Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.10.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011011026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901101102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901101102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-11
- Monat1901-10
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis A d« Hauptexpeditton oder de, 1» Gtgdt» Deztrk und den Vororten rrstchtriea Lutz- «abrstellen abgeholt: vierteljährlich » bO, bet »wnmalige: täglicher Zustellung int Haut ^l b.bO. Durch die Post bexogru für Deutschland u. Oesterreich: Vierteljahr!, <t. Man abongirt sernrr mit eiitsvrechelidein Postausschlag bei den Postanstalteu in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem, dura, Dänemark, Schweden und Norwegen» Rügland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese« Blattet möglich. —«W 7 Die Moraen-AuSgabe erscheint nm t/^7 Uhk di« Abend-AuSgabe Wochentags am b Uhr. Nrdaction und ErveWoy; dohstNniKgqfft 8. -IM - FMqlen: Alsted Hayn v»rm. O. Klemm'» Soeti» UawersitätSstrab« S (Pauli,um), Louis Lösch«, Kaiharinenstr. Ich p-»rr. und Ks»igäpl,tz 7. Abend-Ausgabe. MpMer TagMM Anzeiger. Kmtobsatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Aathes und Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die »gespalten« Petitzeil« Id H. Reklame, uoter dem RedactioaBstrich (4 gespalten) 7b H, vor den Familiennac^ richte» (8 gespalten) bO L,. Tabellarischer und Ziffern«^ entsprechen» höher. — Gebühren für Nachweisungen pap Offertrnaunahme Lb L, (excl. Porto). Ertr,-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesvrderung ^ll 80—, mit Postbesörderung ^l 70.—, Jinnahmeschluß für Ädrigen; Abe»d-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Piorgea-Autgabe: Nuchmsttagt 4 phr. Pet dra Filiale» »ad Annahmestelle, je eilch Halde Stunde früher, Aazeigan find stet« a» bi« Expedition zu richte«. Di« Expedition ist Wochentag« ununtrrbroche» geöffnet von früh 8 bit Abend« 7 Uhr. Drus und Verlag vo» E. Polz Ul Leipzitz, Sir. 5B. Freitag den 11. October 1901. 95. Jahrgang. Der Krieg in äüdafrika. Der Niese und -er Zwerg. Der Kriegsminister Brodrick richtet« am 7. October an das Parlamentsmitglied Sir Howard Vincent ein Schreiben, in dem er sagt: „Wir haben etwa 200 000 Mann und 450 Geschütze in Südafrika, über 100 000 Mann werden in England ausgebildet. Wir haben daher keine Schwierigkeiten, die Feldarmee auf der erforderlichen Höhe zu halten; sollten neue Verstärkungen verlangt werden, o können wir mit größter Beschleunigung dem Ansuchen ent- prechen (?). Zur Zeit stehen 69 verschiedene Truppenkörper im Felde, die vollständig ausgerüstet sind; wir schaffen monatlich etwa 10000 frische Pferde nach Süd afrika. Von einer Unthätigkeit der Regierung oder einem Mangel an Theilnahme der Regierung ist also keine Rede- In die Dispositionen Kitchener's, zu dessen thatkräftiger Kriegführung die Regierung volles Vertrauen hat, hat sich die Regierung niemals eingemischt. Kitchener's Aufgabe besteht darin, kleine Trupps des Feindes über eine Fläche zu treiben, die so groß ist, wie Frank reich und Spanien zusammen, und zugleich Tausende von Meilen Bahnlinien zu schützen. Die Regierung wird nicht zurückschrecken, von dem Lande Opfer zu verlangen, die nöthig sind, um den Krieg schnell zu beendigen. Aber kein Cabinetsrath kann die zu diesem Zwecke bereits getroffenen Maßnahmen noch verbessern, und besondere Bcrathungen der Minister könnten nur den Anschein erwecken, als ob Mangel an Vertrauen zu der militärischen Leitung des Krieges vorliege." Und trotz dieses kolossalen Aufwandes ist es dem Riesen England noch nicht gelungen, dem Zwerg Transvaal-Oranje- Republik das Lebenslicht auszublasen! Der Eindruck, den die Ausdehnung des AriegSrechtS auf die ganze Capcolonie in London gemacht hat, wird dem „B. L.-A." wie folgt geschildert: * Loudon, 10. October. Die Erklärung des Kriegsrechts in der ganzen Capcolonie macht hier tiefen und beunruhigenden Eindruck, trotz der Bemühungen der Jingo-Presse, den Schritt als eine heilsame und vorübergehende Maßregel hinzustellen. In besonnenen politischen Kreisen hebt man hervor, daß hiermit am Ende des zweiten Kriegsjahres ganz Südafrika seiner kon stitutionellen Freiheit beraubt ist, anstatt, wie eS beim Aus bruch des Krieges hieß, binnen kurzer Zeit von dem sogenannten Boerenjoch befreit zu werden. Selbst die imperialistische „Daily Mail" bezeichnet den Schritt als ominös. Viel schärfer spricht „Daily News" über die Lage: „Die Regierung ist jetzt", sagt das Blatt, „definitiv in eine neue Phase des südafrika nischen Abenteuers eingetreten; sie hat den Präcedenz» fall der amerikanischen Revolution genau be folgt und einen Bruch zwischen den loyalen Colonisten und der heimischen Regierung hergestellt." Das Blatt erklärt diesen Schritt schließlich für ein totales Fiasco der englischen Herr schaft in Südafrika. Sehr zeitgemäß ist folgende Zusammenstellung des Londoner „Daily Chronicle": 11. October 1899: Krieg erklärt; 1. October 1900: Mr. Chamberlain sagt in Coventry: „Jetzt, da der Krieg zu Ende ist, hat das Volk sich noch kaum klar gemacht, ein wie schwieriger Krieg es war"; 8. October 1901: Lord Roberts sagt in Liverpool: „Ich wünsche ernstlichst, daß der Krieg vorüber wär« ... Ich möchte die Nation jetzt bitten, Geduld zu be wahren" Die kriegsgerichtlich«»! Todcö-Urtheile werden mit jedem Tage zahlreicher, und erst gestern wieder kam von Capstadt, wie berichtet, die Meldung, daß neuerdings nicht weniger als 13 Angehörige des vor drei Wochen ge fangen genommenen Lotter'schcn Commandos in Middelburg (Capcolonie) summarisch zum Tode durch den Strang ver- urthetlt worden sind. Merkwürdiger Weise scheint aber dieser „Massenmord" selbst dem eisernen Lord Kitchener vorläufig noch einige Skrupel zu bereiten, oder die Beweise für die Rebellcn- Qualität der betreffenden Männer sind doch wohl nicht so ganz klare und einwandfreie gewesen, — denn der britische Ober befehlshaber hat dieses kriegsgerichtliche Urtheil nicht bestätigt, sondern die „13 Angeklagten" zu lebenslänglicher Zuchthaus strafe mit harter Arbeit „begnadigt". Von dieser „Gnade" wird aber in Zukunft wohl schwerlich noch viel zu verspüren sein, und als nächstes Opfer der „officiell verschärften Maß regeln" soll jetzt der wegen „Rebellion, Mordes und Verrathes" vor dem Kriegsgericht stehende Co m Mandant Lotter dem Galgen verfallen, zumal er die „Unverschämtheit" besessen hat, die berühmte „15. - September - Proklamation" des Lord Kitchener mit einer sehr scharfen und energischen „Feldordre" an seine Burghers zu beantworten. Leider wollte es kurz darauf das Kriegsglück, daß dieser den Engländern sehr un bequem gewordene Führer der Freistaatler mit einem Theile seines Commandos dem Feinde nach tapferer Gegenwehr, durch zehnfache Uebermacht gezwungen, in die Hände fiel und nun für seine Vaterlandsliebe und seinen Heroismus leiden muß. Der offene Brief von Boiffevatn. Das Amsterdamer „Handelsblad" veröffentlicht den sech zehn Spalten langen offenen Brief seines Hauptredacteurs Boifsevain, des bekannten Kämpfers in der