Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.10.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011021027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901102102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901102102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-21
- Monat1901-10
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis 4» der Hcmptexpedttio» oder den t» Stadt« bezirk und den Vororten errichteten Lu»- oabestelleo abgeholt: vtetteljLhrltch 4 KO, bet »wetmaltger täglicher Zupelluuz in« Hanl Ü.KO. Durch die Post bezogen sür Deutschlaod u. Oesterreich: vterteljährl. S. Man abouatrt ferner mit entsprechendem Postauffchlag bet de« Postanstalte» t« der Schweiz Italien, Belgien, Holland, Luxem- durg, Dänemark, Schweden and Norwegen, Rußland, den Donauftaatea, der Europäische« Türkei, Egypten. Kür alle übrigen Staaten Ist der Bezug mrr unter Kreuzband durch di« Expedition dieses Blattes möglich. Di» Moraeu-AnSaabe erscheint um '/,? Uhr^ di« Abend-Ausgabe Wochentag» um v Uhr» Ne-actton «nd Expedition: Johanni-gaffe 8. /iiiale«: Tlsted Lahn vor«, v. Klemm's Sorttm. UmversttätSstraß» S (Poultuum), Louis Lisch«, Oathartueustr. p«rl. and Ksnigsplatz V. Abend-Ansgave. MpMerTaMatt Anzeiger. Amtsblatt des Hönigttchen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Volizei-Ämkes -er Stadt Leipzig. Anzeige«-Prei- die ö gespaltene Petitzeile SS Neelam«« unter de« Redacttousstrtch (4 gespalten) 7b vor den FamUtennach- richte» (6 gespalten) LV Tabellarischer and Htfferusatz entsprechens Häher. — Gebühre» für Nachweisungen und Offertomuuahm« L5 H (excl. Porto). Extra «Vellage» (gesalzt), uur mit de» Morgeu-Ausgab«, oha« Postbefärdernng Ü0—, mit Postbesärderuug 70—> Iimtahmeschiuß fiir Iltyelge»: Lb«»d-A»sgab«: vormittags 10 Uhr. Morg«»-A»sgab«r Nachmittags s Uhr. Bet de» Filialen »ud Annah mrst«llen je rin» halb« Stnnde früh«. Anzeige» find stets a» di« Expeditio» z» richte». Die Expedition ist Wochentag» «mmttrbroch«» geöffuet von früh 8 bis Abends 7 Uhr« Druck «d Verlag vo» E. Polz « Leipzig. Nr. 538. Montag den 21. October 1901. 95. Jahrgang, Der Krieg in Südafrika, verrottete Zustände in der britischen Heeresverwaltung. Man schreibt uns aus London unterm 19. October: Es vergeht jetzt kaum eine Woche, wo nicht neue Scandale und neu« Unzuträglichkeiten die fast völlig« Unfähigkeit des Lon doner Kriegsamtes erweisen, der durch den südafrikanischen Krieg und aller mit ihm zusammenhängenden Nebenumstände erwachse nen Schwierigkeiten Herr zu werden. Seit Monaten haben die aus dem Kriege heimgekehrten Aromen versucht, die theilweise seit einem Jahr« und länger rück ständige Löhnung ausbezahlt zu erhalten, und Presse sowohl wie Publicum waren einstimmig in der Berurtheilung des unglaub lichen Systems, welches den entlassenen Soldaten, die zum großen Theile in sehr dürftigen Umständen waren und durch den Kriegs dienst um Stellung und Einkommen gebracht worden waren, ihre sauer verdienten Schillinge vorenthielt. Das KriegSamt wurde mit Hohn, Sarkasmus und bitteren Anklagen, überschüttet, bis es sich schließlich bereit fand, ein besonderes Beamten-Comits zu creiren, das sich mit d«r Frage d«r Auszahlung der rückständigen Löhne beschäftigen sollte. Damit schlief die Sache wieder