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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.10.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011005020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901100502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901100502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-05
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Anzeigen «PreiS die 6 gespaltene Petitzeile S5 Reklame» unter dem RedactiouSstrich (»grspalteu) 7b vor deu FamUteunach» richten (8 gespalten) LV H. Tabellarischer und Zifferusatz entspreche»» höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuannahme LS H (excl. Porto). Ertra» Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgab«, ohne Pvstdesürderuug SL—, mit Postbesörderuug 7V.—» Ännahmeschluß für Älyeize«: Nbend-AuSgab«: vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Bei deu Filialen und Annahmestellen je ein* halb« Stunde früher. Anzeigen find stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununtrrbroche» geöffnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Druck «ad Verlag von S. Pol» w Leipzig Sonnabend den 5. October 1901. SS. Jahrgang. Die Stadt Serlin und die Krone. Man schreibtunS aus Berlin vom4.d.M.: Die gestrige Sitzung der Stadtverordnetenversammlung, die von der ganzen Be völkerung mit Spannung erwartet worden war, befriedigt daS SensationSbedürfniß nickt, wohl aber alle billig und anständig denkenden Bürger. Mit erdrückender Mehrheit ist eine (von unS im gestrigen Abendblatt mitzetheilte. D. Red.) Resolution angenommen worden, die den Punct, um den eS sich in der Angelegenheit der Ueberführung der Straßenbahn über die „Linden" ganz allein bandelt, scharf herausarbeitet. Die Stadt Berlin ist veranlaßt worden, ein Projekt anf- zugreifen, sie hat eS mit großen Geldaufwendungen gethan, und als die» geschehen, wurde die Genehmigung zur Durch führung versagt. Daß die Anregung und die Verweigerung vom Kaiser und König persönlich ausgegangen"sind, steht in der Resolution nicht drin, ist aber trotzdem wahr. Die Kund gebung der Bürgervertretung, die der Oberbürgermeister will kommen hieß, macht alle künftigen Verdunkelungsversuche unmöglich. Bisher hat man es vielfach so dargestellt, als ob die Stadt Berlin leichtfertig gehandelt hätte, als sie ohne der königlichen Genehmigung der Ueberführung sicher zu sein, um den Preis von etwa 10 Millionen Mark zwei Straßenbahnlinien ankaufte, und auch als der wahre Sach verhalt dokumentarisch festgestellt war, haben es gefällige Zeitungen verstanden, den Kernpunkt der Sache zu escamo- tiren. ES giebt eben zahllose Menschen, auch gebildete, die zu bequem sind, einen mehrere Spalten einer größeren Zeitung füllenden amtlichen Schriftenwechsel und Auszüge auS stenographischen Parlamentsberichten aufmerksam zu lesen. Die Resolution der Stadtverordneten schalt den Kern heraus; sie ist zwar formell für den Magistrat, tbatsächlich aber für die Krone bestimmt, und Niemand wird sich einreden lassen, die Vertreter der Berliner Bevölkerung hätten über eine factiscke Entscheidung und eine formelle Gegen entscheidung des Königs, durch die „die städtischen Verkehrs interessen und Finanzen schwer geschädigt werden", ein „Be dauern" ausgedrückt, wenn Entscheidung und Gegenentscheidung nicht erfolgt wären. Die Wahrheit geht noch weiter: der Stadt ist der schließlich eingereichte Plan Lurch den Polizei präsidenten, der dabei natürlich nicht auS eigener Initiative handelte, geradezu