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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.10.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011028026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901102802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901102802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-28
- Monat1901-10
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Bezug-«PreiS ß» b«r Hauptexpediti« oder den t» chwdl beztrk «ad d« Vororte» errichtete» ku»- »abestellea abgeholt: vierteljährlich - KV, vei zweimaliger täglicher Zustellung in« Haus ^l L^0. Durch di, Pot» bezöge* sLr Deutjchlaud «. Oesterreich: »terleljLhn. S. Wau abonuirt seruer mit rutjprechrudem Postauffchtag bet de» Poftaustalteu tu der Schwei». Jtalteu. Belgien, Holland, Lugem» -nra, Dänemark Schweden und Norwegen, Rußland, de» Donauftaateu, der Europäische, Türkei, Egn-te». Für all« übrigen Staaten ist der Bezug nm outer Kreuzband durch di« Expedition diese« Blatte« «-glich. Di» V»orgen-U»«gab« erscheint um '/,7 Uhr,, dta LLäükL»«gab« »ocheut^« »» S Ltzr. Nrdartton und ErpMio«: Johannt-gaffe 8. Abend-Ansgave. KMM TagMM Anzeiger. Montag den 28. October 1901. Nr. 551. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rattzes und -Potizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. /Uigteu: Alfred H«ß« norm- O. Klennn'* Sarit». ÜuwersttLtSstrahe S (Paultuum), Laut« Lisch«, Kathartnenpr. porr. und Känigchplatz 7. Anzeige« »Pret- die 6 gespaltene Petttzeile LS H. Necla meu uoter dem Redor1tou«strich («gespalten) 7b H, vor deu FamUieuuach» richten («gespalten) bv Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Offrrteuanuahm« LS H (excl. Porto). Srtra-Beilagen (gesalzt), nur mit de, Morgeu-Au-gab«, oha« Postbesürderuag ü<t—, «tt Postbesürderuag ^l 70.—. Auvahmeschluß ftr Anzeige«: Nbend'Andgab«: vormittag« lS Uhr. Pkorgen-Uaägab«: Nachmittag« 4 Uhr. Bet den Filialen »ad Annahmestellen je ein« halbe Staad« früher. Anzeigen stad stet« an di« Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag- nnuntrrbrvche» geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Druck and Verlag von E. Volz rn Leipzig. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Rach Buller Lord Robert«. SS sind in diesem Kriege viele Dinge geschehen, die die Menschheit entsetzt haben — eine von diesen Dachen ist aber die brutal« Unverschämtheit von Lord Robert«: Vor einem Jahre versicherte er uns, daß „der Krieg aus ist". Am 10. December sagte er in Capstadt: „Gott in seiner Weisheit hat England mit seinen Colonien in diesem Kriege gesegnet und seinen Waffen den Sieg verliehen." Das war eine unerhörte Lüge, di« belohnt wurde mit dem Grafentitel, dem Hosenbandorden und 100 000 Pfund Sterling (zwei Millionen Mark) in klingender Münze. Und dabei ist der Zustand in Afrika immer schlimmer geworden, seit dem unS Roberts erklärt hat, datz „der Krieg auS ist". Wenn dieser elende Betrüger zu fasten wäre, so müßte er die 100000 Pfund Sterling an unser Schatzamt zurllckgeben und sich selbst im KriegSamte begraben lasten. Aber er weiß ja doch, daß nichts davon geschieht. Obwohl dat Land von einem Unglück bedroht ist, wie unsere Geschichte kein größeres kennt, reist Roberts im Lande herum, eröffnet Ausstellungen, enthüllt Denkmäler und läßt sich vom dummen Pöbel anjubeln. Wir hatten gemeint, der Mann würde wenigsten- davor zurückschrecken, den Tod der Königin für sich auSzubeuten. (Roberts hat dieser Tage ein Dikdniß der Königin Victoria enthüllt.) Als die Königin voll Argwohn und Sorg« war, daß ihr die Minister Lüg«n erzählten, ließ si« Roberts kommen, und fragt« ihn um die Wahrheit über den Krieg. Niemand