Boerensache, an den Präsidenten Roosevelt in englischer Sprache. Boifsevain giebt darin ein Bild des Krieges und seiner Vor geschichte und unterbreitet die ganze Sache dem Urtheil des amerikanischen Präsidenten. Hierbei zieht Boifsevain Vergleiche zwischen dem amerikanischen Unabhängigkeitskriege, wo gerade wie heute mit Lügen gearbeitet worden sei. Wie einst unter Georg III. und Pstt, so wiederhole sich heute das gleiche Lied unter Eduard VÜ. und Chamberlain. Amerika, das die Ge schichte kenne, habe um so leichter zu urtheilen. Es werde er kennen, daß England das Völkerrecht gebrochen habe, nachdem kaum die Tinte an der Feder trocken war, mit der die Haager Beschlüsse unterzeichnet worden seien. Amerika werde den ge fährlichen Angriff auf die Selbstvertheidigungsrechte einer über fallenen Nation verdammen. „Und Sie, der Präsident der mächtigen Republik des Westens", heißt es zum Schluß des Briefes, „Sie werden durch eine bedeutende Handlung ver hindern, daß sich die Verbrechen, die heute England in Süd afrika begeht, in der Geschichte anderer Nationen wiederholen!" Politische Tagesschau. * Leipzig, 11. October. Die Berliner Stadtverordneten haben sich gestern, wie in einem Tüeile der Auflage unserer heutigen Morgenausgabe bereit« gemeldet worden ist, über die zur Lösung der Bürgern» eisterfrage zu unternehmenden Schritte noch nicht schlüssig gemacht. Sie haben einen Ausschuß ein gesetzt, der die Angelegenheit genau prüfen und besonders den bekannten Erlaß deö Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg auf seine RechtSgiltigkeit untersuchen soll. Und da auch die Beratung der Märchenbrunuen- Angelegenheit auf acht Tage verschoben worden ist, weil die Magistrats-Acten noch nicht eingegangen Ware»», so ist wenigstens Zeit gewonnen, in der die Freunde eines Aus gleichs zwischen der Krone und der städtischen Vertretung writere Versuch« zur Milderung der Gegensätze mach«n können. Ob dies« Versuch« Aussicht auf Erfolg haben, läßt sich freilich bei der Stimmung, die ja der gestrigen Sitzung des Stadtverordneten-Collrgiumö zum AuSdrucke kam, noch nicht sagen. Begreiflich ist eS, daß die Lage der Dinge zu aller hand Gerüchten über bevorstehende Krisen Veranlassung giebt. Der „Magdeb. Ztg," wird darüber auS Berkin geschrieben: „Es hätte schier als ein Wunder ongesehra werden müssen, wenn die Vorgänge der letzten Tage nicht auch von den politischen Wetterpropheten zur Ankündigung neuer Krisen und wichtiger politischer Ereignisse benutzt worden wäre». In der That erscheint denn auch «ines jener Blätter, welches dieses Handwerk mit Vorliebe betreibt, mit einein Artikel, in dem daraus hingewiesen wird, daß die Entscheidungen des Kaisers an kritischen Wendepunkten des letzten Jahrzehnts meist in dem kleinen Jagdschlosse iu der Schorsheide getroffen seien. Di« geschichtlichen Aus führungen, die diese Behauptung beweisen sollen, sind zwar nicht ganz zutreffend. So ist zum Beispiel den» plötzlichen Rück tritte des Grasen Caprivi nicht ein Aufenthalt im Jagd schloß Hubertnsslock, sondern aus der märkischen Besitzung des Fürsten Philipp zu Eulenburg, dem Schlosse Liebenberg, voran- gegangen. Aber der geschichtliche Aufputz des Artikels hatte auch wohl nur den Zwcck, der dann folgenden Ankündigung etwas mehr Relief zu geben: Latz dem Empfange des Oberbürgermeisters Kirschner, der natürlich keine politische Bedeutung gehabt, die politischen Entscheidungen erst nachfolgen würden. I» den nächsten Tagen bereits würden andere Son- ferenzen und Berathungen stattfinden, deren Inhalt ungleich wich tigere politische