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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.10.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011011016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901101101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901101101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
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AuzeigeuePret- die 6 gespaltene Petitzeile LL Neela me» «»Irr dem Redaertonsstrtq (4 gespaUea) 75 vor d« Aa«itNa»»ach» richte» (Sgespaltr«) 50 Tabellarischer und Htffernsatz eatfprechead Häher. — Gebühren für Nachweisung«» «es Offertenaanahme LS (excl. Port«-. Erkra-Vellage» (gesalzt), «», mit der Morgen-Snäaabe, ohne Postbefürdernng .4 50.—, »tt Postbesürdenlng ^l 70—> Am»ah«eschl»ß fiir Anzeigen: Lb«»d-L»sgaba: Bormttt»»» 10 Uhr. «,ria«->»»gaba: Nachmittog» 4 Uhr. Bet de» Filiale» imd «»»ahsneßrlle» je eins halb, SSoch« früh«. Auzel-e» stad stet» a» die Erpedttto» z» richte». Die rrpedition ist «oche-taa« n»n»t«br»ch«l geöffnet von fräh S bi» Abend» 7 Uhr. Lrvck and Berd, »o» E. Pol» t» Setp^A Nr. 51S. Freitag den 11. October 1901. S5. Jahrgang. Die Lage in Afghanistan und Indiens Verteidigungszustand. Die Lage in Afghanistan. Für den Fall, daß in Folge de» Thronwechsels in Afghanistan ernst« Verwickelungen ein treten oder gar der Einmarsch der Russen in Herat erfolgt, hat England folgende Vorkehrungen getroffen: eine in Peschawur stehende Brigade erhält alsdann den Befehl, sofort nach Kabul zu marschiren und dasselbe zu besetzen. Zur gleichen Zeit marschirt im Süden rine Brigade von Quetta nach Kandahar, ergreift Besitz von diesem strategisch wichtigen Platze; di« Eisenbahn, die gegenwärtig in N ew C h a m a n auf der Westseite des Kosak-Paffes endet, wird dann sofort nach Kandahar weiter gHührt, da das sämmtlich« hierzu nöthige Material bereits in New Chaman aufgestapelt liegt und irgend welche natürliche Hindernisse auf der weiten, flachen Ebene zwischen New Lhaman und Kandahar nicht existrren. Möglicher Weise wird «ine dritte Expedition von Dera JSmail Khan über den Gomal-Paß Nach Ghazni vorrücken und sich dieses strategisch außerordentlich wichtigen Platze» bemächtigen. Einem englischen oder russischen Einmärsche gegenüber aber ist Afghanistan durchaus nicht wehrlos. Schon im Herbst vorigen Jahres schob Abdurrhaman Khan größere Truppenmaffen nach der russischen Grenze vor, concentnrt« aber zugleich auch stärkere Truppenmengen bei Chama n. Die Conccnttirung von Truppen bei dem letzteren Orte bewies, daß der Emir für den Fall seines Todes einen Vorstoß englischer Truppen nach Kandahar als sehr wohl möglich ansah. Was die Bewaffnung der afghanischen Truppen anbelangt, so hatte der Emir in den letzten Jahren eine große Anzahl von Lee-Metford-Gewehren und mehrere Millionen Patronen ange kauft, die aber vorläufig im Arsenal zu Kabul lagern, da die afghanische Armee immer noch mit Martini-Henry- und Snider- Gowehren ausgerüstet ist. Hierbei muß nicht übersehen werden, daß in Kabul seit mehreren Jahren in den Werkstätten des Emir ganz brauchbare Martini-Henry-Gewehre angefertigt werden, und daß ebendaselbst Millionen von Patronen alljährlich producirt werden. Jedenfalls hat Afghanistan genügende Waffenvorräthe, um im Falle eines größeren Krieges fast di« ganze männliche Bevölkerung des Landes gut zu bewaffnen. Ein Vorstoß in der Richtung nach Kabul würde die eng lischen Truppen durch den K h y p e r - P a ß führen. Aus diesem sind die regulären englischen Truppen im letzten Jahre etappenweise zurückgezogen worden, und ihre Stelle