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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.10.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011003018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901100301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901100301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-03
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Donnerstag den 3. October 1901. Anzeige«-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile L5 Reelomeu unter d«m RedacrtonSstrüy (»gespalten) 7S vor den Famllienuach richte» (»gespalten) KV Tabellarischer und Ztff«rusatz entsprechend höher. — Eebübreu für Nachweisungen a»d Offertenannohm« SS (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzy, »ur mit der Morgen«Äuraabe, ohne Postbeförderun- 4l 60.—, mit Postbeförderuug 70.—» Ännahmrschluß für Anzeigen: Abead-Ln»gab«: vormittag» 10 Uhr. Mor-on-LnSgai«: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen »ad Annahmestellen jo eins halbe Stande früher. Anzeigen Pad stet» an di« Expedition za richt«. Di« Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh S bi» Abend» 7 Uhr. Druck and Verlag von E. Polz in Leipzig SS. Jahrgang. Die Leschlüsse des deutschen Handelstages. L2 Den Versammlungen, wie sie der deutsche Handelstag, der Handelsvertrag-Verein, vom Verein für HanvelSfreiheit nicht zu reden, in jüngerer Zeit in Berlin abgehalten haben, hat kein freundlicher Stern geleuchtet. Und die außerordent liche Vollversammlung des HandelStageS, die am Montag stattfand, ist nicht glücklicher gewesen. Sie endete auf eine höchst eigenthümliche Weise, die man, je nach Temperament, ungehörig oder komisch finden kann, die aber jedenfalls un geeignet ist, dem Ergebniß einen Einfluß und zwar einen wohlthätigen Einfluß in dem Deutschland jetzt erregenden bandelspolitischen Streite zu verschaffen. Wir bedauern diesen AuSgang aufrichtig, denn der deutsche HandelStag sollte als die oberste corporative Vertretung von Handel und Industrie im Reiche zu einer Zeit Autorität genießen und verdienen, wo die für die Land wirth schäft von Reich und Einzel staaten geordneten Vertretungen mit weitgehender, um die Existenzbedingungen der anderen Erwerbsstände wenig bekümmerter Begehrlichkeit Klarheit und Zielbewußtsein verbinden. Eine starke Einseitigkeit, daS kann nicht verkannt werden, ist auch in der vorgestrigen Versammlung an die Oberfläche gelangt; wegen des Mangels jener die Agrarier auSzeichnenden beiden Eigenschaften mußte sie dem Handels tage zum Unheil ausschlagen. Dem Handelstage lag in dem sogenannten Bochumer An träge ein zwischen den von ihm vertretenen Erwerbsständen und der Landwirthschaft vermittelnder Vorschlag der nota belsten Handelskammern von Rheinland und Westfalen vor, von dem sich auch der wichtige industrielle Kammerbezirk Osnabrück nicht ausschloß. Das neben Sachsen, daS sich in Berlin nicht geregt zu haben scheint, industriell bedeutungs vollste Gebiet Deutschlands hat mit seinem Anträge und in dessen Begründung durch Or.Beumer erklärt, daß eine wesent liche Erhöhung der landwirthschaftlichen Zölle mit den Inter essen der Industrie nicht unvereinbar fei. DaS hätte dem HandelStage zu denken geben können. Anstatt jedoch zu denken, hat er den Bochumer Antrag kurzer Hand uno mit der un geheuren Mehrheit von 246 gegen 65 Stimmen abzelehnt. Aber noch viel mehr. Der Ausschuß des HandelStageS batte außer einer sehr entschievenen Erklärung gegen ein schneidende Bestimmungen des ZolltarifSgrsetzrS, selbstver ständlich auch gegen den Doppeltarif, den die Bochumer ebenfalls verwarfen, die Sätze deS Zolltarifs für Lebens mittel für zu hoch erklärt, deren Bekämpfung in der