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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.10.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011030017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901103001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901103001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-30
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Morgen-Ausgabe Lnuahvuschluß für Anzeige» nd Lna-U-ar p> richt«. /Male« »fi »o»1- LLsch«, 85. Jahrgang Mittwoch den 30. October 1901 o. t ) i ) Snzeigen-^Srei- die 6 gespaltene Petitzeüe LS Pater, „hören Sie von Cellot, der jetzt unser Provinzial ist. Dieser Ehrwürdige erzählt im achten Buche seiner „Hierarchie": Ein Mensch, der eben auf Befehl seines Beichtvaters eine große Summe Gelbe« zurückerstatten wollte, hielt unterwegs >e> einem Buchhändler an und fragte: „nichts Neues" ? Der zeigte ihm ein neues Buck „über die Moral". Nachlässig vrin blätternd, stößt er ganz zufällig auf seinen Fall (der Pater sieht aber darin Gottes Vorsehung) und lernt daraus, daß er zur Rückerstattung nickt verpflichtet ist. WaS thut der Mann? Befreit von der Last seiner GewissenSscrupel, »ehält er die seines GcldsackeS und kehrt so Loch sebr er richten in sein HauS zurück." D. (4 gelpatt«) 78 vor d« KamUtemwch» eichte» («gespatte») 5S Tabellarischer und Ztffrrnsatz entsprechen» höher. — Gebühren für Nachweisungen n»tz Der Krieg in Südafrika. Botha beinahe gefangen k * Pretoria, 2S. Oktober. (Renter's Burean) Louis l-otha ist ver Äefangennahme durch Oberst Relrng- ton init knapper Roth en» na »gen. Die Engländer rberraschten sein Lager. Botha entkam mi» nur wenigen Hard» Vorsprung und büßte seinen Hut, eine» Revolver «nd Papiere ein, die in die Hände »er Sngländcr fielen. Ach« Voeren wurden ge nügen. Botha hatte nur einen kleinen Rest Truppen bei sich, die kürzlich Ratal bedroht haben. Die Ucdrige» find zerstreut. (Wiederholt.) ES fragt sich nur, ob rS wirklich der boerische Oberst- commandirende Louis Botha war; eS giebt noch einen Boerengeneral Botha, der auf demselben Theile des KriegS- chauplatzeS operirt. * Middelburg, LS. Octobrr. („Reuter'S Bureau.") Mit AuS- nahm« de« Tommando» van Benter'«, mit dem Oberst Lakin am 2l. October ein Gefecht hatte, sind alle Boeren im Lentrum und im Nordosten der Capcolouie den englischen Abtheilungen erfolg, reich ausgewichen. Myburg, Fouchü und WesselS befinden sich noch in der Nähe von Karmeliprutt und streifen in Eingeborenen. Bezirken umher. Pyper, Bouwer« und Smul« werden in beständiger Bewegung gehalten. * London» LS. October. (Telegramm.) Im gestrigen Ministrrrath, der nahezu drei Stunden dauert», bildet» der Krieg in Südafrika fast ausschließlich den Gegenstand der Er- örterung. Soweit bekannt, wurde der Beschluß gefaßt, den Krieg durch keine anderen Mittel al- durch völlige Unterjochung der Boeren zum Abschluß zu bringen und Lord Kitchener Alles zu bewilligen, waS er zur energischen Fortsetzung de- Krieges für noth- wendig erachte. Englisches Shristenthnm. Man schreibt unS: Man erinnert sich vielleicht an eine kleine Geschichte, die Fürst Bismarck einmal zum Besten gab: wie er an einem Sonntage auf einem Dampfer an der englischen Küste entlangfahrend, vor sich hingepfiffen habe und von einem würdigen Herrn entrüstet darauf aufmerksam gemacht worden sei, in England dürfe