wird jeht von zwei Bataillonen der neu organisierten „Khyber. RrfleS", die sich aus den dem Paffe anwohnenden Stämmen recrutiren, eingenommen. Die kostspieligen und weit ausgedehnten Befestigungen des Paffes sind aufgehoben worden, dagegen ist die Eisenbahnlinie von Peschawur bis direct zum Ostthor des Khyber- Passes bei Jamrud hin verlängert worden. Englands aggressive Position gegenüber Afghanistan werd zur Zeit dadurch benachtheiligt, daß in großen Theilen des Grenzgebiets die regulären Truppen durch locale Miliz - batatllon« ersetzt worden sind. Wie wenig Verlaß aber auf diese Truppen im Falle eines Kampfes ist, «rgiebt sich aus einer Auslassung des großen indischen Blattes „Pioneer" über die Eingeborenen - Regimenter und die Miliztruppen. Er meint, diese Truppen dürften an der Nordwestgrenze niemals zur Ver wendung kommen, denn wohin man sie auch immer sende, so würde sicherlich irgend einer der Sepoys Verwandte in je-nen Gegenden haben und sich zum Verrath verleiten lassen. Wir haben hier ein aggressives Vorgehen Englands im Auge gehakt; eS sei nunmehr die defensive Lage der anglo-indi- schen Armee betrachtet. Indiens Vertheidigungszustand. Nominell soll die Zahl der in Indien diSlocrrten euro päischen Truppen 74000 Mann aller Waffengattungen betragen, darunter 52 Bataillone Infanterie zu einer Sollstärke von 1000 Mann. Kein einziges der in Indien garnisonirrnden Bataillone weist aber nur annähernd diese Effektivstärke auf, und falls man die thatsächliche Stärke auf 500 Mann veranschlagt, so wird die Schätzung wahrscheinlich noch zu hoch ausfallen. Lhatsächlich stthen also in Indien statt 52000 Mann britischer Infanterie im besten Falle 26—30 000 Mann. Ganze neun europäisch« Cavallertt-Regimenter, zum Thcil noch mit den ob- soleben Martini-Henry-Carabinern ausgerüstet, sind über das weite indische Reich vertheilt. Am schlimmsten ist jedoch die Artillerie daran. Di« Zahl der Geschütze ist zu gering, daneben fehlt jede Reserve an Pferden. Indien war genöthigt, eine prob« Zahl von Pferden nach Südafrika abzugrben, und ist jeüt mehr denn je auf die Zufuhr australischer Pferde ange wiesen. Falls es zu Verwickelungen mit Rußland käme, so können also mit den allergrößt«» Anstrengungen im besten Falle 30 000 Mann europäischer Truppen all«r Waffengattungen an die Grenze geworfen werden. WaS die Sepoyarmee angrht, so steht das Urtheil der militäriscben Sachverständigen über einen großen Thetil derselben seit Jahren fest. Weder die Arm« von Bengalen noch jene von Madras können in» F«ld geschickt werden. Namentlich mit der letzteren hat man im birmanisch«» Kriege 1885/87 die schlimmsten Erfahrungen gemacht. Ganze Regimenter rissen aus und mußten nach Beendigung de» Krieges aufgelöst werden. Auf dem Papier nimmt sich ja di« Stärke der Sepoyarmee recht stattlich aus, aber davon sind, gering gerechnet, 50000 als Soldaten völlig nutzlos. Kein verständiger General würde jemals daran denken, dieselben inS Feld zu stellen. Er bleiben also nur die Regimenter der Pandschab- und Bombay-Armeen, die für einen auswärtigen Krieg in Betracht kommen können. So ist die Zahl der für den Felddienst verwendbaren Truppen auf nicht mehr als 100000 Mann zu veranschlagen. Man darf nicht vergessen, daß noch eine Reih« wichtiger Plätze an der Nordwestgrenze, wie Peschawur und Quetta, mit starken Garnisonen belegt werden müssen, daß man ferner wichtig« Centren im Innern, wie Lahore, Delhi, Allahabad, Lucknow u. s. w., nicht ohne Weiteres von Truppen entblößen kann, und daß «s schließlich Inst but not Isnst die wichtigsten Hafenpläh; Karachi, Bombay, Madras, Kalkutta