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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.10.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011015021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901101502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901101502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-15
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Dienstag den 15. October 1901. Anzeigen-Preis die ö gespaltene Petitzeile LS H. Reclamrn unter dem RedactiouSstrtch (4 gespalten) 75 vor den Famtlienuach» richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertrnannahme L5 H (exek. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung SO—, mit Postbesörderung 70.—> Äauahmeschluß siir Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag» L Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind siet» an die Expedition zu richten. Die Expedition isi Wochentags nnuntrrbrochei» geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Ubr. Druck «ad Verlag von E. Pol» m Leipzig, 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Lommandaut Schiemann erschossen. * Tarkästa», 14 Oktober. („Reuter s Bureau '.) Ter Voereneommanbaut Schoemann ist hentc erschossen worden. Middelburg (Copland), 14. Oktober. Das gegen Wool- faardts, einen Officier Lotter's, gefällte Todrsurtheil istb « stätigt worden. * Aradock, 14. Oktober. („Reuter's Bureau.") Bei noch zehn Angehörigen der Truppe Lotter's wurde das gegen sie gefällte Todrsurtheil in lebensläng liches Gefängniß umgewandelt. Zwei junge Leute wur den zu Gefängniß für die Dauer des Krieges und zu 20 Stock hieben verurtheilt. SchecperS' Gefangennahme. * Prince Albert, 14. Oktober. („Reuter's Bureau.") Scheeper», drffen Gefangennahme bereits gemeldet worden ist, fiel bei Kopjeskraal am 11. Oktober in die Hände der Eng länder und wurde am 12. Oktober in die Ambulanz nach Blood- river Station gebracht und von dort mit der Bahn nach Mat jes fönte in. Er ist gefährlich krank und äußerst nieder gedrückt. Auch Scheepers dürfte, falls er wieder hergestellt wird, er- schofsen werden, da er Bürger der Capcolonie ist. Er mutzte schon seit Wochen im Capkarren gefahren werden. Bei Calitzvorp konnte ihn sein Commando, das zur Zeit arg in der Klemme sitzt, noch einmal heraushauen, aber er konnte sich doch nur der Gefangennahme entziehen, indem er den Wagen verlietz und zu Pferde stieg. Am 3. Oktober schickte er nach Ladysmith um einen Arzt, der ihm bereitwillig zur Verfügung gestellt wurde. Nach dem Gefecht bei Calitzvorp wurde sein Commanvo in die Witten Berge gedrängt, und hier scheint ihn sein Geschick ereilt zu haben. Scheepers ist ein junger Mann von etwa 24 Jahren, wie über haupt sein ganzes Kommando nur aus blutjungen Leuten besteht. Er leidet an Darmentzündung (nppenäieitis). Sein Zustand ist ernst. Verfolgung Botha s. Aus Dundee, 14. Oktober, berichtet „Reuter's Bureau": Eine englische Abtheilung besetzte Pietretief. Botha's Abtheilung ist sehr auseinanderge zogen, die Hauptmacht jedoch steht bei Pongola-Bosch. Wie berichtet wurde, ist das Commando von Bethel, nach Nordosten am Pietretief vorbeimarschirend, entkommen. Schwere Regengüsse machten die Stratzen theils unpassir- bar; die Flüsse führen Hochwasser. Botha steht südlich von der Linie Wakkerstrom-Pietretief. General Bruce Hamilton verfolgt