waiß, waS der Feldmarschall der Königin erzählt hat. DaS aber weiß Jeder, welche schrecklich«» Folgen seine Offenbarungen hatten: den Tod der Königin. Lord Roberts hat di« Kühnheit besessen, diese furchtbare Thatsach« selbst in Erinnerung zu bringen. Ein« solche Dreistigkeit ist sonder Vorbild! Wer schreibt so? Ein englisches Bl-att, und zwar daS sehr verbreitet«, streng conservattve DalkSblatt „New Age"! Wir haben nichts hinzuzusetzen, nichts davonzuthun. Ueber B-tha'S Rückzug bringt der „Standard" auS Pretoria vom 24. dieses Monats folgenden Bericht; Der verhältnißmäßig gering« Erfolg der letzten, gegen Botha gerichteten Operation«» ist weder Fehlern der britischen Truppen noch aber auch einer besonders schlauen Taktik der Boeren zuzuschreiben. Die Ursache dafür ist lediglich darin zu suchen, daß seit einigen Tagen daS Flußthal, wo die Operationen stattfanden, in dichten Nebel gehüllt war. Unter dem Schuh« des Nebels war e« dem Feinde möglich, sich in kleine Abtheilungen aufzulösen und so durch die britischen Reihen zu entkommen- So ist daS, was von den Bethel- und Carolina- Commandos übrig geblieben ist, wieder in den alten District an gekommen. Das Vrijheid-Commanvo ist durch die britischen Reihen nach Süden durchgebrochen, das Utrecht-Commando ist auseinandergespvengt, und seine Mitglieder sind über 'den ganzen District verstreut. Trotzdem glaubt man, daß immer noch eine große Anzahl von Boeren durch die Generäle Walter Kitchener und Plumer in der Nähe von Piet Retief einqeschlosten seien. LouiS Botha scheint zwischen Amsterdam und Ermelo zu stehen. Die Dorren haben verzweifelte Anstrengungen gemacht, ihren Troß zu retten, zwei Abtheilungen von Wagen sind glücklich durch Swasiland entkommen, viel« ander«, die nicht mehr entkommen konnten, wurden entweder verbrannt oder in den tiefen Höhlen bei Ngomi versteckt, andere fielen in die Hände der Engländer. Die beiden Geschütze, die das 69. Feldartillerie-Regiment bei Blood River verlor, sind wiedergewonnen worden. Der Bericht erstatter thut, wie man sieht, sein Möglichster, um den Miß erfolg der Unternehmungen gegen Botha zu beschönigen; aber schließlich ist doch der Nebel ein ebenso gefährlicher Gegner für die Boeren wir für die Engländer. Daß di« Boeren ihn ge- schickt benutzt haben, während die englischen Heerführer aus Furcht vor Mißgeschick darauf gewartet zu haben scheinen, daß er sich verzöge, darin liegt der Unterschied. * Pretoria, 27. Oktober. („R-uter's Bureau".) Oberst DawkinS, der di« Truppen im Nylstroom-Districte befehligt, überraschte und e r o b e r t e in der Zeit vom 20. bis 23. October in der Dunkelheit drei Boerenlager, machte mehr alt 50 Gefangene und erbeutete Ausrüstungsgegenständ« und sonstigen Kriegsvorrath. Unter den Gefangenen befinden sich drei Feldcornrts und der früher« Landrost von Pretoria Schutte. — Die Verbannung weiterer 13 Boerenführer wird bekannt gegeben. * Lontzon, 28. October. (Telegramm.) „Reuter'S Bureau" berichtet auS Frankfort unter dem 25. October: Nach einem Nachtmarsche griff Major Damant'S Colonne heute früh, 20 Meilen von hier, in der Richtung nach dem Daal- Flust« in der Nähe von DillierSdorp eine starke Boeren- abtheilung an und zersprengte si«. Zwei Doeren wurden getödtet, eine Anzahl verwundet und SO gefangen ge nommen; außerdem wurden Dorräthe erbeutet. * Ronen, 27. October. Die hiesigen Hafenarbeiter, die heute eine Versammlung abhielien, erklärt«» sich einstimmig für die Boykottirung der englischen Schiffe und verlangten ferner den Zusammentritt eines Congressesdrr Dockarbeiter ganz Europa-, um allgemein die Ladung und Löschung der englischen Schiffe in Europa zu verhindern und England zu zwingen, dem Kriege in Südafrika »in Ende zu machen. Politische Tagesschau. ? Leipzig, 28 Oktober. Ueber die Frage, wir brr Kaiser über di« Neugestaltung de- Zolltarif» und der Hantzelöverträae denke, zerbrechen sich schon seit Wochen viele Politiker oder solche» die als Politiker gelten möchten, die Köpfe. Und weil sie kein» Antwort auf diese Frage erkalten, stellen sie die Lage al- höchst verworren bin und colporkiren allerlei unbecflaubigte Gerückte über kaiserliche Aeußerungen, die angeblick die Verwirrung noch vergrößern. So schreibt die ultramontane „Kölnische VolkSztg.": „In politischen Kreisen wirb Angesichts de« Umstande«, daß der Kaiser so oft spricht, dal Ausbleiben jeder öffentlichen Aeußerung von seiner Leite über den Zolltarif und dir HaubelSverlräge viel bemerkt und commentirt. Dazu kommt, daß private Aeußerungen des Kaisers colportirt werden, welche auf Abneigung gegen di« „agrarischen" Forderungen hindeuten. Wenn der Kaiser z. B. n ichst gesagt bat, d«r Minimaltarif sei Unsinn, so wär« e« doch um da« Papier und den Raum des „Reichs-Anzeiger-" nicht zu schad«, wenn die« al« Erfindung gekennzeichnet würde. Durch den Umstand, daß dies nicht geschieht, gewinnt die ge flüsterte Zuversicht der Liberalen, der Kaiser sympathifire für seine Person mit dem HandelsvertragS-Berein, an Boden, und da man hiermit die amtlichen Erklärungen des Reichskanzler- nicht zu ver einbaren vermag, ist der Geschichtentrigerri Raum gelassen. Neben Dingen, di« den Stempel d«r Wahrscheinlichkeit tragen, werden ganz abenteuerlich« Sachen erzählt; ober wer vermag bet dieser Lage der Dinge die Spreu von dem Weizen zu sondern?" Au diesen „ganz abenteuerlichen Sachen" gebört wahr scheinlich der dem Kaiser von der „Königsb. Hart. Ztg." zu geschriebene Ausspruch: „Kommen keine Handelsver träge zuStande, soschlageickAlleSkurzundk lein." Ob er officiell oder auch nur officio« in da« Bereich der Fabel verwiesen werden wird, muß man abwarten. Auf alle Fälle aber baden weder vernünftige Handelsvertrag-freunde, noch auch besonnene Landwirthe Ursache, sich da, über zu beunruhigen. Daß der Kaiser als König von Preußen den dem BundeSratbe vorliegenden Zolltarifentwurf gebilligt bat und ihn als geeignete Grundlage für HandelsvertraaSverhandlungeu ansiebk, stebt fest. Diese Derbandlungen selbst sieben unter seinem Einflüsse, denn nach Art. 1l der Neich-verfassung ist es Sache des Kaiser-, „Bünd nisse und Verträge mit fremden Mächten e nzugebcn." Machten die fremden Staaten unüberwindliche Schwierig keiten, so würde eS dem Kaiser nicht einsallen, ihnen deshalb den Krieg zu erklären oder sonst etwas zu thun, was an seine angebliche» Worte erinnerte. Der Groll de- Kaiser- könnte sich also im Falle deS Scheitern- nur gegen den Reick-tag richten; einmal dann, wenn diese Körperschaft durch wesentliche Umgestaltung des Entwurf- den Widerstand der fremden Machte provocirt Kälte, und das andere Mal, wenn der Reichstag abgeschlossene Verträge verwürfe. Im ersteren Falle aber märe der Reick-tag nicht der allein schuldig« Tbeil; einen Anlbeil der Schuld trüge der Kaiser selbst, wenn er einen ungeeigneten Zolltarif zur Grundlage der Derbandlungen gemacht hätte, ohne vorher da- Mittel der Auslösung de- Reichstags angewendet und den Versuch gemacht zu haben, den Tarisentwurf in einem neuen Parlamente durckzusetzen. In diesem Falle wäre also ein nachträgliche- Grollen gegen den Reichstag nickt am Platze. Um so mehr aber, wenn da- Parlament den vom Kaiser abgeschlossenen Verträgen seine Zu stimmung versagt«. Und für diesen Fall bat wobl noch kein Mensch etwa- Ankere- angenommen, a>S daß der Reichstag nach Hause geschickt werben würde. Andere Mittel aber, da- Parlament zu strasen, stehen dem Kaiser nicht zu Gebote. Hat er sich also wirklich so drastisch auS- gedrück«, wie behauptet wird, so kann er nicht- Andere- gemeint haben, als daS, waS im Falle der Ver werfung neuer Handelsverträge durch den Reichstag Jedermann für selbstständig hält, Immerhin wird die Aus streuung, sofern sie nickt auf da« Bündigste als unlauteres Pr.