und Rangoon zu vertheidtgen gilt. In dieser Hinsicht sind aber die Zustände geradezu scandalöS; ganz abge sehen davon, daß noch viele der Batterien mit uralten Vorder ladern ausgerüstet sind, besitzt nicht eine einzige derselben rauchlose Munition, alle feuern noch Schwarzpulver. Das Schlimmste ist, daß vielfach, Wie z. B. in Rangoon und Kalkutta, die Be- tonirung der hydraulischen Kanonen eine so schlechte ist, daß dieselben gewöhnlich im kritischen Momenie versagen, und daß keine geringere Autorität als «in General-Jnspecteur für Ar tillerie, der verstorbene Sir Charles Nairne, sich dahin geäußert hat, daß kein« dieser Kanon«n nach einer Stunde noch gefechts tüchtig sein würde. Schlimmer beinÄhe noch sind die Anlagen der BefestigungSwerke. In Bombay sowohl als in Karachi können feindliche Kriegsschiffe ohne Gefahr in den Hafen einlaufen, denn die Küstengeschütze können entweder nicht auf die Schiffe gerichtet werden, oder doch nur so, daß die eigenen Geschütze direct auf den am dichtesten bevölkerten Thcil der Stadt feuern. Geradezu klassisch ist die Anlage derBatterienbeiFulto, di« Kalkutta decken sollen. Dieselben sind nach Osten hin vollständig offen, und ein etwaiger An greifer wird nicht daran denken, den schwierigen Hooghli hinauf zufahren, um in die Zähn« dieser Batterien zu rennen, son dern den leicht schiffbaren Matla, der ohn« jene trügerischen Sandbänke ist, die im Hooghli di« Schifffahrt so gefährlich machen, hinauffahrm und die Batterien mit Leichtigkeit von rückwärts nehmen, denn der Matla ist natürlich nicht ver- theidigt. Immerhin ist im letzten Jahre mancherlei für die Re organisation der Bewaffnung geschehen. Im Jahre 1900/1901 wurden 14sH Millionen Pfund Sterling für mili tärische Zwecke auSgegeben. ES wurden beschafft: 700 000 neue L«e-Metford-Magazingewehre und sechs Batterien deutscher Geschütze, wofür 262 Pfund Sterling ausgegeben wurden. Eine Haubitzen-Batterie wurde für 12 000 Pfund Sterling ange schafft. Der Voranschlag für daS Jahr 1901/1902 beläuft sich er heblich höher als der deS Vorjahres, nämlich 16 345 500 Pfund Sterling. Der KriegSmrnister für Indien hofft damit i m Laufe der nächsten 12 Monate die folgenden wichtigen Reformen durchführen zu können. Die gesammte ein geborene Armee 'wird mit dem Magazingewehr bewaffnet sein, und sämmtlich« GebirgSbatterien sind dann mit neuen Hinter- lader-Geschützen, die rauchschwaches Pulver feuern, ausgerüstet. Drei Haubitzen-Batterien werden ein« werthvoll« Vermehrung der schweren Artillerie bilden, und die Geschütze der Feldartillerie werden mit der Spatenbremse ausgerüstet sein; 81 Maximgeschütz« werden an verschiedene Trupprntheil«, namentlich im Pandschab und für Küstenverthridigung abgegeben. Eine Vermehrung der OfficierSstellen bei den Eingeborrnen-Regimentern ist vorgesehen, und obschon nur ein Officier pro Regiment neu eingestellt wird, so beläuft sich doch die Gefammtzahl auf 133, WaS eine laufende Mehrausgabe von 60 000 Pfund Sterling verursacht. DaS ist eine ganz respectable Erhöhung der Schlagfertigkeit der indischen Armee, die wenigstens einige der schreiendsten Uebelstände ab stellt, — wofern es nicht zu spät ist! Der Krieg in Südafrika. „I rennt, tdnt vor rrn« vrer". Zu m 11. October. Dolle zwei Jahre sind nunmehr vergangen, seit der Boeren- krteg seinen Anfang genommen hat, und oamit hat dieser Krieg zeitlich eine Ausdehnung gewonnen, wie lein anderer größerer im letzten Jahrhundert geführter Krieg. Da darf man sich wohl fragen, wie sich daS englische Volk, dem der lanzdauernde Krieg ungeheure Lasten auferlegt, an diesem „Jubiläumstage" dazu stellt. Er ist der Werth eines guten politischen Witzblattes — und nur dann eben ist eS Wirklich gut —. in einer anschaulichen Weise die Stimmung und Stellung deS Volkes zu den wichtigsten Fragen zu geben. Und so siebt die letzte Nummer des berühmten eng lischen Witzblattes „Punch" Antwort auf die oben gestellte Frage. Ein meisterlich gezeichnetes Bild stellt dar, wie der schlafende Lord Salisbury von John Bull, aus dessen energischen und heftigen Bewegungen und leidenschaftlichen Zügen die größte Erregung spricht, am Arme gerüttelt wird: „Wachaus! Ich ver lange,daßdi es« rKriegs ei nEndehat. Fordere von mir, was Du willst, und ich werde esthun, aber es muß ein Ende nehmen." Man kann nicht trefflicher die Stimmung der englischen Nation wicdergeben. So unsympathisch uns die Engländer sein mögen, so müssen wir gerechter Weise zugeben, daß sie di« mannig fachen Wechselfälle dieses Krieges mit ungeheurer Geduld unv Ruhe ertragen haben. In Frankreich wären in dieser Zeit mindestens drei Revolutionen ausgebrochen und zwölf Ministerien gestürzt worden. In England nichts von alledem. Im Gegen- theil, diese Regierung, die der englischen Nation so unerhörte Blamagen eingebracht hat und di« das Volk nnt höchst bedrücken den Steuern belästigen muß, um wenigstens einigermaßen daS durch den Krieg veranlaßte Deficit im Staatshaushalte auszu gleichen, gewinnt noch immer neue Anhänger, wie eine letzthin erfolgte Parlamentswahl darthat, wo trotz dreier schwerer, unmittelbar vorher «rlittener Schlappen ein Regierungsanhänger in einem früher oppositionell vertretenen Wahlkreise gewählt wurde. Das englische Volt steht also noch immer in seiner Mehr heit unzweifelhaft hinter der Regierung, aber es will nun endlich, daß dieser Krieg ein Ende nimmt. Als Lord Roberts auf dem Schauplatze erschien, wurde dem Volke versichert, der Krieg würde binnen 4 Wochen beendet sein; als dann Roberts den General Cronje zur Waffenstreckung zwang und in rascher Aufeinander folge Bloemfontein, Johannesburg und Pretoria in seinen Besitz brachte, verkündete die Regierung wieder, nunmehr sei der Krieg zu Ende; dieselbe Angabe erfolgte, als Krllg«r die Grenzen seines Heimathlandes verließ; dann wieder verlautete im letzten Sommer, der Krieg sei so weit durchzeführt und stände so nahe vor seinem Ende, daß der größte Theil der in Südafrika stehenden Mannschaften entlasten werden könnte. Immer wieder stellte sich heraus, daß die Regierung eine Hoff nung für eine Gewißheit ausgeg«ben hat. Und wer will es John Bull verdenken, wenn er jetzt, wo eben wieder die Regierungs presse jubelt, die Boerensache stände unmittelbar vor dem plötz lichen Zusammenbruch, ungeduldig Lord Salisbury am Arme schüttelt und ihm sagt: Ich glaube an all' diese Redensarten nicht mehr, ich verlange Thaten und ich bin bereit, Opfer zu bringen, damit diese Thatm vollführt werden können. Freilich, mit dieser Opferwilligkett hat es eine eigene Bewandt- niß. Geld zu bewilligen, ist das englische Volk bereit, aber wenn Lord Salisbury den patriotischen John Bull, der ihm sagt: „Fordere, was Du willst, und ich werde es thun", beim Worte nähme und von ihm verlangte, sich der allgemeinen Wehrpflicht zu unterwerfen und Nach Südafrika hinauSzuziehen, so würde der wackere John energisch dagegen protestiren. Man sicht es ja, wie schwer cs der Regierung wird, durch Werbungen neue Mannschaften für Südafrika zu be kommen. Die Zahl Derer, die sich aus patriotischen Gründen anwerben läßt, ist minimal; meistens sind eS verbummelte Kerle oder arme Teufel, die dem Verhungern entgehen wollen. Und selbst