ein, denn ... ein Comits ernennen, und dasselbe zu ersprießlicher Arbeit veranlassen oder zwingen, — das sind in der britischen Beamtenschaft zweierlei Dinge. — Die Aromen warteten nach wie vor auf ihr Geld, und alle direkten Bittschriften und Ein gaben blieben unbeantwortet und ohne jeden Erfolg. Als König Eduard vor einigen Wochen die Vertheilung der Feldzugs- Medaillen vornehmen wollt«, weigerten sich einige 70 Aromen, an der Parade theilzunehmen und die Dekoration aus den Hän den ihres Souveräns zu empfangen, so lange ihnen nicht die rückständigen Gelder ausgezahlt worden seien. Damals be fürchtete man einen großen Scandal, da der Körrig selbst von der unangenehmen Affäre Kenntnitz erhalten hatte. Aber in der Kunst des Vertuschens hat man es in hiesigen officiellen Kreisen allmählich zu einer Vollkommenheit gebracht, gegen welche selbst, wie es scheint, der königliche Wille und Einfluß machtlos sind. Di« entlassenen Aromen und ihre Familien hungerten weiter und warteten und klagten, und die Press« half ihnen von Zeit zu Zeit mit den schärfsten Angriffen auf die elenden Zustände und Ver hältnisse im britischen KriegSamte und auf den Kriegsminister Mr. Brodrick. Alles half nichts, — eS wurde nur ab und zu von officieller Stell« aus versichert, daß keine Mühe gespart werd«, um die Frag« zur schleunigsten Erledigung zu bringen, — di« Zahlmeister-Bucher oder -Listen seien von Südafrika unter wegs u. s. w., — aber Zahlung erhielten die armen Kriegsknechte deshalb doch nicht. Dabei hatte das Kriegsamt die große Un verfrorenheit, sich an die entlassenen Aromen und Reservisten zu wenden mit der sehr dringenoen und von den schönsten Ver sprechungen begleiteten Bitte, sich doch gefälligst wieder für den Boerenkrieg, den nimmer endenden, anwerben zu lassen, und ver trauend auf das Wort dcS Kriegsministers nahmen viele alte Söldner von Neuem Handgeld, so daß unter And«rn zwei complette berittene Compagnien alter Aromen zusammengestellt und zur Einschiffung nach Afrika am heutigen Sonnabend bestimmt werden konnten. Natürlich erwarteten diese Leute, vor ihrer Ausfahrt ihren rückständigen Sold zu erhalten, damit sie ihre Familien versorgt und gegen Noth geschützt zurück lassen könnten. Aber selbst unter diesen zwingenden Umständen ließ sich das Kriegsamt nicht aus seiner Bequemlichkeit aufrütteln, und am letzten Donnerstag wußten die Aeomen, daß sie auf ein« Auszahlung der Rückstände vor ihrer Abreise nicht mehr zu rechnen hatten. Die Folge hiervon war, daß beim Morgen-Appell am Freitag" einige 70 Mann fehlten, die mit Sack und Pack das Casernement verlassen hatten, mit der zornigen Erklärung, unter solchen erbärmlichen Umständen keinesfalls wieder in den Krieg ziehen zu wollen. Nun wurde sofort der ganze militärpolizeiliche Apparat in Bewegung gesetzt, um die „Deserteure" ihrer „Pflicht- Wieder zuzuführen, jedoch mit minimalstem Erfolge. Wie ein Aufschrei des bittersten Zornes ging eS durch die englische Presse, und mit seltener Einmüthigteit wurde Mr. Brodrick und sein famoseS KriegSamt in den Heilungen und cm Publicum ob dieser grenzenlosen Unanständigkeit und GewiffenSlosigkeit verdammt. — Der Lagerkommandant in Shorncliffe, wo die zwei Com pagnien Aeomanrv internirt waren, General Hallam Parr, sah sich aus