ßmanöver bezeichnet wird, böses Blut machen — das böseste vielleicht gerade auf der Seite, von der man eine Kundgebung de- Kaisers bisher verlangt bat. „Die Spreu vom Weizen zu sondern", ist eben nickt Jedermann- Sache, am wenigsten in einer so spannungsvollen Zeil. Die Ernennung deS Herrn Spahn und da- auf sie be zügliche Telegramm de- Kaiser- an den Stattba ter der Reick-tande waren für die EentrumSpresse Signal, die angeblich vorhandene „vinseittgkctt und Herrschsucht der liberale» Brofefforenzunst" und ihre verinelinlichr con- fessionelle Intoleranz in den schwärzesten Karben zu schildern. Daß katholische Sachverständige vor gar nickt langer Zeit hierüber eine ganz andere Meinung geäußert haben, wurde in der H>tze deS Gefecht« ganz vergessen. Und doch bat der katholische Professor Lossen Vie klcrikalen ParilätSfragen nicht nur wiederbolt unv gründlich, sondern auch in führenden Centrum-oraauen erörtert. Zum letzten Male geschah da- unsere- Wissen- in der „Köln. Volks zeitung" vom ll. Juli I90l. Damals wandte sich Professor Lossen gegen einen seiner klerikalen Gegner, der für die Gegenwart eine weitgehende Bevorzugung der Katholiken bei der Besetzung akademischer Lchrstüble gefordert batte. „Die Begründung", wandle hiergegen Lossen ein, „daß da durch ein begangene- Unrecht wieder gut gemacht werden sollte, würde von ibnen (den Facultäten) nickt anerkannt werden, mit dem Hinweis darauf, daß sie selbst schon vor langer Zeit die Beseitigung der die Zulassung der Katholiken hindernden Bestimmungen verlangt haben, daß sie thatsäcklich der Habilitation der Katholiken kein Hindrrniß in den Weg legen und daß trotzdem sehr wenige Katholiken sich ba bilitiren, w o durch ganz von selbst ein großer Mangel an geeigneten katholischen Docente» ent stehe." — Nachdem Lossen al-dann auf da« Beispiel der Juden, die in den akademischen Lehrämtern weit stärker al- in der Bevölkerung vertreten sind, zum Beweis« dafür ver wiesen hat, wie wichtig e- vor Allem ist, daß die Katholiken mehr als bisher sich freiwillig dem akademischen Lehramte zuwenden, bekämpft er die Auffassung, al- ob die .Taufscheinkatholiken" in der akademischen Laufbahn besser vorwärts kommen als die gläubigen Katholiken. Die persönliche Erfahrung veS Frhrn. von Lertling und die Nicht anstellung Janssen'S läßt Lossen nicht für allgemein beweisend gelten. „Man uriheilt", schreibt Lossen, „einseitig, wenn man sich ausschließlich aus solchen Erfahrungen seine Meinung bildet. Selbst unter Falk wurden überzeugungs treue Katboliken angestellt, so Lösch in Bonn, Ni ebnes in Münster und ich selber, vielleicht auch noch an dere. Wer sucht, findet unter den Professoren an unseren Universitäten noch manchen Katboliken, den man keines wegs zu den Taufsckeinkatholiken rechnen kann. . . . 