Angelegenheiten berühren werde. Wa» dieses VVtbische Orakel besagen soll, ist zunächst noch da« Gehetni- niß deö Blatte«, daS et veröffentlicht. Natürlich werden in Len nächst«» Tagen, so lange der Kaiser sich in HubertuSstock aushält, noch Tonferenze» und Besprechungen mit dem Reichskanzler und anderen Ministern stattfinden. Dean der Kaiser geht in der Schorfheide nicht nur dem Jagdvergnügen nach, sondern wie in Potsdam und Berlin werden von ihm an jedem Tag« die laufenden Geschäfte erledigt, und ihre Zahl und ihr Umfang wächst mit dem Näherrücken des Zettpunctes, wo die Parlamentscampagne wieder ihren Anfang nimmt. Aber von kritischen Fragen, die aus eine Lösung drängten, ist uns nichts bekannt geworden und alle Anspielungen, daß sie zu er warten seien, sind wohl nicht höher rinzuschätzen, als da» Gerücht von der „Unvermeidlichkeit LeS Rücktritts de» Grafen Bülow", das jetzt die konservative Presse in so lebhafte Erregung versetzt hat. Die Mühlen der politischen Windmiiller müssen wenigstens klappern, wenn sie auch kein Korn auf den Gängen haben." Auch wir geben auf die umlaufenden Gerüchte im Großen und Ganzen nichts, können uns aber doch nickt verhehlen, daß die Erklärung, die der Kaiser nach dem vom officiösen Drahte verbreiteten Berichte über den Empfang der Herren Kirschner und Hoffmann bezüglich seiner Stellung zur Ueberführung der Straßenbahn über die „Linden" abgegeben haben soll, die Erklärung nämlich, er habe diese Ueberführung nie gewünscht, den Herrn Eisenbahnminister sowohl wie den Berliner Polizeipräsidenten in eine eigeuthümliche Lage bringt. Die Z o l l t a r i f d e b a t t e in der Patzerischen Kammer Hot nach fünftägiger Dauer ausgetobt. Und das Eraebniß dieser Interpellation? Vielleicht hat der Wortführer derselben, der CentrumSsührer vr. Heim, seiner selbst unbewußt spottend, das Richtige getroffen, als er sagte, „man lern.' in, politischen Leben mit der Zeit auf das Geschrei nichts mehr geben." Diese Lehre mag sich die bayrische Regierung zu Herzen nehmen, so weit die schreienden Reden der bayrischen Herren vom Cenirum die Absicht verfolgten, die Regierung den agrarischen Forderungen nach noch höheren Schutzzöllen, als der Z-lliarif-Entivurf vor siebt, geneigt zu machen. Uebereinstimmend beklagen oie beiden führenden Münchner liberalen Organe, di: „Münch. N. N." und die „Münch. Allg. Ztg.", die große Ausdehnung dieser Zolltarif debatte, weil ein reeller Erfolg und ein praktischer Nutzen von vornherein ausgeschlossen war. Die „Allg. Ztg.", die auf dem Boden des Zolltarif-Entwurfs steht, faßt ihr Urtheil dahin zu sammen, daß mit Jnscenirung und Durchführung dieser tlerital- agrarischen Action den berechtigten Wünschen und Interessen der Landwirthschaft kein Dienst geleistet worden sei. Die liberale Fraktion des Landtages hat sich im Großen und Ganzen den gemäßigten agrarischen Forderungen angeschlossen. Dies heben die „Münch. N. N.", die in diesrm Punkte nicht mit der Fraktion gehen, mit dem Hinweise hervor, daß die liberalen Abgeordneten der bayerischen Kammer größtentheils länd liche Bezirke vertreten oder von einer ländlichen Mehrheit ge wählt sind und daß sogar die größten Städte Bayerns, München und Nürnberg, keine liberalen Vertreter in die Kammer senden konnten. Trotz ihrer Stellungnahme zu Gunsten der agrarischen Schutzzölle hat aber die liberale Fraktion den größten Werth auf das Zustandekommen der Handels verträge gelegt. Daß in wirthschaftlichen Fragen innerhalb jeder einzelnen Partei Differenzen herooctreten müssen, ergiebt sich naturgemäß aus den mannigfachen