die Wagen der Boeren, die bei Tage verborgen und Nachts weiter gebracht werden. Das nebligeWetter, das in diesem Busche herrscht, macht eine Fernsicht unmöglich. Wie gefangene Boeren sagen, hatte der Feind am 6. Oktober bei Gerttihock starke Verluste. Die Boeren sind durch englische Truppen im Norden, Osten und Süden ziemlich umstellt, was ein combinirtcs Vorgehen erschwert. Indessen ist es möglich, dah die Boeren dadurch entkommen, datz sie sich in kleinen Abteilungen auseinanderziehen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. Oktober. Die Berliner Blätter veröffentlichen jetzt die Schriftstücke, die der Magistrat der Rcichshauptstcrdt der Stadtverord netenversammlung übersandt hat, damit diese sich ein Urtheil über die Mittchcubrunucnangclcgrnhcit biloen könne. Diese Schriftstücke enthalten wenig Neues, doch zeigen sie, daß die Darstellung, als habe der Kaiser nur Rathschläge bezüg lich der Ausführung der Brunnen gegeben, falsch war; der Kaiser hat ausdrücklich sein« G en e h m i g u n g zur Ausführung der ihm vorgelegten Pläne versagt. Am 31. Mai d. I. hatte der Magistrat dem Polizeipräsidenten ausführliche Mittheilung über das Projekt gemacht und um Beschleunigung der Angelegen heit gebeten. Erst am 24. September traf die Antwort ein, die Mittheilung von der Entschliessung des Kaisers macktte und deren Gründe darlegte. Der Magistrat hatte in seinem Schreiben die Rechtsfrage, wie weit es einer Genehmigung seitens staat licher Instanzen bedürfe, umgangen, irgend einen Antrag auf Genehmigung nicht gestellt, sondern nur, wie gesagt, um Be schleunigung der Angelegenheit gebeten. Dies hatte seinen Grund darin, daß seit dem Jahre 1897 eine Meinungsverschiedenheit über die Rechtsfrage bestand. Durch Erlaß vom 17. Juni 1897 hatte nämlich der Minister des Innern die Bestimmung des Ge setzes von 1875, wonach „ zur Festsetzung neuer, oder Abänderung schon bestehender Bebauungspläne" in Berlin königl. Ge nehmigung erforderlich ist, dahin interpretirt, daß zur Aufstellung „jedes öffentlickenDe n kmals " inBerlindieseGenehmignng ein zuholen sei. Der Magistrat hatte damals erwidert, Daß cs einer solchen nach seiner Anschauung nur bedürfe, wenn die Aufstellung eines Denkmals die Veränderung einer Fluchtlinie erfordere. Eine vom Magistrat eingesetzte Commission zur Berathung der Rechtsfrage war am 6. December 1897 zu dem Erzebniß gelangt, daß „zur Aufstellung von Denkmälern, Kunstwerken und anderen Gegenständen, soweit nicht etwa eine baupolizeiliche Ge nehmigung erforderlich ist,eine polizeilicbeGenebmignng nur dann nachzusuchen sei, wenn dafür eine dem öffentlichenVerkehr gewidmete Fläche in Anspruch genommen werde." Zu einer Entscheidung war die Rechtsfrage aber nicht gebracht worden. Das rächt sich nun. Von staatlicher Seite wird an der Auffassung des Ministerialerlasses von 1897, daß in Berlin zur Errichtung jedes Denkmals königliche Genehmigung erforderlich sei, festgehalten und die Brunnen-Anlage als „Denk mal" angesehen. Die Kun st-Deputation möchte nun den Magistrat zur Herbeiführung einer principiellen Entscheidung drängen und bat daher am 2. October beschlossen: „Dem Magistrat soll empfohlen werden, den Poli zeipräsidenten um eine Erklärung zu ersuchen, ob die Ausführung des Märchenbrunnens seinerseits genehmigt oder versagt wird." Der Magistrat dagegen, der eine principielle