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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.10.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011007016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901100701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901100701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
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Le-acttoa «nL LrvedMo«: -»-«mUtaff« 8. Filiale«; Ellfted Hahn dorm. v. Klemm's Gortt». lluwersttäUstraß, 8 (PaultuumX Louis Löschs, Luthartueustr. 1s» purt. uud RSutgSplatz 7. tztet« Aus- lick 4.80, ' 1 bezog« kür „ WÄ.^8. . Mau «bouutrt ferner mit «utsprecheudrm Postaufschlag bat de» Postaustalte» t» der Schweiz Italien, Belgien, Hollaud, Luxem burg, Düuemark, Schwede» «ud Norwegru, Rußlaud, deu Douaustaate», der Europäisch,u Lürkt, Egyptru. Kür alle übrige« Staat« iß der Beeng uur «uter Kreuzbaud durch die er täglicher Zußell»»- iss ^l«ch0. Durch di. Post bezogruftk Nr. 5». Morgen-Ausgabe. MpMr.TagMM Anzeiger. Amtsblatt des Aöniglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Volizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Nnzeigeu.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile SS Reklame» unter demRedacrionsstriq <4 gespult«) 75 vor den Kumütenuach- richt« (6 ges-alt«) 50 Tabellarischer und Ktfferusatz eutsprecheud Häher. — Gebühr« für Nachweisung« u»d Offerteuauuohme SS (excl. Porto). 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Aus dem Umstande, daß Frankenberg 1214 der Abtei Hersfeld zugewiesen ward, um die Einkünfte des Klosters Memleben an der Unstrut zu heben, läßt sich schließen, daß der Ort schon derartig sein mußte, um durch seine Ueberweisung an das nothleidende Kloster dessen Lage zu bessern. Für das Aufblühen Frankenbergs noch vor 1206 spricht auch der Umstand, daß es an der Straße lag, die das Niederland mit dem silberreichen Freiberg verband. An der nach Freiberg führenden Straße in der Nähe der jetzigen „Hockwarte" lag eine alte Capelle „Zu unserer lieben Frauen. In ihr versammelten sich die Frankenberger und die Mühlbacher zu gottesdienstlichen Handlungen. Zu einem rascheren Aufblühen gelangte Frankenbera durch denBergbau, dieser Erwerbszweig lockte viele Ansiedler her bei. Bis zum Jahre 1500 bildete der Bergbau die Hauptnah rungsquelle für Frankenberg. Noch heute sind in der Umgebung ansehnliche Halden- und Bingenzüge vorhanden, dies« Zeugen deS ehemaligen Bergbaues lassen aus ihrem Umfange auf die ehemalige Bedeutung dieses ErwerbszweigeS schließen. Auf beiden Seiten des Thales zwischen Mittweida und Frankenberg waren 58 Gruben im Betriebe. Man baute hauptsächlich auf Silber, Blei, Kupfer und Eisen. Zu den selteneren Erzeugnissen gehörten Gold, Quecksilber, Zinn, Kobalt, Nickel, Antimon, Mangan, Arsen, Schwefel, Vitriol. Auf der höchsten Erhebung in derUmgebung, dem Treppenhauer, wurden zur Zeit deSBlühens allein 250 Knechte zur Wasserhebung beschäftigt. Besonders reiche Ausbeute gaben 400 Jahre lang die „Alte Hoffnung Gotte- Zug" zu Schönborn und die „Alte Fundgrube" zu Bienkdorf. In etwa 100 Jahren wurden 5 Millionen Kübel Silbererz ge fordert. Die „Alte Fundgrube" zu Biensdorf war bis 1423 ,m Betrieb, die Hussitenkriege und Schwierigkeiten im Betriebe der Erzförderung waren die Ursachen zum Verfalle des Bergbaues. Die letzte Grube „Alte Hoffnung Erbstolln" war etwa bi- 1884 im Betrieb. Mit dem Eingehen dieses Bergwerks ist der Silber bergbau in der Frankenberger Pflege ganz erloschen. Im 16. Jahrhundert nahm man den Betrieb auf Kohle auf, durch das kurfürstliche Mandat von 1743 erhielt dieser Zweig de- Berg baues eine besondere Förderung, reiche Ertrage lieferten die Fiedler'schen Schächte bei Berthelsdorf. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts betrug das jährliche Förderquantum rund 50 000 Centner; neuerdings hat man Bonrversuche auf Kohle um Frankenberg her wieder ausgenommen, sollten diese von Erfolg gekrönt sein, so würde dadurch die an und für sich schon lebhafte Frankenberger Industrie eine wesentliche Förderung erfahren. Für das Aufblühen Frankenbsrgs waren die auf Sachsen burg wohnenden Herren von Schönberg unausgesetzt bemüht. Spätestens um das Jahr 1369 wurden sie vom LandeS- herrn als Gutsherren über Frankenberg eingesetzt. DaS heutige Schloß Sachsenburg ist wahrscheinlich um 1488 von Caspar IV. von Schönberg von Grund aus neu erbaut. Die Herren von Schönberg waren Frankenberg wohlgesinnt, eine^besondere Wohl- thäterin der Stadt war Frau Margaretha von Schönberg, welche 1580 der Stadt eine Stiftung vermachte, deren Vermögen zur Zeit 50 639,80 o/s beträgt, ausschließlich des Reservefonds von 900 Einen eigenen Rath erhielt Frankenberg wahrscheinlich um 1457. In demselben Jahre erthrilte Dietrich von Schönberg, Domprobst, später Bischof zu Meißen, und seine Vettern, Hein rich und Caspar IV. von Schönberg, der Bürgerschaft einen öffentlichen freien Salzmarkt. Um 1575 erwarb die Bürgerschaft von Wolf von Schönberg für 290 Gulden ein Stadtgut, das Haus diente als Rathhaus, die Aecker aber machte man zum Commungut. Durch den Dreißigjährigen Krieg ward das auf blühende Frankenbera in seiner Entwickelung höchst nachtheilig beeinflußt. Zu den Drangsalen des Krieges gesellte sich die ver heerende Pest, 1625 erlagen in Franlenberg 581 Personen dieser Seuche, da- war etwa der vierte Theil der Einwohner. „Um der Todesgefahr zu entgehen, begaben sich Viele in die Wälder, wo sie Monate lang in Hütten wohnten. Niemand mochte eine fremde Leiche begraben, jeder Hausvater mußte seine Todten selbst bestatten. 1632 und 1633 wurde die Stadt mehrmals von den Kaiserlichen, 1634 von den Schweden geplündert und ge- brandschatzt." Derartige Heimsuchungen in so rascher Folge brachten das Städtlein an den Abgrund des Verderbens. Von diesen schweren Heimsuchungen erholte sich Frankenberg durch die Thatkraft seiner Bürger ziemlich rasch, denn diese verstanden eS, durch Einführung von lohnenden Industrien Handel und Wandel zu beleben. Nachdem einmal die Industrie einen festen Boden gewonnen hatte, konnten auch die Kriegs drangsale des Siebenjährigen Krieges und die der Napoleonischen Kriege von 1806—1815 die gedeihliche Entwickelung Franken bergs nicht stören. Auch die zahlreichen Brände wurden nicht Hemmnisse, sondern trugen dazu bei, daß die Stadt das mittelalterliche Gewand mehr und mehr abstreifte und sich zu einer neuzeitlichen Stadt entwickelte. Größere Brände sind zu verzeichnen 1709,1711,1712, e> brannten 300 Wohnhäuser, zwei geistliche Gebäude, Schulgebäude und das Rathhaus nieder, 1786, 1788 am 30. März 120 Wohnhäuser und 22 Scheunen, 1792 