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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.10.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190110204
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19011020
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19011020
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-20
- Monat1901-10
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.10.1901
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Anzeigen »Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem Redaction»strich (»gespalten) 75 L,, vor den Familiennäch- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziflernsatz entspreche«» höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahme 25 (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen«Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß fir Anzeige»: Abend-AuSgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Berlag von E. Polz tu Leipzig Nr. 536. Sonntag den 20. October 1901. S5. Jahrgang. Aus -er Woche. Im Zusammenhänge mit dem Fall Spahn-ist das Recht deS RedactionSgeheimnisseS in der Presse mehr oder weniger spitzfindig erörtert worden. UnS ist dieFrage zu knifflich. Für absolut unverbrüchlich möchten wir daS journalistische Trappistengebot aber nicht angesehen wissen, weil wir uns gedrängt fühlen, auch ein RevactionSgeheimniß zu verralben. Nämlich, daß eS kein Vergnügen ist, im heutigen Deutschland über deutsch-politische Dinge zu schreiben, und noch dazu Woche für Woche retrospectiv. Wenn man nicht in Byzanz geboren und ausgewachsen und zum Unglück auch kein Socialdemokrat oder Radikaler ist, so findet man im deutschen Reiche keinen Widerhall mehr. Es gilt eben Alles für unübertrefflich, waS oben geschieht, und die Rolle deS Schwarzsehers unter lauter durch rosenfarbene Brillengläser in die politische Welt Schauenden ist eine äußerst undankbare. Der „Täglichen Rund schau" sind besagte Gläser auch zur Hand, sie bat eS aber Loch dieser Tage beklagt, daß die öffentliche Meinung über den AufenthaltSwechsel der Instrumente der Pekinger «lern- warte hinweggehe. Gemeint ist die Presse, die nicht grund stürzende Presse. Das Berliner Blatt vermeidet eS, die Ursache der ihm, wie eS sagt, unliebsamen Erscheinung nach zuspüren, weil daS meäias in rss führen würde. Wir für unseren Theil haben dreißig Iabre hindurch für daS ruchloseste Wort, daS jemals in der Publicistik und für die Publicistik gefallen, den Reim gehalten, mit dem Heinrich Heine den, sagen wir politisch indifferent gewordenen Franz Dingelstedt wegen seiner „Verhofrätherei" absolvirte: . . r» begreift gar nicht so ein Maulheld, Warum der Mensch am Ende das Maul hält. Man braucht nicht Hofrath geworden und selbst mit der Berliner NationaldenkmalSentbüllungsniedaille nicht bedacht zu sein, um nachgerade ein Verständniß für das Schweigen über die Dinge, die gerade am ernstesten beredet werden sollten, zu gewinnen. Für den preußischen Mittellandkanal und die Abschaffung deS Doppeltarifs wird Alles dargeboten, was dem deutschgesinnten unc zum Bewußtsein des BürgerwertbeS vorgehrungenen Manne theuer ist; aber daran läßt sich nichts ändern. Zum Glücke kann man heute für wenige Augenblicke an der Politik flüchten, um sich des schönen McnschtbumS zu erfreuen, daS sich bei den Leiden des in Grimma verschütteten Brunnenbauers offenbart hat. «Lin unbekannter junger Mann, dem Tbeilnabme erwiesen zu haben nichts einbringt, nicht einmal einen Orden, und dennoch Hoch und Niedrig, Jung und Alt vor Augst bebend - in den langen, bangen Tagen höchster Gefahr, und vor Freude jauchzend, als der