man am Sonntag nicht pfeifen, worauf er denn schleunigst gemacht habe, aus dem englischen Gebiet herauszukommen, weil ihm bei dieser Art von Frömmigkeit nicht recht geheuer gewesen wäre. Ja, sie sind fromme Leute, diese Engländer, und ihre Sonn tagsheiligung und ihr Kirchenbesuch sind mustergiltig. Und weil sie denn in äußerlicher Hinsicht so ganz vortreffliche Christen sind, so halten sic es für um so überflüssiger, das innerste Wesen des Christenthums auf sich wirken zu lassen. Sic meinen, daß, wer am Sonntag nicht pfeift, dafür die ganze Woche auf die Gebote der Menschenliebe pfeifen darf. Für diese Auffassung vom Christenthum liefert ein lehrreiches Beispiel eine Erfahrung, die ein menschlich denkendes englisches Blatt, der „Morning Leader", an sich hat machen müssen. Die Redaction dieses Blattes hat an Tausende von englischen Geist lichen ein Rundschreiben gesandt, in welchem sie um ihre Meinung über die berüchtigten C o n c e n t ra t i o n s la g « r ersucht und gleichzeitig darauf hingewiesen wurde, daß es doch eigentlich Pflicht der Kirche sei, die unschuldigen Kinder vor dem Unter gänge zu bewahren. Ein großer Theil der Geistlichen zog es vor, die Anfrage gar nicht zu beantworten;) von denen aber, die eine Antwort gaben, haben nur etwa 14 Procent, also kaum >,'7, sich mit der Auffassung des Anfragenden einverstanden erklärt, etwa ebenso viele drückten sich mit gewundenen Redensarten um die Unannehmlichkeit herum, sich zur Sache zu äußern, während 55 Procent, also über die Hälfte, mit Schmähungen über den Einsender herfielen. So wünscht« einer dieser wahrhaft menschen freundlichen und ihres Berufes wahrhaft würdigen Geistlichen, der Anfragend« möchte gelyncht und sein« Redaction in Trümmer geschlagen wcrden; ein anderer erklärt, die Anfrage sei von ver- rätherischem Geiste eingegeben. Man stelle sich einmal die Thatfachen vor: in den Con- centrationSlagern ist jetzt mit dem Beginne des südafrikanischen Sommers die Kindersterblichkeit derari angewachsen, daß nach zuverlässigen Berechnungen in etwa zwei Jahren kein einziges der Tausende in 'den Lagern angehäuften Kinder mehr am Leben sein würde. Man bedenke ferner, daß diese dem Tode geweihten Kinder an allem Unglück. daS die letzten Jahre über Südafrika gebracht haben, doch natürlich völlig schulvlos sind und daß es deshalb dem Gedanken des Christenthums geradezu ins Gesicht schlägt, wenn einer der englischen Geistlichen erklärt, diese schuld losen Kinder würden dafür gestraft, daß ihre Väter angeblich die farbige Bevölkerung schlecht behandelt hätten. Man bedenke end lich, daß di« Geistlichen ihrer Stellung nach sozusagen die amt lichen Vertreter de« Christenthums sind, und daß Jedrr von ihnen wohl schon Hunderte von Malen die schönen Worte „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst" und „Lasset die Kindlkin zu mir kom men" auf den Lippen getragen hat. Bedenkt man dies Alles, so steht man staunend vor der ungeheuren Kluft, die zwischen Worten rind Gesinnungen dieser unwürdigen Diener veS Christen- thum» klafft. Und man wendet sich mit Widerwillen ab von einer Heuchelei, die diejenige der bezopften Chinesen, die immer als Meister der Heuchelei und Verstellung gelten, um ein Erhebliches übertrifft. Wenn so den Geistlichen die christlichen Empfindungen fehlen, so darf man sich eigentlich kaum wundern, daß sich die im Felde stehenden Officier« erst recht davon freizuhalten wissen. Wenn aber glaubhaft berichtet wird, daß englische Officiere bei einem Angnff« der Boeren Weiber und Kinder vor die Front und Extra-Beklage» (gefalzt), »», »rtt der Morgea-Aa-aab«, oha, PofihefSrdenmg sä.