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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.10.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011028011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901102801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901102801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-28
- Monat1901-10
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Bezug-.PreiS -«MMEo» «d« de» i» Stitz» »d d« Vororte« errichtete» U«s- " ' holt: vterteljLbcltch^ 4.60, täglicher L»L»ll»»g i-S Durch di« Post bezogen für chland ». Oefterretch: vierteljLhrl. S. M« abonnirt ferner mit entsprechendem Ledmttoi» »ud Lrvetttto«: S. FlUalea: Mstsß Onh« vorm. v. Klemml Sortt». vnwersitättstraß« S (Paultmmi), Loni» Lisch«, Nr. 55V. Morgen-Ausgabe. MpzMr.TagMaü Anzeiger. ÄmLsAatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Volizei-Äurtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-PreiS dir «gespaltene PeÜtzeile LS N«elo»«n nater dem RedacHonSstriq (ä gespalten) 7S vor den Famtlieunach» eichten (6 gespalten) SO H. Tabellarischer nud Ztsserusatz entsprechend Häher. — Sebührrn für Nachweisungen und Offerteuaaaahu» LS H (excl. Porto). Srtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen.Auäaab«, oha« Postbefärderuug SO.—, mit Postbefürderuug ^g 70.—» L«nah«eschluß fir Anzeigen: Lb«ud>Susg»d«: vormittag» 10 Uhr. M»rg«,.>»»gaL«: Nachmittag» 4 Uhr. v«t de» Filiale» und Lauahmestelleu j, ein halb« Ltusd« früher. Tuzeige» Pud stet» -u die Uxpedtttv» p» richt«. Di« Expedition ist Wochentag» Launterbrochen geäffuet von früh S bi» Abend« 7 Uhr. Druck nud Verlag von E. Polz tu Leipzig. Montag den 28. October 1901. 95. Jahrgang. Amtlicher Theil. Kirchenvorstandswahl. An Stelle der gesetzmäßig au-scheidendrn, jedoch sofort wieder wählbaren Herren SLuldlrecior Ztegner, Bärin,reibesitzer Mann, und Klempnrrmeister Kaiser sowie zur beschlossenen Vermehrung der Mitgliederzahl de» hiesigen Nirchenvorstand« ist die Wahl von 5 Kircheuvorstehrrn erforderlich und soll Sonntag, den 10. Ro- veneber, Lorni. 11 Uhr, im Konfirmandensaale stattfinden. Stimmberechtigt sind alle selbständigen rvangelisch-lnihrrlschrn Hausvater, die da» 26. Lebensjahr erfüllt haben, mit Au-nadme solcher, die durch Verachtung de» Worte» Gotte» oder unehrbaren Lebenswandel öffentliche», nicht wieder gehobene» Aergerniß gegeben haben oder von politischen Gemeindewahlen ausgeschlossen sind oder denen dir kirchlichen Ehrenrechte entzogen worden sind. Wählbar sind nur stimmberechtigt« Gemeindeglieder von gutem Rufe, bewährtem christlichen Sinne, kirchlicher Einsicht und Er fahrung, die da» 30. Lebensjahr vollendet haben. Wer sein Wahl recht auSübrn will, hat unter Angabe seine» Namen», Stande», Alter» und s«i»»r Wohnung in der Zeit Von Montag, 28. Oktober bi» Moutag, 4. November sich mündlich oder schriftlich zur Eintragung in eine der Listen an zumelden, dir im hiesigen Pfarramt (Hauptstr. 23) nnd bet dem Kircheavorstandtmitglied Herrn Kaufmann Schünemann (Linden- straßr 7) au»lt«g«n. Leipzig-Eutritzsch, 2». Oktober lSOl. Der Kirchenvorftanb. Jäger, Pfarrer. Versteigerung. Mittwoch, den 80. d. M-, Vormittag» 10 Uhr, sollen im BersteigerungSraume des hiesigen König!. Amtsgericht» folgende Gegenstände versteigert werden, als: 1 Landschaftscamera, Bilder, Bilderrahmen, I Geldschrank, 1 Teigtheilmaschine, 1 Sack Bari-Mandeln, 1 große Zeichnentafel. 