eigenem Antriebe veranlaßt, die Leute zusammenzurufen und eine Art von EntschuldigungSred« zu halten, in welcher er seinem Bedauern über di« ungerecht« Behandlung der Mann schaften Ausdruck gab und ausdrücklich erklärt«, daß kein Soldat verpflichtet sei, England zu verlassen, bevor er nicht den vollen Betrag seiner rückständigen Löhnung erhalten habe. Er war aber nicht im Stande, eine prompte Erledigung dieser brennenden Frage in Aussicht zu stellen, und trotz seiner freimüthigen und liebenswürdigen Verhaltens konnte er nicht verhindern, daß später am Tage noch etwa 30 Mann mit ihrem Gepäck das Lager verließen und sich weigerten, in die Caserne zurückzukehrcn. Die meisten reisten sogar mit dem nächsten Zuge nach London oder nach ihrer Heimath zurück, und wenn heut« Mittag, wie beab- sichtigt, daS Detachement in Southampton nach Südafrika ein geschifft werden soll, so wird die Hälfte der Leute fehlen, wenn nicht bis dahin ein allgemeiner Streik der gesummten beiden Com pagnien stattgefunden hat, wie gestern Abend bereits anticipirt wurde. Di« Leute hielten im Lager regelrecht« „Meetings" ab, in denen verschiedene Sprecher Zeitungsartikel vorlafen und der grimmigen Unzufriedenheit der ganzen Mannschaft in schärfsten Worten Ausdruck gab. Inzwischen hat das KriegSamt schleunigst neue Bestimmungen veröffentlicht, nach denen unter allerhand angeblichen Erleichte rungen, di« aber auch wieder mit den üblichen zopfigen Er. schwerungen vermischt sind, eine beschleunigte Auszahlung der rückständigen Löhnungen bewirkt werden soll. Auch nicht ein einziges Blatt der Metropole findet ein Wort der Entschuldigung für Herrn Brodrick und sein« corrupte und bummelig« Beamten- schäft, und di« jämmerliche Affäre dürfte der Regierung und dem KriegSministerium noch in mehr als einer Hinsicht sehr theuer zu stehen kommen. * JohauneSburg, 19. Oktober. (Reuter'» Bureau.) Ein Maa« Namen« Lewis ist am Montag kn Polchefstrom Wege« Be teiligung an ter Ermordung zweier Soldaten zum Tode der- urt-eilt und erschossen worden. Wie «S in der Anklage hieß, waren die beiden Soldaten im Juli lSOO bei Frederiksstad, nach- dem sie sich ergeben hatten, ermordet (?) worden. * Pretoria, 20. Oktober. (Meuter'» Bureau.) Eanadtsch« Truppen überraschte» Freitag Nacht 16 Meilen nordwestlich von Balmeral ein voerenlager. Nach einem kurzen Gefechte floh der Feind und ließ drei Todte zurück; vier Mann wurden ge- fangen; »ine Menge Lieb, Leben-mittel und Munition wurden erbeutet. DI« Canadier verloren fünf Mann. Politische Tagesschau. * Leipzig, 21. Oktober. Der Oberst a. D. vr. Ritter von Renauld- Kellenbach, der sich im Ruhestande in München national- ökonomisch-statistischen Studien gewidmet hat, veröffentlichte so eben eine sehr interessante Untersuchung unter dem Titel „:>e finanzielle Mobilmachung der deutschen Wehrkraft". (Leipzig, Duncker <L Humblot). Die Ergebnisse des Heeres- ergänzungsgeschäftes von 1898 zu Grunde legend und die Ver mehrung der Bevölkerung dabei außer Ansatz lassend, berechnet der Verfasser für das Jahr 1922 die gesammte deutsche Wehr kraft auf 10 245 000 Mann, darunter 4 884 000 vollständig ausgebildete, 5 361 000 größtentheilz unausgebildete. Den Geldbedarf für die Mobilmachung der deutschen Heerschaaren auf den Kosten des Krieges