am 4. August 14 Wohnhäuser und der Kirchthurm. Im 19. Jahr hundert suchten zwei größere Brände — 1871 und 1878 — die Stadt heim. Durch das Hochwasser der Zschopau hatte in früheren Jahrhunderten Frankenberg auch wiederholt zu leiden. Um diesen Heimsuchungen ein Ende zu bereiten, ward das Bett derselben verlegt, solches geschah 1733 und 1740. Zur weiteren Sicherung der Stadt wurden Dammbauten aufgeführt, die sich bewährten, so daß selbst daS Hochwasser von 1897 der Stadt nicht schaden konnte. Daß alle Heimsuchungen, Teuerungen, Kriegsdrangsale und dergleichen in Frankenberg verhältnißmäßig rasch überwunden wurden, dankt eS seiner vielseitigen Industrie. Als die Erträgnisse des Bergbaues nachließen, mag alsdann, wie da mals in ganz Sachsen, die Tuchmacherei geblüht haben, sie ward die Grundlage der späteren Lein- und Zeugweberei, die sich bis auf den heutigen Tag blühend erhalten hat. Zu Ende des Dreißigjährigen Krieges ging die Tuchmacherei in Franken berg auch zu Ende. Zwischen den Webern und Tuchmachern be stand fortgesetzt eine Spannung, weil die Tuchmacher den Webern die Wollkämmer und Spinner wegnahmen. Die Weberei war in Frankenberg bedeutend, besonders war es die Leinenwcberei. Durch den Chemnitzer Bleichzwang und durch den ausländischen Wettbewerb litt zu Ende des 16. Jahrhunderts dieser Industrie zweig gar sehr. Da sandte 1585 Frau Brigitta von Schön berg, geborene v. Pflug, einen Frankenberger Äeber, Thomas Neckard, nach Brabant, der daselbst das Färben, sowie die Fabrikation eines Gewebes, Berkan oder Grobgrün, spätern auch Polemik genannt, erlernte. Dieser Rockard brachte aus Brabant auch das Modell einer Zwirnmühle mit. Nach seiner glücklichen Heimkehr unterwies er Meister und Gesellen in der Herrichtung und Handhabung der Zwirnmühle, durch ihn nahm Vie Weberei in Franlenberg wieder einen großen Aufschwung, ec wurde zum Woylthäter der Stadt. Als Vater August von dem Franken berger Zwirnmüller hörte, äußerte er erfreut: „Ich wollte, ich hätte ein ganzes Schock solcher Zwirnmüller im Lande". Es gelangten nun Zeuge aus verschiedenen wollenen und leinenen Garnen zur Herstellung und zwar in verschiedenen Farben. Mit Neid blickten die Nachbarstädte auf die Frankenberger Weber, besonders war es der Rath zu Chemnitz, der auch nach dem Aufhören der Bleichwaarensabrikation von den in Franken berg nach ganz anderer Art hergestellten Webstücken eine Stempelgeldabgabe forderte. Diese unberechtigte Forderung wies Kurfürst Johann Georg I. zurück und verhalf damit den Frankenberger Webern zu ihrem Rechte. Auch der Leipziger Kuafmann Balthasar Kreischau schädigte eine Zeit lang Fran kenberg dadurch, daß er sich ein Privilegium zu verschaffen wußte, nach welchem er allem das Recht besaß, alle in Franken berg gefertigten Wollwaaren in Vertrieb zu nehmen; 1620 ward dieses Privileg aufgehoben, wodurch für die Einheimischen Ge legenheit geschaffen wurde, ihre Erzeugnisse nutzbringender zu verwerthen. Die Blüthezeit der Zeugweberei währte bi- in da- 18. Jahrhundert hinein; der große Brand von 1712, sowie die Einfuhrverbote der Nachbarländer übten einen nachtheiligen Ein fluß auf diese Jndust ie aus, trotzdem gab es um die Mitte deS 18. Jahrhunderts in Frankenberg noch 480 Meister, die mit 700 Stühlen arbeiteten. Mit dem Ende des 18. Jahrhundert- hörte die Zeugweberei