1 Brückenwaage, 1 französische Bettstelle mit Matratze, I Eisschrank, Regale, Ladcntafeln, Schau fenstervorbaue, 1 Nähmaschine, 1 Lopirpresse, 1 Handwagen, 2 große und 1 kleiner Rollwagen, 1 Richtwagen, l große Waage, 7 Sack Hafer, 1 Doppelschreibpult, l Hobelbank, 1 Pianino, verschiedene Möbel, darunter Schreibtische, Garnituren, Wandspiegel; weiter: 1 Kaffeeservice, 8 Flaschen Branntwein und endlich Lederschmiere, Sampenit, Asbest, Bellmouti, Adhäsionkpräparate, Fladrongraphit und FIrmondorpräparat«. Leipzig, Leu 25. Oktober 1901. Der Gerichtsvollzieher de» Köuigl. Amtsgericht». Die Sparkafsc zu Licbertwolkwitz ist geöffnet jeden Wochentag außer Sonnabend» von Bonn. 8 bi» Mittag» 1 Uhr und Rachm. 2—4 Uhr. Eiulagrnzin-suß 3'/»o/g. Veste JugSverbinbuttgen: Abf. Leipzig 8,35 (Schnellzug). 10,58. 2,50. Ank. Liebertwolkwitz 8,49 (Schnellzug). 11,23. 3,16. Abf. Lirbertwolkwitz 10,01 (Schnellzug). 1l,25. 1,14. 2,15. 5,31. Ank. Leipzig 10,14 (Schnellzug). 11,50. 1,38. 2,40. 6,56. ZUM Ämtsjubilaum unseres Oberbürgermeisters vr. Tröndlin. * Mit dem heutigen Tage vollenden sich fünfund zwanzig Jahre, daß unser Oberbürgermeister, Herr Justizrath vr. Tröndlin, dem Rathe der Stadt Leipzig angehört. Ein arbeitsreiche» Vierteljahrhundert im Dienste der Stadt liegt hinter ihm — und auf ein ersprießliches Wirken kann der Jubilar dabei zurückblicken. vr. Carl Bruno Tröndlin, dessen Jubel- und Ehren tag heule in allen Kreisen unserer Bürgerschaft der freudigsten Antheilnabme begegnen dürfte, ist ein geborener Leipziger. Schon fein Vater, der Clavierbauer Johann Nepomuk Tröndlin, der au» Freiburg im Breisgau stammte, betheiligte sich lebhaft am öffentlichen Leben. Er befand sich unter den ersten Communrepräsentanten und deren Substituten, die im October 1830 al- Vertreter der Leipziger Bürgerschaft grwäblt wurden. Auf den am 26. Mai 1835 in Leipzig geborenen Sohn jene» ersten .Communrepräsentanten", unseren heutigen Oberbürgermeister, vererbte sich diese» Interesse an den Ge schicken unserer Stadt. Nack Absolvirung seiner Studien ließ er sich im Januar 1865 in seiner Vaterstadt als Advocat und Notar nieder. Als solcher machte er sich durch seine Thätizkeit einen bekannten Namen, wie er denn auch auf Aufforderung ke» sächsischen Justizministerium« zusammen mit dem Justizrath Richter den Entwurf einer ConcurS- ordnuna begutachtet hat und mit anderen Sachwaltern zur Besprechung der AnwaltSordnung nach Dresden berufen wurde. Die Bürgerschaft entsendete ihn schon im Jahre 1870 in da« Stadtverordneten-Collegium, zunächst al» Er satzmann, das Jahr darauf als wirkliches Mitglied. Im Jahre 1872 wurde er Vorsitzender de« BrrfaffunqSauSsckuffeS und am 14. October 1874 wählte ilm das Collegium zu seinem Vorsteher. Nur verbältnißmäßig kurze Zeit darauf, am 18. October 1876, erfolgte seine Wahl zum Vice- bürgermeister der Stadt Leipzig. Es kann da» wohl al« beste« Zeichen für daS Ansehen und zugleich die Beliebtheit gelten, die sich vr. Tröndlin, der inzwischen 1875 zum Justizrath ernannt worden war, im Stadtverordneten- Collegium erworben hatte. Nahezu 25 Jahr« stand er dann an zweiter Stelle (seit 1877 nut dem Titel „Bürgermeister") unserer gesammten Stadtverwaltung vor. Uebertragen war ihm die Leitung der 2. Section deS RatheS (obrigkeitliche Geschäfte). Weiter war er von Anfang an der Vorsteher der ThomaSsckule und al« solcher bat er in erster Linie darauf hingewirkt, daß daS Alumneum, dessen Aufhebung bereit« beschlossen war, erhalten geblieben ist und in diesem einer der hervorragendsten Cdöre für den evangelischen Kirchengesang und zugleich eine Stätte zur Aufnahme begabter und unbemittelter Schüler. Weiter unterstand ihm da-Kranken hau« und ferner war er Vorsitzender der Deputation für da- Johann is- ho Spital. E» ist bekannt, wa« er gerade auf dem Gebiete der Fürsorge für da» Krankenwesen gethan hat und wie er bestrebt war, eine vermehrte Unterbringung von Hospitaliten zu bewirken. Er war auch die Seele der Errichtung der Heilanstalt Dösen, die seinen Ideen gemäß unter Mit wirkung bewährter Kräfte im Nathe zu einer wahren Muster anstalt im ganzen deutschen Reiche wurde. Endlich leitete er als Bürgermeister noch daS Forst- und Oekonomirwesen, sowie auch Jahre hierdurch da« Finanzwesen unserer Stadt. Auf ihn, der in dieser Weise erprobt im städtischen Gsmeindedicnfte, sowie vertraut mit allen Zweigen der Ver waltung war, richteten sich alle Blicke, als der Oberbürger meister 1^. Georgi die Absicht zu erkennen gab, nach 25 jähriger verdienstvoller Thätizkeit im Dienste der Stadt in den Ruhestand zu treten. So erfolgte denn am 12. Mai 1899 die Wabl vr. Tröndlin« zum Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, nachdem er vorher zum alleinigen Candidaten nominirt worden war. Und so steht er heute, an seinem JubiläumStage, seit mehreren Jahren schon an leitender Stelle in unserer Stadtverwaltung. Jeder, der in dieser Zeit den Vorgängen im städtischen Gemeindeleben mit Aufmerksamkeit gefolgt ist, wird sich un schwer ein Bild von den Charaktereigenschaften unsere« Ober bürgermeister» machen können. Vor Allem siebt er in sich — und darin liegt der Schlüssel für die allgemeine Beliebtheit Tröndlin'« — nicht den ersten Beamten der Stadt, sondern den an die erste Stelle berufenen Bürger Leipzig«. Von den Rechten, dir ihm und der von ihm vertretenen Körperschaft gesetzlich verliehen sind, läßt er sich nicht« nehmen und ebenso achtet er darauf, daß die Autorität des RatheS in der Verwaltung stet» gewahrt bleibt. Allein stets achtet er die Rechte Anderer, und wo sich in Vertretung eines solchen Rechte- gegensätzliche Anschauungen kund geben, da ist er zu einem billigen Ausgleich stets ge neigt. Dabei besitzt er die Gabe, zur rechten Zeit auch das rechte Wort zu sinden, so daß ihn selbst etwaige Gegner — wo sollte sie ein im öffentlichen Leben stehender Mann nickt haben — niemals gram sein können. Muß doch ein Jeder seinen offenen und geraden Charakter hochachten. Im öffentlichen Leben unseres Oberbürgermeisters haben wir schließlich noch jener Periode zu gedenken, wo der Name Tröndlin in Aller Mupde war. Wir meinen jene Zeit, da er der Vertreter unserer Stadl im Reichstage war. Dem selben gehörte er von 1884 bi? 1890 al- Abgeordneter für Leipzig an; ganz besonders hoch gingen damals die Wogen der Begeisterung, al« er am 21. Februar 1887 (nach erfolgter Auflösung deS Reichstage«) mit 19 