Begründung als nothwendig bezeichnet und eine „wesentliche Ermäßigung" verlangt. Daß dieser Antrag des Ausschusses der großen Mehrheit von Anfang an nicht unannehmbar erschienen sein kann, hat der Ausgang der Versammlung gelehrt. Diese hat aber einer auf den Namen v. Pfister gehenden Resolution den Vorzug gegeben, die jeden über den (geltenden, aber durch die Handelsverträge iu der Hauptsache unwirksam gemachten) allgemeinen Tarif von 1879 hinausgehenden Lebensmittelzoll verdammt und den Abschluß von Handelsverträgen für „un bedingt geboten" erklärt. Was Roggen und Weizen anlangt, so ist der Antrag nicht als herausfordernd anzusehen. Der bestehende Generaltarif fetzt für diese beiden Getreidearten 5 fest, die Doppeltarifsbestimmung dcS veröffentlichten Zollgesetzentwurfs will iu miuiwo für Roggen denselben Zoll und für Weizen nur 50 mehr, der neue Generaltarif verlangt für Roggen 6 und für Weizen 6l/2 -E Aber schon bei Hafer und Gerste wird die Differenz zwischen dem bestehenden Tarif, an dem nach dem Handels tage nicht gerüttelt werden soll, und den neu vorgesehenen Sätzen sehr groß, und zwar wegen der Unzulänglickkeit der bisherigen Sätze; für Vieh, Butter, Käse, Eier würde ein völlig ungenügender Schutz, der darum kein Schutz mehr ist, bestehen bleiben. Und auf Viehzucht und Eicrproduction ver weist man gerade die über die Unrentabilität deS Körnerbau«» klagende Landwirthschaft. Mit dem Rückgriff auf den 1879er Tarif wäre die Land wirthschaft in vielen Gegenden des Reichs dem Untergange überantwortet, und wäre dieser Rückgriff ein freiwilliger, ein gewollter, so müßte sich die Landwirthschaft gefoppt, betrogen fühlen. Nun der Ton, in dem in Berlin die Musik gemacht wurde. Schon die Begründung der Resolution deS Aus schusses de» HandelStageS war eine sehr — lebhafte und ge wagte. Die rheinisch-westfälischen Industriellen, die die Handelsverträge dringend wünschen und gerade bei der jetzigen Lage deS Marktes dringend wünschen müssen, erblicken zwar im Doppeltarif an sich, nicht aber in besten Sätzen ein Hinderniß für das Zustandekommen eines Handelsvertrags — für den Ausschuß aber ist noch weniger laudwirthschaftlicher Zollschutz ein „schwere» Hinderniß", vr. Beumer begründet leine Resolution mit der Nothwendig- keit, im Interesse der Industrie eine kaufkräftige Landwirth schaft zu erhalten, — der Ausschuß prophezeit von höherem Lebensunterhalte eine Schwächung der Kaufkraft für indu strielle Erzeugnisse. DaS zu befürchten, .wären eigentlich die industriellen Erzeuger „die Nächsten dazu". Wenn der Ausschuß deS deut schen HandelStageS sich noch anno 1901 auf den nackten Eonsumentenstandpunct zu stellen wagt, so sollte er wenigstens consequent sein. Aber wieder erste beste HandelSvertragSvereinS- Agitator läßt er der Prophezeiung der geminderten Kaufkraft die der Steigerung der Arbeitslöhne folgen. Wenn diese Steigerung eintritt, so wird sie der Erhöhung der Lebens mittelzölle auch ungefähr entsprechen und daher bei einem Zoll von 5 und 5»/, die Kaufkraft für Gegenstände, die nicht zu den Lebensmitteln gehören, nicht alteriren. Immerhin kann man sich mit der Resolution deS Aus schusses, ihrer Form und ihrer gedruckten und gesprochenen Begründung noch abfiaden. Aber mit der Inscenirung der angenommenen Erklärung v. Pfister ist offenbar eine Heraus- forderung der Landwirthschaft beabsichtigt worden. Sie war vorher vereinbart und Dutzende der Anwesenden wären befähigt gewesen, sie eiazubringrn und an erster Stell« zu vertreten. Man fand e» aber für gut, für diese- Amt einen Getreide-Importeur zu erkiesen, einen Herrn au« Münster, der dort eine Ortsgruppe de» HaadelSvertragSvercinS ins — kümmerliche — Leben gerufen hat und der