fast gänzlich auf. An ihre Stelle trat die K a t t u n w c b e r e i, die namentlich zur Zeit der Continentalsperre einen ganz be deutenden Umfang annahm, dann aber rasch abwärts ging. Ihr folgte die Buntweberei, die farbige Garne verwebte. Be sonders blühend war die Ginghamsweberei von 1820 bis 1830. Im Jahre 1832 ward in Frankenberg eine Web schule er öffnet, diese und die von Behr L Schubert gegründete Seiden- waarenfabrik gaben der Frankenberger Weberei eine neue Richtung, bessere technische Ausbildung und höhere Kunstfertig keit brachen sich Bahn und belebten diesen Industriezweig in Vortheilhaftester Weise. Um 1845 bestanden in der Seidenbranche elf Geschäfte mit größerem Webereibetrieb, die 225 Webstühle im Gange hatten, während auf rund 700 Handbetriebe der Meister etwa 1000 Webstühle kamen. Im Nothstandsjahre 1847 entstand der Frankenberger Manufaktur- waaren - Zwischenhandel, dessen Aufgabe darin be stand, Erzeugnisse der Frankenberger Weberei und Kattun druckerei, wie auch fremde Produkte, in Umsatz zu bringen. Noch heute bildet dieser Zwischenhandel einen wesentlichen Bestandtheil des Frankenberger Großhandels. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts traten neue Firmen m i t n e u e n A r t i k e l n in den Wettbewerb ein, die neben den bisherigen Artikeln besonders Kleiderstoffe, bessere wollene und lxrumwollene Tücher, seidene und halbseidene Cachenez gesellten. Mit diesen Artikeln wurden nicht mehr die Märkte der Pro vinzialstädte, sondern die Messen bezogen. Bald reichten die ein heimischen Arbeitskräfte nicht mehr aus, die Frankenberger In dustriellen mußten durch Factore auswärtige Weber beschäftigen. An dem großen Aufschwünge, den die gesammte deutsche In dustrie in den letzten 30 Jahren genommen hat, hat auch die Frankenberger Jnoustrie regen Antheil genommen, sie ist zur Weltindustrie geworden. Während es zur Zeit Spinne reien (mit Ausnahme eines größeren Betriebes im nahen Sachsenburg) in Frankenberg nicht mehr giebt, ist die Zahl de. in der Webwaarenfabrikation (in 26 Fabriken) beschäftigten Personen einschließlich von ca. 1000 Hausarbeitern auf 1900 gestiegen. Neben der Webwaarenfabrikation sind vorhanden die damit verwandten Betriebe, nämlich Färbereien, Appreturen, Bleichereien und Druckereien. Unter den Druckereien nimmt die Firma Uhlemann L Lantzsch eine ganz hervorragende Stellung ein, ist es doch das bedeutendste derartige Etablissement in ganz Sachsen. Wenn auch die Zahl der in den Druckereien beschäf tigten Personen aus 181 zurückgegangen ist, so wird aber doch in Folye der Einführung der Walzen- und Pcrodinendruckerei zur Zeit bedeutend mehr Druckwaare fabricirt, als in früheren Jahren. Heute sind es lzauptsächlich Chenillewaaren (ein schließlich Portiären, Tischdecken, Teppiche u. s. w.), Cravatcen- stoffe, Lamas und Cheviots, sowie feinere Tücher, Seidendamaste u. s. w., welche Frankenbergs Ruf als Fabrikstadt in alle Welt hinaustragen. Neben Crefeld und Elberfeld nimmt Franken berg in der Fabrikation seidener Waaren eine hervorragende Stelle im deutschen Reiche ein. Den näckstwichtigsten Erwerbszweig bildet die seit dem Jahre 1842 eingefuhrie Cigarrenfabrikation, die einen be deutenden Aufschwung genommen hat. In dieser Branche werden zur Zeit ca. 1900 Personen beschäftigt, davon in 26 Fabriken 1156, die jährlich 800 000 Kilogramm Tabak zu 110—115 Millionen Cigarren verarbeiten. Einen besonders hohen Werth hat die Cigarrenfabrikation dadurch, daß sie den Frauen und Töchtern vieler schaffender Männer, ebenso Gebrechlichen, Er- werbsmöglichteit bietet. In den Zeiten, in denen die Web industrie von schweren Krisen befallen war, hörte der Erwerb durch die Fabrikation von Cigarren nie ganz auf. Diesem Fabrikationszweicze dankt es die Stadt Frankenberg, daß sie nie solche Nothstande in ihren Mauern gesehen hat, als solche Städte, die nur eine einseitige Industrie haben. Frankenberg hat daher Veranlassung, immer dankbar des Mannes zu ge denken, der 1842 diesen Industriezweig hier einführte, es war Eduard Richter. Neben den Großindustrien vorstehender Art haben sich noch folgende Industriezweige angesiedclt und vortheilhaft ent wickelt: Holzwaarenindustrie (Cigarrenformen, Parketts, Möbel) in mehreren Dampfbetrieben, Bürstenfabrikation, die Maschinen baubranche mit Eisengießerei, Cartonnagenfabrikation u. dergl. Einen Weltruf hat die Firma M. Steiner L Sohn durch Fabri kation von Reformbetten und Steppdecken erlangt. In dem großen Etablissement, das zur Zeit von einer Kommanditgesell schaft betrieben wird, finden 200 in und ca. 300 Personen außer der Fabrik Beschäftigung. Mit der sich erweiternden Industrie stieg auch die Ein wohnerzahl Frankenbergs. Diese betrug 1755: 2696; 1795: 2932; 1832: 5145; 1840: 6613; 1852: 7150; 1861: 7943; 1871: 9710; 1880: 10 913; 1890: 11369; 1895: 11912; 1900: 12 724 und hat gegenwärtig 13 000 überschritten. Daß bei einer so regen und vielseitigen Industrie auch der Po st verkehr und der Bahnverkehr besonders bedeutend sein muß, ist einleuchtend. Da man aus den Verkehrsziffern am besten das Aufblühen Frankenbergs in den letzten zehn Jahren Feuilleton. Die Lunst zu küssen. Von Reinhart Thilo. Nachdruck verboten. Wenn der neugierige Leser — Leserinnen sind niemals neu gierig — etwa hinter der Ueberschrift „Die Kunst zu küssen" ein Capitrl aus einer modernen ainancli erwartet, so müssen wir ihm leider ein« Enttäuschung bereiten. Der scharfsinnigste und gelehrteste Autor würde in dieser Hinsicht ein schlechterer Lehrmeister sein, als das simpelste Bactfischlein. Ja, es ist noch die Frage, ob die Kunst zu küssen überhaupt erst erlernt zu werden braucht. Kein Geringerer al- Darwin hielt da- Küssen für etwas dem Menschen gleichsam Angeborenes und Natürliches, und ähnlicher Ansicht muß Zola sein, da er in seinem Romane „Die Schuld des Abb6 Mouret" die beiden Menschenkinder, die in einsamem Garten die paradiesische Jugend der Menschheit noch einmal zu erleben scheinen, schließlich sich doch in leidenschaft lichem Kusse begegnen läßt. Und doch steht die Sache nicht so, daß der Kuß ein ursprüng licher und allgemeiner Besitz der Menschheit ist. Es giebt eine große Zahl von Stämmen, denen er völlig fremd ist. Dahin gehören die Tahitier, die llteuseeländer, die Papuas, die Einge borenen Australiens, die Feuerländer. Ein Reisender erzählt, daß sein Versuch, ein junge- N«germädchen zu küssen, den un erwarteten Erfolg hatte, daß die schwarze Schön« tödtlich er schreckte; Fink vermuthet, daß sie in dem zärtlichen Reisenden eine Art von Kannibalen sah, der sich daran machte, sie auf der Stelle zu verspeisen. Weitere Beispiel«: Monteiro berichtet, daß er in vielen Jahren in Afrika nie einen Neger einer Frau solche Lieb- kosungen habe erweisen sehen, wie sie bei unt alt Zeichen der Zuneigung gelten. Auch im hohen Norden giebt eS verwandte Anschauungen: als Taylor einer finnischen Frau erzählt«, daß ei in England allgemeiner Brauch sei, daß Mann und Frau einander küßten, brach sir zornig in die Wort« aui: „DaS sollte mein Mann nur versuchen; ich wollte ihm in die Ohr«n einheizen, daß er eS eine ganz« Woche fühlen sollte." Wenn nun ein Theil der Menschen mit der holden Einrich tung de» Kusse» — wir uncivilistrten Europäer müssen sagen: leider — völlig unbekannt ist, so kann man, wenn man will, einen Ersatz hierfür darin finden, daß in der Thierwelt der Kuß nichts Unbekannte» ist. Sin allgemein bekanntes Beispiel hierfür bildet da» Schnäbeln der Tauben, da» ja denn auch von dm Zeiten der alten Griechen her al« etn Symbol der menschlichen Liebe ange sehen worden ist. Getzner, derJdyllmdichter, ist sogar so weit ge- aangm, fein unschuldige« Hirtenpaar den schnäbelnden Tauben die Kunst bei Küssen« aLkrnen zu lassen. Li« anderen Bei spiele aus der Thierwelt, die wir anzuführen haben, sind, wofür wir von vornherein um Entschuldigung bitten, weniger poetisch und appetitlich, aber sie sind um so drastischer. So wird von zwei Schimpansen, die in einem Zoologischen Garten miteinander zusammengebracht ivurden, erzählt, daß sie sich bei ihrer ersten Begegnung einander gegenüber gesetzt und mit ihren weit vorspringenden Lippen berührt hätten. Auch sonst wird gerade vom Schimpansen erzählt, daß er seiner Zärtlichkeit durch Küssen Ausdruck gebe. Und worauf sonst wäre jene allbekannte Neigung der Hunde zurückzuführen, das Gesicht ihres Herrn oder ihrer Herrin zärtlich zu belecken? Was hätte man in dem Belecken, das die Kuh an ihrem Kalbe ausführt, zu erblicken, wenn nicht den Urvorfahren des holdesten Symbols der Liebe? Es führt uns dies auf die Frage, worin denn nun eigentlich der Ursprung des KusseS zu suchen sei; und hier weisen uns die Analogien aus der Thierwelt unverkennbar darauf hin, daß es der Reiz und Zauber der Berührung ist, der den Kuß zu dem stempelte, was er heut ist. Welche Nolle die Berührung überhaupt im Liebesleben spielt, ist ja bekannt. Wie oft haben die Dichter, die Romanschriftsteller jenen elektrischen Schlag geschildert und besungen, der den Liebenden durchfährt, wenn er, vielleicht nur durch ein Ungefähr, die Hand, das Haar, ja selbst nur den Schleier der Geliebten berührt; wie manches Mal ist eine solche unendlich zarte Berührung zum entscheidenden Wendepuncte in einem Liebesromane geworden. In diesem Zusammenhänge ist es nun von Wichtigkeit, zu beachten, daß gerade für die Be rührung die Lippen der sensitivste Körpcrtheil des Menschen sind. Denn sie entbehren der dicken, lederartigen Epidermi-, mit der unser Körper sonst überzogen ist, und so sind an diesen Stellen die Nerven hier nur von dem leichten Epithelium bedeckt, für die feinsten Berührungen am empfindlichsten. DaS Verhältnis zahl reicher wilder Völker zum Kusse werden wir nach diesen Er örterungen leichter verstehen, wenn wir bedenken, bei wie vielen Naturstämmen arge Verstümmelungen dec Lippen Sitte sind, und daß hierdurch diese sensiblen Organe ihrer Fähigkit natürlich zum großen Theil« beraubt werden. Aczch der