von 1870/71, mangels anderweitiger realer Grundlagen aufbauend, errechnet er für 1 Mann und 1 Tag eine endgiltige Grundziffer von 6 <^. Hiernach kostet bei einem Gesammtcontingent von 10 245 000 Mann 1 Tag 61,5 Millionen Mark, 1 Monat 1845 Millionen Mark, 1 Jahr die Riesensumme von 22 Milliarden Mark. Auch bei An spannung aller seiner Finanzquellen vermöchte Deutschland einen solchen plötzlich eintretenden Jahresbedarf nicht zu er schwingen — glücklicher Weise ein anderer Staat.auch nicht. Aber selbst wenn das deutsche Aufgebot auf etwa o Millionen Mann ermäßigt würde, ergäbe sich ein Jahresaufwand von etwa 11 Milliarden Mark, und verringert man das deutsche Aufgebot auf 2,5 Millionen Mann, so haben wir noch immer einen Jahresaufwand von etwa 5,5 Milliarden Mark. Diese höchst lehrreiche Berechnung führt den Verfasser zu dem Schlüsse, daß nicht die Zahl der Streiter in einem künftigen Kriege für die Machtstellung eines Staates entscheidend ist, sondern — neben der qualitativen Stärke — in erster Linie seine finan zielle Leistungsfähigkeit. Zur Steigerung der deutschen Finanzkraft empfiehlt der Verfasser einmal die Gewinnung einer Macht zu einem gewissermaßen finanziellen Bündnisse — was unter Umständen realisirbar erscheint —, sodann die Hebung des Volkswohlstandes durch Förderung des Welthandels. Der letztere Vorschlag ist bis zu einem gewissen Grade zweifellos richtig. Die übertriebene und einseitige Förderung des Welt handels indessen könnte leicht eine Ueberproduction und die da mit verbundenen Krisen zur Folge haben und so zur Ver minderung des Volkswohlstandes führen. Rückschläge solcher Art haben wir gegenwärtig leider genug. Von allen wirth- schaftspolitischen Fragen im Uebrigen absehend, kann man an gesichts der obigen Angaben über den Kriegsbedarf Deutschlands nur von Neuem darauf Hinweisen, wie wohlfeil die „Ver sicherungsprämie" für die Erhaltung des Friedens ist. Uebrr die Vorgeschichte der Berufung des Professors Spahn nach Straßburg geht der „Tägl. Rundsch." noch eine interessante Mittheilung zu. Sie lautet: „Die Ernennung deS Professor» Spahn zum ordentlichen Pro- feflor der Geschichte an der Universität Straßburg ist, wie wir erfahren, auf einen Vorschlag deS Statthalters von Elsaß« Lothringen, de» Fürsten zu Hohenlohe-Langenburg, zurückzu- führen, der die Billigung de» Reichskanzlers Grafen Bülow erfahren hat und dem später auch der Kaiser die Be- stätigung in dem bekannten Telegramm rrtheilte. Der Statt halter Fürst Hohenlohe-Langenburg hat seinen Wunsch nach Er- richtung einer katholischen GeichichtSprofessur an der Universität Straßburg schon vor mehr als einem Jahre geäußert, als noch Fürst Hohenlohe Reichskanzler war, und Fürst Hohenlohe hat damals seinen Wunsch an allerhöchster Stelle befürwortet. Au" seinen erneuten Vorschlag erfolgte die Ernennung de» Professors Spahn, der allerdings nicht auf der Vorschlagsliste der Universität stand, der aber vom Cultusministerim warm empfohlen wurde." Hiernach theilen sich in da» Verdienst, dem Kaiser die Ernennung angerathen zu haben, der Statthalter der Reichs lande, der vorige und der jetzige Reichskanzler und daS preußische Cultusministerium, auf dessen Rath der Curator der Universität Straßburg einer Vorlesung Spahn'» über den