bei diesen katilinarischen Existenzen ist die Neigung, sich den Strapazen und Gefahren des Krieges auSzusetzen, immer geringer geworden. Wenn also John Bull daS End« de« KöiegeS durchaus ver langt, wenn er aber andererseits nicht dazu bereit ist, sich persön lich dafür einzusetzm, daß die Bocren gewaltsam niedergewovfen werden, dann bliebe doch logischer Weise nur noch d« Möglich keit, durch eine friedliche Verständigung mit den Boeren daS Ende des doch unter keinen Umständen für Eng land ruhmvollen Krieges herbeizuführen. Zu dieser Einsicht P John Bull allerdings noch nicht gelangt, aver je heftiger sich in ihm der Wunsch regt, I vant, v»r v»s ovvr", desto näher wiro doch die Möglichkeit dieser Einsicht gerückt. votha'S Schach,»». London, 10. October. (Telegramm.) Eine Durbaner Drahtung der „Times" vom 7. October besagt, daß Lyttelton'S Operationen an der Grenze Natal» in den letzten Tage» gegen die verzweifelten Bemühungen der Boerrn gerichtet gewese« fei, sich auS der kritischen Lage zu befreien, in welche sie durch ihren verwegenen Einfall im Zululand versetzt worden sein. Ob wohl Botha noch nicht in Sicherheit sei, werde er doch, wie eS scheine, dem inneren Eordon der Truppen, die inS Feld gerückt seien, um ihm den Rückzug abzuschoeiden, entrinne», nachdem er genöthigt worden, einen Theil seiner Streitkraft zurückzulassen. Lyttelton dürfte e» mit den zu seiner Ver fügung stehenden Truvpen unmöglich finden, die ganze Strecke von den Grenzen Natals und Zululands bis Bryheid zu blockiren. Nordwärts lang- der Greuze von Zululand mar- schirend, gelang eS Botha (wie schon erwähnt) am Sonntag, mit etwa der Hälfte seiner Streitkraft außerhalb der britischen Truppenlini« zu gelangen, wobei ein Wagen und Vieh zurück ist. Nach einem Nachtmarsch nach Nordosten bis Bryheid stießen die Boeren auf General Walter Kitchener; ein Treffen entwickelte sich, da» mit dem Rückzug der Boeren nach Norden endete; angeblich wurden vier Boeren ver wundet. Die Operationen sind »och nicht vorüber. Da» einzige (I) Ergebniß des SchachzugrS Botha'» ist, daß er sich einen weiteren, aber dennoch beschränkten Flächeuraom für seine künftigen Bewegungen gesichert hat. (Nun, da» genügt doch. D. Red.) — Einer Lissaboner Drahtmeldung der „Daily Mail" zufolge fand am Souvabend ein Treffen zwischen Briten und Boeren bei Komatipoort statt. Etliche Briten flüchteten, sie wurden von den Portugiesen gefangen genommen und nach Lourenyo Marque» gebracht. Der Berlost der Engländer ist unbekannt, die Boeren zogen sich zurück. „Begnadigt." * Eradock, 9. October. („Reuter'S Bureau.") 53 Auf ständische au» der Capcolonie, die mit Lotter'» Kommando ge fangen genommen worden waren, wurden heute in Gegenwart von Truppen aus dem Marktplätze aufgestellt, um dea UrtheilSspruch, der sie zum Tode durch Erhängen verurtheilte, anzuböreu. Die Strafe wurde jedoch von Lord Kitchener in lebenslängliche Zuchthausstrafe umgewaudelt. Deutsches Reich. -r- Berlin, 10. October. (Die internationale Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz.) Die summarische Berichterstattung über die jüngst in Basel ab gehaltene constituirende Sitzung der internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbciterschutz findet in der „Socialen Praxi»" eine ebenso eingehende wie beachtenswerthe Ergänzung, der wir zusammenfassend im Folgenden das Wichtigste entnehmen. Vertreten waren in Basel mit Ausnahme von Ungarn alle bisher errichteten Landcssectionen, also die der Schweiz, Deutschlands, Frankreichs, Oesterreichs, Belgiens, Hollands und Italiens. Auch verschiedene der internationalen