500 Stimmen wieder zum Vertreter Leipzig« erkoren wurde. Brausender Jubel um fing ihn an jenem Tage bei Verkündung deS Wahlresultats. Dem hier entworfenen Charakterbilde unseres Ober bürgermeisters ist jedoch noch ein Hauplzug, der ihn auS- zeichnet, nachzutragen. Wir meinen die Herzensgute, die er persönlich gegen Jedermann an den Tag jegt, die Hilfs bereitschaft, die er so oft gezeigt hat, ohne daß allerdings in der Oeffentlichkeit je davon viel verlautete. So mancher Notb hat er gesteuert, so Manchem schon sein Fortkommen erleichtert, dem Zuge seines Herzens dabei folgend. So bringen wir nicht nur dem bewährten Leiter unsere- Ge meinwesen« am heutigen Tage unseren Glückwunsch dar, sondern zugleich auch dem Freunde unserer Bürgerschaft. Möge e» ihm vergönnt sein, noch lange an der Spitze der städtischen Verwaltung zum Segen unserer Stadt Leipzig zu stehen. Äus alten Kirchenbüchern. Das Jahr 1813 hat auf Leipzigs Ebene den Grund zur deut schen Freiheit und Einheit gelegt, und seine Ereignisse sind für das Große, Ganze deshalb von unschätzbarer Bedeutung. So groß aber die positiven Erfolge für daS ganze deutsche Vaterland gewesen sind, so sehr haben die kriegerischen Ereignisse dieses Jahres im Einzelnen zerstörend gewirkt, sind einzelne Existenzen vernichtet, sind einzelne Besitzungen, die durch Jahrzehnte, ja Jahrhunderte lange friedliche Arbeit erworben wurden, dem Untergänge preisgegeben worden, sind für die Nachwelt bestimmte, wichtige und unwichtige Aufzeichnungen und Sammlungen zu Grunde gegangen. 'Oie Dörfer in Leipzigs Umgebung wißen alle mehr oder weniger von dieser vernichtenden Wirkung des großen Jahres zu erzählen. Auch die alten, bis ins Jahr 1577 zurück reichenden Kirchenbücher des Dorfes Baalsdorf waren schon mit dem ganzen Pfarrarchiv« dem Untergange geweiht; aus dem ausgeplünderten Pfarvhause waren sie auf den Düngerhaufen geworfen worden; glücklicher Weise konnten sie mit einigen wenigen Papieren, zum Theil schon vom Feuer angekohlt, noch gerettet werden. In dem jüngsten von ihnen, dem 1798 be gonnenen, hat ein oarul. ideal. WilmannS aus Westfalen, der, wie er selbst sagt, 80 Jahre in der BaajSdorfer Pfarre ge wohnt hat, verschiedene geschichtliche Aufzeichnungen, auch über das Jahr 1813, gemacht, die vielleicht von allgemeinerem Interesse sind. Er rechtfertigt dieselben einleitungsweise mit folgenden Be merkungen, die noch heute im Interesse der Localgeschichte und der Volkskunde za beherzigen sind und deshalb hier Platz finden mögen: „ES wär« in jedem Betracht zu wünschen, daß jeder Ort, es sei nun Stadt, Marktflecken, Pfarr- oder Filialdorf, sich ein eigenes Jahrbuch hielte, worin die erheblichsten Facta aufge zeicknet und der Nachwelt überliefert würden. Dergleichen sind Veränderungen mit der Herrschaft des Ortes und den Pfarrern, Merkwürdigkeiten der Natur und im menschlichen Leben, Bau der Kirche, Kriegsschaden, andere Unglücksfälle, Mißwachs und Theuerung oder Wohlfeilheit der Lebensmittel, außerordentlich fruchtbare Jahre, specielle Feier der Jubelfeste u. s. w. Daß eine solche Einrichtung von wirklichem Nutzen sein würde, muß einem jeden Nachdenk-nden sogleich einleuchten. Eine weitere Aus einandersetzung desselben würde hier ohnehin nicht am rechten Orte stehen. Befriedigte