Hartgeprüfte wieder im rosigen Lichte athmen durfte. Ganz Deutschland war dank der Press« mit dem Herzen bei dem Eingeschloffenen. Und die ganze Welt, insoweit sie nicht Angelsächsisch" ist oder fühlt, war mit ihrer schweren Sorge bei dem tapferen Boerenführer Botha. Auch er ist frei und damit ist die Geburtswoche deS grausigen süd afrikanischen Krieges nach nichtenglischcr Auffassung noch etwas würdiger gefeiert worden, als mit den Hinrichtungen von Kriegsgefangenen, durch die Lord Kitchener vergebens Schrecken einzuflöße» versucht. Bewaffnet« feindliche Boeren bei dem in besseren Zeiten den Holländern abgenommenen Eap der guten Hoffnung, daS könnte selbst eines Gladstones Grabesruhe stören! Noch ein Geburtstagsfest. Rudolf Virchow ist von der ganzen wissenschaftlichen Welt geehrt worden, und ob wohl, soweit die Fremden außer Betracht bleiben, der Feier ein starkes parteipolitisches Gepräge gegeben wurde, haben die politischen Gegner deS ManneS, die einem anderen, nun tobten Achtzigjährigey eine Fluthwelle von Gehässigkeiten zum Wiegenfeste zufließen ließen, mochten sie nun reden oder schweigen, daS Fest nicht gestört. Einen Mißlon haben nur Intime de« Gelehrten in das Fest gebracht. Es war amüsant, zu lesen und zu hören, wie Demokraten, Verächter alles Scheines, sich darüber erbosten, daß Virchow diesen und jenen Orden und Titel nicht erhalten hatte, und wie sie die goldene Medaille, die ihm verliehen wurde, auf die Goldwaage legten, um zu erspähen, ob sie für den Fortschrittsmann nicht zu leicht wöge. Sie wurde zu leicht befunden. Die Gerechtigkeit gebietet, hervorzubrben, daß nicht nur Virchow selbst an diesem liberalen Schranzengewäsch unschuldig ist, sondern daß auck der ihm am nächsten stehende Parteifreund, Eugen Richter, an den Titel- und OrdenSrrörterungen sich iu seiner Zeitung nicht betheiligte. Im Uebrigen bat Herr Richter die Gelegenheit benutzt, um seine- und seine- berühmten Freunde« Groll über Bismarck und Alle-, wa» dreißig Jahre hindurch, während der Fortschritt nur schalt, in Deutschland gewebt und gewirkt hat, Luft zu machen. Der Haß ich doch das Mächtigste. Und noch ein Geburtstag! Die „Aera Bülow" ist ein Jahr alt geworden und die meisten Blätter haben sich al« Gratulanten eingefunden. Eine» von ihnen machte den Vor behalt, daß da» Jahr eigentlich noch nicht um sei, denn bis zur Entlassung de- fs-f Miquel habe sich da» „Ministerium Bülow" im embryonalen Zustande befunden. Diese Zeitung setzt demgemäß den ersten Geburtstag für den nächsten Mai an, scheint aber nicht zu bezweifeln, daß dann auch sie ihrerseits, wie andere schon jetzt, von großen Tbaten zu erzählen haben werde. Wir warten mit dem Lob und Prei» wenigsten» so lange, bis e» feststeht, daß Graf Bülow wenigsten» an dem von ihm wenn auch nicht ersonnenen, so doch mit dem RerchSstempel versehenen Doppel tarife festzuhaltrn im Stande ist oder den in den Ruhestand tretenden Londoner Botschafter Fürst Hatzfeld ersetzen wird, wenn die» nicht gelingt. Hoch da» spielt schon wieder iu die Politik hinein. Der Krieg in Südafrika. AuS Capstadt, 26. September, wird der „Münchner Allg. Ztg." geschrieben: Die Verkündigung des Belagerungszustandes und die Einsetzung deS KrtegSrecht» in der ganzen Capcolonie erregt allenthalben Verbitterung, nicht nur bei »den Afrikanern, sondern fast noch mehr bei den Eng ländern. Eine tollere Maßregel war kaum auszudenken, um die Bevölkerung zu verletzen, die wegen des Krieges schon so viel ge litten, von der reichlich die Hälfte in diesen zwei Unglücksjahren Tausende verloren hat. So stehen wir denn unter dem Kriegs recht! Jeder Leutnant der Milizen — und was für traurige Gr ellen sind das! — hat das Recht, nach seiner Willkür gegen den Bürger zu handeln, denselben Bürger, der diese Burschen, fast durchweg Gesindel niedrigster Art, bezahlen muß. Dazu ist das Gesetz nach altenglischem Muster verkündigt worden, und es heißt z. B. darin: „it is g, penal ollenes,to dave n light durutug in z-our kouss in tbo svsning, or to üsep n coolc timt crov8", d. h. „unter schwerer Strafe ist verboten, «in brennendes Licht Abends im Hause zu haben, oder einen Hahn, der kräht". Diese Vorsichtsmaßregel, die in Feindesland begreiflich wird, ist nun Landrsgesetz, und wirklich hat es ein Leutnant in Stellenbosch ertig gebracht, «inen Bürger seines Hahnen wegen verurtheilen zu lassen! Natürlich ist nun über alle Gockel das Todesurtheil gesprochen. Jeder Leutnant kann nach dem Gesetze das Eigen- thum eines Bürgers, „weil er mit dem Feinde sympathisirt", für verfallen erklären. Wir werden also einfach Alle mehr oder minder beraubt werden, als wenn wir nicht schon genug Verluste gehabt hätten! Galgen sind aufgerichtet in Städten, die nie einen solchen sahen, und auf das Urtheil eines Officiers hin werden Bürger daran gehängt. Alle Versammlungen sind verboten. Drei Personen, die auf der Straße zusammenstehen, sind „Ver sammlung". Der Prediger, der eines Officiers Mißfallen er regt, wandert inS Gefängniß. Bittet er auf der Kanzel, wie üb lich, für „Arme und Kranke", so meint er damit die Frauen in den Lagern, predigt also Verrath und muß ins Gefängniß. Pastor Albiet in Beres (südliche Capcolonie) hat am Sonntag gepredigt: „Brüder und Schwestern, di« Zeiten sind keine Zeiten der Freude, «S ist keine Zeit für Tanz und Feier". Er ist wegen „HochderrathS" eingesperrt. Was soll ich noch mehr berichten? Seiten könnte ich füllen mit Unthaten. Commandant Lotter ist erschossen worden, obwohl «r Freistaatler war und sich auf sein Officrerspatent de» Freistaat«» — einer kriegführenden Macht — berief. Aber wär« er selbst ein „Rebell" gewesen, auch im Bürgerkrieg in den Vereinigten Staaten sind keine „Rebellen" füsilirt woöden. Die Gemeinheit, Leute von Lotter's Commando zu hängen, um sie so zu brandmarken, ist ein Schandfleck in der englischen Geschichte. Und was soll man sagen von der Aus peitschung eines jugendlichen Kriegers von Lotter's Commando. Das Herz dreht sich uns um, Worte fehlen mir, um solche Un- that zu kennzeichnen. Man bedenke, diese „Rebellen" sind edel- müthige Leute, die nichts zu gewinnen, dir Alles, auch daS Leben, zu verlieren hoben, die für die Freiheit ihrer StammeSgenossen heldenhaftig eintreten — sie werden auSgepeitscht! In den Augen aller Rechtgesinnten sind diese Helden Märtyrer. Was man aber über Kitchener denkt, das braucht nicht gesagt zu werden. Hilfe der Boeren. Aus Brüssel, 16. October, wird uns geschrieben: Im hiesigen Boeren-Hilfscomits erzählt man, es sei dem Präsidenten Krüger vor etwa acht Tagen von gänzlich unbekannter Seite die Summe von zwei Millionen Francs in englischen Banknoten überwiesen worden, mit der Widmung: „Ein Beitrag zur Ergänzung des Waffen- und Munitionsvorrathes der tapferen Boeren". — Im Anschluß hieran wird versichert, daß Agenten der Boeren seit Langem in allen südafrikanischen Hafen plätzen mit großem Erfolge thätig seien, um aus den Hän den englischer Kaufleute Kriegsbedarf für die Boeren aufzukaufen. * Kapstadt, 18 October. (Reuter'- Bureau.) DaS Mitglied deS Gesetzgebenden RatheS van den Heever wurde am 5. Sep- tember unter der Anschuldigung, Waffen verborgen zu haben, verhaftet und seiner Functionen al- Friedensrichter «nd Feld- cornet für verlustig rrNärt. — Infolge der Proclamirung de- SriegSrechte» haben die fremden Tonsuln die Angehörigen der von ihnen vertretenen Staaten ausgefordert, sich in die TonsulatS- Matrikel einfchreiben zu lassen. Deutsches Reich. U Berlin, 19. October. (Zur Arbeiterwohnungs frage.) Nachdem bei den längst im Breslauer Ober präsidium stattgebabten Berathungen über die Arbeiter wohnungsfrage festgestellt ist, daß allein die Arbeitgeber in der oberschlesischen Montan-Industrie während der letzten Jahrzehnte 40 bi» 50 Mill. Mark für den Arbeiter wohnungsbau hergegrben und damit die WohnungSverhältniff« in Obrrschlesten erträglich gestaltet hätte», wird in derPreffe sürdie übrigen Arbeitgeber diese Tbat als nachahmung-wertb bin- gestellt. Gewiß wär« eS nützlich, wenn dadurch iu solchen Kreisen, in denen bisher der Wohnungsfrage noch geringes Interesse entgrgrngebracht wird, Anregungen gegeben würden; man wird doch aber gut thuu, die Sache nicht so darzustellen, als ob nicht auch in anderen Gebieten Deutschlands Arbeitgeber schon bisher ähnlich gehandelt hätten, wie die oberschlestschen Montanindustriellen. Im Gegratheil, der Arbeitgeber, die sich für die Besserung der MoboungSverhältnisse ihrer Arbeiter interesstrrn, gievt e« erfreulicherweise heute schon recht viele. Leider wird ihr Wirken, statt unterstützt zu werden, noch vielfach angegriffen. Wenn die Socialdrmokratie den Arbeitgebern den Vorwurf macht, daß sie dabei nur ihre eigenen, aber nicht die Interessen der Arbeiter im Auge hätten, so braucht darau nicht viel gegeben zu werden. Die socialdemokratischen Führer könne» sich ihre einträgliche» Stellungen nur erhalten, wenn sie Arbeitgeber und Arbeitnehmer vernetzen. Die Behandlung aber, welche die Tbätiakeit der Arbeitgeber iu der Wohnung«- bäuftag« noch jüugst auf der Generalversammlung de» Vereins für Socialpolitik erfahren, hätte wirklich von der Presse, die jetzt die oberschlesiscbe Montanindustrie als Muster hinstellt, eine kräftige Zurückweisung erfahren sollen. Allerdings liegt ja in der Veröffentlichung der in Oberschlesien bereits von den Arbeitgebern für de» Wohnungsbau aufgewen deten Summen der beste Beweis sür die Hinfälligkeit der in jener Generalversammlung geäußerten Anschauung, als seien die Arbeitgeber bei der Lösung des Wohnungsproblems eine (zuantitö usßligoablo. Man sollte sich allseitig daran ijewöbnen, jeden Factor, der zur Lösung der wichtigsten ocialpolitiscken Frage beiträgt, als Bundesgenossen zu >etrachten. Nur die größte Mannigfaltigkeit bei den Bestre bungen auf Schaffung ausreichender Wohnungsgelegenheit ann über die Schwierigkeiten, die dieser Materie inne wohnen, hinwegbelfen. * Berlin, 19. October. (Bismarck im Dunkeln.) Die „B. N. N." schreiben: Besucher Berlins aus dem Reich lnv in neuerer Zeit mehrfach unangenehm dadurch enttäuscht worden, daß daö Biöniarck-Denkmal nach Sonnenuntergang nicht mehr sichtbar ist. Vor dem Denkmal des Schöpfers deS deutschen Reiches stehen zwei veraltete GaSlaternen be- cheidensten Formals, wie aus der Oel-Zeit anmulhend, die anscheinend nur den Raum zu begrenzen haben, auf welchem man sich bei Tage zur Besichtigung des Denkmals auf- teilen kann. Wir wollen auf die schleckten Witze, die dieser unwürdige Zustand hervorgerufen, nicht weiter ein gehen, weder den „Schatten der Ungnade" erörtern, noch den Ausspruch, „eS sei für das Denkmal bas Beste, wenn es so wenig als möglich gesehen werde". Graf Bülow hat am lk. Juni das Denkmal Namens des Reiches feierlich über nommen; wir hoffen, er wird, nachdem nunmehr vier Monate verflossen sind, für eine richtige und würdige „Beleuchtung" seines großen Vorgängers, nachdem dieser