1896/97 waren von den Privatdocenten der weltlichen Facul täten aller preußischen Universitäten 7 Proc. katholisch. Diese Zahl ist meines Erachtens so traurig klein, daß wir wahrlich keine Veranlassung haben, un- den Kopf darüber zu zerbrechen, wie viele von diesen 7 Proc. überzeugung-treue ober Tauficheistkatholiken sein mögen." — In demselben Auf satz« erklärt Lossen, daß„rine weitgehende Jgnorirung deS Vorschlag-rechte- der Facultäten zu Conflicten führen würde, welche geeignet wären, die preußischen Uni versitäten auf- Schwerste zu schädigen." — Bon den übrigen Universitäten gilt natürlich dasselbe. De-dalb möge die Centrum-presse und die „Kreuzztg." ihre Freude über die Nichtachtung der Wünsche der Straßburger Facultät an der obigen Auslassung des Katholiken Lossen noch einmal nachprüfen. Nach der Auffassung der diplomatischen Kreise ln Paris wird an den baldigen Eintritt einer Aenderung in d«r staats rechtlichen Stellung der Anfrt A eta nirgends geglaubt. Man hat auch an Stellen — so schreibt ein Gewährsmann der „Pol. Corr." —, bei denen Unkenntniß bezüglich der in Peters burg herrschenden Absichten als ausgeschlossen erscheint, keine Anzeichen wahrgenommen, die auf einen Entschluß der russischen Regierung hindeuten würden, die Angliederung Kretas an Griechenland zu betreiben oder die hierbei in Betracht kommenden griechischen Persönlichkeiten zur Schaffung eines kait aooompli zu ermuntern. Es wäre auch eine befremdliche Erscheinung, wenn beim Petersburger Cabinet, das erst vor Kurzem in voller Uebereinstimmung mit den andern Schutz mächten Kretas den Obercommissär in freundlichster Form wissen ließ, daß der Wunsch der Kreter nach Vereinigung mit dem Königreich zur Zeit nicht erfüllt werden könne, nach Ver lauf einiger Monate ein völliger Umschwung in der Be- urtheilung der für diese Frage entscheidenden Momente ein getreten sein sollte. Man ist vielmehr überzeugt, daß die Wirkung neuerlichen ungeduldigen Pochens an den Thüren der maßgebenden Mächte allseits nur in der Wiederholung deS nach drücklichen Rathes bestehen könnte, auf die Verwirklichung der nationalen Wünsche der Griechen bezüglich Kretas bis zu dem Zeitpunkte, in dem die allgemeine Lage hierfür günstigere Be dingungen bieten werde, in Ruhe zu warten. Man verweigert bei den Regierungen der Mächte durchaus nicht die grundsätz liche Anerkennung der Berechtigung der bezeichneten Wünsche und es fehlt an den erwähnten Stellen nicht an lebhaften Sym pathien für Griechenland und das griechische Königshaus; nichtsdestoweniger gebiete aber, wie betont wird, die politische Feuilleton. y Die Löwenjagd. Novelle von Emil Roland. Nachdruck veidotrn. „Du bist also ein zufriedener Mensch, Kathrin", sagte er etwa» spöttisch — „laß Dich ausstellen, Mädchen, denn Du bist eine Seltenheit in dieser Welt." Sie sah ihn verwundert an. Diesmal zuckte ein lebhafterer Strahl in dem Wasserblau ihrer Augen. „Nein, Heinrich", ver setzte sie, „eS giebt auch Zeiten, wo ich die ganze Welt in Stücke schlagen möchte." „Wahrhaftig — ich glaube, Du könntest eS! Bitte lade mich dazu ein, Kathrin — so etwas seh« ich mit Borlieb«." Sein spottender Ton mißfiel ihr, vielleicht weil sie dies« Sprechweise nicht recht verstand. Sie nickte kühl und verschwand hinter einer Thür. Er hörte, wie ihre Schritte sich entfernten. „Hm, hm", sagte «r — „eS ist Stil in dieser Erscheinung, so etwa» von Feuerbach'S M-dea oder von der „Jungfrau", wenn die Ziegler sie spielt — und dann jene- Etwas, daS man nur in norddeutschen Haidedörfern findet, nur bei jenen stillen, wort kargen Menschen da oben .... «ine ruhige Außenseite, die «ach unendlichem Phlegma auSsieht, nach der geistlosen Starr- töpfigkeit leerer Bauernschödel — und doch verborgen unter diesem arau«n Alltagskleid«, tief im Grunde jener blaßblauen, müden Augen, rin Talent zu kraftvoller Leidenschaft, zu heißem Leben. Respekt vor der heimischen Raffe, Respect!" Er rief sich den Diener herbet, der ibm den Mantel brachte. Er kannte da» alte Faktotum deS Hause» schm, lange. Heute drückte er ihm ein Goldstück in die Hand. „Daß er sich einen vergnüaten Tag macht", sagte er, „Tag oder Abend. Wann hat er eigentlich seinen AuSgehtag?" „Alle