Entscheidung, die er zu fürchten scheint, nicht provociren und lieber von Fall zu Fall Verständigung suchen mochte, hat beschlossen: Vor der Beschlußfassung über den Antrag der Kunst-Depu tation diese Deputation um eine Aeußerung darüber zu ersuchen, o b u n d i n w e l ch e r W e i s e bei der Ausführung des Märchen brunnens unter Festhaltung der Grundidee des ausgearbeiteten Projects den Anregungen Sr. Majestät des Kaisers entsprochen werden kann, der Stadtver ordnetenversammlung das gesammte auf die Angelegenheit bezüg liche Actenmaterial, einschließlich der auf den Ministerialerlass vom 17. Juni 1897 bezüglichen Schriftstücke, zur Kenntnissnahme vorzulegen. Ob die Deputation dem Ersuchen des Magistrats bereits ent sprochen hat und wie edentuell die Aeußerung de" Deputaten ausgefallen ist, geht aus den veröffentlichten Schriftstücken nicht hervor. Am Donnerstag, wenn die Stadtverordnetenver sammlung in Berathung über die Angelegenheit tritt, wird man es ja erfahren. Inzwischen erinnert die „Nat.-Ztg." wiederholt daran, daß die K u n st k r i t i k in der Presse schon lange, bevor von Einwendungen des Kaisers gegen die Entwürfe irgend etwas bekannt geworden war, Bedenken gegen dieselben erhoben "Nd daß sie, die „Nat.-Ztg.", selbst am 16. Mai über die akademische Kunstausstellung einen Bericht veröffentlicht hatte, in dem es hieß: „An Ueberladung kranken die Märchenbrunnen für den Friedrichshain. Man hätte den Bildhauern hier lieber freie Bahn lassen und sie nicht auf bestimmte Stoffe einschwörcn sollen. So kam es z. B-, daß Johannes G ö h, der für den Schneewittchenbrunnen einen figuralen Abschluß der auS der Mitte des Beckens sich erhebenden Säule machen sollte, sich zu der bösen Stiefmutter flüchtete, aber den intriganten Spiegel, in dem diese sich beschallt, natürlich nicht, wie es im Märchen heißt, „an der Wand" hängen lassen konnte, sondern ihn der eitlen Dame — in die Hand geben mußte, so daß also der alte, jedem Kinde ge läufige Fragereim nun gewaltsam geändert werden müßte zu: „Spieglein, Spieglein in der Hand, wer ist die Schönste im ganzen Land?"! Das ist nicht gerade förderlich für die Erziehung klarer Anschaulichkeit bei den spielenven Kindern des Friedrichs hains. Wenn die sieben Zwerge das Brunncnbecken halten, so mag das hingehen, wenn aber die Pfeiler der Rundbank mit den Messerchen, Tellerchen, Löffelchen und Gäbelchen geschmückt sind, so fällt auch das in das Capitel der spielerigen Uebertrcibungen. Es ist ein großer Irr - thum, wenn man annimmt, durch solche Dar stellungen die Märchenphantasie der Kleinen anzuregcn; es könnte vielmehr gerade das Entgegengesetzte daraus resultiren." Aus den der Mehrheit der Stadtverordneten nahestehenden Berliner Blättern gewint man aber nicht den Eindruck, daß diese Mehrheit gewillt sei, die Märchenbrunnenangelegenheit durch ein den Wünschen des Kaisers entgegenkommendes Kompromiß aus der Welt zu schaffen und die Rechtsfrage noch länger in der Schwebe zu lassen. Ileberhaupt scheint die durch die Hubertus stöcker Audienz etwas beruhigte Stimmung der Stadtverordneten majorität neuerdings wieder gereizter und kampflustiger geworden zu sein. So wird berichtet, daß es dieser Majorität gelungen sei, von den freisinnigen Fraktionen des preußischen Abgeord netenhauses das Versprechen zu erhalten, in dieser Körper schaft den neuen Minister des Innern wegen der Nichtbestätigung der Wahl des Stadtverordneten Kauffmann zum Bürger meister zu interpelliren. Aehnlich, wie den Berlinern mit ihrem Märchenbrunnen, geht es, wie die „Freis. Ztg." mittheilt, den Kölnern mit ihrem Kaiser Friedrich-Denkmal. „Mehr als 130 000 c/k", so erzählt das genannte Blatt, „sind dazu durch freiwillige Gaben aus Büraerkreisen gespendet. Aus den ringegangenen Entwürfen wählte der Denkmals-Ausschuß den Entwurf des Kölner Künstlers Al bei mann zur Ausführung. Die Wahl wurde jedoch vomKaisernicht gut geheißen; Kaiser Friedrich sollie nicht zu Fuß, sondern als Reiter dargestellt werden. Die drei dazu aufgeforderten Künstler reichten nunmehr Modelle zu Reiterstandbildern des Kaisers Friedrich ein. Wiederum wählte der größere Denkmalsausschuß das Reiter- Modell des Kölners Albermann. Wiederum wurde die Ge nehmigung zu dessen Ausführung nicht ertbeilt,weildemKaiser das Modell zweier Berliner Künstler besser erscheine und er dessen Ausführung wünsche. Seit diese letztere Nachricht fast vor Jahresfrist durch die Kölner Presse ging, hört« Dte Kölner Bürger schaft, wie uns berichtet wird, von der Sache nichts mehr. Die Bürgerschaft glaubt, daß es nun doch Sache des allein dazu berechtigten größeren Denkmalsausschusses sei, zu weiterer Be schlußfassung zusammenzutreten und der das Geld spendenden Bürgerschaft nähere Kenntniß zu geben. Indessen ist der größere Denkmalsausschuß seitdem überhaupt noch nicht berufen worden." — Wenn das so ist, so werden die Berliner Stadtverordneten am Donnerstag jedenfalls aus ihren eigenen Reihen die Auf forderung zu hören bekommen, den Kölnern mit „gutem Beispiel" voranzugehen. Die Städtewahlen zum böhmischen Landtage (erste Hälfte) sind am Freitag vollzogen worden. Hier, wie bei den Landgemeindewahlen haben die Deutschen, die in dieser Curie 32 von insgesammt 72 Mandaten inne hatten, ihren Besitzstand behauptet. Ernstlich bedroht war die Position der Deutschen von tschechischer Seite eigentlich nur in Budweis, wo der deutsche Fortschrittler siegte; in allen übrigen als deutsch geltenden Bezirken waren die tschechischen Wähler so stark in der Minorität, daß sie an eine erfolgreiche Concurrenz kaum denken konnten. So spielte sich der Kampf denn auch in 31 Bezirken ausschließlich zwischen den verschiedenen deutschen Gruppen ab. Di« Wahlbetheiligung war in der Curie der Städte Mar etwas besser, als in der der Landgemeinden, ließ aber doch noch viel zu wünschen. Den Hauptvortheil haben auf deutscher Seite auch diesmal die Alldeutschen erlangt, di: Voltspariei scheint ohne Gewinn und Verlust abzuschließen, die Deutschfortschrittler dagegen büßen wieder eine Anzahl von Ab geordnetensitzen ein. So stark, wie in den Landgemeinden, ist ihr Verlust in den Städten allerdings nicht. Bisher waren die 32 deutschen Landtagsmandate, die von den Städten vergeben werden, wie folgt vertheilt: Fortschrittspartei 20, Volkspartei 6, Alldeutsche 5, Christlich-Sociale 1. Diesmal entfielen auf die Fortschrittspartei 11, auf die Volks Partei 6, auf die A l l d e u t s ch e n 10; außerdem wurde ein selbstständiger deutschnalivnaler Kandidat gewählt; in 4 deutschen Bezirken muß eine zweite Wahl stattfinden. Von den 40 t s ch e ch i s ch e n Man daten in der Städtecurie hatten die Jungtschechen bisher nicht weniger als 39 inne. 1 Mandat gehörte einem tschechischen Radi kalen; am Freitag fielen an die I u n g i s ch e ch e n 35 Mandate und außerdem je 1 Mandat an einen Alttschechen, einen tschechi schen Radikalen und einen selbstständigen Hiungtschechen; in zwei Bezirken ist ein zweiter Wahlgang erforderlich. Deutsches Reich. K Berlin, 14. Oktober. (Lage des Arbeitsmarktes.) DaS Bild, da» der Arbeitsmarkt im Monat September bot, zeigt ein völlig unentschiedenes Gepräge. Wenn auch an den Arbeitsnachweisen, soweit sie an die Berichterstattung der Ber liner Halbmonatsschrift „Der Arbeitsmarkt" angeschlossen sind, der Andrang weit stärker war, als im Vorjahr, indem auf je Fettilleton. Olof Thoroldsen. Roman von Anna Maul (M. Gerhardt). Nachtrul! verboten. Doctor Rettich war selbst unpäßlich und ging nicht aus. Einen Kollegen, den er ihr empfahl, fand sie nicht zu Hause. Lissi erinnerte sich jetzt eines Arztes, den sie bei einer ihrer Cavierschlllerinnen gesehen. Er hatte ein kluges, sympathisches Gesicht, und die Mutter des kleinen Mädchens sprach mit vielen Lobeserhebungen von ihm. Sie wußte seinen Namen, aber nicht seine Wohnung, sie mußte in ein Geschäft eintreten und in einem Adreßbuche nach schlagen. Zufällig war die Wilde'sche Konditorei ganz nahe, wo sie mit Olof zusammenbetroffen. Al» sie in dem Riesenband blätterte, war ihr, als muss« er aus dem dämmerigen Hinter grund des Ladens hervortreten — oder hinter ihr die Thür öffnen. Sie floh wie gejagt, sie hätte eine Begegnung mit ihm in diesem Augenblick nicht ertragen. Der Arzt wohnte in der Bückstraße. Lissi sprang auf den nächsten vorbeifahrenden Pferdebahnwagen, um schneller ans Ziel zu gelangen. Sie blieb vorn neben dem Kutscher stehen. Der Regen sprühte ihr ins Gesicht. Sie merkte es nicht. Heute Abend sechs Uhr. Spätestens um sechs sollte sie im Centralhotel sein. Olof war gestern dorthin ubergesiedelt, weil die Wittwe Kupfser neugierig war und in seinem Zimmer um- hergeschnüffelt hatte. Centralhotel Zimmer 156. — Das war sicherer und besser als ein Zusammentreffen auf dem Bahnhof. Er würde vor dem Hotel auf- und abgehen und auf ihr Kommen acht Heben. — Aber vielleicht war er noch nicht da, wenn sie zufällig etwas früher käme. Er hatte tagüber schreck lich viel zu thun. Dann sollte sie vom Portier drn Schlüssel fordern und ihn auf seinem Zimmer erwarten. Niemand würde das beachten oder gar beanstanden. Der Portier war instruirt. Sie sollte ganz sicher auftreten und sich im Zimmer einschließen, wenn sie Störung früchtete. Sie war ja seine Frau. Seine Frau — Lissi lächelte mit einem seltsamen irren Lächeln vor sich hin. Dort lag ihr Vater auf dem Krankenbett — vielleicht auf dem Sterbelager. Und sie — sie selbst war an seiner Erkrankung schuld, er hatte sich gestern zu heftig ihret wegen aufgeregt. Den ganzen Abend hatte sie es ihm an gesehen. Er hatte dageseffen, stumm, brütend, wir es gar nicht seine Art war. Seine Patiencekarten hatte er nicht angerührt. Zuweilen hatte Lissi seinen Blick auf sich ruhen gefühlt, während sie mit der Handarbeit still in einem Winkel saß. Das ver ursachte ihr Pein, aber sie rührte sich nicht von ihrem Platz — den ganzen Abend. Es war ja der letzte Abend bei den Eltern. Der letzte — Wie, wenn der Vater starb — starb, ohne ihr zu verzeihen — Ging sie denn wirklich — —? Es kam ihr so undenk bar vor. Die Mutter verlassen, jetzt, da sie Hilfe und vielleicht Trost brauchte, in der fremden, großen Stadt, mit dem „Stolz der Familie", Edwin, der eigentlich nur ein großes Kind war und nichts verstand, als in Theatern und Restaurants herum zulungern und Zeit und Geld zu vergeuden, der selber nur Sorge und Mühe machte I)r. Bruck hatte noch Sprechstunde. Lissi mußte eine ge raume Weile warten, bis sie vorgelassen wurde. Dann ver sprach er, im Laufe des Vormittags zu kommen. Der Vater war erwacht, als Lissi nach Hause kam, und verlangte nach ihr. Er sah schrecklich krank aus, reichte ihr aber mit einem Anflug von Lächeln die Hand. „Da bist Du ja", hauchte er mit matter, heiserer Stimme. „Nur nicht ängstigen! Es wird schon vorübergehen. Daß nur die Mutter sich nicht zu viel thut, hörst Du, Lissi?" Sic küßte ihm still demüthig die Hand, und er nickte ihr zu, mit einem Blick des Verstehens, versöhnt, mit alter Herzlichkeit. Die Mutter schickte Lissi nach der Aufwärterin sehen. Die Frau behauptete, krank zu sein, aber der Verdacht lag nahe, daß sie einen anderen, einträglicheren Dienst angenommen habe. Es war gestern der Erste des Monats gewesen und sie hatte ihren Lohn erhalten. Lissi erklärte ihr kurzweg, sie brauche überhaupt nicht mehr zu kommen, und lief dann zum Schlächter und Gemüsehändler, um die nöthigen Einkäufe für das Mittag essen zn machen. AlS sie nach Hause kam, fand sie den Arzt vor, der bereits mi! seinen Untersuchungen fertig war. Die Mutter geleitete ihn in das Wohnzimmer, wo er seine Verordnungen nieder schrieb, und schickte Lissi zu dem Kranken, damit er nicht merke, daß der Arzt noch in vertraulichem Gespräch bei ihr zögerte. Dann mußte Lissi nach der Apotheke gehen. Zurückgekehrt, winkte die Mutter sie m die Küche. Der Vater schürf ein wenig. „Was sagt Doctor Bruck?" fragte Lissi leis«. „Er glaubt, die nächste Gefahr sei überstanden, aber eS könne ein langwieriges Krankenlager werden. Ich h«be ihn aufs Ge- wissen gefragt. Er scheint mir ein guter Mensch und ein kluger, erfahrener Arzt zu sein. Ich bin froh, daß Du an einen solchen gerathen bist, Lissi. Denn wir werden ohne Arzt nicht mehr auslommcn, fürchte ich." Frau Lergau suhr mit der Hand über die Augen. Das ruhige, freundliche Gesicht, das sie für die Krankenstube stets bereit hatte, war verschwunden, ihre Züge sahen verfallen und vergrämt aus. „Mutter, wir haben schon zwei lange Krankenlager glücklich überstanden", redere Lissi crmuthigend zu. „Wenn wir Vater nur wieder gesund bekommen — wenn er uns nur erhalten bleibt —" Auf ein paar Jahre — hoffentlich." „Sagte der Doctor so?" Frau Bergau nickte. „Aber er kann sich doch leicht irren, Mutter. Denke nur, in K. erklärte ein Arzt, Vater würde den Anfall damals nicht überstehen, und —" Lissi stockte und verstummte. Frau Bergau blieb auch stumm und griff nach ihrer Arbeit. Lissi umfaßte und küßte sie. „Muth, liebste Mutter, Muth!" flüsterte sie ihr zu. Frau Bergau nickte und streichelte der Tochter Haar. „Ja, wir müssen den Kopf oben behalten, Kind. Ich bin aber recht verzagt. An Arbeiten wird Vater natürlich lange nicht denken können. Und ich fürchte, er wird seine Stelle verlieren.' „Mutter, dann bm ich doch da. Ich kann doch arbeiten." Du kannst doch nicht die ganze Familie unterhalten, meine Tochter. Wenn Edwin nur — ich habe nicht davon gesprochen — er macht mir große Sorge. Ich hab's dem Vater ver heimlicht, wenn er spcL nach Hause kam — in einem Zustand manchmal — ach, Lissi! — Und von einem Engagement ist noch gar nicht die Rede. Edwin ist nicht fleißig — und ich fürchte, mit seinem Talent ist es auch nicht weit her." „Ich will ihn mal in s Gebet nehmen", sagte Lissi frisch. „Er muß sich nützlich machen — er darf nicht bummeln. Dazu wollen wir ihn schon anhalten, Mama." Frau Bergau trocknete ihre Thränen. „Wenn Du nur gut und verständig bleibst, Lissi", sagte sie mit Bedeutung. „Du bist jetzt mein einziger Trost und Halt." „Ich aber reise um sechs Uhr", sprach Lissi zu sich selber. „Ich laufe davon mit meinem Geliebten und werde glücklich, und lasse hier Alles zu Grunde gehen." Und sie lachte in sich hinein — das Lachen eines todtwunden Herzens. — Es war noch nicht sechs Uhr, als Lissi vor dem kentralhotel stand. Sie hatte kein« Furcht. WaS gingen si« die Menschen an. WaS fragte sie nach ihrer Meinung. Sie zog den Schleier vors Gesicht und trat ruhig auf den Portier zu, der an seiner glänzenden Uniform leicht kenntlich war. „Ist der Herr auf Nr. 156 zu Hause?" Der Portier wußte nicht — wollte Nachsehen, kam nach einer Minute zurück und sagte: „Ja, der Herr wäre zu Hause. Ob die Dame den Fahrstuhl benutzen wollte? Ein Kellner wurde beauftragt, sie zu führen. Niemand schien etwas Auffallendes an ihrem Erscheinen, ihrem Begehren zu finden. Es fluihete von Kommenden und Gehenden durch die große gastliche Halle. Niemand beachtete sie, Niemand hatte einen Blick für sie. Aber als die Thür von Nr. 156 sich aufthai, als Olof vom Schreibtisch aufsprang und auf sie zukam, di« Thür schloß und den Schlüssel umdreht«, da dunkelt« es plötzlich vor ihren Augen, der Fußboden hob und senkte sich wie das Deck eines wellen bewegten Schiffes, in ihren Ohren brauste es wie das Geläut von hundert Glocken. Dann sank Alles in purpurne Finsterniß. „Lissi — mein Lieb, mein einzig Herz — Lissi — was ist das?" Sie hörte Olof's angstvolle Stimme durch den dichten Nebel hindurch, der ihre Sinne umhüllte. Sie fühlt«, daß sie an seiner Brust lag, fühlte seine Lippen auf ihrer Stirn, ihren Wangen. Es war, als flöge sie mit ihm über Wolken und zwischen Sternen hin — zwischen großen strahlenden vielfarbigen Gestirnen — in Windeseile — selig, wie die Seligen des Himmels. Endlich senkte sich der Nebel, und sie schlug die Augen auf, strich die Haare aus der Stirn, richtete sich auf und lächelte. Sie blickte in seine Augen, und seine Lippen küßten di« ihren wieder roth. „Warte", sagte er, „mich so zu erschrecken!" „Ach, Olof, es war so schön", flüsterte sie, „ich wollte, ich wäre nie erwacht, nie!" „Und jetzt hantdelt es sich gerade darum, ganz wach und Helle zu sein. Warte, bis wir auf See sind, dann kannst Du träumen." Er Holle seine Reiseflasche, füllte ein Gläschen mit Cognac und hielt es ihr an die Lippen. Sie trank gehorsam, und er beobachtet« zufrieden, wie leise Röche in ihre Wangen stieg. Sie saßen ganz still neben einander auf dem Sopha. Er wollte ihr Zeit geben, sich zu erholen. Lissi aber rechnete innerlich: noch dies« Minute — und noch eine — wie her Derurtheilte auf dem Wege zur Hinrichtung. „Hat der Abschied weh gethan?" fragte Olof endlich zärtlich. „Lissi, wie werde ich mich dessen je Werth machen, was Du heut« für mich thust? Mein ganzes Leben mit all' seinem
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