eine solche Chronik auch nur die Neu gier (es giebt auch eine lobenswerthe Neugier, wie diejenige, wovon hier die Rede ist), so müßte sich ein solches Unternehmen schon zu seinem Vortheile empfehlen. Wie angenehm und interessant wäre es, wenn unsere Vorfahren unS dergleichen Chroniken schon aus sehr alten Zeiten, also vor, in und nach den Zeiten der Re formation, des Dreißigjährigen und des Siebenjährigen Krieges hinterlassen hätten. Daraus würde sich z. B. das sonderbare Phänomen (!) erklären lassen, woher es kommt, daß manche ganz nahe bei einander liegende Dörfer gleichwohl in eine andere weit davon entfernte Paröchie eingepfarrt sind oder doch daher einen großen Theil von ihrem Decem erheben, wie Markkleeberg von Panitzsch u. s. w. Dergleichen Nachrichten könnten in ein be sonders dazu bestimmtes, dauerhaft eingebundenes Buch, oder vielleicht noch besser in das Kirchenbuch eingetragen und sonach dem jedesmaligen Nachfolger im Pfarramte als Jnventarium überliefert werden. Daß derPsarrer des Ortes diejenige Person sei, welche am füglichsten ein solches Jahrbuch halten könne, glaube ich, als ausgemacht voraussetzen zu können. Denn er ist, wo nicht der einzige, doch einer gebildetsten Männer seiner Paröchie — dies Wort in höherem Sinne genommen —, und durch sein Ansehen und die Unterschrift seines Namens erhalten die von ihm aus gezeichneten Nachrichten eine Glaubwürdigkeit, welche sie in d e m Grade nicht erlangen würde, wenn mancher Andere sie geschrieben hätte. Ich mache hiermit den Anfang zu einem so nützlichen Unternehmen, kann aber blos Bruchstücke liefern. Manche specielle Nachricht, z. B. über den summarischen Schaden der Gemeinden im vergangenen Kriege und über das daher rührende Schuldenwesen derselben, über den Bau des neuen (1780 erbauten) Pfarrhauses und dergleichen mehr, habe ich nicht glaubhaft erfahren können. Der Pfarrer wird darüber schon eher Auskunft erhalten. Ich muß mich also aufs Allgemeine beschränken, zufrieden, wenn man auch auf mich die Sentenz anwenden will: „äum clssuut vires tuwsu est lauäanän. voluntas." Ist WilmannS durch die großen, welthistorischen, für ihn in der jüngsten Vergangenheit liegenden Ereignisse jedenfalls zur Aufzeichnung vorstehender Gedanken angeregt worden, so nehmen unter den genannten „Bruchstücken", die zum größten Theile von dürftigem Umfange und Inhalte sind, die über die Vorgänge zu Anfang des 19. Jahrhunderts naturgemäß den breitesten Raum unter ihnen ein. Sie mögen hier vor Allem Platz finden: „1805 und 1806 herrschte" — als Präludium zu den folgen den KriegSjahren — „eine schreckliche Theuerung. Der Scheffel Korn kostete 10—12 Thaler, wobei jedoch die Einwohner von Baalsdorf eher gewannen als verloren. Auch stieg der Luxus unter den Landleuten um diese Zeit zu einer bis dahin noch nicht gesehenen Höhe. In Leipzig und der umliegenden Gegend war die Theuerung nicht sehr drückend, weil kein Mangel an Gelbe war und daher die Gewerbe nicht stockten. Die Franzosen machten bei ihrer Ankunft in Sachsen — im October 1806 — der Theue rung bald ein Ende; denn sic schrieben ungeheure Lieferungen von Getreide aus, wobei die freie Concurrenz stattfand und der niederträchtige Wucher sein Unwesen nicht treiben durfte. Auch Baalsdorf empfand das Unglück des