endlich seinen Platz an der Sonne zwischen allerlei Ungetbüm erkalten, auch bei Nachtzeit Sorge tragen. Der Herr Reichskanzler darf sich zu diesem Zweck nur an den Magistrat von Berlin wenden, der für eveS der Standbilder in der Siegesallce, selbst sür Otto den Faulen, eine glänzende elektrische Beleuchtung hergerichlet hat, und wohl um so weniger Bedenken tragen wird, diese auch „Otto dem Fleißigen" zu Theil werden zu lassen, als dieser neben anderen Vorzügen bei Lebzeiten auch den batte, Ehren bürger Berlins zu sein, was man freilich der Finsterniß in der Umgebung des Denkmals nicht anmerkt. Vielleicht wäre das ein geeignete- Thema für eine der nächsten Sladtver- ordneten-Sitzungen. Der „Absolutismus" wirb ja wohl dabei nicht im Spiele sein. * Berlin, 19. October. Die Spannung zwischen deutschen und polnischen Katholiken in der Ostmark ist in beständigem Wachsen. Eine Begleiterscheinung bilden die in gleicher Weise zunehmenden Angriffe aus polnischen Kreisen gegen die Bischöfe, in erster Linie den Fürstbischof Kopp. Selbst der Erzbischof von Stablewski bleibt nicht verschont, obwohl die Polen doch wahrlich ollen Grund hätten, mit ihm zufrieden zu sein. Gegen ihn richteten sich die War nungen -er polnischen Presse, als vor einiger Zeit in einer Posener Kirche bei ihrer Einweihung von dcn deutschen Geist lichen verkündet wurde, daß dort abwechselnd deutsch und polnisch gepredigt werden sollte. Zwar fordern die Polen, Daß für jedes versprengte Häuflein polnischer Katholikin in der ganzen Monarchie ein national-polnischer Geistlicher angestellt Werve; aber daß in Deutschland auch die deutschen Katholiken mit deut schen Predigten bedacht sein wollen, kümmert sie wenig. Der Ent rüstungssturm der polnischen Presse hat gewirkt; der Herr Erz bischof hat angeordnet, daß nur an jedem vierten Sonntage nach der polnischen eine deutsche Predigt gehalten werden soll, und läßt sich im „Kuryer" durch längere Anseinandersctzungen über die allgemeinen Grundsätze bei der Berücksichtigung der deutschen Katholiken entschuldigen. In welchem Geiste die Polen die An gelegenheit behandeln, zeigt die dringende Mahnung des „Oredow- nik", die polnischen Besucher müßten an den fraglichen Sonntagen vor Beginn der deutschen Predigt die Kirche bis auf den letzten Mann verlassen. Auch den Kindern dürfe nicht gestattet werden, während der deutschen Andacht in der Kirche zu bleiben. Uebrigens ist ja auch aus Thorn berichtet, daß die Polen dort aus der Kirche hinausgeströmt wären, als Bischof Rosentreter eine deutsche Ansprache hielt. Es scheint wirklich, als ob die Polen ver suchen wollten, für die ganzen gemischtsprachigen LandeSihrile die ausschließlich polnische Kirchensprache zu erzwingen. Die deutschen Katholiken werden jedenfalls immer deutlicher fühlen, wie voll ständig ihre Rechte von den Polen mißachtet werden, und wie hohe Zeit es für die begonnene Revision ihres Verhältnisses zu den polnischen Glaubensgenossen ist. * Berlin, 19. October. Material bez. der Com- munalisirung der Apotheken theilt Damasckke in der nationalsocialen „Zeit" mit. Besonders das Großberzogtbum Hessen ist mit Reformen vorgegangen. Auf eine An frage schrieb dem Genannten z. B. die Bürgermeisterei Mühlheim a. M.: „Antwortlich Ihrer werthrn Anfrage «heilen wir Ihne« er gebenst mit, daß bei un» im Großhrrzogthum Hessen alle in der letzten Zeit ertheilten Nruconcessionen von Apotheken an Städte und Gemeinde«, nicht aber an Private ertheilt wnrdrn. Ja solchen Fällen hat di« Gemeinde daS Verkauf-local und di« gesummte Einrichtung zu stellen, während dir Berkaus«- grgrnstände aus Kosten des Apothekers von diesem selbst bestell» werden. Dir Gemeinde erhält altdnnn «ine gewisse Pacht, die im Einvernehmen von der Regierung festgesetzt wird. UnS kostete die Gesammt-Apothrke alle- in ollem etwa 25 000 während der Gemeinde 1000 jährliche Mieth« (500 sür den Betrieb und 500 für die Wohnung) zugrhen, fall« der jährliche Umsatz unter 10000 beträgt. Beträgt hingegen der Umsatz über 10000 jährlich, so erhält die Gemeinde an Pacht sür Len Betrieb 700 pro Jahr und 500 für di« Wohnung, zusammen also 1200 >il Lei der Eonreffion-erthrilung waren wir gebunden, demjenigen Apotheker, der Lurch Lie Einrichtung d,S hirfigrn Geschäfte» die meiste Einbuße erlitten hätte, dir Concession auf 6 Jahre zu obigen Pochtsätzea zu rrtheileu. BlS jetzt hat die Gttneindecnffe immer 1200 .^l Pacht erhalten." — In Eberftadt bei Darmstadt ist die Apotheke in Gemeiudebesitz. Im Geschäftsjahr vom 1. Oktober 1899 bis 1. October1900 erzielte sie einen Umsatz von 18000 Die Gemeinde hatte davon eine Pachteinnahme von 3000 Nach Abzug der Zinsen sür daS Anlagekapital der Apotheke und den sonst von der Gemeinde auszubringendeu Unkosten verblieb ein Reinüberschuß von 1800 ein bemerkenSwerther Posten für den Etat einer lleinen Gemeinde. — Die Stadt Offenbach hat auf ihren Antrag in diesem Jahre von der Regierung die Genehmigung zur Errichtung einer städtischen Apotheke erhalten. — Der Magistrat von Mainz antwortete mir auf eine bezügliche Anfrage: „Die Stadt-Apotheke in der Neustadt — eröffnet seit 24. Februar 1894 — ist an einen Apotheker auf Lebenszeit vervachtrt worden. Die Einrichtung der Apotheke wurde vou der Stadt beschafft mit einem Kostenaufwand von 10588,49 Ebenso stellt die Stadt daS Local für die Apotheke nebst Wohnung sür den Apotheker. Hierfür zahlt die Stadt eine jährliche Miethe vou 2850 Der Apotheker zahlt an die Stadtcasse für den Betrieb der Apotheke und für die Wohnung eine jährliche Pacht von 4500 und trägt außerdem die auf dem Geschäftsbetrieb roheaden Steuern uod Umlagen." Auch die Kölner Armenverwaltung bat eine Apotheke in eigenem Betrieb, über die der Oberbürgermeister mit- theilte, „daß die Apotheke sich sehr gut bewährt hat". Berlin, 19. October. (Einwanderung fran^ zösischer Ordensgei st licher nach Deutschland.) Während in den letzten Monaten in den Zeitungen verschiedenster Parteirichtung die Frage, in welche Länder die aus Frankreich ausziehenden Regularklcrikrr und Nonnen sich begeben würden, des Langen und Breiten erörtert wurde, herrschte, auch in der ultramontanen Presse, tiefstes Stillschweigen 'darüber, ob auch in Deutschland Zuzug aus Frankreich zu erwarten sei. Nur einmal war ganz kurz von Einwanderung französischer Ovdensleute im Elsaß die Rede. Sichtlich war dieses Üebergehen Deutschlands ein absichtliches Stillschweigen, während dessen klerikalerseits schon gehandelt wurde. Ganz auf einmal nämlich, ohne daß von einer beabsichtigten Einwanderung der französischen Ordensleute nach Deutschland auch nur ein Wort verlautet hätte, bringt die ultra montane Press« Vie Nachricht, daß die Karthaus« Rath bei Düs seldorf einen bedeutenden Zuwachs erhalten habe durch die Auf nahme von 17 aus Frankreich ausgrwiesenen Patres. ES wird allerdings dabei bemerkt, daß sie sämmtlich Deutsche (Reichs- länder) sind, aber bezeichnend ist immerhin, daß dies« erst« Nach richt über Ordenszuzug aus Frankreich nach vollendeter Thatsach« und dann ganz nebenbei am Schluff« eines andern kirchlichen Artikels erfolgt. Auf der Hand liegt die Absicht, diese Ein wanderung in der Presse möglichst discret zu behandeln. Sicher ist auch wohl, daß die Karthause Rath nicht die einzige klösterliche