berüchtigten Papst Alexander VI. beiwohnte. Sollte diese Vorlesung inzwischen gedruckt worden sein, so würde sie natürlich den ultramontanen reichsländischen Kreisen, auf die Herr Spahn erzieherisch einwirken soll, neue» PrüfungS- material zur Lösung der Frage bieten, ob der Berufene wirklich der Mann ist, den man sich gewünscht und der den die römische Kirche beherrschenden Jesuiten ebenso genehm sein kann, wie dem reichsländischen Statthalter, dem Reichskanzler, dem preußischen Cultusministerium und dem Curator der Universität Straßburg. Neues PrüfungS- material liefert auch die „Franks. Ztg.", von der be kanntlich der klerikale „Elsässer" behauptet hatte, sie hätte am 6. und 7. September 1899 ein „schmachvolles Feuilleton" aus der Fever Spahn'S veröffentlicht, worin eine Lanze für die „katholisch-liberalen Geschichtsprofessoren" gebrochen wurde. Dazu erklärt jetzt die „Franks. Ztg.": „Das Feuilleton vr. Spahn'» ist betitelt „Bischof von Ketteler" und behandelt die zweibändige Ketteler-Biographi» de» Jesuitenpaters Otto Pfülf. vr. Spahn war dem Publicum gegen über nicht als Verfasser deS Aufsatzes genannt, die Arbeit trog als Unterschrift lediglich die Chiffre m.-n. Woher daS klerikale Blatt Kenntnitz von Spabn's Autorschaft erhalten, ist uns nicht bekannt. Jetzt, da sich zeigt, daß mau davon weiß, haben wir keinen Grund mehr, unsererseits den Fall zu verheimlichen. Am 6. December 1900 erschien dann eine mit dem Namen deS Herrn vr. Spohn gezeichnete zweite Arbeit in der „Franks. Ztg.": „Die Rheinschifffahrt im 19. Jahrhundert", eine interessante Besprechung des gleich namigen Werkes von vr. Eckert in Mainz." Ein neuer Wink für die römische Indexcongregatiou und ihre deutschen Mithelfer, für die e» schon eia neuer Stein des AnstcßeS sein wird, daß Spahn nicht nur mit der „Tägl. Rundschau", sondern auch mit dem süddeutschen Demokraten blatte in Verbindung gestanden hat. Ueberhaupt hat das, was bisher die ultramontane Presse über Spahn erschnüffelt, in den vaticanischen Kreisen anscheinend große Unzu friedenheit mit der Berufung erweckt. Hervorragende ultra montane Blätter deS Auslandes, und zwar verschiedener Länder, haben nämlich in den letzten Tagen den Fall Spahn in Verbindung mit der Gründung einer katholisch-theo- logischenFacultät in Straßburg gebracht und angeblich auf Grund genauester Information die Behauptung aufgestellt, die Ernennung Spahn'S habe in Rom die Chancen für eine solche Facultät bedeutend sinken lassen. Der neue Professor habestch als allerdings anonymer Mitarbeiter deS Organs de» Evange- lischen Bundes entpuppt und auch auf andere Weise sei seine katholische Gesinnung in ein recht zweifelhafte» Licht gestellt worden. Die Regierung habe doch irdenfall» diese Thatsachen wissen müssen. In diesem Falle habe sie rin recht eigeu- tbümlicheS Spiel mit den deutschen Katholiken getrieben. Man frage sich mit Recht: WaS wird die deutsche Regierung erst mit der Auswahl der übrigen Straßburger Professoren thun, wenn sie gleich den ersten so schlecht auSgewählt hat? Jedenfalls ist Professor Spahn nicht zu beneiden; stellt eS sich aber heraus, daß seine Wahl auch die vatikanischen Kreise enttäuscht und, statt zu Gegenconcessionen geneigt, wider haarig gemacht hat, so werden auch seine oben erwähnten