gejammten deut schen Landwirthschaft durch Vermittelung der klerikalen und der conservativen Presse al- solcher bekannt geworden ist. Es war dies« Wahl eine starke Demonstration, ob auch eine kluge, bleibe dahingestellt. Jedenfalls ist die Getreide- Importeur-Resolution nur mit 151 gegen 146, also mit nicht mehr al» 5 Stimmen Mehrheit, angenommen worden. Und hier hebt daS Elend dieser Versammlung an. Der Sekretär des HandelStageS hatte in der Befürwortung seiner Resolution da» Zustandekommen eiue» mit großer Mehrbeit gefaßten Beschlusses als nöthig bezeichnet. Im Januar dieses Jahre», wo rin erster „Ansturm" stattfand, habe man nur mit 147 gegen 144 resolvirt und diese» Stimmenverhältniß babe an vielen Stellen eine abfällige und der Mißdeutung Tbür und Thor öffnende Kritik gefunden. Diesmal also sollte imponirt werden. Und waS geschah? Im Januar gab es noch keinen Tarif, nun liegt ein solcher seit mehr als zwei Monaten vor, er hat eine mindesteuS sehr ausgedehnte und kostspielige Gegenagitation entfesselt, und au» den 3 Stimmen Mehrheit sind ganze 5 geworden! Das war ein lächerlicher Vorgang. Aber dies empfand zum Unglück de» HandelStageS auch der Herr Geh. Commerzienrath Sartori aus Kiel, der sich erinnern mochte, daß der Sekretär de» HandelStageS eine Stunde vorher unter Worten scharfer Verwarnung der Regierung vor Parteinahme für die Landwirthschaft ausgerufen hatte: „Bei uns bcstebt aller Wunsch und aller Eifer, die Handelskammern nicht in den Hintergrund schieben zu lasten." Und Herr Sartori schob auS dem Hintergründe der unglücklichen aber wenigstens ordnungsmäßigen Fünfstimmen mehrheit die Vertretung der Gesammtheit der Handels kammern in einen Vordergrund, wo sie im grellen Lichte einer grenzenlosen Blamage steht. Weil die Mehrheit so klein war, beantragte er, damit doch etwas Imposantes „herauskäme", noch eine Abstimmung, eine solche über die AuSsckuß-Resolution. Die Mehrheit war unbesonnen genug, dem Ansinnen zu willfahren, sie stimmte wirklich ein zweite» Mal und wuchs auf 226 Stimmen. Die Sache liegt nun — eigenthümlich. Eine große Anzahl von Handelskammervertretern hat gegen die zweite Abstimmung protestirt und sich an ihr nicht betheiliat; es mögen das gegen 60 Herren gewesen sein. Sie waren jedenfalls der Ansicht, daß eS weder demokratisch noch materiell in Ordnung sei, w»r.'eine und dieselbe Versammlung in einer und derselben Angelegenheit auf einen ritv gefaßten Beschluß einen zweiten setzt, der wesentlich von dem ersten abweicht. Aber e» handelt sich nicht um einen Beschluß von rechtlicher Tragweite, der also irgendwen binden könnte. In der Rechtsprechung gilt der Satz Iwx posterior derogat priori, daS jüngere Gesetz hebt ein älteres, dieselbe Materie behandelndes, auf. Ver ständigerweise sollte dies zwar auch von Beschlüssen einer Körperschaft gelten, die die Blüthe zweier großer Gewerbe eines großen Reiches in sich vereinigt. Aber die Sache ist unklar. Man weiß nicht: will der deutscheHandel-tazHandels verträge wenn irgend möalich — sein Sekretär hat vorgestern, ohne Widerspruch zu erfahren, die Möglichkeit des Nicht- zustandckommenS ins Auge gefaßt —, oder will er sie „un bedingt". Will ferner der HandelStag die Lebensmittel zölle deS neuen Tarifs nur im Allgemeinen „wesentlich er mäßigt" wissen oder verlangt er, daß die „LebenSmirtelzölle" im neuen Tarif keinesfalls die bestehenden de- allgemeinen Tarifs überschreiten und daß also ein Minimum der Er mäßigung sestgelegt werde? Um Antwort wird übrigen» nicht gebeten. Denn eS würde nicht» Gescheites dabei zum Borschern kommen. Der Krieg in Südafrika. Sir «edver» Buller'» Ernennung zum Commandeur des ersten neu aufzustellenden Armeecorps findet nicht