Umstand, daß die Wilden, bei ungewöhnlicher Ausbildung gewisser Sinne, ge rade in Bezug auf feinere Nervenempfindungen sich häufig recht stumpf erweisen, vermag uns ihre Verständnißlosigkeit gegenüber dem Kusse zu erklären. Schließlich ober und vor allen Dingen ist und bleibt eS eine Thatsache, daß da- letzte und schönste Geheimnis! de- Kustes nicht im Körperlichen, sondern im Seeli- sch«n liegt. Gewiß werden wir gern der Wissenschaft zugeben, daß der Urmensch, ebenso wie jener Schimpanse, wie der Hund wie die Kuh, wie jene Malaien, die den Kuß bekanntlich mit der Nase und nickt mit der Dippe auiführen, im Kusse ur- sprüngltng nickt» Andere« suchte, al« die angenehme Berührung de« geliebten Wesen«. Aber so tst e» mit dem Menschen: seine schönsten Sachen wurzeln im Thierischen und entfalten sich zum Himmlischen. Längst ist es nicht mehr das rohe Gefühl der Berührung, worin wir das süße Geheimniß des Kusses finden, sondern es ist der magnetische Strom, der über die Lippen von Seele zu Seele fluthet, e- ist das Gefühl, daß sich im Kusse zwei Seelen aneinander schmiegen und miteinander verbinden. So zeigt es sich, daß der Kuß seine Entwickelungszeschichte hat. Und dies finden wir bestätigt, wenn wir ein paar flüchtige Blicke auf die Entwickelung des Kusses in den historischen Perioden werfen. Da finden wir denn zunächst, daß im Alterthum das Küsten eine sehr weit verbreitet« Sitte ist, daß es sich aber durchaus noch nicht zu einem so speciellen Symbole der Liebe zwischen Mann und Fvaü ausgebildet hat, wie bei uns. Sprechen wir vom Kusse, so denken wir alle Mal und zunächst an den Kuß zwischen Liebenden, im Alterthume aber gab es eine Fülle von Küssen. Der Kuß auf die Wange hat sich im Oriente bis zum heutigen Tag erhalten. Bei den Arabern küssen die Frauen und Kinder die langen Bärte ihrer Gatten und Väter. Fürsten wurden die Füße geküßt, was noch heut« in dem Kusse des Pan toffels des Papstes nachklingt. Hatte also die Liebe zwischen Mann und Frau den Kuß noch nicht sozusagen monopolisirt, so wurde doch dafür, wenigstens bei den Römern, der Kuß in dieser Hinsicht besonders hoch gehalten. Der Kuß war ihnen etwas so Heiliges, daß ein Gatte nie in Gegenwart seiner Töchtrr seine Frau küßte. Wenn ein Mann seine Braut küßte, so galt die? als ein völliges Symbol ihrer endarltigen Ver bindung, daß ihr damit fiir den Fall, daß er vor der Hochzeits feier starb, die Hälfte seines Besitzes gesichert war. Aus dieser strengen Auffassung des Kustes heraus wird es unk verstand, lich, warum die Frühchristen wegen der Bruderküste, die sie bei ihren Zusammenkünften zu tauschen pflegten von den Römern als unsittliche Menschen verhöhnt und bekämpft wurden. Die Kulturgeschichte der Menschheit be.rwzt sich so okt im Kontrast, und so folgt auf die römische Zeit mit ihrer ernsten Auffassung und sparsamen Verwendung des LiebeSkusses im engeren Sinn« eine Zeit der Kußverschwenvung: da« Mittelalter. Johannes Scherr, der in seiner gewöhnlich:», paradoxen Art da» Mittelalter als eine höchst unsittlich« Zeit dargestellt hat, hä:!e in diesem Momente gewiß eine Bestärkung seiner Ansicht gc- fuiidcn. Thatsache ist, daß ssxciell in England, für das Finck eine reiche Fülle von Beispielen gesammelt hat, das Küsten in jener Zeit etwa dir Stelle deS heutigen Handschütteln» vertrat. Dcr Gast küßte