schrecklichen, im Jahre 1813 aufs Neue ausgebrochenen Krieges (der Krieg im Jahre 1806 war für die Einwohner des Landes weniger drückend, weil die Franzosen nur durchmarschirten) in reichem Maße. In der Nacht vom 14. zum 15. October gedachten Jahres, nach dem vorber in der Nähe von Liebertwolkwitz und Holzhausen unter des Königs von Neapel (Murat) Anführung ein Vorpostengefecht vorgefallen war, wurde Baalsdorf rein ausaeplündert. Am folgen den Tage, wo die Soldaten Ruhetag und folglich Zeit hatten, ging die Plünderung mit erneuter Wuth wieder an. Alle Einwohner bis auf den Schulmeister, drei bis vier Bauern, nebst dem Pfarrer und seiner Familie (der bei der Plünderung am allermeisten litt), hatten das Dorf verlassen, und anderswo einen Zufluchtsort ge sucht — die Requisitionen an Getreide, Heu, Vieh u. s. w. nahmen kein Ende. Die Soldaten nahmen Alles, was sie fanden. Schreck licher noch, womöglich, waren der 16., 18. und 19. October, wo die große Völkerschlacht in Leipzigs Ebenen geliefert wurde. Baalsdorf war die äußerste Schlachtlinie. Eine halbe Million Soldaten, wenn nicht noch mehr, aus fast allen europäischen Nationen fochten gegen einander. Napoleon'?, des Kaisers der Franzosen, Feldhcrrntalente — denn er selbst leitete alle Ope rationen (in Reudnitz bei Leipzig, wo er sich aushielt) — scheiterten in diesem blutigen Kampfe. Nachdem die Franzosen am 19. October vergeblich versucht hatten, Leipzig zu behaupten (wo hin der König von Sachsen seine Zuflucht genommen halt«), wurde die Stadt an demselben Tage von den Alliirten — Oester reichern, Russen, Schweden, Preußen u. s. w. — erobert. Die Die Lraut. Ein Seelengemäld« von Elisabeth Schmidt. Lange hat sich die liebe Sonne noch vor ihrem Scheiden ge spiegelt in den Fenstern de« Pfarrhause», welcher weit ab von den anderen Häusern an freiem Platze auf erhöhter Gegend steht. Da« ganze Hau« stand da wie in Sold getaucht — lange — lange. Es schien, al« wollte die liebe Sonne einen guten Eindruck hinterlassen bei dem jungen Mädchen, da« ihrem Scheiden zusah. Endlich mußte Frau Sonne doch scheiden. Immer größer sind die Schatten geworden. Der Lag geht zu Ende. So ist e« ja immer aewesen, aber noch niemals hat man e« so bemerkt, wie heute. Denn der Tag, der still zur Rüste gebt, ist ja der letzte im lieben Elternhause. — Der letzte? Ach nein, noch recht oft und recht bald will sie dahin zurückkehr«n, wo ne so glücklich war, dir junge Braut. Ist e« denn nur wirklich wahr, morgen soll ihre Hochzeit sein? Und sie soll fortgehen au» Vaterhaus und Vaterstadt.— Die lieben Eltern verlassen, die fie so treu behütet haben bisher? Und von Bruder und Schwester soll sie scheiden? Weshalb Eltern und Geschwister sie nur so sonderbar an sehen heute. Wa» sie nur haben? Mütterchen spricht gar nicht und auch der Dater hat ihr so — so — man möchte sagen „komisch" zugenickt. Was soll da« Alle« nur. Die Schwester betrachtet sie auch so ander» al» sonst und auf die Frage, wa» da« bedeute, da sagte st«: „Ach, Du bist ja morgen eine Braut, Lenchen, und ich habe noch keine Braut so nah« gesehen." Ja, morgen ist ste die Braut, und Bruder Fritz hat gemeint, e« sei gar nicht recht, daß keine richtige Polterabends«» sei. Aber die Eltern wollten e» ia nicht; fie, die Braut, solle die letzten