ungctheilten Beifall in England. Der „Outlook" meinte auf die betreffende Nachricht hin, man scheine in England so sentimental geworden zu sein, daß man nicht mehr wage, zu tadeln, wo Tadel angebracht sei, und daß man Alles übertünchen zu muffen glaube. Der „Spectator" sagt: „Diese Meldung bedeutet, falls sie zillrifft, paß der am sorgfältigsten ausgebildete und organisirte Theil des britischen Heeres, der im Nothfalle nach auswärts entsandt werden würde, unter der Con- trole Sir R. Buller's stehen würde." Die Zeitschrift hat gegen General Buller persönlich nichts auszusctzen, glaubt, er sei ein Mann von untadelhaftem Muth und beseelt von dem «rnstlichsten Wunsche, seinem Lande zu dienen. Aber die Regierung würde den Protesten nicht standhalten können, die sich im Bolte allgemein erheben würden, falls Sir R. Buller das Obercommando dieses Armeecorps im Kriege erhalten und damit nach auswärts ge sandt werden sollte. — In den „Times" kommt einer, der sich „Reformer" zeichnet und dessen Brief die „Times" fett drucken, was sie stets bei Leuten thun, deren Ansichten von Gewicht sind, auch auf die Ernennung Buller's zu sprechen und meint, die Qualifikation, die derselbe im Felde gezeigt habe, sei nun ziemlich genau bekannt, im öffentlichen Interesse sei es angebracht, offen darüber zu reden: „Die gänzliche Unsinnigkeit von Colenso, das unnöthige Jm-Stich-Lassen der Geschütze, die Meldung an Sir George White, worin angerathen wurde, Ladysmith zu über geben, der Mangel einer Leitung bei Spion Kop, der halbherzige Versuch bei Vaalkrantz, das kostspielige Zurückfallen in die Todes fälle von Colenso nach Einnahme des Monte Christo, das un entschuldbare Unterlassen der Verfolgung eines demoralisirten Feindes — sind dies die Leistungen, wegen derer die Regierung und Lord Roberts den Commandeur ernannt haben, auf den der erste Stoß des nächsten Krieges fallen kann?" Man schreibt unS aus London unter dem 1. Oktober: Die officielle britische Berichterstattung hatte in den letzten Tagen anscheinend wiederholt mit chronischen Schwierigkeiten zu kämpfen, um der Wahrheit mit Bezug auf gewisse Vorgänge auf dem Kriegsschauplätze auf den Grund zu kommen resp. die wirklichen Thatsachen, welche wie gewöhnlich für die Engländer sehr verdrießlich ausfielen, in möglichst milder Form vor das britische Publicum zu bringen, da» seit 2—3 Wochen wieder leb hafteres Interesse an dem südafrikanischen Kriege zu nehmen beginnt. Nehmen doch die officiellen Verlustlisten neuerdings eine erschreckende Ausdehnung an, und ist doch da- Kriegsamt in der Dall-Wag wieder umlagert von ängstlichen Verwandten und Freunden der Officiere und Mannschaften derjenigen Truppen- theile, welche in den letzten Tagen im Feuer gewesen sind und von oen Boeren arg mitgenommen wurden. Wenn der Kriegs minister eine jener lakonischen Depeschen des Lord Kitchener ver öffentlicht, in denen mit knappen Worten ein Gefecht gemeldet wird, in welchem die britischen Truppen „leider belangreiche Ver luste erlitten", — so vergehen gewöhnlich 2—3 Tage oder mehr, bevor die genauen Namen dec gefallenen, verwundeten und ge- ängenen Officiere und Soldaten bekannt gegeben werden können, vas natürlich für die Angehörigen einfach eine schier unerträg liche Tortur und Agonie bedeutet. Die Beamten des Kriegs ministeriums haben an solchen Tagen einen unendlich schweren Stand und müssen ihr Bestes thun, um die Hunderte von ner vösen Fragestellern, von denen überdies die Mehrzahl gewöhnlich Frauen und Mädchen jeder Gesellschaftsklasse sind, in beruhigen der Weise zu vertrösten und zu beschwichtigen, bis dann schließlich das verhängnißvolle Telegramm einläuft, das bestimmt ist, Ham mer und Elend in ungezählte Familien des Vereinigten König reiches zu bringen. Die Scenen des Jammers und der Trauer wollen an solchen Tagen in Pall-Mall kein Ende nehmen, und dort sollten die Herren Jingos und südafrikanischen Finanz- Interessenten einige Beobachtungen machen, bevor sie ihre Agi tation auf unbedingte Fortsetzung des Raubkrieges weiterführen und ohne Rücksicht auf die ungeheuren Opfer an Gut und Blut die völlige Niederwerfung und Vernichtung der tapferen Bocren- völker verlangen und durchzusetzen beabsichtigen. * London, 2. October. (Telegramm.) „Reuters Bureau" berichtet au- Dundee unter dem 27. Sepiember. Eine starke Voerentruppe überraschte am 26. September Abends bei Lnetrrahill, wo im Jahre 1899 der erste Kamps stattgefunden hat, «inen kleinen Volunteer-Posten. Die BolunteerS vertheidigten ich wacker. (Wiederholt) * London, 2. October. (Telegramm.) Eine Brüsseler Drahtmeldung der „Morning Post" besagt: Neuesten Berichten aus Südafrika zufolge, die Brüsseler Boeren empfangen haben, sollen jetzt über 25000 Boeren im Felde stehen, darunter 10000 Caprcbellen. (Boss. Ztg.) Deutsches Reich. § Berlin, 2. Oktober. (Internat: onale Streik stat i st i k.) Die 'AusstandSo^.ieguirg hat während des Augusts kaum eine Veränderung in ihrer Intensität gegenüber dem Vor monat in den Ländern erfahren, für die statistische Aufzeichnungen vorliegen. Nach der Berliner Halbmonatsschrift „Der Ar tz e i t s m a r k t " betrug in Deutschland, Belgien, Frankreich und England die Zahl der Streiks 97, genau so viel wie im Juli. An den Streiks in Belgien, Frankreich und England brtheilrgten sich 15 950 Arbeiter gegen 15 637 im Juli. — In Italien streikten an verschiedenen Plätzen, so in Rom und Neapel, die Angestellten der Straßenbahnen. Im Ausstande be finden sich auch die Flaschenarbeiber einer der größten Glas gießereien in Sarzana (Ligurien). Die Arbeiter wollen einen Tarif für die in diesem Zweige Der Glasindustrie zum ersten Male eingesührte Maschine durchsetzen. In den V e r e i n i g t e n Staaten ist die Ausstandsbewszung stark zurückgegangen. Der Ausstand der Schneider wurde erfolgreich beendet: die Arbeitgeber sind gezwungen, nur Mitglieder der Schneider organisation zu beschäftigen. Der Ausstand der Stahlarbeiter endete dagegen am 14. September mit einer Niederlage der Streikenden. Berlin, 2. Oktober. (Wer polonisirt?) Cardinal Fürstbischof Kopp gilt bekanntlick als ein Kirchenfürst, der den PolonisirungSbestrebungen in Schlesien Widerstand leiste. E» klang deshalb durckau» glaubwürdig, als der „Ratiborer Anzeiger" mittheilte, Fürstbischof Kopp habe anläßlich seiner lehren FirmungSrcisen deutlich den Wunsch geäußert, man möge die polnischen Inschriften an Häusern und Ehren- Pforten wezlassen. Damit ist es nun in Wirklichkeit nickt« gewesen. Die klerikaler „Neiffer Zeitung" erklärt nämlich mit aller Bestimmtheit, daß der Fürstbischof einen derartigen Wunsch nicht geäußert habe und daß er, wie früher, so auch diesmal, jedes von ihm zu den Gläubigen gesprochene Wort durch einen Dolmetscher in die polnische Sprache habe übertragen lassen. Gewiß hat Fürstbischof Kopp dabei nickt die Absicht gehabt, dem nationalen Polentbume den Nacken zu steifen; er hat nur als katholischer Kirchenfürst die Verpflichtung gefühlt, iu einer sehr stark von polnischen Katholiken bewohnten Gegend, wie eS die Bezirke von Königshütte, Heidnik und Schwientochlowitz sind, den Polen entgegenzukommen. Immerhin muß man eS vom deutschen Stand punkte auS bedauern, daß der Fürstbischof bei dieser Gelegenheit den Polen nicht klar machte, wie wenig „katholisch" und „deutsch" einander ausschlicßen. Wenn er statt dessen jedes zu den Gläubigen gesprochene Wort ins Polnische übersetzen ließ, so verstärkte er damit absichtslos die auf polnischer Seite nur zu sehr vorhandene Neigung, da« Beten in deutscher Sprache al» Sünde und deutsche Predigten al» minverwerthig anzu sehen. — Ein zweites Beispiel! Der „KuryerPoznanSki" bat, wie bekannt, den rheinischen Katholiken bescheinigt, raß sie für die polnischen Interessen daS richtige Verständniß hätten. Eine CentrumScorrespondenz warf daraufhin die nabeliegende Frage auf, wie die Polen den rheinischen Katholiken da« Entgegenkommen gelohnt hätten, und ver wies dabei auf die Reichstagsersatzwahl in Duisburg, wo die Polen den CrntrumScandidaten im Stich ließen. Diese Vorhaltung der CentrumScorrespondenz hat dem führenden CentrumSorgane, der „Köln. Volk-ztg.", anscheinend noch größeren Schmerz al» dem „Kuryer Poznanski" selbst be reitet. Denn sie wehklagt: „Es ist. . doch noch nicht ae- sagt, daß Jemand, der einmal einen dummen Streick be gangen hat, ihn auch zum zweiten Mal begehen muß. Man muß ihn nur nicht durch stetes Hinweise» darauf in den Glauben versetzen, er könne nuu gar nicht mehr anders." Eine solche Proklamation des Grundsatzes „O rühret, rühret nicht darau!" — muß nothwendigerweise bei den Polen jener Stimmung zu gute kommen, welcher der pol nische Pfarrer Liß mit den denkwürdigen Worten Ausdruck gab: man solle da- Centrum al- eine» Hund behandeln, der von Zeit zu Zeit Prügel kriege, den man aber nicht vom Hose jage.—Eia dritte» Beispiel! Das Polenblatt am Rheine findet e» unverständlich, wie der „Kuryer PoznanSki" ankündigen könne, Graf Balle st rem habe keine Aussicht, in seinem bisherigen Wahlkreise wieder gewählt zu werden. „Wir wüßten," schreibt die „Köln. VolkSztg." wörtlich, „keinen durchschlagenden Grund, weshalb man den hervorragenden, auch de- Polnischen mächtigen Parlamentarier fallen lassen wollte." Jetzt wissen die Nationalpolen in Oberschlesien, daß sie von den Crntrums- candidaten, die sie ihrer Unterstützung würdig erachten, die Kenntniß der polnischen Sprache verlangen dürfen. Die Herren können damit für» Erste einigermaßen zufrieden sein. Denn wenn ein CentrumSmann da» Polnische erlernt hat, ist er zur Hälfte bereit» ein — „gelernter" Pole. * Berlin, 2. Oktober. (Paritätisches.) E» genügt den katholischen Heißspornen bekanntlich nicht, wenn katholische Geschichte, katholische Philosophie, katholische Astronomie, Mathematik und Physik gelehrt wird — die Jugend muß iu allen Beziehungen katholisch unter wiesen werden. Nach den Triumphen katholischer Wissenschaft, katholischen Tanze» und katholischer Kunst wurmt eS die Klerikalen noch, daß die katholische Lektüre sich nicht weit genug verbreiten will, besonders die katholische Presse. So ist die „Germania" jetzt auf die Suche nach Bahnhöfen, in denen man keine katholischen Blätter findet. In der „Nat.-Ztg." werden diese Bestrebungen folgendermaßen verspottet: „Sein Uebereifer veranlaßt das klerikale Blatt zu ungerechten Anklagen. So jammerte eS dieser Tage darüber, daß auf dem Bahnhof in Rheine keine katholische Zeitung zu finden sei und nach angeblicher Aussage deS Kellners auch keine gehalten werden dürfe. Der Bahnhofswirth in Rheine beruhigt nun aber LaS Blatt mit der Versicherung, daß in seiner Wirth- schaft seit Jahren zwei CentrumSblätter gehalten werden, denen er jetzt auch noch die „Germania" hinzugefügt hat. Da» ist ja ganz trostreich. Aber ließe sich aus der Eisenbahn nicht noch mehr erzielen? Man hat Wagen erster bis vierter Classe, für Raucher, Nichtraucher und Frauen, Schlafwagen und Speisewagen — aber keine Abtheile für Katholiken! Kann ein katholischer Jüngling, der in Berlin unter katholischer Leitung nach den Klängen katholischer Musik einen katho lischen Walzer getanzt und sich katholisch verbeugt hat, auf der Heimfahrt nach Steglitz in einem konfessionslosen Wagen» abtheil sitzen? Jedermann wird da» Ungeheuerliche dieser Zu- muthung auf den erste» Blick erkennen. Besagter katholischer Jüng ling hat sich aus dem Bahnhofe die „Germania" zu kaufen und sich mit dieser Waffe in einen katholischen Wagen zu setzen — wenn Herr v. Thielen nicht gleich ganze Arbeit machen und vollständigen katholischen Zügen, bespannt mit einer rückwärts fahrenden Loco- motive, den Vorzug geben sollte." D Bcrliu, 2. October. (Telegramm.) Die „Nordd. Allgem. Zeitung" meldet: Nachdem durch die jüngst erfolgte Unterzeichnung deS Schlußprotokoll« in Peking normale Be ziehungen zwischen China und den Mächte» wieder angebahnt worden sind, hat die deutsche Regierung der chinesische» die seinerzeit von dem deutschen Contingent auS Peking fort- gesübrten astronomischen Instrumente wieder zur Verfügung stellen lasten. Die chinesische Regierung hat darauf erwidert, daß sie mit Rücksicht auf die Umständlichkeiten und Schwierigkeiten, mit denen der Rücktransport, sowie die dem- nächstige Wiederausstellung der Instrumente verknüpft sein würde, auf dieselben vrrzichtet. (-) Berlin, 2. Oktober. (Telegramm.) Bon dem Gouverneur in Kiautschau liegen folgende Meldungen vor: Die Zeitungsnachrichten über eine ernste Lage sind durch aus unbegründet. — Auan-schi-kai bat mir telegra phisch die Wiederübernahme der Geschäfte angezeigt und die Sendung eines höheren Beamten zur Begrüßung angemeldet. G Berlin, 2. Oktober. (Telegramm.) Wie der „Reichs- anzeiger" meldet, ist dem bisherigen Commandeur der 2. ostasiatischen Infanterie-Brigade Generalmajor v. Kettler der Rothe Adler- Orden zweiter Classe mit Eichenlaub und Schwertern, dem General major z. D. Brinkmann und dem Gesandten in Hamburg Graf Wolff-Metternich der Stern zum Rothen Adler-Orden zweiter Classe mit Eichenlaub verliehen worden. — Bekanntlich sind au« der Schatulle des Kaiser» schon zu Anfang September 10 000 an die Abgebrannten iu Wystiten zur Auszahlung gelangt. Auf ein Dankschreiben des ComitöS antwortete der Kaiser nach der „Königsberger Hartung'schen Zeitung": „Ich danke bestens für den freundlichen SegeuSgruß. Ich habe mich gefreut, zur Linderung der dringendsten Noth der vom Brand unglück Betroffenen beitragen zu können, und hoffe, daß da- Count« durch reichliche Spenden barmherziger Menschenliebe in den Stand gesetzt werde, den in ihrer wirthschaftlichrn Existenz schwer bedrohten Unglücklichen noch weitere Hilfe zu senden." Außer der Geldspende sorgt der Kaiser für die meist jüdischen Abgebrannten noch in anderer Weise, indem er täglich 500 Pfund Brod und nack israelitischer Vorschrift geschlachtete« Fleisch durch deutsche Beamte auf dem Markt platz in Wystiten vertbeilen läßt. Nach dem Besuche des Kaiser» an der Brandstätte hatte sich übrigen» da» „Comitä für die Abgebrannten", um seinen Dank zum Ausdruck bringen zu können, schriftlich mit der Bitte an Herrn Forst meister von St. Paul gewandt, bei dem Kaiser «ine Audienz zu erwirken. Dieser Wunsch ist aber nicht in Erfüllung gegangen. Am Sonnabend erhielt Herr ArnS- dorff-Kallweitschen auS Rominten folgende» Telegramm: Aus Allerhöchsten Befehl theil« dem ComitS für die Abgebrannten in Wystiten ergebeust mit, daß Se. Majestät der Kaiser und König Allerhöchst sich sehr über da« Schreiben und die Absicht gefreut haben, daß aber Se. Majestät zu seinem Bedauern verhindert sind, dir Herren hier zu empfangen. Im Allerhöchsten Auftrage p. St. Paul, Forstmeister. DaS ComitS hat infolge dessen Heren von St. Paul ge beten, dem Kaiser den Dank der Abgebrannten in Wystiten zu überbringen.
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