aufgenöthigt worden. Die Verweigerung der vom Oberbürgermeister nachgesuchten Audienz, die Vielen ein Räthsel erschien, wird nun allgemein verstanden. Der Kaiser konnte sich füglich nicht von einem Unterthan, wenn diesem auch noch so ehrerbietige Worte zur Verfügung stehen, auf den Umstand Hinweisen lassen, daß bei dem Beharren auf seiner Entscheidung eine Schädigung der Stadt entstehen werde und daß der Monarch sich in Widerspruch mit sich selbst gesetzt habe. Selbst die „Kreuzztg." hat, wie daS „Leipziger Tageblatt" mitgetheilt, ihr ursprüngliches, die Stadt unbedingt ins Unrecht setzendes Urtheil geändert, weil „auf eine Aenderung der königlichen WillenS- meinung geschlossen werden" müsse. Das Blatt fand aber die Willensänderung verständlich „im Hinblick aus die Zunahme deS Verkehrs und die Erfahrung, die wir mit den elektrischen Straßenbahnen (gemeint sind zahlreiche Unglücksfälle) gemacht haben". Als die „Kreuz zeitung" dies schrieb, gründete sie ihr Verstänvniß lediglich auf die Tbatsache, daß der Minister v. Thielen im Jahre 1892 im Abgeordnetenhause das jetzt verworfene Projekt mit dem Bemerken empfahl, daß gegen diesen Plan, fo viel er wisse, kein Widerspruch (seitens des Königs) erhoben worden sei. Neun Jahre sind, verkehrspolitisch, in einer mächtig emporstrebenden Sladt wie Berlin, eine sehr lange Zeit und eS kann in der Thal heute eine Maßnahme falsch oder doch bedenklich sein, die 1892 gebilligt werden konnte. Aber die erstere Meinung bestand noch vor weniger als zwei Jahren. Das Schreiben Les Polizeipräsidenten an den Magistrat, in welchem diesem vorgehalten wurde, daß das Projekt Kano- nierstraße-Neustädtische Kirckstraße gegenüber einem anderen (dem Charlottcnstraßen-Project) den Vorzug verdiene, datirt vom Deccmber 1899. Diese dringende Aufforderung erfolgte nickt ohne Hervorhebung der Thatsache, daß auf den Plan Kanonierstraße die Stadt von hoher Stelle hingewiesen worden sei. Nun, dieser Plan ist es, der jetzt, nachdem die Stadt ibn zur Grundlage von kolossalen Terrainerwerbnngen, die nicht rückgängig gemacht werden können, genommen, zurückgewiesen worden ist, und zwar schon am 23. April dieses Jahres. Zwischen dieser Zurückweisung und der letzten Empfehlung liegen nur anderthalb Jahre und die Kürze dieses Zeitraumes ist eS, waS die Frage nach der Sachlichkeit der zweiten Entscheidung auf Aller Lippen drängt. Wir haben darüber keine Ansicht. Schöner bleibt es, wenn die Straßenbahn die „Linden" an der Stelle, die in Aussicht ge nommen war, nicht durchquert, und was die Sicherheit an geht, so ist nicht ohne Gewicht, daß an freundlichen Sonn- und Festtagen der Spaziergängerverkehr auf dem einen der in Betracht kommenden Bürgersteige ein ungeheurer ist; man kommt buchstäblich nur im Sckncckengange vorwärts. Das war aber vor zwei und sogar vor zebn Jahren ebenso. Nun hat der Kaiser die unterirdische Querung anheimgestellt. Diese würde sich ungeheuer kostspielig stellen, ein Hinderniß, daS sich schließlich aber überwinden ließe. Aber wir kennen bewährte Bauverständige, die aus ästhetischen und Verkehrsgründen gegen die Ueberführung sind, also nicht die Partei der Stadt nehmen, gleichzeitig aber die Unterführung als technisch außerordentlich schwierig bekämpfen. Es kommt hinzu, daß die Unterführung in den beiden frag lichen Straßen, die durch die „Linden" verbunden werden, den Verkehr sehr erheblich beeinträchtigen würde. So liegt denn die Sache für die Stadt Berlin materiell so ungünstig» wie sie moralisch günstig für