wirthschaftlichen Inter essen, an welche die Vertreter der einzelnen Wahlkreise durch die geographische Lage der letzteren sich gebunden fühlen. Die nationalliberale Fraction übt gerade aus diesem Grunde in wirth schaftlichen Fragen auf ihre Mitglieder keinen Fraktionszwang aus; aber diese Freiheit wird, wie die „Münch. N. N.' mit Recht bemerken, niemals die Partei, die von jeher kulturelle Interessen über materielle stellte, zu sprengen vermögen. Die Ergebnisse der am Dienstag in den böhmischen Lantz- gemcintzenbeztrken vorgenommenen LantztagSwahIcn haben die Befürchtungen, die man bezüglich derselben hegte, nur zu sehr gerechtfertigt. Am schlimmsten ist es der deutsch-fortschrittlichen Partei ergangen, die freilich von vornherein mit einem starken Verlust gerechnet hat, der aber weit größer ausgefallen ist, als selbst die Schwarzseher annahmen. Denn von den früher inne- gchabten 21 Sitzen im Landtag« hat diese Partei nur 3 ge rettet. Auch die deutsche Nvlkspartei hat gleichfalls nur 3 Can- didaten durchgesetzt, und zwar solche, die früher der Fortschritts partei angehörten. Dagegen haben die Alldeutschen, die früher nur 4 Sitze einnahmen, nun 11 errungen. Allerdings ist es auch den Jungtschechen schlecht ergangen. Während sie früher in den Landgemeinden durch 44 Parteigenossen vertreten waren, haben sie am Dienstag nur 21 Sitze errungen, während es die tschechi schen Agrarier auf 15 Mandate brachten. Das ist aber, so wird dem „Schwäb. Mer c." aus Wien geschrieben, nur ein schlechter Trost für die Deutschen, denn wo es sich um deren Bekämpfung handelt, werden die Tschechen, welcher Gruppe sie immer ange hören mögen, Zusammenhalten. Ob die Hoffnung berechtigt ist, daß auch die Deutschen das Gleiche thun werden, bleibt angesichts Olof Tlioroldsen. Roman von Anna Maul (M. Gerhardt), dtachlruik vntktrn. Es War eine liebe Arbeit — so seinen Gedanken zu folgen! wie knapp und wuchtig er sie cmszudrücken verstand! Wie klar und überzeugend, ohne Eleganz, aber auch ohne Phrase, ohne ein leeres Wort. Und so unwissend war sie nach ihren vielen Schreibarbeiten für daS technische Bureau auch nicht mehr, um nicht beurtheilen zu können, daß es sich hier um neue und be deutende Dinge handle, um CoMbinationtN, «die er vielleicht etwas kühn und anmaßend in die Welt stellte, die aber so fest begründet und so logisch verklammert erschienen, daß Alice sich wunderte, ob Wohl Jemand den Muth kniben würde, sie anzufechten. Ob ße die fertige Arbeit wohl direct an Olof senden durfte? Aber sie kannte nicht einmal seine Wohnung. Es mußte durch das Löhnert'sche Bureau gehen. Ein« verschlossene Karte an Olof rtnkgen —? Es war doch nicht sicher, daß sie sofort in seine Hände gelangte. — Nein, — er mußte den ersten Schritt thun. Und — siehe -da! Nach vier oder fünf Tagen kam ebne neue Manuscriptsendung vom Löhnkrt'schen Bureau. Man wünscht« eine Abschrift. Brief einliegend. Zitternd zerriß Lissi das Cvuveti, da» Olof's flüchtige, schwer lesbare Schrift esigte. E» enthielt nur eine Karte mit wenigen Zeilen und — em Pakguetbillet fürs Opernhaus. „Ich wär in K. bet meinet Mutter. Bringe Grütze von ihr. Mutz Dich nothwendig sprechen. Ditte, von dem villet Gebrauch zu machen." Lissi wurde roth und sehr ärgerlich. WaS dachte er sich von ihr? — Sie packte das Billet in ein ankert» Couvert und adressirte dasselbe nach seiner Wohnung, dir er zum Glück nicht vergessen hatte anzugrvtn. Dann öffnete sie das Couvert« noch einmal, nahm ein anderes und schrieb auf «in Kgrtchen: ».Ich gehe nit inS Theater — darf überhaupt nicht spät