Vereinigung beigetretene Regierungen waren in Basel durch amtliche Delegirte vertreten, vor Allem die Eidgenossenschaft selbst, Frankreich, Holland und Italien. Diese Staaten gewähren der inter nationalen Vereinigung zum Theil namhafte Jahresunter- ^ersiHeton. Lursachsens Kanzler Krell, »in Justizmordopfer vor 300 Jahren. >!a..cru rrn. Am 9. October kehrte er zum dreihundertsten Male wieder, »in Tag trüben Angedenkens für die sächsischen Lande von der böhmischen Grenze bis hinauf nach Wittenberg, von der Lausitz bis weit in die grünen Berglande Thüringens hinein, ja, sogar einer Schande, die wir nur durch rückhaltloses Eingeständniß und durch Ehrenrettung für den verblendetem Wahne und blindem Hasse zum Opfer gefallenen wackeren Mann einiger maßen wieder gut zu machen vermögen. Nicht allein die ehedem kursächsischen, albertinischen, sondern auch die herzoglichen, ernestinischen Gebietstheile, ihre damaligen Herrscher und Unterthanen, vornehmlich auch die Universität Jena, trugen Schuld daran, daß am 9. October 1601 auf dem Jüdenhofe SU Dresden das Haupt einer unschuldigen, ja einet um Sachsen sogar verdienten ManneS unter dem Richtschwerte fiel. Jahrhunderte Hat es gebraucht, bis die unerbittliche Wahr- heitSsucherin Geschichte klar zu stellen vermochte, daß vr. Nikolaus Krell, der treue Kanzler des sächsischen Kurfürsten Christian I., zehn Jahre nach dessen Ableben in den ersten Monaten der RegierungSzeit von Christian'» so lange minder jährig gewesenem Sohne al« daS Opfer eine- Willküraktes zonderSgleichen, also eine» Justizmordes nach heutigem Sprach gebrauche, das Schaffst bestiegen hat. Daher ist's eine Ehren pflicht der Presse, bei der dreihundertsten Wiederkehr de» LodeS- tageS dieses unglücklichen ManneS dessen von Aberwitz und blindem Haß befleckte Ehre wieder rein zu waschen, wie sie eS verdient, und zwar um so mehr, als sonderbarer Weise in vielen sächsischen Schulen noch immerzu von Krell'S Schuld die Rede ist, waS freilich insofern leider nicht Wunder nehmen kann, als eS trotz umS Jahr 1850 erfolgter verdienstvoller, wenn auch unvollständiger Aufklärung, auch seitdem nicht an Stimmen ge fehlt hat, die — sei eS mangel» Kenntniß wichtigen Acten- materialS, sei eS auS zweckdienlicher Berechnung — die Wider legung von Krell'S angeblicher Schuld mit mehr oder weniger Erfolg zu unterdrücken versuchten. Der Verfasser dieser Skizze beschäftigt sich seit Jahren mit Krell'S Lebensgeschichte, die ihm schon in der Jugend auf klärungsbedürftig erschien, und hat alle irgend erreichbaren Quellen dazu mit peinlichster Sorgfalt ausgesucht, geprüft und gegen einander abgewogen. Da fand er denn bei der Be trachtung dessen, waS Feinde und Freunde Krell'S, oder was unparteiische Beobachter und sonstige glaubwürdige Gewährs leute, sowie staatliche und gerichtliche Acten anzugeben wissen, zu seinem großen Erstaunen, da» vielfach der gerechtesten Ent rüstung Platz machen mußte, wie man früher und noch jetzt Licht und Schatten über der Geschichte vr. Krell'S nicht nur ungleichmäßig vertheilt, nein geradezu mit einander ver tauscht hatte. Krell war lediglich ein Opfer der leider der Reformation gefolgten schweren geistigen Reaktion, er war zu vernünftig und war bürgerlicher Abkunft, dem Adel also mißliebig; irgend eine Schuld oder gar ein todtwürdigeS Verbrechen haftet ihm nicht an; im Gegentheil, er wäre gewiß zu hohen Ehren und dollster Anerkennung seiner Verdienste gelangt, hätte er sein und seine» Herrn Werk zu dem erstrebten Ziele führen können. Krell war zunächst der Erzieher und Informator deS dem Kurfürsten August von seinen zehn Söhnen einzig übrig ge bliebenen Prinzen Christian gewesen, wurde nach dessen Regierungsantritt im Jahre 1586 der Geheimrath des jungen Kurfürsten und 1589 sein Kanzler. Das Verderben des ums Jahr 1550 zu Leipzig geborenen Mannes wurde der Umstand, daß er gleich seinem einzigen Schüler und späteren Herrn zu „aufgeklärt" für seine Zeit und daß er nicht „von Adel" war — daS ist zugleich seine ganze „Schuld". Sie würde ihm — wie Alle», waS wir von Christian I wissen, erkennen läßt — gut auSgegangen sein, wenn der Kurfürst länger am Leben geblieben wäre. So aber verstarb dieser schon am 25. September 1591 im Alter von 31 Jahren, weniger einen Monat. Sofort nach dem Tode dieses einsichtigen und nüchtern denkenden — von der tendenziösen Geschichtsschreibung mit Unrecht für unselbstständig, schwach und trunksüchtig*) hin gestellten — Fürsten, dem er wahrhaft treu gedient hatte, brach die zehnjährige schwere Leidenszeit für den beklagens- werthen Mann an; bi» an sein Lebensende sollte er im Ge- fängniß schmachten, und nur über den Richtschemel hinweg sein Weg wieder in das verlorene Land der Freiheit führen. Rach sucht und Willkür setzten Krell gefangen, führten — obschon sie kaum wußten, wie den Schein des Rechts dabei wahren — einen die Grenze der Möglichkeit zu verschiedenen Malen über schreitenden, jahrzehntelangen Proceß gegen ihn und *) Verwechselung mit seinem nur 28 Jahre alt gewordenen Sohne Christian II., der 1610 nach einem Besuch« beim Kaiser Rudolf II. in Prag mit den klassischen Worten von ihm Abschied nahm: „Ew. Maiestät haben mich so trefflich gehalten, daß ich nicht eine Stunde nüchtern gewesen", und schon 1611 an den Folgen eines starken Rausche» verstarb. wie seine schleppten daS in langer Untersuchungshaft schwer erkrankte Opfer schließlich aufs Schaffst, nachdem sie — und daS hat erst neuerdings ein junger Hallescher Forscher, vr. Benno Bohncnstädt, aus den im Dresdner Hauptstaatsarchiv auf bewahrten Acten mit untrüglicher Sicherheit festgestellt — auf Grund eines gefälschten JnquisitionSprotokolls auf Umwegen beim Kaiser Rudolf II. rin Urtheil erwirkt batten. Er soll, so sagten seine Feinde, durch Hintergehung seines Fürsten daS Lutherthum haben auSrotten und den CalvmiSmuS einführen wollen, soll Christian zu ungerechten Maßnahmen gegen Vertreter der Geistlichkeit und des Adels veranlaßt, ja sich überdies sogar eines LandeSverrathS schuldig gemacht haben. Alles Lügen, wie man späterhin sehen wird; wie anders hätten seine Feinde nöthia gehabt, schließlich behufs Er langung eines Urtyeils ihre Zuflucht zu einem Betrüge nehmen zu müssen! Wie war solcher uns neuzeitliche Menschen rein unmöglich dünkende Irrwahn möglich? Je nun, es war eben eine böse Zeit damals, eine Zeit der jeden Geist und alle Vernunft ab» tödtenden bleischweren Reaction. Der Freiheit deS Humanismus und der Reformation war die Knechtung deS Gedankens, die Herrschaft des „Papstes Bibelbuchstabe' gefolgt. Der Besitz des „reinen GotteSworts" flößte den Menschen die Furcht ein, sie könnten es wieder verlieren, und machte sie in höchstem Grade unduldsam gegen Alle, die an den Einrichtungen Luther'» deuteln und ändern wollten. Hatte doch selbst LutKer'S ge treuer Mitarbeiter Melanchthon erleben müssen, wie seine ebenso gut gemeinten wie vernünftigen Vorschläge zur Mil derung verschiedener durch Luther's Unbeugsamkeit und Un- kenntniß politischer Verhältnisse herbeigefuhrter Härten und Verstimmungen unter den Evangelischen ein mit „wüst" noch viel zu milde bezeichnetes Geschrei der flacianische»
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