Protektoren auf das Gegentheil von Dank zu rechnen haben. Die Empfindung, daß Frankreich die jüngste Ein schränkung der diplomatischen Beziehungen zur Hohe» Pforte in Ueberstürzung und ohne reifliche Ueber- Foreilletoir. Olof Thoroldsen. Roman von Anna Maul (M. Gerhardt). Nachdruck vniotrn. „Thoroldsen", sagte Fräulein v. Brunsdorf, „wenn Sie jetzt diese Reise und Diejenigen, die Sie dazu veranlaßt, ver wünschen " „Nicht doch. Ich bereue nichts, Fräulein von Brunsdorf." „So erwarte ich es, lieber Freund, nehmen wir einmal an, eS stände ganz schlimm. Nehmen wir an, es wäre Alles vom Strudel verschlungen, was Sie dort Ihr Eigen nennen —, so handelt e« sich doch einzig und allein um materielle Güter —" „Doch nicht", erwiderte er. „Capitalverluste sind zu ver schmerzen — der Ausdruck „materielle Güter" umfaßt aber Vieles, was ich nicht so wegwerfend beurtheilen kann. Und dann: rechnen Sie die LebenSiahre sür nicht», die ich dort in ver« aeblicher Arbeit verschleudert — die hochgespannte Energie, die sich umsonst verzehrt —" „Sie sind noch jung, noch in den Jahren de» steigenden Saftes, der unerschöpflich sich erneuernden Kraft —' Olof schüttelte schweigend, finster den Kopf. Fräulein von Brunsdorf fuhr fort: „wer geht denn durch da» Leben auf geradem Wege, sein Ziel unverrückt vor Augen? — Wer steht nicht einmal vor den Trümmern seiner Vergangenheit? — Gerade bedeutende Na turen sind nicht die vorfichiiqen, die jeden Schritt abwägen und Zeit und Kraft zu Rath halten. Ein neuer Weg bedeutet noch nicht ein andere» Ziel. Sie werden Ihr Ziel erreichen, denn Sie werden sich selber und Ihrem Genius treu bleiben." „So hoffe ich', bestätigte Olof ernst. „Ich habe niemals an Ihnen gezweifelt", sprach Fräulein v. Brunsdorf warm. „Ei ist dem Menschen, auch dem Willens stärken, nicht immer möglich sich au» eigener Initiative dem Zauberbann gewisser Einflüsse — gewisser leidenschaftlicher Jrrunaen zu entreißen. Eine ander« Atmosphäre, neue Ge dankenkreise, neue Bilder und Menschen sind nöthig, sich mit dem Ueberwundenen ganz und für immer aureinanderiusetzen. Ist da» gelungen, und kommt mir nur rin kleiner Antheil an diesem Gelingen zu, so will ich mir keine Vorwürfe machen, nicht« beklagen, auch Ihre Verluste nicht, und ich weiß, Sie kommen früher oder später zu demselben Resultat/ Er nickte, stand auf und reichte seiner mütterlichen Freundin die Hand. Sie behielt dieselbe in der ihren und sah herzlich zu ihm auf. „Und nun hören Sie mich an, Olof! — Sie glauben nicht, daß ein kluger, geschäftskundiger Mann, wie Doctor Habrecht, blind fiir die Gefahren war, die eine längere Abwesenheit über Ihr Etablissement heraufbeschwören konnte. Es war ihm auch nicht unbekannt, wie peinlich sich die Verhältnisse in Ihrer Um gebung für Sie zuaespitzt hatten. Wenn er trotzdem zugab, daß Sie in seinem Interesse diese Reise unternahmen, so sagte er sich jedenfalls: eS steht dort mehr von gesicherten Werthen auf dem Spiel al» hier. Und er, der hingeht, dies zu retten, rettet e» nicht für mich — sondern ganz eigentlich für sich selber!" Olof'» Hand zuckte zurück und erhob sich abwehrend: „Bitte, nicht weiter, Fräulein von Brun»dorf!" „Warum nicht weiter, mein Freund? — Glauben Sie, ich hätte die Verwegenheit gehabt, mich mit der Lösung