Sonntag«, Euer Gnaden", erwiderte der Diener, ge schmeichelt über dieses persönliche Interesse. Bracht ging. Die Villa warf ihren Schatten über den Vor garten; in ihm zeichneten sich die hellrn Fenster ab und di« un- ruhigen Gestalten, die sich da oben hin und her bewegten. Sr guckt« bi« Lchstln, rote er eS sah. Auch di« Rost hatte sich ihm heut« verleibet — und doch be schloß «r, fortan Hausfreund zu werden in der Villa Schrottrck — «,n regelmäßiger Sonntagsgast in jenen Stunden, wo statt deS alten Bedienten da» Mädchen au» Hacksche den Klingelnden die Thür ausschloß. Rost fürchtete, der unberechenbar« Meister würde wegen der Hühnergeschichte mit ihr fertig sein und si« fortan mit jener Rücksichtslosigkeit schneiden, die er immer walten ließ, wenn er sich über Jemanden geärgert hatte — um so freudiger war ihr« Ueberraschung, als Bracht von dieser Zeit ab erst recht zum Gaste der maurischen Billa wurde und alle Sonntage zum arternoov- tva in ihrem Salon erschien. Ja, er that noch mehr: Während er sonst alle persönlichen Angelegenheiten sämmtlicher Damen mit der unfreundlichsten Gleichgiltigkeit zu ignoriren pflegte, fing er an, sich nach allerhand Einzelherten au» Rosi'» Schicksalen zu erkundigen; zuletzt auch nach der Somm«rreisr, von der er munkeln gehört. Ell, sah mit Hochrothen Wangen da, während Rosi in ihrer lustigen Art von der Fahrradtour abseits vom Wege er zählt«, wie ganz Hacksche bei ihrem Anblick zusammengelaufrn sei, wie sie aber Vater Bracht und die Brüder nicht zu srhen be kommen hätten, weil di« Bienen gerade auSgeschwärmt seien und die Familie de» Professor» den Flüchtigen nachgestürzt wäre. Sengend heiß sei d«r Tag gewesen, ein elende» WirthShau» — nur saure Milch und schwarzes, schreckliche» Brod! Aber die Prinzessin Helldingen hab« doch trotz der Sonnengluth sein Vaterhaus gezeichnet mit dem Tümpel daneben und dem Storchennest! auf dem Dache — dt« Stelle über der Thür natür lich freigelassen für die künftige Tafel, die dereinst dankbare Sohne von Hacksche dem großen Manne errichten würden. Der Hofhund hätte die Prinzessin beständig angebellt und den kleine« Jockey, der ihr den Malschirm halten muhte, fast umgeworfen. Sehr apart sei da» Ganze gewesen; unzählige Kinder, al» be ständige Zuschauer, alle strohblond, mit etwa» stupidem Ausdruck, alle dasselbe Blau in den Augen, ein ziemlich wässerige» Blau — Augen wie Kathrin, die er ja wohl gesehen hätte, neulich bet dem kleinen Mißgeschick im Cotillon — übrigen» werd« sie gleich den The« bringen; dann könne er st« genauer betrachten. Er w fse wohl noch gar nicht, daß si« au» Hacksche sei? Ob e» ihn den- gar nicht schmeickle, daß man «I im Kreis« seiner Verehrer bereit» als da» Lllerchicst« fände, HauSgenossinnen au» seinem Heimath»- orte zu beziehen? .Kathrin ist nur ein so scheußlicher Name, so kindlich, gerade «» ginge Jemarrd i« Holzpantoffel« —" „Bitte, da» that rch früher auch", sagte Bracht. Rosi schüttelte die Asche von ihrer Cigarette. UebrigenS gehört sie sozusagen der Aristokratie von Hacksche an. Sie ist de» Schulzen Tochter. Der Baier wollte sie eigentlich nicht weglaffen; schließlich half unS der Pastor, eS durchzusetzen; er deutet« irgend welche Familienkrisen an. Sie wollte durci^u» weg; et ist überhaupt Kern in ihr und ein« Lunge hat sie! D.ei Stunden liest si« meiner Mutter in einem Zuge vor. Elli und ich schnappen schon in der zehnten Minute nach Luft. Komisch, daS Radeln halten unsere Lungen aus — das Vorlesen, besonders waS Langweiliges, nicht. Und Amüsantes will Mama nicht. Sie ist noch weit zurück mit ihrem Geschmack, noch nicht mal bei Ibsen angelangt. Ach, und wie überwunden ist der doch schon! — Elli frng