Abendstunden still verleben im Eltern- und Grschwistrrkreise. Auch der Berloht« ist gegangen vorhin. Mama wünschte, daß »-N tzitttg zu. Buh» geh», di» Briut müss» an ihr»m Ehrentag« frisch auSseben und recht ausaeruht haben. Es ist halb Zehn. Der letzte Abend! Morgen Abend halb Zehn wird sie nicht mehr hier sein. — Sinnend steht die junge Braut am Fenster und schaut hinaus. Auch sie siebt so anders aus als sonst. Die sonnige, ausgelassene Heiterkeit kehlt heute an ihr. Das liebe Gesichtchen trägt wohl den Zauber der Glückseligkeit aus geprägt, aber doch blicken die Blauaugen mit stiller Wehmuth hinaus auf die Straße und auf die blühenden Blumen in den Töpfen vor den Fenstern. Ob die Grete wohl nun gießt? Und ob die Rosen in acht Tagen aufgeblüht sein werden? Dann könnte man der Großmutter zum Geburtstage einen Strauß selbstgezogener Rosen bringen. Bringen? Ach — da ist ste za nicht mehr hier, die kleine Braut, sondern weit, weit weg mit ihrem herrlichen, geliebten Manfred. Ach — wie freut ste sich auf da» stete Zusammensein mit ihm, dem EinzigenI Wenn nur die Trennung nicht wäre von all' ihren Lieben, von der geliebten Mutter und dem thruren Vater; könnten doch Beide bei ihr sein, immer, immer. Auch Grete der Wildfang Grete ist ja doch gut, wenn sie auch manchmal u... -»würdig war. „Sie meint eS nicht so", sagte Mama ost. u». Fritz, der so gerne neckt und dabei zuweilen ausfällt, der garstige Junge. Sonst ist er ja aber so gut, wie oft hat er ihren Boten an Manfred gemacht! ES überwallt die Braut plötzlich ein warme- Gefühl sür die Geschwister, die sie nun nicht lange mehr um sich haben wird. O, wenn sie nicht schon schliefen, die jungen Geschwister, wie gerne würde ste sie innig umarmen und ihnen danken für jeden kleinen Liebesdienst. Wer ihr wohl nun gefällig sein wird in der neuen Heimath? ReaungSlo« verharrt die Maid auf ihrem Platze und hängt diesem Ge danken nach. Mit leisen Schritten haben die Eltern da- Zimmer betreten, die Braut hörte eS nicht — sie richtet den Blick fragend in die Ferne, al» wollte sie ein schwere« Räthsel lösen. Berständniß- innig sehen die Eltern sich an, sie wollen „da« Kind", wie sie die neunzehnjährige Braut noch immer nennen, nicht stören. E« ist ja ihr letzter Abend im Elternhaus«, ihr Blick auf die Straße ist gewiß ein AbschiedSgruß an die Statte glücklich« Kinder- jahr». Da ertönt vom nahen Kirchthurme der zehnte Glockenschlag und erinnert die Braut in gewohnter Weise an da« Schlafen gehen. Leise öffnet sie das Fenster und ruft hinaus: „Leb' wohl, liebe Stadt, morgen Abend bin ich nicht mehr hier." „Morgen" wiederholt ste beim Schließen des Fensters, und während der Mund glücklich lächelt, tropfen langsam heiße Thränen der Wehmuth auf daS Fensterbret. Nun gewahrt das Mädchen aus bas Elternpaar, welche» sich den Anschein giebt, als sei e« soeben eingetreten und habe die Worte der Braut nicht gehört. Wie sie eS stet» gethan hat, so geht die Braut auch heute auf die Mutter zu und bietet ihr die Lippen zum Gutenachtkuß. Da zieht die Mutter das Blond köpfchen an sich heran und legt wie segnend ihre Hand darauf: sie sagt nichts und ist ganz anders als sonst. Was sie nur hat? Biel schneller al« sonst verläßt ste da« Zimmer, noch vor dem Vater, während Mütterchen sich gewöhnlich