Frau und Tochter deS Wirthe- bei seiner An kunft, und beim Abschiede küßte er sie wieder. Die Dame ent ließ ihren Tänzer nach dem Tanze mit einem Küste. Der Geist liche, der ein Paar getraut hatte, küßte die Braut und dir Brautjungfern dazu. Sehr drastisch schreibt Erasmus von Rotterdam: „Wenn Du in England irgend wohin kommst, wirst Du von Allen mit einem Kusse begrüßt; Du kehrst zurück, und wieder werden Küste ausgetauscht; wohin Du kommst, mcyt» al» Küste." Die Engländ«r scheinen damall al» ein« Art Lehr meister in der Kunst zu küssen betrachtet worden sein, wie denn z. B. am Hofe Christinens von Schweden der englische Gesandte aufgefordert wurde, di« Damen der Königin „die englische Mode des Grüßens zu lehren", worauf denn eine, hoffentlich für alle Theil« angenehm« Kußlectron vorg«nommen wurde. Immerhin war England nicht das einzig« Land, das diesem Kußfanatismus huldigte. Sehr drollig ist die Geschichte von dem Cardinal von Lothringen, der der Herzogin von Savoyen, einer geborenen por tugiesischen Prinzessin, vorgestellt wubde und in Hellen Zorn ge- kieth, als sie ihn: die Hand zum Kusse reichte. Er erklärte wüthend, daß er die Königin und viele andere schön« Damen aus den größten Familien immer auf den Mund geküßt habe, und daß er auch bei ihr, „einer kleinen schmutzigen Herzogin", nicht anders verfahren werde, was er ihr denn auch sogleich durch die That bewies. Der „empfindsame" Betrachter der Geschichte mag, wie wir zugeben wollen, auf diese kußreiche Periode mit einer gewissen Wehmuth zurückblicken. Sie muß ihre Reize gehabt haben. Heute tst es um den Kuß etwas ganz Anderes. Heute hat in sofern ein« größere Sparsamkeit in der Verwendung des Kustes Platz gegriffen, als man von allen Küsten, die nicht gerade Liebesküste im engeren Sinne sind, so viel wie möglich absieht. Der Kuß unter Männern, der Kuß als Begrüßungsform sind fast ganz aus der Mode gekommen, und selbst der viel er örterte Kuß zwischen Cousin und Cousine muß altgemach weichen. Heute ist der Kuß das Symbol der Liebe pur vxoeilenae. Und er ist — ein paar Pfänderspiele ausgenommen, di« man als ein Ueberlebsel alter Sitten ansehen kann — nicht mehr das doch mehr harmlose, schalkhafte, anmuthige Mmnespiel des Mittel alters, sondern er ist vor Allem der Au-druck der Leidenschaft, des Jneinanderaufgehen« der Seelen. Bezeichnend, daß auch die Kunst ihn mit Dorstebr in diesem Sinn« darstellt. Wir er innern uns, ein Gemälde eine« modernen Maler« gesehen zu haben, der ein bäuerliches Liebespaar in heißer Umarmung in jenem Kusse darstellt, bei dem Flammen aus den Seelen zu schlagen scheinen und die Welt um di« Liebenden versinkt. So hat auch der norwegisch« Bildhauer Sinding. der deutsche Bild hauer Klinisch in überlebensgroßen Figuren Mann und Weib in dem Momente der leidenschaftlichen Vereinigung im Küste dar gestellt. Man kann also sagen, daß die Kultur in Bezug auf den Kuß fpecialisirend vorgeganqen ist, indem sie ihn, der ur sprünglich ein allgemein verwandte» ZärtlichkeitS-eichen war, je länger desto schärfer zum au »schließlichen SymbSl der Liebe zwischen den Geschlechtern ausprägte. Erst allmählich hat die Menschheit den letzten Sinn de» Kusses enträthselt, erst im Laufe ihr«r Geschichte hat sie die echt« Kunst zu küssen gelernt.
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