Niederlassung sein wird, die solchen Zuzug erhält, und so dürfen wir wohl einer erheblichen Mehrung ves Ordenspersonals in Deutschland entgegensehen. Im Jahre 1899 bestanden nach ultramontaner statistischer Angabe in Deutschland zusammen 2873 Ordenshäuser mit rund 40 000 Ordenspersonen, die auf 19 236 000 Katholiken kommen, auf je 100 000 Katholiken treffen nach der gleichen Aufstellung etwa 207,9 Ordenspersonen in Deutschland, auf 100 Secularpriester (Weltgeistliche) 6 Regular priester (Ordensgcistliche). Dabei ist die Differenz zwischen Bayern und Preußen so, daß auf 100 000 Katholiken in Bayern 295,9 Ordenspersonen, in Preußen dagegen nur 156,1 kommen, während die Ordensniederlassungen in Preußen allein (E.de des Jahres 1896) 1899 mit 17 398 Mitgliedern betrugen. Die Be hörden würden gut thun, auf den weiteren Zuzug von Ordens leuten ein wachsames Auge zu haben, um so mehr, als er offenbar so still und heimlich inscenirt worden ist. Ob sic das auch wer den, steht freilich dahin. D Berlin, l9. October. (Telegramm.) Der Kaiser unternahm gestern Nachmittag einen Spaziergang in die Umgebungen dcS Neuen Palais und heute Vormittag einen Ritt mit dem Prinzen Eitel Friedrich auf das Born stedter Feld. Von 9 Uhr ab hörte der Kaiser den Vortrag des Staatssekretärs des Reicks-MarineamteS und deS Stellvertreters ves ChesS des Marine-CabinetS. (-) Berlin, 19. October. (Telegramm.) Die „Nordd. Allgem. Ztg." berichtet: Der Reichskanzler Graf v. Bülow hatte gestern Vormittag längere Besprechungen mit dem Finanzminister Frhrn. v. Rheinbabc» und dem Staatssekretär v Thiclmann. Heute Vormittag empfing der Reichskanzler den großherzoglich sächsischen Staatsminister vr. Rothe und den fürstlich schwarzburgischen Staatsminister Petersen. — Das Spahn-Telegramm des Kaisers wird noch fortgesetzt in der Presse commentirt. Daß die „Ger mania" entzückt ist, ist weiter nicht auffällig. Aber auch die „K r eu z z e i t u n g" thut sehr befriedigt, und daS könnte bei einem conservativen Blatte evangelischer Tendenz auffallen, wenn es nicht eben die „Kreuzztg." wäre. Das Blatt schreibt: „Ueber- aus ehrend für den neuernannten Professor ist die Form, in der seine Berufung öffentlich kundgegeben wird. Er wird nunmehr den Beweis zu liefern haben, daß er dieser Auszeichnung würdig ist. Hoffen wir, daß ihm das gelingen wird. Dann «wird sich zeigen, wie geringe Bedeutung die Mittheilungen haben, die seit dem Bekanntwerden seiner bevorstehenden Beförderung Uber seine frühere Stellung zu kirchenpolitischen Fragen gemacht worden sind." Die „Tägl. Rdsch." da gegen schreibt: „Im Uebrigen wird man ruhig abwarttn können, ob den kaiserlichen Worten Erfüllung werden wird, wenn man auch kaum das Bedauern wird unterdrücken können, dag der Kaiser auch bei dieser Ernennungsfrage sein Ministerium beiseite und sich selbst mitten in den Tage»- hader hineinstellte." — Zur Bekämpfung des Simulanten wesens hat die Allgemeine Ortskrankencasse in Char- lottenburg Untersuchungen veranstaltet, deren Evgebniß Interesse erwecken dürfte. Die mehr als 20 000 Mitglieder um fassende Cafle hat vor einem halben Jahre «inen besonderen Vertrauensarzt angestcllt, welcher lediglich Nachuntersuchungen von Patienten vornehmen und sonstige Gutachten, z. B. über kost spielige Anschaffungen, abgeben soll. In dem vom 1. April bis 1. October d. I. reichenden Halbjahre find inSgesammt 1187 Caflenkranke zur Nachuntersuchung durch den Vertrauensarzt ge laden worden. Hiervon kamen 289 der Aufforderung überhaupt nicht nach, sondern meldeten sich sofort selbst gesund! von den
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