sie liegt. Die gestrigen Verhandlungen der Stadtverordneten- Versammlunz haben sich, daS muß auch der Gegner des reichshauptstädtischcn CommunalfreisinnS anerkennen, dem einen Umstande angepaßt und es vermieden, auS dem anderen Capital zu schlagen. Durchaus correct, loyal und klug, das ist das Urtheil aller Unbefangenen. Die angenommene Resolution klingt, wie in Erinnerung gebracht sei, io dem Ersuchen an den Magistrat auS, „mit allen geeignet erscheinenden Mitteln die Genehmizuog dieser Ueber führung zu erwirken". DaS ist eine Aufforderung rein platonischer Natur; selbst Herr Singer, der sich mit seinen Parteigenossen dem festen aber ruhigen Beschlüsse natürlick nicht anschloß, erkannte das formale Recht des Königs zur Ablehnung an und Oberbürgermeister Kirsch ner schloß eine seiner Darlegungen mit den Worten: „Hoffnung" sei in diesem Augenblicke das Einzige,was „mög lich", „Hoffnung auf die Macht der Thatsachen und der Verkehrsverhältnisse". „Byzantinisch", wie es im „Vorwärts" heißt, waren dabei die abgegebenen Erklärungen durchaus nicht. Der alte Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung vr. LangerhanS sprach von einer „unerhörten Thatsache", waS merkwürdiger Weise in dem von den bürgerlichen Blättern Berlins benutzten Berichte unterdrückt ist, und auch I alle anderen Redner ließen von der Loyalität nicht ihre Ent-1 schiedenbeit beeinflussen. Herr Singer, der die Resolution f und Alles, WaS zu ihr gesagt wurde, für „Kotau" zu befinden vorgab, provocirt den Oberbürgermeister zu Erklärungen über gewisse alte Vorgänge. Wir verweisen in dieser Beziehung auf den Bericht und beben nur hervor, daß Herr Kirschner bemerkte, die für Berlin unvergeßliche kaiserliche Ansprache in der Kaserne des Alexander-Regiments hätte „doch nicht so scharf gelautet, wie sie in der Presse wiedergegeben worden" sei. Das will nun gar nichts besagen. Die Presse brackte damals, wie immer in solchen Fällen, verschiedene Berichte, nämlich neben den genauen auch säuberlich abgetönte, und Factum ist, daß die Worte „Frechheit und Unbotmäßigkeit" gefallen sind. Der Oberbürgermeister er klärte den» auch, daß ihn die kaiserliche Ansprache tief ge schmerzt und er viel darum gegeben hätte, wenn sie nicht gehalten worden wäre. Daß Herr Kirschner erwiderte, er hätte doch wohl das Local (die Caserne) nicht verlassen können, er sei „doch nicht Bürgermeister von RheimS" (der den Zaren zu brüSkiren versuchte), war fein und wirksam. Der Socialdemosrat Singer ist überhaupt wertbvoll für die bürgerliche Abwehr allzu weitgehender Eingriffe in die Selbstverwaltung. Mit scharfer Dialektik und großer Ge wandtheit begabt, kann er nicht auf Ungezogenheiten ver zichten, und eine Weile schien eS, als ob sein Hervortreten in Liesen Differenzen dem Hofe zu statten käme. Dies ist aber jedenfalls jetzt nicht mehr der Fall; im Gezentheil, daS Betragen deS kampflüsternen Demagogen dient dem bürgerlichen Element in der Stadtverordneten-Versammlung zur Folie und man hat es gestern von verschiedenen Seiten recht geschickt benutzt, um die königstreue Farbe von der Couleur der „republikanischen Partei" sich abheben zu lassen. Socialdemokratische Ueber- treibungen können die unsere» Erachtens gerechte Sache der Ber liner Bürgerschaft nun nicht mehr schädigen. Selbst Blätter, die auch in dieser Angelegenheit an den Canal und den Zolltarif und an nichts als den Canal und den Zoll tarif denken, haben sich gezwungen gesehen, von der ur sprünglichen blinden Parteinahme für den Hof abzuseheu; das anfänglich „unentwegteste" unter ihnen findet jetzt, daß die „Linden"-Affäre, weil der Verkehrsminister v. Thielen anscheinend nicht einmal konstitutionell mit der Angelegenheit befaßt wurde, unter staatlichen Gesichtspunkten betrachtet, nicht unbedenklich sei. Staat, Stadt und leider auch Reich lassen sich aber gegenüber Regierungszuständen, wie die herrschenden, gewöhnlich und auch vom Standpunkt einer vernünftigen Taktik nicht trennen. Wer in einer Landessache ein sic zudeo, in einer Neichssacke ein veto erhaschen will und deshalb in einer städtischen Sache den Landsknecht ab- giebt, der kann nickt erwarten, daß in anderen Fragen eine ihm „generell" wohlgefällige konstitutionelle Praxis beobachtet werde. Der Krieg in Südafrika. Atala und Moedwill. p. Ganz in Uebereinstimmung mit unserer Darstellung schreibt die „Köln. Ztg": „Die eigenartigen Vorgänge I im Bezirk Nkandhla — des ZulnlandeS sind noch I immer nicht genügend aufgeklärt. Selbst die englische I Presse steht verwundert vor der Thatsache, daß der Angriff Botha's auf die beiden Forts Jtala und Prospekt zwar abgeschlagen und, wie behauptet wird, mit großen, auf 250 Tobte und 300 Verwundete geschätzten Verlusten der Beeren abgeschlagen wurde, daß aber gleichzeitig der Verlust der Engländer so empfindlich war. Laß von den kleinen Besatzungen der Forts nur rin kleiner Druchtheil mit heiler Haut davongekommrn sein kann, und daß weiter so viele Leute vermißt wurden und der ganze Troß in die Hände der Boeren fiel. Verwunderlich ist e» auch, daß die Boeren, obgleich ihr Rückzug in nördlicher Richtung auf Berlhasdorp (50 km nördlich von Jtala) ge meldet wurde, noch am Morgen deS 29. September einen langen englischen TranSportzug, der von Melmoth im Zululand nach Fort Prospekt unterwegs war, 10 km von ersterm Ort entfernt, Wegnahmen, die Wagen verbrannten und die Lebensmittel und Ochsen entführten. Man kann doch nur schwer glauben, Laß die Boeren, nachdem die am 26. und 27. September bei Jtala und Prospekt so decimirende Verluste erlitten hatten, am 29. September noch im Stande waren, einem britischen Proviantzug anfzulauern, und zwar in unmittelbarer Nähe ihrer angeblichen Niederlage. Jedenfalls müßten dann die britischen Truppen trotz der Verstärkung durch Bruce-Hamilton völlig gelähmt und außer Stande gewesen sein, an die Ver treibung oder gar Verfolgung des Gegners zu denken. Ausführlicher behandelt Kitchener den Ueberfall den Delareh und Kemp auf Kekevich'S Lager bei Moedwill, westlich vom Magato-Nek zwischen RustenburH und Zeerust, am 30. September ausgeführt haben. Die englischen Ver luste sind schon nach der amtlichen Depesche mitgetheilt worden; Kekevich selbst wurde an zwei Stellen ver wundet. ES hieß, Kekevich und Featberstonhaugh hätten gemeinschaftlich Delarey und Kemp verfolgt, und nach ihrer Trennung wäre Kekevick allein angegriffen worden. Wie unter solchen Verhältnissen von einer Ver folgung die Rede sein kann, ist unerfindlich; es handelt sich offenbar um einen geschickten Scheinrückzug, dem der englische Führer trotz seiner langen Kriegsersahruug — Kekevich war der Vertheidiger von Kimberley — zum Opfer gefallen ist. denn eine bessere Taktik giebt es nicht, als den Gegner erst in Sicherheit einzuwiegen, um ihu dann zu vernichten." Wir erhalten über die böse Schlappt Kekevich'S noch folgende Meldung: * Loudon, 4. Oktober. Nach der letzten Verlust liste verlor die Abtheilung de» Obersten Kekevich bei dem letzten Angriff Delarey'S, von einer Anzahl leicht Verwundeter ab gesehen, 45 Todte und 114 Verwundete. Hier sucht das Kriegsamt anscheinend wieder zu ver schleiern, denn es läßt unklar, ob sich die angegebenen Zahlen auf den Angriff Delarey'S am 30. September, wo die Engländer nach amtlicher Meldung 33 Todte und 128 Ver wundete, nach unserer Privatmeldung 52 Todte, 163 Ver wundete und 61 Gefangene verloren, oder aber auf den zweiten Angriff beziehen, der die Engländer bekannt lich überraschte, al» sie in dem Glauben, den Feind zu Paaren getrieben zu haben, ohne Anwendung jeglicher Vor sichtsmaßregeln wieder abzogen. Man muß wohl annehmeu, daß dieser letztere Kampf gemeint ist, denn über die Verluste, die die Engländer hier erlitten, hatte Kitchener bisher nock nichts berichtet, während die Verlustziffern des ersten Kampfes bereits veröffentlicht sind. Ist diese Annahme aber richtig, so war das, was Kekevich im Buche seiner RuhmeSlbaten zu verzeichnen bat, nicht mehr bloS eine Schlappe, sondern Feuilleton. Olof Thoroldsen. Roman von Anna Maul (M. Gerhardt). Nachdruck verboten. Der Generalagent lachte und versuchte einen Gegenstoß. „Ich bin ja ganz bereit zu Reue und Bedauern, meine Herr schaften — aber wen soll ich bedauern? Mein Frauchen ooch nicht etwa, das mich in so guter Gesellschaft nicht zu finden wußte? Und bereuen — zu spät — oder zu früh gekommen zu sein? — Na, nichts für ungut, lieber Consul." Wohlerzogene Leute nehmen derlei kleine Inkorrektheiten nicht tragisch. Man lachte, neckte und hittcte sich, im Freundes kreise Verstimmung blicken zu lassen. Es wurde dann noch ein sehr vergnügter Abend. Man tafelte im großen Kreise in den gemüthlichen Räumen der Loge. Man brach in einzelnen Gruppen auf, gerieth auf dem Heimweg in ein beliebtes Restaurant und war freudig überrascht, die Freunde, von denen man sich feierlichst verabschiedet, dort bereits vorzu finden. Als die Bergau» mit ihrem Gast nach Haus« kamen, war Mitternacht vorbei. Frau Wienhold erklärte, sie sei aufgeregt, habe Sect getrunken, danach könne sie nicht schlafen. Sie ver lange nach Sodawasser — nach einer Cigarette. Frau Cläre aber hatte dereits gute Nacht gesagt und war in ihr Schlafzimmer geschlüpft, unter dem Vorwand von Kopf schmerz und großer Müdigkeit. Was blieb dem braven Anton übrig, als selber für daS Ver langte Sorge zu tragen? Sodawasser fand sich leider in der Speisekammer nicht vor, man mußte sich mit einem Gemisch von Rum, Wasser und Zucker behelfen. Wie hätte er auch schon die Ruhe suchen mögen? Alle seine Lebensgeister waren wach und in erhöhter, zitternder Bewegung. Noch me hatte er seine Seele so weit, so beschwingt, noch nie sich selber so al» etwas Besondere», Begnadigtes gefühlt. Ja, warum e» leugnen, diese entzückend« genial« Frau zeichnete ihn au», über häufte ihn mit Gunstbeweksen, umgab sich und ihn gegen alle Welt mit jener unsichkbaren zauberischen Scheidewand, wie liebend« Frauen sir um sich und d«n Gegenstand ihrer Huld zu ziehen wissen. Sie saß zurückgelehnt im Sessel, die Lider träumerisch ge senkt, die Cigarette zwffchtn den Fingern. Im Zimmer war es dämmerig, nur die Wachilichtt am Flügel brannten. Frau El- dira wollte nicht mehr Licht. Ti« summte abgerissene Tact« von Melodien, die aus dem Rhythmengrwoge dieser Tage wie einzelne flimmernde Wellen auftauchten. Anton Bergau's Arm lag auf der Sessellehn«, seine Augen schmachteten die Schöne aus nächster Nähe an. Ueber das Stadium der geistreichen Zwiegespräche, der verhüllten Geständ nisse waren die Beiden schon hinaus, ihre Unterhaltung