al« Letzte zurück zieht. Auch der gute, sonst immer scherzhaft aufgelegte Vater ist beute ernst gestimmt. Als ihm die Braut die Hand reicht, zieht er die Tochter in seine Arme und s<mt mit bewegter Stimme: „Du bist doch noch recht jung." Dann küßt er die reine Mädchenstirn und sagt: „Schlaf' recht schön die letzte Nacht im Vaterhaus«." Bald darauf liegt das junge Mädchen in seinem lieben kleinen Kämmerlein im Bett. Sie verlöscht daS Licht und betet. Da» hat sie stet» gethan, dann kam sofort der Sandmann und ließ die holde Maid entschlummern. Warum kommt er nur heute nicht? Dater wünschte doch der Tochter recht schönen Schlaf für diese Nacht, und nun kann sie gar nicht einschlafen. Ach sie denkt an Alle»! An ihren Bräutigam; ob er wohl schon schlaft? Wie er wohl olS Junge auigesehen hat? Die Braut weiß noch ganz genau, wie sie selbst al« Schulmädchen auSsah. Sie entsinnt sich noch all' der bunten Kleider, die sie trug und der Spielsachen, die sie hatte, und der Puppen — besonders der großen vom Großvater, der sie alle Kleider selbst nähte und die sie de«halb nicht an Grete abaab, weil ihr die selbst- arnähten Kleider leid thaten, die zum An- und Autziehen sind. Wa« die Puppe wohl anhat? Morgen muß man 'mal nach sehen. Aber morgen ist ja Hochzeitstag und so viel Besuch da, da ist die Zeit zur Abreise gewiß nur zu schnell da. Die Puppe aber muß sie noch 'mal sehen, und deshalb erhebt sich die junge Braut wieder, schlüpft in das Morgenkleid, zündet die Kerze an und holt aus der Kinderkommode, die noch im Kämmerchen steht, die große Puppe hervor. Richtig, sie hat das „blaue" an, die alte gute Lotte, die Großvater aus Paris mitbracht;. Heimlich hat die Braut als größeres Mädchen noch mit ihr gespielt, damit Grete die Puppe nicht sehen und haben sollte. Wie oft weinte die kleine Grete dann, wenn sie doch „merkte", daß Lenchen die Puppe hatte. Arme Grete, sollst die Puppe haben, morgen —, freust Dich doch noch, wenn Du auch schon ein großes Schulmädchen bist. Und nun freut sich die Braut schon darauf, der Schwester die Freude machen zu können morgen. Morgen! Ach, wie spät es nun sein wird! Und morgen soll sie „frisch" sein. Schnell ins Bett! Zum zweiten Male verlöscht die Braut daS Licht und faltet die Hände und betet — für ihr Glück und für daS Wohl ihrer Lieben und um die dauernde Liebe ihres Geliebten. Mit dem Gedanken an ihn schlummert fie ein — zum letzten Male im Elternhause. Die Helle Sommersonne steht schon hoch am Himmel, da rritt auf leisen Sohlen unhörbar die Mutter an das Lager der nock schlummernden Braut. Welch' glücklicher Ausdruck ruht auf dem kindlichen Gesichte ihres Töchterleins, das sie heute heraeben soll. — Und sie beugt sich herab, die liebende Mutter, beute noch ruht ja ihr holdes Mädchen geborgen im Schutze de« Vaterhauses und der Kuß der Mutter kann es erwecken vom süßen, sorgenlosen Schlummer. Nur heute noch, dann muß sie scheiden — die liebliche Maid und auf sich nehmen der Frauen Würd: und der Frauen Bürde — und tragen der Ehe Pflichten. Wir sie sich herabneigt, die Mutter zu der Schlafenden, da tropft es heiß au« den treuen Mutteraugen — die Braut er wacht und schaut mit fragenden Augen hinein in den strahlenden HochzeitSmorgen.
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