—, »il Postbefördenurg 70-—» ") <o» demselben Papst und von Alexander VII. »»d VlU st»d »och ander, all»» anstößig« «rnndläpr der fikstllichast Jesu „verdammt" mord«. Im Lehrbach der Moral des J«!utl»n Gary werd« fi« rtnziln aafg«zahlt, S. 970 ff Leider mit «ia»r verdächtig«» Raudnot«: „Ettich« lass«» sich verlrttra, all« Sätze z» verdamm««, »fi «tt di«fi» ewige «ehnUchktt habe», indem st« dnmm^rweff« meinen, dieselbe» sollten so ganz allgemein venvorfin werden, da k« kei», B»«,ah»u and fit»« geschickt« Erklärung strnerhia erleid«. L»d dies« Bewirkung ist ganz gewiß nicht v»m Infante», sondern lw» tzettige» Alfmifo. k. Doch auch die- erst dann, wenn man es ohne eigene labeauemlichkeit thun kann." Mehr läßt sich nicht sagen." „Und wahrhaftig, mein Bater, noch weiter zu gehen, hielt' ich für sträflich!" „Ja, unsere Väter wissen wohl stehen zu bleiben, wo eS ein muß... Doch, genug davon! Denn ich habe zu Ihnen ivch von Denjenigen, deren Angelegenheiten schleckt stehen, zu prechen. Um diesen Leuten nach Möglichkeit zu helfen, haben unsere Väter ihnen erlaubt, einen Theil ihres Vermögens bei Seite zu bringen und sich vor ihren Gläubigern als bankerott u erklären. So unser Pater LesscuS, und ESc ob ar timmt ihm zu. „Wie, wenn Jemand Bankerott macht: darf er mit gutem Gewissen so viel zurückbehalten, wie er braucht, um mit seiner Familie anständig zu leben? Ich behaupte mit LessiuS: er darfS, und dürfte eS, auch wenn er sein Ver mögen auf notorisch ungerechte Weise erworben hätte. Nur darf er in diesem Falle nicht ebensoviel bei Seite bringen wie im anderen."" „Aber hören Sie, da- ist eine seltsame Liebe! Die Diebe ollen da- Geld behalten, und die Gläubiger, denen eS von Rechtswegen gehört, sollen eS verlieren?" „Ja", meinte der Pater, „man kann'- nicht Allen recht machen. Unsere Väter waren insbesondere darauf bedacht, diesen Unglücklichen zu helfen. Gleichfalls in deren Interesse sagt unser großer VelaSquez, der Castro- Palao cittrt: „Wenn man einen Dieb sieht, Vereinen Armen „stehlen will, so darf man ihm, um ibn davon abzubringen, irgend einen Reichen nennen, damit er lieber den bestehle..." Saben Sie krinen Vela-quez oder Castro-Palao, so finden Sie dasselbe bei EScobar. E- steht im 5. Tractat Nr. 120: „Praxis unserer Gesellschaft in Bezug auf die NächstenUebe."" „Diese Nächstenliebe, mein Vater, ist in der That «ine außergewöhnliche. Aber ich meine, man sollte die Liebe völlig machen. Der jenen Rath gegeben hat, müßte im Gewissen verpflichtet sein, dem Reichen den Verlust deS Gute«, darum er ihn gebracht bat, zu ersetzen". „Der? — ich dächt« gar! Er hat ihn doch nicht selbst bestohlen; er hat r- nur einem Andern gerathen. Pater Bauny macht da- wieder an einem gedachten Fall sehr deutlich. „Gesetzt, Du hast einen Soldaten gebeten» dem Nachbar sein« Scheune anzuzünden, und man fragt, ob, wenn e- der Soldat nicht kann, Du für den Sckaden aufkommen mußt? so antworte ich: Nein, Venn zur Rückerstattung ist nur derjenige verpflichtet, der da« Recht verletzt hat. Verletzt man e- aber damit, daß man einen um eine Gefälligkeit bittet? Der Soldat