der ver worrenen Fäden, in denen ich Sie verstrickt sah, zu befassen, hätte ich nccht ein besondere» — ein Herzen»int«refle dabei? — Wa» hätte mich bewogen, diese Reise »u machen, Ihren Spuren zu folgen, Ihre Absichten, Ihre Wünsche zu erforschen, gäbe es nicht Jemand, der jedem Ihrer Schritte auS der Ferne mit bangender Seele folgt? — Dort — oei meinem Siebung, Olof, da liegt da« Heil für Sie — der Ersatz — die Zukunft/ „Sie sprechen von Unmöglichkeiten, gnädiges Fräulein!" „Unmöglichkeiten? Ich sehe keine. „Ich bin ein Bettler, Fräulein von Brunsdorf. Sie trauen mir nicht zu, in dieser Lage um die Hand einer Millionärin zu werben. „Man wirbt um Sie, mein Freund, und man weiß e» zu beurtheilen, waS ein Mann wie Sie, ohne alle äußere Hilfs mittel, rein auf sich selbst gestellt, werth ist. Sie, ein Bettler, Sie, mit Ihren unerschöpflichen inner» Schätzen —! Und dort ein kränklicher Greis — und ein alleinstehende», welt fremde», junger Mädchen. Begreifen Sie nicht, wa» e» für diese Beiden bedeuten würde, Sie den Ihrigen nennen zu dürfen?" Olof stand hinter dem Sessel, stützte sich mit gekreuzten Armen auf du hohe Rücklehnr und starrte mit zusammen- aeklemmten Lippen vor sich nieder. Ueber seine Stirn schienen Schatten kämpfender und wechselnder Gedanken zu ziehen. Fräulein v. Brun»dott trat näher und legte die Hand sanft auf »inen Arm. Leise, bewegt, eindringlich tönten ihre Motte an sein Ohr: „Mein Freund — Sie müssen e» ahnen — fühlen — daß Sie geliebt werden — daß Sie der Glück»traum — da» Schick sal de» holdesten, unschuldigsten Geschöpfe» find — da» Sie nicht gewählt, da» Ihnen entgeaengrblüht ist wu di« Blume d»r Sonne, deren «rahl ihre schönhttt wach küßt, würden Sie den Muth — die Grausamkeit haben, den rührenden Glauben eines kindlichen Herzens zu zerstören?" Seine Wimpern zuckten. „Bin ich auch dafür verantwort lich?" stieß er zwischen den Zähnen hervor. „Nein. Sie hatten nie einen andern, als den zarten, rück sichtsvollen Ton eines älteren Bruders für sie. Sie sind nicht verantwortlich für die Liebesträume eines jungen Herzens. Aber fragen Sie sich, Olof: haben Sie nie andere, wärmere Em pfindungen gehabt — oder — können Sie sich nicht vorstellen, daß meine Kleine solche in Ihnen zu erwecken vermöchte —? Lassen Sie mich kühn sein und offen sprechen; ich spreche ja zu einem Ehrenmann. Widerstrebt es Ihnen, sich Jngeborg als Ihre Frau zu denken?" Er zuckte empor und schob unwillkürlich die feine, energische Hand, die so zwingend und überredend auf seinem Arm lag, mit hastiger Bewegung zurück. Fast rauh kam seine Antwort, nach secundenlanger Pause. „Warum sollte es mir widerstreben?" „Sie sagten mir einmal, Jngeborg erschiene Ihnen als daS Ideal eines Weibes." „Sie erscheint mir noch heute so." Fräulein von Brunsdorf war einen Schritt zurückgetreten. Olof griff mit beiden Händen nach der Stirn. „Lassen Sie mir Zeit, lassen Sie mich zur Besinnung kommen. Ich bin jetzt nicht im Stande, ja oder nein zu sagen? „Ich bin schon zufrieden, wenn Sie nicht nein sagen", er widerte Fräulein von Brunsdorf lächelnd. Achtzehntes Capitel. In dumpfem, stumpfem Sinn durchschritt Olof die in der Mittagssonne glühenden Straßen. Die Mutter wohnt« in einer der stillen, vornehmen Seitenstraßen der Königstraße. — Jngeborg