war ein Gefühlsstammeln zwischen langen Pausen — ein unmittelbares Jneinanderfließen der Seelen. Einmal zuckte die Sängerin zusammen. „Ging da nicht eine Thür?" „Ich — habe nichts gehört", versetzte Anton. Man hätte Kanonen vor seinem Hause lösen können, er hätte es nicht be achtet. „Sie seufzen, mein Freund?" hauchte die schöne Frau, sich zu ihm neigend, so daß ihr duftiges Blondhaar seine Stirn streif:«. „Ach — Elvira — daß diese Augenblicke reinster Seligkeit — so flüchtig — so kurz — so schnell verschwindend sein sollen —" „Wahr — aber klagen wir nicht, theuerster Freund — wir haben sie doch gelebt — genossen. Und wir scheiden hoffentlich nicht für immer." „Hoffentlich. Was meine Kräfte vermögen — aber werden wir uns als die Gleichen Wiedersehen?" „Wer weiß das? Wer kann auch nur für sich selber ein stehen?" — „Elvira —" Sein Arm lag um ihre Schulter, der ihr« um srinen Hals. Ihr« Lippen suchten und fanden sich. Da — plötzlich fuhren Beide in jähem Schreck empor. Ein Prasseln, Krachen, Klirren, al» bräche — stürze etwas gewalt sam über ihren Köpfen zusammen. Bleich, bebend, standen die beiden Schuldbewußten, starrten einander sprachlos an. Sie lebten — waren unverletzt. Der Kronleuchter — der Spiegel — di« Fensterscheiben — Alles war an seiner Stelle — unversehrt. Bergau ging auf die Thür zur Eßsiube zu. Sie stand halb offen. Er hatte sic doch selber ins Schloß gedrückt. Drinnen war es finster. Ein durchdringender, widerlicher Geruch kam ihm entgegen. Frau Ekvira stand zitternd, an eine Sessellehne geklammert. „Um Gottes willen — jetzt kommt Ihre Frau — sie wird un» ein« Scene machen." Anton hatte eine der Kerzen vom Flügel genommen und leuchtete in das Eßzimmer hinein, ging, da sich dort nicht» regte, muthiger geworden, vorwärts. Aengstlich und neugierig schlich Frau Elvira hinter ihm drein. Die Lampe — die schöne Majolikalamp« lag in Scherben auf dem Fußboden. Das rinnende Petroleum verbreitete einen peftilenzialischen Geruch. „Es muß Jemand hier gewesen sein", schlußfolgerte Frau Elvira. „Eine Thür ging — das hörte ich — einen Schritt habe ich nicht gemerkt." „Es hat sich Jemand in Strümpfen eingcschlichen", erklärte Anton, in dem jetzt der Grimm aufstieg. „Ein Dieb —?" Anton zog die Buffetschieblade auf. Die silbernen Löffel lagen an ihrem Platz. Er nickt« mit bitterem Lächeln vor sich hin. Was, Dieb! — Natürlich war es Cläre gewesen. Sie hatte Alles gehört. Alles gesehen. Die Lampe hatte sie absichtlich hinuntergeschleudert. Eine Reihe höchst widerwärtiger Vorstellungen rauchte mit visionärer Klarheit in seinem Geist auf. Da — er traute seinen Ohren nicht — ein Helles Lachen! — Das silberne lustige Lachen der Sängerin, das ihn in diesen Tagen so oft entzückt. „O Gott, wie wir Kästchen! Wie die,armen Sünder! Hätten wir wenigstens was aus dem Gewissen, eine lustig« Sekunde, daß es der Mühe Werth wäre, den Kopf zu hängrn und Buße zu thun!" Anton runzelte di« Stirn. Ihm war ganz und gar nicht spaßhaft zu Muth«. Aber Frau Elvira Hane den Schreck über wunden und ihren ganzen fröhlichen Leichtsinn wiedergefunden. „Gehen wir schlafen, armer Freund, und rüsten Sie sich auf eine fulminante Gardinenpredigt! Ich kann Ihnen nicht helfen. Seien Sie froh, daß Sie mich bald los werden. Ich habe leider Niemand, der mich auszankt. Aber die Freiheit ist auch was werth." Fünfte» Capitrl. Dem Programm nach hätte das Sängerfrst heute mit einem gemeinsamen Ausflug nach einem der schön gelegenen Orte der Umgegend schließen müssen. Allein die Witterung war un günstig, von den auswärtigen Gästen reisten schon viele ab. Der Ausflug wurde auf morgen verschoben und für den Abend ein Wettsingen der Männerchöre, die noch vollzählig Stand hielten, im großen Rathhaussaale bei einem kühlen Trunk guten Biere» verabredet. Auch Frau Elvira hatte vom Abreisen gesprochen, ließ sich aber noch zum Bleiben bewegen, da Eonsul Römpke zu einem intimen musikalischen Abend in sein Hau» einlud. Er wollte e» doch nicht weniger gut haben, wie Freund Generalagent. Dieser ließ sich heute kaum blicken, war in der finstersten Laune. Kein Wunder! Eine schlaflose Nacht — und seine Frau hatte er in ihrem Bette leise weinen gehört. Wie ein Miffethäter kam er sich vor — und hätte doch um keinen Pret» der Welt den hübschen kleinen Roman mit der Sängerin — der leider solch' kläglichen Ausgang genommen — hingeben mögen Eigentlich war er stolz auf seine feurige Natur, nahm sich aber vor, seine arme kleine Frau für die begangene Untreue durch verdoppelte Zärtlichkeit schadlos zu halten. Sie jedoch, als er sich ihr beim Frühstück näherte, wandte ihm schroff den Rücken. Sie sah elend aus und war sehr nervös. Das merkte er an ihrer Stimme, die er im Vorbeigehen in der Küche hörte. Er horchte hin, es schien von der zerbrochenen Lampe die Rede zu sein. Frau Cläre stellte ein Verhör an, aber das Dienstmädchen verschwor sich hoch und heilig, sie wisse von nichts. — Bergau athmete auf. Mit dem nächtlichen Spuk wenigstens hatte seine Frau nichts zu schaffen. Aber wer sonst? Als ob der Teufel heute allerwärts sein Spiel triebe! — Morgens kamen Geschäftsbesuchc, und es fehlten Papiere, die in seinem Schreibtisch eingeschlossen waren, die Sängerin aber schlief noch — sie zu stören, war natürlich außer Frage. — Das setzte ihn bei seinen präcisen Gewohnheiten in die pein lichste Verlegenheit. Die hätte seine Frau ihm ersparen können. Warum hatte sie den Gast nicht anderweit untergebracht? — Alle Unbequemlichkeiten hatte er auf sich genommen, seine Räume oberst zu Unterst gekehrt, sich vielleicht ernstliche geschäft liche Ungeleaenheiten zugezogcn — welcher Mann thut da»? — Und anstatt ihm dankbar zu sein, schmollte sie und zürnte mit ihm. Zum Ueberfluß kam ein entrüsteter Brief von einem Bank hause, das über Ausbleiben einer wichtigen Benachrichtigung klagte. Das Schreiben hätte gestern Abend dort abgegeben werden müssen. Olof hatte Auftrag gehabt, es zu besorgen. Der Generalagent war außer sich. Er stürmte in die Schreibstube, um Olof zur Rede zu stellen. Aber Olof war nicht da. Hingegen lagen auf seinem Pult noch Briefe, die heute früh hätten zur Post getragen werden müssen. — Herr Müller, der Berge von Schreibereien auf seinem Pult liegen hatte, hob kaum den Kopf, um zu erklären, daß Olof gestern Nachmittag fortgeblieben und heute noch gar nicht erschienen sei. Der alte Herr brummte verdrießlich, das gehe über seine Kräfte, für Dreie zu arbeiten, und wenn da» nicht bald — Bergau drückte die Thür unsanft hinter sich in» Schloß und fragte in der Küche nach Olof. Niemand hatte ihn heute gesehen. Bergau trug die Briefe selbst zur Post und kam in der bösesten Stimmung nach Hause zurück. An der halb offenen Thür des Salons blieb er stehen. Heitere« Geplauder und silbernes Lachen kam ihm von dort entgegen. Da saß Frau Elvira, die Einzige im Haus«, die lanye und köstlich geschlafen und frisch wie eine Rose zum Vor schein gekommen; in einem berückenden Morgenanzug ihr gegen-
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