aüsgehen. — Edwin hat zuweilen Freibillets für die königlichen Theater." Lissi trug dos Briefchen selbst zur Post. Unterwegs überlegte sie, daß es schon zwölf Uhr Mittags sei, daß Olof vielleicht das Opernhausbillet, daS zu heute Abend lautste, an Jemand anders geben möchte — sie nahm einen Dienstmann in Sold und über gab ihm da» Briefchen zur Besorgung. Gegen vier Uhr kam Frau Bergau mit einem viereckigen Packet in braunem Papier in das Stübchm ihrer Tochter. „Hast Du Dir Bücher bestellt, Lissi? Da ist «in junger Mann aus einer Buchhandlung —" „Ja, ein Nachschlagebuch, das ich brauche, Mama, ich sprach ja neulich davon", sagte Lissi aufs Gerathewohl. Sie war blut- roth geworden und schob das Päckchen weitab auf di« Tischlant«, als fürchte sie, es könne etwas Lebendiges herausspringen. „Mama — ich möchte dem Jungen einen Groschen geben." „Er ist schon fort, Kind." Als Frau Bergau draußen war, schnitt Lissi rasch die Schnüre entzwei und riß daß Packpapier ungeduldig auseinander. Ein technisches Handbuch — ein Band Darwin — dazwischen die Hauptsache: ein Blatt mit ein paar Worten von Olof. „Heute Abend sechs Uhr in der Wilda'schen Conbrtorei, LUtzowstraße. Da besprechen wir Alles. Ich habe wenig Zeit und reise bald ab, muß Dich nothwendig vorher noch einmal allein haben. Kommst Du nicht, so bleibt mir nichts übrig, als morgen Vormittag bei Dir einzubrechen. Wäre vielleicht das Beste! Olof." Lissi lacht« mit Augen voll Dhränen. Hier eindringen, um sie allein zu haben. Wetter fehlte wahrlich nichts. Morgen, am Sonntag noch dazu, wo der Vater zu Haus« war. Da» mußte Olof wissen. Aber dem Tollkopf war Alle» zuzutoauen. Ja, nun blieb keine Wahl In der Wilda'schen Conditoret war zwischen sechs und sieben Uhr bas Gastzimmer gefüllt, um die runden Marmortischchen saßen dichtgedrängt Gruppen junger Mädchen, in ihren neuen Winkrjacken und Hilzhütchen, vor ihren dampfenden Chocoladen- bassen, ihrem Apfelkuchen mit Schlagsahne, schwatzend und kichernd. Einige ältere Damen und Herren, mit den neuesten „Fliegenden" oder illustrtrten Journalen beschäftigt, das be dienende Fräulein taucht« bald hier, bald dokt auf. Olof und Lissi hatten ein verschüttetes Eckchen hinter einem Pfeiler frei gefunden und fühlten sich dort vor Beobachtung ziem lich geborgen. Datz hier Und da ein neugieriger Blick sich ru ihnen herüberstahl, merkten sie nicht. Olof saß etwas zurückgelehnt, so büß Lissi sich umwenden mußte, um ihn anzusrhen. Das that sie zuwrilen — und ihr« Hand, von d«r er den Handschuh ge streift, hielt er in der seinen. Die verdient« Strafpredigt war ihm nicht geschenkt worden. Er hatte sie zerknirscht über sich ergehen lassen, und sich bereit erklärt, den Onkel um Verzeihung zu bitten. ES s«i ja wahr haftig vollkommen gleichgiltig, was ein kranker Mann in seinem Mißmuth spreche. Das war zwar kein« für Anton Bergau schmeichelhaft« Auffassung, aber doch wohl die einzige, die als Basis für einen dauernden Frieden gelten konnte. Alice hatte dem Sünder daraufhin Absolution ertheilt. Sie war guten Muthes. Der Papa -würde ihren Bitten und Vorstellungen ja nicht unzugänglich sein. Man müßte nur einen günstigen Augen blick abwarten. Nur, leider! Zum langen Abwarten fehlte die Zeit. Olof erzählte von seiner Reise und von seiner Mutter, halb laut und ganz ruhig. Es ging ihr gut. Sie hatte ihn gar nicht von sich lassen wollen. „Gehst Du wirklich wieder nach Amerika zurück, Olof?" „Ja, Lissi, sehr bald." „Und Deine Mutter? Mrd sic Dir folgen? Wirst Du sie zu Dir nehmen?" Er zuckte die Achseln, es ging ein Schatten über srine Stirn. „Daran kann ich noch nicht denken. Ich habe kerne «gel mäßigen Einnahmen, keinen festen Wohnsitz. Es geht noch ge fährlich auf und nieder mit mir, Lissi." „Olof, sage mir «ins." „Ja, Lis." „Aber sieh mich nicht an — und lache mich nicht auS." „Mir ist gar nicht lächerlich zu Muth, Kind." „Sag' mir — Ihr jungen Männer denkt sehr fwi über" „lieber — die Liebe, meinst Du?" vollendet« er, da sie da» Wort nicht zu finden schien. „Ja, über die Li«be. Und Ihr habt ein« ganz schlechte Mei nung von den Fraurn — weil Ihr meist den Umgang mit — nfft —" — „Kellnerinnen —?" — „Fa —' „Oder mit Modellen und dergleichen Damen dem mit an ständigen Mädchen au» guter Familie Vorzieher» — da» willst Du doch wohl sagen." „Ja, Olof. Und ich möchte gern wissen, ob Du —" „Ganz «cht. Ich bin auch nicht besser gewesen, al» Vie Anderen, Lissi. — Man kann nicht immer arbeiten, und die Kameraden, die man findet, sind mitunter traurig« Burschen. Und ffine junge Damrn au» gutrr Familie — di« stellen wir un» ungefähr vor, wie mvndscheinblafle Prinzessinnen untrr der Mat glocke —" „Daß sich eine von ihnen ein Rendezdou» mit Eure» Gleichen in der Conditorei gi«bt, kommt nicht vor — dann ist sie wenigsten» keine feine jung« Dam« m«hr." „Gott sei Dank, nein! Dann ist sie ein liebes süßes Engels kind, bas sich in das öde Leben eines armen Taugenichts verirrt." Lissi konnte nicht anders, sie mutzte sich umsehen. Aber was ihr aus Olof's Augen entgegenglüht«, bracht« sie etwas aus der Fassung. Sie drehte ihm wieder den Rücken und bückt« sich üb«r ihre Chocoladentaffe. „Olof -Lissi!" »Jetzt — «will ich einmal schrecklich indiskret s«ln." „Bitte." „Ich kenne Deine erste Liebe, Olof." Er schnellt« empor, lachend, hochroth im Gesicht. „So, mein erste Liebe? — Du bist meine erste Liebe, Lissi. Aktine erst-, letzte, einzige, meine —" „Still doch! Das Fräulein sHelt schon immer nach uns herüber. Behalt« Deine Geständnisse gefälligst für Dich. Ich weiß doch, WaS ich davon zu halten habe." „Wer war mein« erst« Liebe, Lissi?" „O, Wi« Du heucheln und Dich verstellen kannst. Willst Du mir'» in's Gesicht ableugnen, daß Du Frau Wcnhold —" „Aha, Frau Wi«nhold —" „Freilich, damals auf dem Mustkfefi. Bilde Dir nur nicht ein, datz ich damal» noch nicht Augen und Ohr«n für Dergleichen hatte. Ich wollt« nur, Du hättest sie jetzt gesehen. Unförmlich dick, die Taille einen Meter weit, und laßt sich immer Noch von grünen Jungem und kNickbelNigrn alten Onkels den Hof machen. Jetzt wurdest Du nicht mehr aus dem Häurchen gercKhen, wenn sie Dir ihre Lieder sänge, „für Dich ganz allein"." Olof lachte. „Lissi", flüsterte er ihr ins Ohr, „soll ich Dir etwa» erzählen? Du bist eifersüchtig gewesen, Vamal» schon, Du frühreife, kleine Kröte." Lissi wurde böse UNd Olof Mußt« Abbitte lhun. Dann sagte er ernsthaft: „Ich habe ihr viel zu danken, Lissi." „Du? Dor Dame Elvira? Ich dächte im Gegentheil. Sie war der Störenfried, sie trug un» Zwietracht und Unheil in» Haus." „Für Mich war da» Befreiung. Hätte sie mir nicht ihre Lieder gesungen, und — na, das gehört nicht hierher — so wäre ich vielleicht sanftmttthig an Deine» Vaters Pult sitzen geblieben und «in braver Philister geworden, anstatt au» der Hürde zu brechen und draußen in der Welt mit den Wölstn heulen zu lernen. Du meinst, do» wäre gerade keine daükrndwerth« Er rungenschaft. Aber wer weitz, was ich noch für Unglück anae« richtet Hütte, wäre ich daheim geblieben. Die Dam« Elvira bmcht: den schwelend«», Feuerbrand zum Hellen Auflohen. Sie ist
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite