Prinzen Tuan brachte, und fragte, wo er sich aufhiclte, setzte sich Herr Li aufs bobe Pferd und meinte, ein kaiserlicher Prinz könne nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Auch sei er gar nicht mehr am kaiserlichen Hofe, sondern in die westlichen Provinzen gegangen. 2b diese Flucht des Boxerprinzen nach Schensi wahr ist, möchte ich bezweifeln. Auch wegen der „Rechenschafl" wird sich Herr Li hoffentlich stark verrechnen. Am letzten Sonntage batte sich hier in Peking das Gerücht verbreitet, daß Li-Hung-Tschang alle zur Zeit hier anwesenden Großwürdenträger des himmlischen Reiches zu einer Conferenz versammelt hätte, und dieselben dann mit besonderen Aufträgen an den Kaiser bezw. die Kaiserin gesandt hätte. Da mich dies intereffirte, ob dieses Gerücht mit etwaigen Friedens-Vorschlägen zusammenhing, so brachte ich die Rede darauf, doch Herr Li that ganz unbefangen, und meinte, daß es zur Zeit in Peking keine Ministerien gäbe, und daß die hohen Beamten darum gezwungen seien, sich zu Berathungen und Amtshandlungen in Tempeln einzusinden. Allerdings seien einige hohe Beamte nach Ta-yan-fu gereist, doch nur, um die laufenden Vorträge zu halten, oder um den Kaiser, der fast keine Räthe bei sich hätte, zu unterstützen. Zum Schlüsse erkundigte sich seine Excellenz noch eingehend nach den Familienverhältnissen des F e l d m a r s ch a l l s, der ihm sehr zu imponiren schien, und betonte nochmals, daß er für seine Person Alles thun möchte, um gute Beziehungen zu Deutschland wieder herzustellen. Da er als Bevollmächtigter nun vom Kaiser anerkannt ist, wird er ja bald in der Lage sein, die Aufrichtigkeit seiner Ge sinnung Deutschland gegenüber zu beweisen, denn Worte sind be sonders hier im Lande der Phrase billig zu haben. Nachdem ich dem alten Herrn noch über sein wirklich frisches Aussehen und seine geistige Frische mein Bewundern ausgedriickt hatte, brach ich nach einstündiger Unterredung mit dem Bewußt sein auf, daß ich n i ch t v i e l k l ü g e r w i e v o r h e r w a r. " Petersburg, 21. December. Aus vtll heute veröfsentlichten Gencralstabsberichlen ist zu melden: Am 24. November wurde zur Vernichtung räuberischer Tungusen banden eine Ab teilung Kosaken mit zwei Geschützen unter dem Commando des Oberstleutnants 2 kerskY von Chardin abgesandt. Am 29. No vember wurden die Tungusen bei Tschunsau-Vaofu mit bedeutenden Verlusten zuriickgeschlagcn, worauf die russische Abtheilung nach Chardin zurücktehrte. Am 3. Tccembcr besetzte die Vorhut des Generals Stack el berg Ninja Tschuan. Ta sich in Folge dessen die letzte» organisirten chinesischen Truppen bei Taguschan am koreanischen Meerbusen sammelten, rückte General Stackelbcrg gegen jene Stadt vor und besetzte nach anstrengenden Märschen dieselbe am 5. Tccember. Tie chinesischen Truppen flüchteten und ent kamen auf chinesischen Schiffen. Im ganzen Bezirk ist damit die Ruhe hergestcllt; reguläre chinesische Truppen sind daselbst nicht mehr vorhanden. London, 22. Tccembcr. (Telegramm.) Ten „Tailh News" wird aus Shanghai unter dem 21. December berichtet: T s ch a n g - t s ch i - t u n g theilt mit, er habe ein Edict erhalten, in dem gestattet wird, den Hafen von Wntschau dem fremden Handel zu öffnen. Tic chinesischen Blätter berichten, der A u s st a n d d c r M a h o m c d a n e r i n K a n s u nehme einen ernsten Anstrich an. Oer Krieg in Südafrika. Tic Bocrcn i» der Capcolonie Der „Globc" läßt sich von seinem militärischen Mit arbeiter FolgenbeS berichten: „Die heutigen Nachrichten von Südafrika lauten in An betracht der möglichen Cvnseqncnzen sebr beunruhigend und beweisen auss Neue, daß die Boeren nickt nur auf Basis sorg fältig und geschickt angelegter Pläne operiren, sondern auch nock in activcr Verbindung mit der Außenwelt stehe». — Wo De Wet angeblich nicht zum Ziele kommen konnte, haben weniger renommirte Boerensübrer bessern Erfolg gehabt, wahrscheinlich, weil sie nicht so sorgfältig von unser» Generälen im Auge behalten wurden wie der erstere, und weil sie kleinere Ab- theilungen commandirtcn, deren Bewegungen leichter zu verbergen waren. Commaudant Hertzog, der bekannte Oberrichter des Oranje-FreistaateS, ist in der Nachbarschaft von Knapdaar zwischen Albert-Jungtio» und Bethulie in die Capcolonie eingedrungen. Knapdaar liegt nur ungefähr 12 englische Meilen von Aliwal North und vielleicht doppelt so weit von BurgberSdorp, und somit befindet sick Heitzog mitten in einem Bezirke, in welchem die Unzufriedenheit und die Unruhe der Capholländer hohe Wogen schlägt, und welcher bereits viele kriegerische Operationen gesehen hat. Eine kleinere coloniale Abtheilung englischer Truppen ist bereits geschlagen worden, und soweit dis jetzt bekannt ist, hat General Macdonald ebenfalls genug zu thun, um sich die Boeren vom Halse zu halten. — Der andere Punct, an welchem der Feind die erfolgreiche Invasion ausfübrte, ist die Stadt Pbilipstown, welche ca. 20 Meilen von Hunt-Kraal, einer Station an der De Aar-Capstadt-Eisenbahn, gelegen ist. Pbilipstown ist der nördlickste Punct eines Dreiecks, dessen Grundlinie von De Aar nach Naauwport geht und ist somit ein Platz von größter strategischer Bedeutung, um so mehr, als auch dieser District wie alle Grenzbezirke vollständig von dem Geiste deS AfrikandertbumS durchseucht ist. ES ist schwer zu sagen, wie sich die Capbolländer als ein geschlossenes Ganze verhalten werden. Während der ersten Invasion der Capcolonie durch die Boeren haben «ur vcr- bältnißmäßig wenige dieser Leute rebellirt, aber leider sind sie in den letzten Monaten durch die Verhetzungen der Bond- Organe und durch die Intriguen der vielen kriegsgefangenen Boeren, die auf Parole freigelassen wurden, gründlich auf- gestackelt worden. Ucberdies herrscht gerade jetzt unter den Holländern eine besonders große Erbitterung wegen der verschiedenen Berurtheilnngen von Rebellen, die in der letzten Zeit stattgefunven haben, sodaß, wenn die Eindringlinge auch nur mit dem geringsten Erfolge weiter operiren können, sie jedenfalls großen Zulauf an der ganzen Grenze von Palmietfontein bis hinauf nach Mafekmg werden verzeichnen können. — Die Führer der Afrikander-Bond- Partei sind wahre Meister in der Kunst politischer Finesse und tragen zum großen Tbeile die directe oder indirecte Ver antwortung für die umfangreiche Unrast und Unzufriedenheit, welche jetzt die Operationen der eingedrungenen Boeren wahr scheinlich außerordentlich erleichtern werden. — Es wird daher in der Hauptsache vielleicht Alles von dem Resultat des nächsten entscheidenden Kampfes mit den Eindringlingen ab hängen. Bevor diese Complicationen eintraten, war eS offenbar der Plan des Lord Kitchener, erst General De Wet mit seine» Truppen niederzuwerfen und aus dem Wege zu räumen, und sodann den Oranje-Freistaat durch vollständige Occupation derartig zu sichern, daß seine rückwärtigen Ver bindungslinien nickt mehr gefährdet werden könnten. In- zwisckeu sollte dann in Transvaal durch eine defensive Politik der Feind endlich dahin gebracht werden, daß er an Hand mangelnder Verpflegung unv ermüdender Inactivität sich von der Aussichtslosigkeit nutzloser Angriffe und Kämpfe gründlich überzeugte. Kitchener wird vielleicht immer noch ini Stande sein, diesen Plan durchzuführen, wenn nickt etwa die Situation in der Capcolonie derartig ernst wird, daß seine ganze Armee für die Zuführung der notbwcndigen Verpflegung«- und AuSrüstunzsmittel einzig und allciu auf eie Natal-Eisenbahn angewiesen sein würde. — Jedenfalls scheint aber das Eine ganz klar zu sein, daß die Boeren, soweit es von ihnen selbst abhängt, niemals wieder in festen Positionen sich unfern Truppen entgegenstellen werden. Ihre einzige Hoffnung auf Erfolg besteht darin, daß sie ganze Serien von kleineren Ueberfällen unv Streifzügen auSführen, wo durch sie unsere Truppen fortwährend belästigen und sich selbst die nöihigen Vorräthe an Nahrungsmitteln, Kleidungs stücken, Munition und Pferden verschaffen." tsapftadt, 21. December. („Reuter's Bureau.") Die an der Bahnlinie bei Houtkraal im Norden von Teaer befindlichen Boeren sind von Aeomanrys gestern vertrieben worden. Die Engländer hatten keine Verluste. Die Boeren wandten sich nach Westen. Eine starke Patrouille ging auf Philip stown vor, um sich zu vergewissern, ob es noch von den Boeren besetzt sei. Die Boeren hatten in Houtkraal den Abzugscanal in die Lust gesprengt und den Telegraphen zerstört. Schwere Regen güsse störten in der Nähe von RoSmead die Function der Bahn linie auf 150 Dards. Offenbar sind die Boeren nicht vertrieben worden, sondern sind weiter gezogen, nachdem sie gethan hatten, was sie thun wollten. * London, 21. December. Das Kriegsamt giebt bekannt, daß es angesichts der allgemeinen Lage in Südafrika beschlossen habe, nächste Woche 800 Mann berittener Infanterie zu entsenden. Zwei Regimenter Cavalierte gehen ab, sobald 2f Rauhfroft. Novelle von I. Fichtner. Nachdruck verbvieu. „Weich' ein Kind!" dachte der junge Mann und schlang nun ohne Weiteres seim starken Arme um die bebende Gestalt, hob sie empor und trug sie sicheren Schrittes dem Aufgang zu. — Sie hatte im jähen Schreck die Augen geschloffen und wagte nicht mehr auf zusehen. Dafür aber senkte er um so öfter das Auge nieder, mit heißem Herzschlag ruhte es auf dem lieben, süßen Kinder gesicht, und wie zufällig streifte sein Mund das duftige, dunkel blonde Haar, das aufgelöst über seine Brust und Schulter hin weghing. Derart aber, doch zärtlich und sorgsam wie ein Bruder, für welchen cr auch von der Menge gehalten worden, hielt er sie in seinen Armen fest und ließ die leichte Last nicht mehr von sich, bis ein Dienstmann eine Droschke herbeigerufen und Elli darin untergebracht war. Nun erst traf ihn ein dankbarer Blick, und ob auch der festgeschloffene Mund keine Silbe htnzufügte, so sprang er doch, di« ganze schimmernde Welt hinter sich lassend, ebenfalls mit in den Wagen und setzte sich ihr gegenüber. „Eie können mich nicht fortweisen, gnädiges Fräulein", s so kämpfte er den stillen und doch bemerkbaren Protest nieder, „es möchte sich zu dieser Stunde kaum rin Arzt finden, der Ihnen Pie nöthige Hilfe leistet. Zum Glück bin ich mit meinem Studium so weit, um Ihnen erfolgreich beizustehen — hoffent lich ist e» nicht allzu schlimm. Wo ist Ihre Wohnung, wenn, ich bittcn darf?" Elli nannte dieselbe nicht ohne ein peinliches Errvthen, s und er rief sie dem Wagenführer sm. Es dauert« eine geraume I Zeit, die sie über Straßen und Plätze hinwegfuhren, und da sie einander gegrnübersaßen, fand Jeder Muße genug, sich in des Anderen Anblick zu versenken, um so mehr, als die Situation nicht geeignet war, eine kurzweilige Unterhaltung anzuknllpfen. Und «S war wunderbar, wie dem Phantasiegrbilde der süßen, verschwiegrnen Mädchenträume Elli's dieses vor ihr sitzende Original so ganz und gar entsprach; schön, ritterlich, liebens würdig, voll zarter, sorglicher Aufmerksamkeit, gerade so hatte sie sich ihren Holden gedacht. Km süßer Schauer durchzitterte das junge Herz, das noch ahnungslos dem schimmernden Rauhfrost des Lebens gegenüber stand. Er aber dachte, welche Seligkeit muß es sein für den starken, selbstbewußten Mann, seiner Obhut und Sorge ein so süßes, wonniges, vertrauensvolles Wesen unterstellt zu wissen, es zu hüten und zu hegen für Haus und Herz, es seiner harrend zu finden, wenn er vom Sturm des Lebens heimkehrt. Und er beugte sich vor, um von ihrem Athem berührt zu werden, und seine warme, starke Hand suchte nach den feinen, fibrirenden Fingerspitzen. Draußen aber löste sich Tropfen um Tropfen, die schillernve Pracht und .Herrlichkeit. Sic konnte das leuchtende Gestirn des Tages auf die Dauer nicht ertragen, und wie in aber tausend Thränen sank sie von Baum und Strauch zur Erde nieder. II. - Wieder liegt draußen die Welt grau und farblos in dumpfer Oede und Eintönigkeit; — drinnen aber, in dem kleinen, engen Zimmer blüht ein ganzer Frühling von Liebe und Zärtlichkeit. Es ist kein zierliches, elegantes Boudoir mit bauschigen Seidendraperien voll süßen, sinnverwirrenden Duftes, wo Elli das Zwangslager ihrer Freiheit aufgeschlagen, nein, ein ein faches, fast dürftig ausgestattetes Zimmer im Erdgeschoß eines der Vorstadt nahen Hauses hat den angehenden Arzt mit seinem Patienten ausgenommen. Nun liegt sie schon beinah« acht Tage auf dem Sopha, das arme, gebrochene Füßchen sorgsam ver hüllt und gestützt, ebenso den zierlichen Kopf mit dem regel losen, blonden Haar und dem von der Zimmerluft blaffen Ge sichtchen. Unter dem kalten Umschlag auf der Stirn, den ihr die Mama durchaus aufgezwungen, well sie zu bemerken glaubt, daß Elli Fieber hgbe, glänzen und leuchten trotzdem die großen, klaren Augensterne in so freudiger Erwartung, wie die eines Kindes vor der Christbescheerung. Ach, wie ist sie glücklich, trotz des Unglücks! Und dankbar dafür, daß, als sie mit furchtsam scheuem Blick bei dem Ein tritt in die armselige, einfache Wohnung nach der Enttäuschung in seinen Zügen gesucht, eine solche gar nicht gefunden, dafür aber die wärmste und tröstlichste Theilnahmr für die erschreckte Mutter in Wort und That sich kundgab. Mit eigener Hand hatte er den Schub von dem geschwollenen Fuße abgestreift, diesen eine Stunde lang mit nassen Compreflen umwickelt und dann so sorgsam und kunstgerecht verbunden, wie ein Professor der Chirurgie. Und anderen Tages hatte er zum Ueberfluß noch einen richtigen Arzt mitgebracht, aber der fand nichts mehr zu thun, es war Alles aufs Beste besorgt; der hatte ihr nur teilnehmend die Wange gestreichelt und sie bedauert, daß sie nun eine Ge fangenschaft von drei, vier Wochen würde aushalten müssen. Damit war es nun aber gar nicht so schlimm, wie sie zuerst selbst befürchtet. Die unberechenbaren Launen des Winterwetters hatten schon am nächsten Tage die Eisbahn zerstört. Das einzige Vergnügen, das ihr der Winter brachte, war so wie so dahin. Dann war es so angenehm und herzlich wohl- thuend, sich in solch zärtlicher und liebevoller Weise pflegen zu lassen, wie das die liebe, gute Mama verstand; selbst Lottchen, die kleine wilde Hummel, erwies der kranken Schwester die zärt lichste und drolligste Aufmerksamkeit, indem sie in den weichen Filzschuhen auf den Zehen balancirte, ihre Helle Stimme zum Flüsterton dämpfte und ihr die vorjährige Puppe großmüthig zur Gesellschaft aufzwang. All' dies wirkte so beglückend und an heimelnd auf das junge Mädchen, besonders auch darum, weil es sich einmal so recht zu Hause fühlte, nicht in das Seminar zu gehen und die paar Stunden daheim sich nicht mit Schularbeiten abzuplagen brauchte. Und was nun die Schmerzen in dem verunglückten Gliede anlangte, so waren sic jetzt zu ertragen; sie spürte dieselben gar nicht, wenn — wenn ... Es klingelt an der Entrsethür, ein freudiger Schreck durchzuckt das Mädchen; mit einer Hand reißt cs den Umschlag von der Stirn, mit der anderen erfaßt es hastig den an seiner Seite ruhenden steifen Puppenbalg, denselben der kleinen Lotte entgegenstreckend: „Nimm doch, nimm, schnell, schnell!" Aber Lottchen steht verständnißlos, etwas be leidigt und rührt sich nicht, die großen Kinderaugen schauen ungläubig drein — es ist unmöglich, daß Jemand ihre „Aelteste" verschmäht. Da — ein energischer Ruck, und das leise, leblose, kleine Ungethllm fliegt geradewegs — dem eintretenden „Doctor" an den Hals. „O, o, solch ein stürmischer Empfang!" lachte er, das corpus ckelieti festhaltend und in Elli's gluthübergossenem Gesichtchen sofort die Attentäterin herausfindend. ,/So war es nickt gemeint — es galt Lottchen", suchte sie sich zu entschuldigen, während die Kleine schon jauchzend an dem Ankömmling emporspringt. „Aber Kinder — Kinder — was fällt Euch denn ein? Schämt Ihr Euch nicht?" wehrt die Mutter, und es ist ihr doch selbst, als sei auf einmal das dunkle Zimmer von einem Sommer tag durchwärmt und durchleuchtet. Wie sie ihn siehr, den stattlichen, jungen Mann, ein Bild voll Leben und Gesundheit, ihren Liebling auf dem Arme, der sich dort so sicher und geborgen fühlt, wie am Herzen eines Vaters, da athmet Vie blasse, schwache Frau auf wie von einer unsicht baren Last befreit, und eine leise, frohe Hoffnung faßt Wurzel in dem einsamen, verschwiegenen Herzen. Ja — sie sind schnell gute Freunde geworden, cr und die kleine Lotte, und wahrend er sie festhält, und diese ihr weiches Aermchen fest um seinen Nacken schlingt, ruhen seine lustigen Augen auf Elli, die sich auf ihrem Ruhelager zusammenduckt wie ein gefangenes Vögelchen. „Sie belästigt mich fortwährend mit diesem Monstrum!" grollt sie leise. „Kann sie nicht froh sein?" fragte Lottchen mit innigster Ueberzeugung ihren Freund. „Ich denke ja! So was Apartes!" Und er bewundert allen Ernstes, mit voller Hingabe, wie eine liebevolle Kinderfrau das kleine Scheusal, welchem Lotte nach seinem Beispiel eine Bandage um die eine leere Augenhöhle gewickelt hat. „Du könntest hier ja ein neues machen", spricht sie, mit dem Fingerchen den Verband an tupfend. ' „Ja, wenn ich so geschickt wäre. Aber weißt Du, packe mir Dein unglückliches Kind ein, ich nehme es mit zum Puppen- doctor, der hilft sicherlich!" Er setzt sie nun hinunter und Lottchen ist entzückt; das Mutterherz aber fliegt ihm voll inniger Dankbarkeit entgegen. Nun kommt der kranke Fuß an die Reihe, ob der Verband noch fest, die Lage eine richtige ist, und ob Elli ^ioch etwa besondere Schmerzen darin spürt. „Ganz und gar nicht", behauptete sie, „ich glaube, ich könnte doch etwas sitzen, das fortwährende Liegen ist schon lästig." Sie sieht auch jetzt nicht im Geringsten wie eine Kranke aus, sein forschender Blick in ihr belebtes, nun rosig überhauchtes Gesichtchen sagt ihm, daß sie es wohl aushalten könne. „Aber ja vorsichtig", bedeutete er, und ohne Weiteres, denn die Mutter ist zu schwach dazu, hebt er sie empor, leise und behut sam, wie man ein Kind hebt, setzt sie bequem in eine Sophaecke und stützt den leidenden Fuß mit einem Aufwand von Kiffen und Tüchern, die von der Mutter hrrvorgesucht und von Lottchen herbeigeschleppt worden. Ellt's schöne Augen schimmern in feuchtem Glanze, so viel Liebe und Aufmerksamkeit hat sie im Leben nicht genossen, und ihr heißes, leidenschaftliche» Herzchen hat stets danach gelechzt. „Sitzen Sie nun aber auch ganz bequem und sicher?" forschte der sorgsame Arzt. „O, so schön und sicher, wie in Abraham'S Schooß", erwiderte sie scherzend. „Gut so", lächelt er. „Aber was beginnen wir nun? Es ist heute Sylvesterabend!" — In der That ist der frühe Abend schon hereingesunken, und Mama zündet eben die Lampe an.
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