seine Frau? Ihre Besitzungen zu seiner Ver fügung, >da» große Vermögen I>r. Habrrcht's ihr Erd« ? Phantastisch und doch greifbar lebendig zogen die gigantischen Entwürfe an seinem Geist« vorbei, die während seiner Reife ge boren und fast zur Reife auSgestalttt worden waren. Sein nor. kische» Vaterland mit seinen Felsen und Wasserfällen, seiner kern- haften Bevölkerung daS ganz« Land war sein Baugrund; in die endlose NordlandSnacht wollte er Licht und Leben und gewinnbringend« Thäiigkeit tragen. Dem Schiffer auf der klippenreichen See, dem Bergmann im tiefdunkeln Schacht wollte er mit d«m göttlichen Funken Heil und Rettung und Erlösung bringen. S» schwellte ihm di« Brust — e» berauschte ihn, wie feuriger W»in. Erhitzt und ervogt trat er htt seiner Mutter ein. Sie kam ihm entgegen, logt« ihm die Hände auf die Schultern und schaute ihm zärtlich erwartungsvoll ins Gesicht, als solle er ihr etwas Erfreuliches mitbringen. Er küßt« sie und schob sie sanft zurück. Aber bei Tisch, als sie alle ihre Herr lichkeiten aufgetragen und ein Glas Wein ihr die Zunge gelöst, vermochte sie nicht länger zu schweigen. Sie stieß mit dem Sohn auf die Schwiegertochter an, die er ihr zusühren würde. Er stellte sich verwundert. „Welche Schwiegertochter?" „O, spiele nicht den Unschuldigen!" lacht« sie. „Blond und schlank, wie eine Lilie, und ihr Name? — Jngeborg! Ach, mein Olof, 'wenn ich es erlebte, Deine und Jngeborg'S Kinder zu wiegen!" Olof ließ sein Glas mit dem der Mutter zusammenklingen, aber er trank nicht. Es schnürte ihm etwas di« Kehle zu. Im Laufe des Nachmittags jedoch braDe die Mutter thn dazu, ihm von Jngeborg zu sprechen. Und allmählich ward die Vorstellung, daß er ihren großen, heißen Wunsch erfüllen könne, ihm ge läufiger. War sie doch nicht erst heute entstanden, diese Vor. stellung. Daß Jngeborg ihn lieb«, wußte er; sie hatte ihm in ihrer kindlichen, vornehmen Einfachheit nie ein Gsheimniß daraus gemacht. Alice — sie wollte er nicht Wiedersehen — nie mehr; ohnehin war schleunige Rückkehr nach Cincinnati drmgenkd geboten. Er brachte den Abend mit Briefschreiben zu und bereitet« die Mutter auf seine Abreise vor. Sie begriff und «gab sich in das Un- vermeidlich«. Sie würde ihm ja in die neue Heimath folgen — bald, recht bald — das hatte er ihr versprochen. Am folgenden Morgen suchte er Fräulein von Brunidorf auf. Er wollt« ihr sein Ja bringen, fand sie aber nicht zu Hause und wollte nicht, wie sie hatte bitten lassen, auf sie warten. Er hinter, ließ, daß er Nachmittag» wiederkommen würde, Abschied zu nehmen. Abends wollte er reffen. Als er zurückkam, fand er die Mutter auf ihrem Lähnstuhk eingeschlummert. All' die schlaflosen Nächte, all' die Aufregung und die Freude der letzten Tage machten sich im Rückschlag geltend. Olof ging ganz leise in sein Zimmer, um sie nicht zu stören. Di« Aufwärtertn war schon fort, er wollte mit der Mutter cku«wärt» essen. Da ertönte draußen die Thürglocke. Olof ging hinau«, um zu öffnen. Eine schlanke, dunkel gekleidet: Frauengestalt stand vor ihm. Ihr, dem dämmerigen Vorzimmer zugewandte« Geficht konnte er nicht erkennen. Auf da» seinige fiel da« vom Treppen fenster kommende Licht. „Olof", schrie sie keife auf. „Sissi! —"
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite