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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.10.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011025015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901102501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901102501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-25
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Amtsblatt -es Äönigkichen Land- und Äintsgerichtes Leipzig, -es Nathes un- Nolizei-Ämles -er Lta-t Leipzig. Nnzeigeu-PreiS Hit vgrjpaiteue Petitzeile L5 L. U«elam«» »»ter dem Redactioatstrirh (4gespaltea) 75 vor de» Aanrilieuaach» richte» (6 gespalten) SO H. Tabellarischer uud Ztffernsatz entsprechend höher. — Gebübren für Nachweisungen «ed Offerteuauaaym« LS (excl. Porto). Extra-Vellage» (grfalzy, nur mit de« Morgea-Autgab«, ohu« Postbrsördervag -4l SO.—» mit Postbesörderung ^l 70.—, Aanahmeschluß für Anzeigen: Ad«»d-N»sgaber vormittags ZV Uhr. M»r>«»»>asgab«r Nachmittags 4 Uhr. Vit de» Filiale» »ad kluuahmestrllen je ettrs halb« Vttmd« früher. Aazeigea ß»d stets a» di» Expedttio» j» richt«». Li« Expedttio» ist Wochentags ununterbrochen geöffnet vo» früh Ü dis Abends 7 Uhr. Druck «d Verlag vo» U» yol» t» Letpgt^ Nr. 5^5. Freitag den 25. October 1901. 95. Jahrgang, Das fünfte Gebot vnd die Jesuiten. Bevor ich den Leser mit der eigenthünilichen — und ich darf wohl sagen: grauenhaften — Stellungnahme der Jesuiten zum fünften Gebote etwa- näher bekannt mache, sehe ich mich veranlaßt, der Annahme des Herrn I)r. Drucker (in Nr. 540 des Tageblattes) zu widersprechen, daß mein Artikel: Das Duell und die Jesuiten, wegen der irrtbümlichen Nennung deS h. Alfonso de Liguori, geeignet sei, die interkonfessionelle Antiduellbewegung zu dis» creditiren. Denn wesbalb und wie sollte das geschehen? Die fragliche Bewegung ist, unabhängig von heiligen und nn- beiligen Alfonsos, um ihrer selbst willen berechtigt und Alle, die eS mit unserem Volke Wohl meinen, Katholiken, Pro testanten, Juden u. s. w., wünschen ihr praktischen Erfolg. Meine Absicht war lediglich, zu constatiren, daß eS dazu am Wenigsten mit Hilfe der Jesuiten kommen wird — aus dem einfachen Grunde, weil diese Herren das Duell kasuistisch in Schutz nehmen, und daß darum die katho lischen Duellgegner, wenn sie die Zurückberusung der Jesuiten ins Reich fordern, entweder in bewußtem Widerspruch mit sich selbst stehen, oder — nicht wissen, waS sie thun. Ich bin sehr geneigt, das Letztere anzunebmen. Denn auch viele Protestanten, an erster Stelle die Deutsch-Freisinnigen und die Socialdemokraten, die mit den Ultramontanen für die Auf hebung deS JesuitenvcrbotS gestimmt haben, wissen nicht, um WaS eS sich bei der Frage handelt. Und noch eins voraus. Ich würde eS sehr bedauern, wenn fromme Katholiken in meinen Auslassungen über die jesuitische Moral ein Zeichen von Animosität gegen die katholische Kirche sehen sollten ; denn davon weiß ich mich frei. Katholische Frömmigkeit und JesuitiSmuS sind mir grundverschiedene Dinge, unv gerade um jenem Verbackte vorznbeugrn, habe ich, statt meiner, einen Mann reden lassen, der zu den größten Zierden der katho lischen Kirche gehört. Auch heute werde ick eS so halten, indem ich wiederum ans der Unterredung eines frommen Katholiken mit dem „Jesuitenpater" über die Stellungnahme der angesehensten jesuitischen Moraltheologen zum fünften Gebote Einiges mittbeile. Gestreift wurde dieses schon bei Gelegenheit der Duell frage durch die Erklärung Navarra's, „daß es woblgethan sei, den Feind heimlich zu tövten und damit das Duell zu vermeiden", umsomehr, als man damit auch den Gegner vor der Sünde behüte, der er sich durch Annahme des Duells schuldig macken würde. „Das wäre also" — heißt eS am genannten Orte weiter — „ein frommer Meuchelmord! Ja, fromm mag er heißen, aber Meuchelmord wäre cs dock, wenn ihr einem erlaubt, seinen Feind verrätherischer Weise zu tödteu." „Verrälberischer Weise", erwiderte der Pater, „habe ich das gesagt? Gott soll mich bewahren! Ich sage Ihnen, daß man einen heimlich tödten dürfe, und Sie schließen daraus, daß man einen meuchlings töbten dinfe; als ob das einerlei wäre! Lernen sie von Eöcobar, was das heißt: meuchlings töbten, und dann mögen Sie reden. „Man nennt meuchlings oder verrätherischer Weise tödten, wenn man einen tödtet, der sich dessen auf keine Weise versieht. Deshalb kann man von Demjenigen, der seinen Feind töbtet, nickt sagen, daß er ihn meuchlings umbringe, auch nickt, wenn es rücklings oder aus einem Hinterhalt geschieht." Und in derselben Abhandlung Nr. 52: „Wenn einer sich mit seinem Feinde ausgesöhnt und versprochen hat, ihm nicht nach dem Leben zu stellen, töbtet ihn aber dock, so kann man darum noch nickt sagen, daß dies verrätherischer Weise geschehe, so lange nicht eine sehr innige Freundschaft zwischen ihnen bestand."" Der „gute Bekannte" deS Paters schließt aus der Defini tion des MeuckelmordS, daß man noch nie einen Menschen verrätherischer Weise getödtet habe; „denn Andere, als seine Feinde umzubringen, fällt Keinem ein." „Aber dem sei, wie ihm wolle; man darf also, nach Sanchez, einen Ver- läumder, der uns gerichtlich verfolgt, dreist tödten; ich sage nicht mehr: verrälheriscker Weise, aber doch rücklings und auS einem Hinterhalt heraus tödten." „Man darf's", erwiderte der Pater, „vorausgesetzt, daß man seine Absicht gut lenkt. Sie vergessen immer die Haupt sache! Moli na bat dies bestätigt. Nack unserem gelehrten ReginalduS darf man übrigens auch die falschen Zeugen umbringen, die man gegen uns ausbringt, und endlich, nach unseren großen und berühmten Vätern Tanner und Emanuel Sa, beioe: „die falschen Zeugen und den Richter, wenn der im Einverstänvnisse mit ihnen ist." " „Ehrwürdiger Vater, ich verstehe nun wohl Ihren Grund satz vom Lenken der Absicht. Aber ich möchte noch mehr die Consequenzen verstehen. Recapituliren wir die bisher ge nannten Fälle! Im Allgemeinen darf man nur tödten, wenn's nöthig ist... Nun haben Sie mich versichert, man dürfe, nach Ihren Vätern, wenn man seine Absicht gut lenke — wie auf Bewahrung der Ehre und deS irdischen Besitzes — ein Duell annehmen und bisweilen auch eins anbieten; man dürfe den falschen Ankläger, sein« Zeugen und den von ibm bestochenen Richter umbringen, und endlich haben Sie erklärt, daß derjenige, der eine Ohrfeige erhält, — nickt zwar sich rächen, aber mit dem Degen sich Genugthuung ver schaffen dürfe. DaS Alles ist klar. Aber Sie haben mir nicht gesagt, wie weit man darin gehen darf." „Man kann dabei nickt leicht fehlgreifen", antwortete der Pater; „Venn man kann soweit gehen, daß man einen nieder stößt und tödtet. Unser gelehrter Henriquez und andere von unfern Vätern, die Eöcobar anführt, haben das vortrcfflich bewiesen. Sie sagen so: „Du darfst den jenigen, der dir «ine Ohrfeige gegeben hat, tödten, auch wenn er flieht, vorausgesetzt, daß du es nickt aus Haß und Racke tbust... Der Grund ist der, daß man hinter seiner Ehre ebenso wohl wie hinter gestohlenem Gut nacklaufen darf"... „Du giebst, indem du die-tbust, Beweise von Größe, welche dir die Achtung deiner Mitmenschen verschaffen." „Und wird denn nickt Der jenige, der eine Ohrfeige bekommen hat, auch thatsäcklich, so lange sein Feind lebt, für ehrlos gehalten?" Des Weitern wird auSgeführ», daß man auch drohenden Ehrverletzungen mit Gewalt zuvorkommen daif. So LessiuS und Hero: „Wenn du meinem guten Ruf beiLeuten von Ebre durch Verläumdungen zu schaben suchst und ich kann's nickt anders hindern, als indem ich dich umbringe: darf ick es thun? Ja, antworten unsere neueren Autoren, und ick darf eS selbst dann, wenn ich daS Verbrechen, dessen du mich öffentlich beschuldigst, begangen habe, vorausgesetzt, daß es ein geheime» ist, da- du auf rechtlichem Wege nicht entdecken konntest."" Der Pater macht schließlich die Logik der jesuitischen Be handlung deS fünften Gebot« geltend. „Die Ehre ist kost barer «IS das Leben; ich darf tödten, um mein Leben zu ver- tbeidigen, und folglich auch, um meine Ehre zu verthridigen. Sie sehen, das ist kein Hin- und Herreden über die Sacke; das sind Beweise in aller Form." Und der Angeredete müßte ihm Recht geben, wenn einem vom Feind ebenso die Ehre geraubt werden könnte, wie daS Leben. Die Erlaubnis zn tödten, wenn sie beleidigt werden, gilt übrigens nur für die „Edelsten" der Nation, zu denen auch die Kleriker unv Mönche gehören. Was ihnen die Ehre bedeutet, ist de» Nlchtadtigen ihr Besitz. Bei der Frage, wie groß die Summe sein müsse, um deren willen wir den Andern todt- schlagen dürfen, gehen die Meinungen auseinander. Moli na, der Ruhm der Gesellschaft, schätzt das Leben auf 6—7 Du katen. „Wenn eS sich um so viel handelt", sagt er, „kannst du den Dieb tödten, auch wenn er fliehen sollte." An einer anderen Stelle geht er nach Escobar in seiner Forderung bedeutend herunter: „Man kann einen, wenn eS fick um den Werth eines Th'lers handelt, regelrecht todtschlagen." Der katholische StaatSrechtSlebrer Jordan (ff l86l in Cassel) nennt 36 jesuitische Autoritäten für Mord und für KönigSmord 75! Ich bin erbötig, auch die jesuitische Behandlung deS siebenten Gebotes — zu Gunsten der Wucherer, Bankerottirer und dergl. — zu beleuchten. Nur über die deS sechsten mich auszusprechen, muß ich auS schwerwiegenden Gründen ad- lehnen. , v. Dreydorff. Der Krieg in Südafrika. Die Sttuittvn in »er Lapcvlvnie. Die „Westminster Gazette" veröffentlicht einen Brief ihres Korrespondenten in Kradoct in der Capcolonie, welcher mehr als alle bisherigen Nachrichten die wahre Lage auf jenem Thrile des Kriegsschauplatzes beleuchtet. Das Schreiben batirt vom W. Sep tember und giebt vor allen Dingen eine sorgfältig begründete und klare Schilderung der Resultate der letzten englischen Proklama tionen und der ganzen in Südafrika herrschenden Henkerspolitik des brutalen Albions. Die „Gazette" betont ausdrücklich, daß ihr Korrespondent durchaus kein Proboer ist, sondern nur ein ver nünftiger Engländer, der den brennenden Wunsch hegt, diesen unglückseligen Krieg beendet zu sehen, bevor ganz Südafrika ruinirt ist. Es wird in dem Berichte ganz besonderes Gewicht darauf gelegt, daß die von den englischen Behörden gewaltsam erzwungene Anwesenheit von Verwandten, Freunden und Kame raden vieler zum Tode verurtheilter Rebellen bei deren Hin richtung einfach jede Aussicht und Hoffnung auf «inen späteren dauernden Frieden aus der Welt geschafft habe. „Gefühle der leidenschaftlichsten Rache sind durch solche Maßnahmen hier zu Lande erweckt worden, und zwar auch bei Leuten, die, obwohl holländischer Abkunft, sich doch bisher loyal verhalten hatten und bis heute nicht in die Reihen der Rebellen eingetreten waren. Hunderte und Aberhunderte von solchen Männern haben heute den letzten Rest von Neutralität und Loyalität bei Seite ae- worfen und sich den Desperados angeschloffen, welche Tag für Tag die schönsten Districte unserer Kolonie mit Guerillakrieg überziehen, plündern und verwüsten. Das Resultat dieser durch die thörichten Gewaltmaßregeln unserer Behörden geschaffenen Lage ist denn auch, daß heute mindestens ein Mitglied jeder holländischen Familie den Kommandos derRebellen bei getreten ist und gegen die Truppen des Königs kämpft. Der ganze südliche Theil, oder besser gesagt, fast sämmtliche Theile unserer Kolonie, zeigen heute schlimmere Zustände bezüglich Rebellion und bitterster, rachsüchtigster Feindschaft der hollän dischen Bevölkerung, als dies auch nur annähernd jemals zuvor der Fall gewesen ist. Diese grausamen Hinrichtungen mit allen ihren Nebrnumständen haben eine unvertilgbare Saat der Feind schaft und der Rache gesät. Vielleicht würden die meisten der bisher loyal gebliebenen Capholländer sogar zugestehen, daß die über Rebellen verhängte Todesstrafe durchaus gerecht ist, aber auch nicht einer von ihnen wird das Vorgehen der britischen Behörden bezüglich der ge zwungenen Anwesenheit der Holländer bei den Executionen anders bezeichnen, als eine blutdürstige, brutale Schändlichkeit, und keiner von ihnen wird es je vergessen, wenn er mit Waffengewalt auf den Marktplatz der Stadt getrieben worden ist, um der Hin richtung eines Verwandten oder eines guten Freundes beizu wohnen und Zeuge der letzten Todeszuckungen desselben zu sein. Man stelle sich britische Männer in einer ähnlichen Lage vor und wage dann noch zu behaupten, daß dieselben nicht gerade so denken und handeln würden, wie es jetzt die bisher loyalen Cap holländer thun oder thun werden. Diese widerwärtige Phase un serer militärischen Jurisprudenz ist nichts Anderes als ein fürch terlicher Hrrthum, dessen üble Folgen sich noch auf Generationen hinaus fühlbar machen werden. Unsere Regierung sollte so schnell als möglich von dem ein geschlagenen Pfade abgehen und menschlichere und weisere Maß nahmen treffen. Man kann im Uebrigen nur zu dem unaus bleiblichen Schluffe kommen, daß unsere verantwortlichen Staatsmänner und Politiker, welche für die gegenwärtige be dauerliche Lage verantwortlich sind, von gänzlich falschen Ge sichtspunkten aus gehandelt haben und von absichtlich oder un absichtlich uncorrect auftretenden Brrathern zu solchen unmensch lichen Schritten veranlaßt worden sind. Es würde daher das Weiseste und Vernünftigste für unsere Staatsmänner sein, wenn sie ihre Jrrthümer einsehen und diese nutzlosen und schädlichen Grausamkeiten nicht weiter fortsetzen lasten wollten; es dürfte doch nicht allzu schwer sein, andere Mittel und Wege zu finden, um unsere bisher loyalen Mitbürger holländischer Abkunft davon abzuhalten, sich der Rebellion anzuschließrn. Können wir solche Mittel Nicht finden, und bleiben wir bei dem bisherigen System, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn dieser fürchterliche Krieg sich noch auf weitere zwei Jahr« oder sogar länger hin schleppen wird." * Lvntzv», 24. Oktober. (Telegramm.) „Renter's Bureau" berichtet auS Bryheid unter dem 22. Oktober: Botba ist offenbar in seinem Marsche aufgehalten, da er sich jetzt in Pietersdorv befinden soll. Eine große Anzahl Boeren verbirgt sich im Walde von Win berg. Es sind Aussichten vorhanden, daß sie von der Kolonne Walter Kitchener'S umringt werden. * Lvttdo», 24. Oktober. (Telegramm.) Lord Kitchener berichtet aus Pretoria unter dem 23. Oktober: Zwei Kanonen der 69. Batterie der königlichen Feldartillerie, die bei Scheepersnrk von den Boeren genommen worden waren, sind zurückerobert worden. Die Kolonne Campbell'- operirt in der Nähe von Slangapies. Rose L Como. Skizze nach dem Ungarischen von Armin Ronai. LiaLvruä verholen, ES war das ein ganz kleiner, armseliger Laden, der das gesammte Hab und Gut Fritz Rose's bildete. Ein ganz kleiner Laden, mir einer spärlich gefüllten Stellage, dann noch vor dem kleinen Pulte einige gangbare Victualien, ein paar Heringe zweifelhaften Alters, in einem Kistchen feines Salz, von Alter und Staub bedenklich angegraut, auf dem Pulte in vielfach gesprungenen Gläsern einige Handvoll bunter Zuckerwaaren, an den Wänden ein paar vergilbte, längst sachfällig gewordene Placate und Ankündigungen — das war so ziemlich Alles, woraus das Reich des Fritz Rose bestand. Er war ja auch «in armer, um sein Dasein schwer ringender Mann, irgend einen Luxus konnte er sich nicht ge statten, und dort in seinem kleinen Laden hauste er, Tag für Tag. Nur einmal die Woche begab «r sich in die nahe Stadt, auf drm Rücken einen großen Sack, in welchem er dann die zur Completirung seines WaarenlagerS nöthigen Artikel heim brachte. Anfangs, als sich Rose im Dorfe niedergelaffen hatte, ging sein Geschäft doch noch etwas bester. So lange er nämlich ven einzigen Laden im Orte hatte Aber dann kam noch ein zwriter Geschäftsmann ins Dorf — er war jünger, flinker und hatte vielleickt auch größeren Kredit in der Stadt, sein Laden war viel reichhaltiger ausgestattet, Dann schenkte er auch Brannt wein aus, an Sonn- und Feiertagen sogar Bier — kurz, die Käufer gewöhnten sich immer mehr an de» Laden des Samuel Grünstein, wahrend Rose'S Geschäft nur noch aus einig« wenige treue Kunden zählen konnte, die auch mehr des gewährten Kredits wegen blieben. Nun geschah es sehr oft, daß Fritz Rose eS eigentlich gar nicht nöthig hatte, jenen wöchentlichen Gang nach der Stadt ,u machen, denn dir Maaren fanden keinen Absatz und harrte» In den Stellagen vergeblich der Käufer. Aber darum ging er trotzdem an jedem Markttage nach der Stadt, den alten Hack auf dem Rücken, in den er, wenn ,i nöthig war, seinen Rock steckte, damit «i auSsehe, als habe er einen reichhaltigen Einkauf darin. Di» Leute im Dorf« und auch sein Konkurrent Grün stein, sie sollten eS nicht merken, wie sehr sein Geschäft zurück gegangen war. Dazu war Fritz Rose viel zu eifersüchtig auf sein, kaufmännische Ehre. Seinen Konkurrenten Grünslein haßte er aber tödtlich. Hatte er doch Schuld qg drm kläglichen Rückgang seine- Ge- schiifte». Wie oft äußerte er sich in seiner Erbitterung gegen seine Fraur .Dieser Grünstem sst sn»in Ruin! Sieh' nur, wie alle Leut» ^u s^kn rennen, »U ,b n beste,, Sach,» zu -«»kaufen Dann ging er heftig erregt mit langen Schritten in seinem leeren Laden auf und ab und murmelte dazwischen: „Was fange ich nur an! Meine Maaren sind gut, die Waage ehrlich, die Maße voll, und doch, und doch . . ." Er hatte Recht, trotzdem glückte es ihm nicht. Von Jahr zu Jahr wuchs Grünstein's Vermögen sichtlich an, er hatte bald sein eigenes Haus, bald kaufte er einen Morgen Feld dazu, bald Wagen und Pferde, bald Rinder und Schafe. Mit einem Wort, seine Unternehmungen florirten. Währenddessen saß Fritz Rose unthätig und verdrossen, er hatte ja so wenig zu thun — gar selten störte ihn ein Kunde. Ging einmal Grünstein durch die Straße, so wendete Rose den Kopf weg, als wollte er ihn nicht einmal eines Blickes würdigen. Dabei blinzelte er aber dennoch zu ihm hinüber, und fast jedes Mal entdeckte er etwas an dem Concurrenten, was ihm nicht gefallen wollte. „Sich' nur, Malchen", sagte er einmal zu seiner Frau, „er hat sich schon wieder einen neuen Rock machen lassen." Das „er" wurde natürlich mit entsprechend verächtlicher Betonung ausgesprochen. Ein andermal wieder hieß es: „Was sagst Du zu diesem Protz, Malchen, eine goldene Uhr hat er auch schon." Frau Rose hatte dagegen für Frau Grünstein ein con- trolirendes Auge: „Wirst Du'S glauben, Fritz", sprach sie an einem Sonn abend zu ihm, „heute hatte sie ein neues schwarzes Seidenkleid mit einer langen Schleppe angehabt, so was habe ich noch nicht 'mal in der Stadt gesehen, und die Frau Amtsrichter hat gewiß kein solches. Der Staub flog nur so in die Höhe." Eine ganz kleine Spur von leisem Vorwurf war in dieser Rede nicht zu überhören, als wollte si, sagen: Nun ja, der ihr Mann verdient auch danach, um seiner Frau hin und wieder eine Freude machen zu können. Es ist ja wahr, viele freudige Ueberraschungen hatte Rose bisher seiner Frau nicht bereitet. In den ersten Jahren ihrer Ehe hatte er sie noch vertröstet auf bessere Zeiten, es war ja auch wirklich noch Aussicht vorhanden, daß ihr Geschäft einen Aufschwung nehmen werde Nun hatte aber dieser Grünstein alle Hoffnungen zu Richte gemacht. SS ging ja nun in Allem stetig zurück, und ein wahres Glück noch bei diesen schlechte» Verhältnissen, daß kein Kind im Hause war. Sin Glück? Fritz Rose hegte im tiefsten Innern seines Herzens lange schon das heiße Verlangen, ein Kind kein Eiqen zu nennen. Das war sein einziger Wunsch, feine einzige Hdee von einem möglichen Glück auf Erden. Gerade vor seinem Laden war der Spielplatz der Heranwachsenden Dorfjugend. Dort spielten si, im Sande den ganzen Tag über, versteckens und Pferdchen, dort balgten sie sich herum und führten ihre Faustkämpfr au». Und wenn ei da» Geschäft erlaubt« — und das war ja fast imm«r der Fall stand Rose vor seinem Laden und verfvlgte mit lebhaftem Interest, da» Sp'«l d«r Kleinen. S, schlich»«»« auch manchmal Streitigkeit»» unter ihnen, reparirte einen io Unordnung gerathenen Wagen und schnitzte den Jungen auch mit Vergnügen Peitschenstiele zurecht. Er that das Alles mit großer Freude. Das Dorf wäre ja so leer und still ohne Kinder und Spatzen. Und dann Lbrekam ihn manchmal wieder die alte heiße Sehnsucht . . . Wenn er doch nur auch so 'nen kleinen Jungen hätte, der dort mitspielen könnte unter der munteren Schaar. Was Alles würde er ersinnen, um dem kleinen Kerl Freude zu machen! Was würde er Alles herbeischaffen, Pferdchen, Wagen, Peitschen, Gewehre und Säbel ... In solchen Momenten vergaß er immer, in welch' schlechten Ver hältnissen er lebte, und daß es kaum für Brod langte, geschweige denn für ein neues Kleid, wo doch Frau Malchen längst schon eines nöthig hätte. Aber für das Kind, für das erwünschte, ersehnte kleine Wesen hätte er Alles hingegrben, was er hatte und was er zu erhaschen hoffte . . . Dann kam so ein kleiner Kerl in ven Laden und wollt« für einen Pfennig Gerstenzucker vom Onkel Rose, das riß ihn aus all' feinen Träumen, und er wußte dann wieder, daß er kein Kind, keinen Jungen hat, und er mußt« sich wieder an den ein zigen Trost, der ihm geblieben, festklammern, an das Bewußt sein, daß jener Andere, sein verhaßter Concurrent, Samuel Grünstein, auch keine Kinder hatte, daß er bei all' feinem Reich- thum auch allein dastehe. Wozu hatte er nun so viel Geld, Häuser und Felder, schön« Kleider und eine golden« Uhrkette? Starb er einmal, so mußte er ja doch Alles hier zurücklaffeu! — Dies waren seine Gedanken, daS sein Trost, sein« Hoffnung, die ihn nie verließ. Er hatte keinen Geben, aber der reiche Grünstein auch nicht. Und wie? Wenn der Himmel doch . . . Eines Tages, Herbst und Winter waren inzwischen ver gangen und der Lenz wieder ins Land gekommen, saß Fritz Rose mit einer sonderbaren, heiteren Miene auf der kleinen Holz bank vor seinem Laden. Eigentlich sah er nicht, denn «ine leb hafte Unruh« trieb ihn fortwährenv hin und her. Bald war er auf der Bank, bald ging er lebhaft gesticulirend vor dem Laden aul und ab. Aber auf seinem Gesichte lag es wie eitel Glück und Wonne. Drüben auf dem Sandhaufen spielten die Kinder des Dorfes. „Kommt mal her, Kinder", rief er ihnen zu, „kommt Alle, Alle. ES giebt was Gutes zum Schlecken." Tic Jungen folgten der Einladung mit mißtrauischen Blicken. Aber Ros« ergriff einig« bei der Hand und führt« sie in feinen Laden, di: Andern folgten dann willig nach. „Hier habt Ihr Zucker, so viel Ihr wollt. Langt nur -u, Ihr kleinen Kerls.' Damit schüttete er den Inhalt seiner Bonbongläser auf dal Pult. Nun fi.is.cn di« Jungen an, zu begriffe», und ftvpsten sah »ie kleinen Mäuler u»h di« großen Laichen damit »oll. „Nehmt nur AlttS", rief Mofi dazwischen, „und wenn ich nächsten» tn die Stadt geh«, sollt Ihr noch viel mehr und viel schönere Sachen bekommen. Und wißt Ihr auch, warum ich Such da» «les gebe? MU »i, bei Himmel es»»» Sohn geschenn hat. hört Ihr? einen Sohn! Jetzt ist er noch ganz klein, aber wenn er einmal größer fein wird, nicht wahr? Dann werdet Ihr mit ihm spielen?" Aus dem Nebenzimmer drang Kindergeschrei heraus. Rose öffnete die kleine Thür und rief: „Sei ruhig, mein Söhnchen! Deine Kameraden sind da, die mit Dir schön spielen werden." Dann schob er di« Kinder wieder zum Laden hinaus, ging mit ihnen aus den Spielplatz, schaufelte an dem großen Sandberg herum, schnitt ihnen frische Weidenruthen und schaute, vergnügt lachend, ihren Spielen zu, als wäre sein Kind auch schon dabei, sein eigen Kind. Vergnügt war Rose nun eigentlich immer. Und es schien, als wäre mit der Erfüllung seines Herzenswunsches auch das Glück in den kleinen, finsteren Laden eingezogen. Die Leute des Dorfes kamen jetzt öfter zu ihm. Erst waren es nur Neu gierige, dann stellten sich Vie früheren Kunden wieder ein, und bald hatte es Ros« nicht mehr nöthig, seinen Sack nur zum Scheine anzufüllen, wenn er au» der Stadt kam. Er hatte vielmehr an jedem Markttage an den nöthigen Einkäufen ganz gehörig zu schleppen. Der alte Muth, di« frohe Zuversicht war bei ihm wieder «ingeiehrt, und ganz wohlgemuth sagte er eines Tages zu seiner Frau: „Siehst Du, Matchen, man darf nur nicht verzagen. Es wird bald auch zu einem Kleide für Dich langen, und habe ick auch keine goldene Uhr, und hast Du auch keine Brillantohr ring«, so habe« wir doch einen Sohn, ein eigenes Kind . . . . Hat der Grinestein so was? Der reich« Grünskein? . . . Schließ lich, so ganz ar« find wir auch nicht mehr, seitdem unser Sohn da ist. Jawohl, seitdem ist unser Geschäft wieder etwas wcrth." Auf einmal hielt Ros« in seinem Redestrom inne, sein Antlitz erhellt« sich noch mehr vor innerer Heiterkeit, und er schlug die Hände vergnügt zusammen, indem er sagte: „Ja, Malchen, das geschieht, mein Sohn kommt in die Firma." „Wo denkst Du hin? Mach' doch keinen Unsinn", beschwich tigte ihn die Frau. „Ganz bestimmt", erwidert« Rose erregt, „alle Leute sollen es lesen. Auch der reiche Grünstem. Möge er sich grün und blau darüber ärgera. Denn nachmachen kann er mir's ja doch nicht, trotz seines ReichthumS." Und wirklich: Ein paar Tage später hing über der Thür zum kleinen Laden eine neue Tafel, und auf derselben war zu lesen in großen, weithin leuchtenden Buchstaben die neu« Firma: „Rose Komp." „Comp." — daS war der kleine Jakob, mit dem da» Glück in da» Hau» zuriickgekrhrt, und nicht nur da» Glück, auch das Selbstvertrauen in die Brust Ros«'», die alt« Energie. Und ein paar Jahr« später, al» Jakob schon mit den Doafkindern am Brunnen spielte, hatte es die „Firma" nicht mehr nöthig, neidisch dem reich«» Srünhem «achzublickur.
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