gerade die fünfte Cigarette an. Ibsen war ihr ein leerer Schall. Sie laS überhaupt kaum, aus Zeitmangel; das heißt, im Geheimen schwärmte sie für Schiller'» „Jungfrau", hätte sich aber eher den Finger abbeißen mögen, als diese Ver irrung zu gesteh«». Kathrin trat ein und brachte da- silberne Theeservice. Sie warf keinen Blick auf ihren Landsmann; er sah sie kaum an. „Sie sind aber kein großer Looalpatriot", meinte Rosi, al» da» Mädchen gegangen war — „nicht einmal ein« kleine An sprache? und sie glaubt Sie zu kenn«», von früher her." „Da» „früher" liegt weit zurück. Wo die berühmten Menschen Herkommen, ist doch ganz egal; wenn sie nur da sind. Hetmathstmpekei kenne ich nicht." Daß er berühmt war, gab er in seinen Reden so selbstver ständlich zu, wie ein« Blondine, daß sie blond ist. Elli, die seine Worte für ihr Tagebuch sammelt«, merkt« sich diese selbst- zufriedene Sentenz, während Rosi mit einem befriedigten Aus druck auf ihre kleinen Füße sah. Sie fühlte, wie diese Füße in de» großen Meister» Leben immer mehr an Boden gewannen. Andere Gaste erschien«», und Bracht ging. Ein fremde» Hau»mädch«n öffnete ihm die Thür. ES verdroß ihn. Am nächsten Sonntag wieder da» fremde Gesicht; sie nur zwei Minuten in der Pose de» Lheebringenk. Er fak sie deutlich, ohne hinzusehen. Am dritten Sonntag glaubte er si« im Garten zu erblicken; ell-a sckr'tt er o«m Schimmer de- dunklen Kleide» entgegen. Sie stand am Hübnerhause und schiwetc Futter in einen Napf. „Kathrin, sagte er, plötzlich an ihre Seite tretend, „darf ich mick «sch dem Befinde« des Huhn» von neulich erkundigen?" „Der sitzt'»', f*«t, si, gkichgMg und wie« auf Vst Stange „Kathrin, Du magst mich nicht leiden", rief er. „Darüber habe ich noch nicht nachgedachk, Herr Professor!" versetzte sie kühl und ging. Er hielt sie an der Hand fest. „Professor mit einem Mal, wo ich neulich noch Heinrich war?" „Ich versprach mich neulich, weil es so schnell kam." Sie ent zog ihm ihre Hand. „Du hast wohl daS Feld vergefsen, auf dem wir einst gemein sam Kartoffeln auSpflügten? Und nun paßt es Dir, eine Kluft zwischen uns aufzureißrn, die aber keine ist. Ich erkenne sie nicht an und folglich ist sie nicht. Laß doch den Professor den anderen Leuten. Und was gehen uns die Anderen an? Du und ich sind von einer Scholle; das ist ein Band in der Fremde! Vergiß das nicht, falls Du mich einmal für einen Rath oder sonst was brauchen könntest. Ich stehe Dir immer zu Dienst. Probire doch meine Freundschaft aus, wenn Du so nicht an sie glauben willst — Adieu." Er grüßt« und ging. Dort oben hatte er über Heimath- simpelei gespottet, und nun simpelte er doch. Im Weiterschre.ten fiel ihm plötzlich das Motiv zu einem neuen Bilde ein, ganz ohne Zusammenhang mit dem oben Erlebten. Seine Eingebungen kamen immer auS blauer Luft. „Ein Regenbogen, auf dem Luzifer sitzt und zur Wlr h.-runierblickt, halb voll Bosheit und doch mit einem leisen Zug des Mitleids; er liebte da» Rvffimrte in der seelischen Dar stellung. Die Arbeit nahm ihn die nächsten Tage gefangen. Abends tanzte er, weil ihm zu Spaziergängen die Zeit fehlte, etliche Kilometer innerhalb der Saalrundung. Am meisten walzte er mit Rosi, und die Leute, welche be- bauptet«n, daß er auf FreierSfühen gehe, wußten nun auch, wer die Erkorene sei. Elli wurde krank und lag meistens, im Geheimen den von Rosi verpönten Schiller lesend, auf einer bequemen Chaiselongue. Einige sagten, sie leide an unglücklicher Liebe, Andere an Eifer sucht auf Nosij der Doctor constatirte, daß übermäßige» Rauchen und Radeln di« Ursache sei. Der Doctor war ein guter Freund von Engelhardt... (Fortsetzung folgt.)
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