kounte sie gewähren oder versagen. Wie er sich auch entscheiden mochte: e« war sein freier Wille; nicht- nötbigte ihn, wenn nicht die — Güte und Freund lichkeit seiner Gesinnung."" Diese Stelle hätte beinahe unserer Unterredung ein Ende gemacht; denn ich konnte kaum da- Lachen zurückhalten über di« Güte und Freundlichkeit de- Scheunenanzunder- .. . Aber wenn ich mich nicht zusammengenommen hätte, würde sich der gute Pater beleidigt gefühlt haben. Er sprach so ernsthaft und fuhr mit derselben Miene fort: „Sie sollten au- so vielen Proben erkennen, wie nichtig Ihre Einwendungen sind, und bringen uns immer wieder mit solchen von unserem Gegenstand ab. Lassen Sie uuS zu den Nothleidenden zurückkebren! Um ihnen Erleichterung zu ver schaffen, sag«» unsere Väter — unter ihnen LessiuS: „Es ist erlaubt, zu stehlen, nicht nur in der äußersten Noth, sondern auch in einer Noth, die noch nicht die äußerste ist." So EScobar, Tr. 1, 29." „Da- ist aber stark, mein Bater. E- giebt wenig Menschen, die nicht ihre Noth für groß halten und denen ihr damit nicht erlaubtet zu stehlen . . . Wieviel Dieben öffnet ihr damit Tdür und Thor! Ihr, die ihr unter den Menschen vielmehr aufrecht erhalten solltet — nicht nur die Gerechtigkeit, sondern auch die Liebe, die durch diese« Princip zerstört wird. Oder heißt das nicht sie verletzen und dem Nächsten Unrecht thun, wenn ich ihn um das Seinige bringe, um es mir anzueignen? So hat man mich bis her gelehrt. „E- ist aber nicht immer wahr", antwortete der Pater. „Unser großer Moli na hat un» gelehrt, „daS Gebot der Liebe erfordere nicht, daß man sich eines Bortheil« beraube, um dadurch den Nächsten vor einem gleichen Verlust zu be wahren." Ebenso LessiuS I, 2, Nr. 188. Sie haben nickt Mitleid genug mit den Bedrängten. Unsere Väter sind Ihnen darin über; denn sie lieben die Armen und lassen ihnen ebensogut Gerechtigkeit widerfahren, wie den Reichen. Ich sage mehr: sie lassen sie sogar den Sündern widerfahren. Denn wie sehr sie denselben eatgegentretea, so lehren sie doch, daß mau die durch die Sünde erworbenen Güter recht mäßig behalten könne. LessiuS lehrt dies ganz allgemein: „Man ist durch kein Gesetz zur Rückgabe dessen verpflichtet, waS mau für eine verbrecherische Handlung, wie beispiels weise für einen Ehebruch, erhalten hat." So auch EScobar I, 59: „WaS eine Frau durch Ehebruch erwirbt, ist zwar unrechtmäßiger Weise erworben, aber ihr Besitz ist recht mäßig. Dasselbe gilt au- demselben Grunde auch von anderem Erwerb. WaS man für Morde, ungerechte Urtheile u. dgl. m. eingenommen hat, ist ein rechtlicher Besitz, ein Eigeuthuru, über da- jedem die freie Verfügung zusteht."" „Ehrwürdiger Bater, ich habe nie von dieser ErwerbSart gehört, und e- ist mir zweifelhaft, ob sich die Gerichte damit rinverstandea erklären und den Mord, die Ungerechtigkeit und de» Ehebruch al- rechtmäßig« Besitztitel gelten lassen." „Ich weiß auch nicht, wa« die Gesetzbücher dazu sagen; aber ich weiß, daß unsere Bücher, welch« die wahrhaftigen Regel« für da- Gewisse« enthalten, davon reden w,e ich. Doch einen Fall nehmen auch sie au- und verpflichten zur Wiedererstattung; da- ist der, wenn man da- Geld von denen empfangen bat, die über ihr Verwöge» nicht verfügen dürfeu, wie die Kinder, di« uutrr vätrrlicher Gewalt stehen, und di« Orven-griftlichrn. Unser großer Moliaa macht diese Bemerkung: „Außer weu» die Ehebrecherin Geld erhielt vo» eine« Mifitch »der von einem Sohn, der noch unter väterlicher Gewalt steht." E-cobar citirt diese Stellei, 59 1 und bestätigt sie im dritten Tracat uutrr 8,23." »Die »Ltzlich unsere Entscheidung« sind", schließt der Deutsches Reich. -4- Berlin, 29. October. (Straflose Tödtung eines Menschen.) In der Zeitschrift „DaS Recht" hatte vor einiger Zeit ein Mitarbeiter empfohlen, die Tödtung eines in qualvollem, unentrinnbarem Todeskampfe sich befindenden Menschen durch den Arzt straflos zu lassen, um so dem Menschen dieselbe Wohl- that zu Theil werden zu lassen, wie dem Hunde: den Gnaden stoß. Mit vollem Rechte wendet sich in der letzten Nummer der selben Zeitschrift Landgerichtsrath Oppler in Metz mit aller Schärfe gegen diesen Vorschlag, indem er auf die u n g « h « u r e n Gefahren hinweist, die eine Durchführung mit sich bringen müßte. Denn einmal ist es unter keinen Umständen und in keinem Falle ausgeschlossen, daß der Arzt sich doch über die Lebensdauer täuscht, die einem Kranken noch beschieden ist. Bei allein Respect vor der medicinischen Wissenschaft weiß wohl Jeder, daß selbst die berühmtesten Professoren TodcSurtheile über Patienten ausgesprochen haben, die sich dann noch Jahre lang des Lebens erfreuen durften. Und wer will bei solchen schweren Krankheiten stets mit absoluter Gewißheit feststellen, ob unbedingt ein Todeskampf vorliegt oder vielleicht nur ein schwerer Anfall des Leidens? Zum Zweiten aber ist die Möglichkeit gegeben, daß unter Beihilfe eines gewissenlosen Arztes ein unbeauemcs Menschenleben beseitigt werden könnte. Oppler ist durchaus keinlPessi-- mist, wenn er besorgt, daß „unterdemDeck mantelein es solchen Gesetzes die greulichsten Verbrechen begangen werden könnten". Man braucht ja nur daran zu denken, welche Fülle von rechtlichen Beziehungen mit dem Ab leben ein«s Menschen eine Aenderung erfährt, um nicht daran zu zweifeln, daß es oft genug nicht an „Interessenten" fehlen wird, denen die „Abkürzung" der Leiden eines Schwerkranken aus anderen Gründen, als denen der reinen Menschlichkeit, erwünscht wäre. Zu den vornehmsten und ersten Aufgaben des Staates gehört der Schutz des Löbens seiner Unterthanen, und darum darf er zur Herabminderung dieses Schutzes nicht die Hand bieten. * Berlin, 29. October. (Der Minimaltarif.) Von parlamentarischer Seite wird der „Berl. Börs.-Ztg." ge schrieben: Es ist durchaus kein Geheimniß, daß in der Frage des Minimaltarifs für Getreide Meinungsverschiedenheiten in der nationalliberalen Partei obwalten. Die agrarisch gerichteten Elemente schwärmen für den Minimaltarif, und wer nach der Seite deß Das siebente Gebot und -ie Jesuiten. Nächst dem sechsten ist kein andere- Gebot von den Jesuiten so eiugeheud behandelt worden wie daS siebente; offenbar, weil e- für weitere Kreise von praktischer Bedeutung ist, als das fünfte. Die Zahl ver Kopfabschneider, mit Einschluß der Duellanten, ist doch zum Glück nicht ebenso groß wie die der großen und der kleinen Diebe. Dazu kommt» daß die Jesuiten selbst, bei ihr« vielen Geldgeschäften, eine besondere Ver- aulafsuug hatten, ihren Scharfsinn auf ei» Gebot zu richten, dessen grobe Uebertretung bekanntlich zu ihrer ersten Vertreibung au-einem katholischen Staate (Portugal) geführt hat. (Weber, Weltgeschichte, Vaud 13.) Da- Ziel der jesuitischen Casuistik ist auch hier wieder, uachzuwrisen, daß die Zahl der Uebertretungen nicht so groß sei, wie die weltliche» Gerichte und einfältige Lair» anzunehmeu pflegen, „weil manche Aneignung fremden Eigeuthum», beim Licht und durch die jesuitische Brille be sehe«, kein« sträfliche Uebrrtretuag de« siebenten Gebot- ist." Wenn, beispielsweise, Dienstboten, die sich ia ibrrm Lohn ver kürzt glauben, sich damit bezahlt machen, daß sie ihrer Herrschaft so viel entwenden, al» nach ihrer Meinung nöthig ist, damit der Lohn ihrer Arbeit entspreche, so ist das doch nicht ohne Weitere- Diebstahl zu nennen; denn Pater Baunh lehrt: „sie dürfeu e- in «iuige» (!) Fälle» thun. z. B. wenn fie genöthigt waren, da-, wa- man al- Lohn ihnen bot, anzuuehmea, während ander« Diener ihrer Art anders wo mehr bekommen". Dieser Grundsatz ist freilich von Papst Innoeenz XI. im Jahre 1879 für unstatthaft erklärt worden *) und di« Gesellschaft durfte sich schon eia paar Menschenalter vorher von seiner Gefährlichkeit über zeugen, al- eia gewisser Johann von Alba, der die Je suiten im Collegium von Clermont bestohlen hatte» sich zu seiner Rechtfertigung auf die Lehre de- Pater« Baunh berief: „Ich habe nicht stehle», sondern mich bezahlt machen wollen". Zur Ehre der franzö sische» Richter sei hier beiläufig bemerkt, daß sie dir Entschuldigung de- unredlichen IesuitendienerS nicht gelten ließen. Der Vorsitzende de-Gericht-Hof- erklärte die Lehre Baunv'S vom Sichbezahltmachen für verderblich, weil sie geeignet sei, durch Gutheißoag de- Hau-diebstahl- ganze Familien zu Grund« zu richten, und beantragte, daß der allzugelehrige Schüler de- CcllegS vom Henker au-gepeitscht werde. Zur Vollstreckung de- Unheil- kam eS indessen nicht; „denn der Gefangene war mit einem Male, man weiß nicht wie, von der Bildfläche vrrschwunde». Er hatte mit feinen gestohlenen Schüssel« da- Weite gefunden." (Pa-cal, 6ws Isttrs.) Bon den kleinen Dieben zu unterscheiden sind die großen, wie fie sich manchmal unter den „Geschäftsleuten" finden. „Die Hauptschwierigkeit", bemerkt der Pater, „ist, sie vom Wucher abzuhalten, und dafür baden denn auch unsere Väter am meisten Sorge getragen; deon sie verabscheuen diese- Laster so sehr, daß EScobar sagt: „den Wucher für keine Sünde zu halten, ist Ketzerei", und unser Pater Bau ny füllt in seinem „Inbegriff der Sünden" mehrere Seiten mit den Strafen, die den Wucherern gebühren. Er erklärt sie für ehrlos »m Leben und für unwürdig eine- ehrlichen Begräbnisses im Tode." „Ei, mein Vater, für so streng hätte ich Bauny nicht gehalten". „Ja, er ist'«, wenn e- sein muß. Aber dieser gelehrte Casuist bemerkte auch wohl, daß man nur durch die Sucht nach Gewinn zum Wucher verleitet wird, und sagt daher an derselbe» Stelle: „Maa würde sich die Menschen nicht wenig verpflichte», wenn man sie zugleich gegen die übelea Folgen de- Wucher- und gegen dre Sünde, al- deren Ursache, sicher stellte, indem man ihnen zeigte, daß sie durch ein gute» und rechtmäßige« Geschäft ebensoviel oder uoch mehr Bortheil von ihrem Geld haben könnten al- durch den Wucher."" „Ohne Zweifel, mein Bater, wenn " „Nun, r- giebt das» Mittel und Wege. Da- beste — den» wir haben Auswahl — ist der Contract Mohatra." „Der Eoatract Mohatra?" „Ich sehe, Sie wissen nicht, wa- da- ist. EScobar mag'- Ihnen erkläre». Der Mohatra ist ein Vertrag, »ach dem man Maare auf Credit theuer kauft, um sie sogleich wieder a» dieselbe Person gegen baar und woblfeil zu ver kaufe«. 2a, da« ist der Mohatra, und Sie sehr» wohl, daß »au dadurch eine gewisse Summe baar empfängt, während man für eine größere dem Darleiher verpflichtet bleibt." „Wohl, aber ich denke, kein Mensch.außer EScobar hat fich je diese« Ausdruck- bedient." „Wie schlecht Sie Bescheid wissen," antwortete der Pater. „Da- neueste Werk über Moraltheoloaie, erst in diesem Jahr (1856) in Pari- gedruckt, redet sehr gelehrt über de» Mohatra. E« hat den Titel Lvilogus Lumwarum und ist ein Au-zug au- der Theologie unserer Väter Iuarez, Sanchez, Lessin«, Faguudez, Hurtado und anderer berühmten Easuisten. Da finden Sie auf G. 54: „E- ist Mohatra, wenn eia Mensch, der 29 Pistolen braucht, von einem Kaufmann Waare für 30 Pistolen, zahlbar nach Iahre-frist, kauft, und sie ihm auf der Stell« für 20 Pistolen wieder verkauft."" „Ganz recht; aber ist dieser Contract auch erlaubt?" „E-eobar sagt, e« gebe Gesetze, die ihn bei schwerer Strafe verbiete»." „Also ist er unnütz?" „Kriue-tvea-! Denn E-eobar giebt au derselben Stelle Mittel und Wege an, wie «an ihn erlaubt machen kann... Und Lessins sagt: „Auf all« Fälle braucht «an den au diese Weise erzielte» Gewinn nicht zurückzugeben; r« sei denn a»s — Lieb«, wen» der Schuldner in der äußersten Rot» zwischen den Weibern und Kindern hindurch auf dir Boeren am Schießen verhindert werden, während die englischen Soldaten zwische nden Weibern und Kindern hindurch auf die Boeren chossen, wenn man weiter hört, wie die Officiere sich auch durch das wahnsinnige Angstgeschrei der unglücklichen Opfer nicht irre machen ließen, so wäre es unbillig, zu sagen, ein solches Ber ühren sei nur unchristlich. Darin läge eine Beleidigung nicht nur gegen die anderen monotheistischen Religionen, sondern selbst gegen das Heidenthum, denn so könnte nicht einmal der un wissendste Heide handeln, wofern auch nur eine Spur von Menschenthum in ihm steckte. Wir halten es aber nicht für aus geschlossen, daß, wenn der „Morning Leader" die englischen Geist lichen über diesen Vorgang interpellirte, er mit ebenso rohen Ant worten bedacht würde, wie wegen seiner Anfrage über den Kindrrmord in den Conccntrationslagern. Es ist möglich, daß die Kunde von diesen unerhörten Greuel- thaten und von ihrer Beschönigung durch englische Geistliche bis u den entferntesten Ländern, bis zu den uncultivirtesten Völker- chaften dringt. Und wenn dann einmal englische Missionare von uncultivirten Völkern mißhandelt werden sollten, so werden ie gewiß zu bedauern sein, aber man wird es b^reiflich finde« önnen, daß die Naturmenschen ihren Widerwillen über den Gegensatz zwischen dem, WaS die englischen Geistlichen predigen, und zwischen ihren Gesinnungen in drastischer Weise zum Aus druck bringen, und wenn sie damit zugleich in einer alle Miß deutungen ausschließenden Art darthun, daß sie das specifische englische Christenthum nicht als einen sittlichen und kulturellen Fortschritt gegenüber ihrem eigenen Heidenthum anzuerkennen vermögen. Zur Rede Lhamberlatn'S. Die amtliche „Karlsruher Zeitung-, die bisher in der Beurtheilung des südafrikanischen Krieges im Allgemeinen den Standpunkt der Reich-Politik vertreten hat, bringt an leiten der Stelle im Anschluß an die jüngste Red« Chamberlain'» die folgende Auslassung: „Daß Mr. Chamberlain den unseligen Krieg bis zur Ver blutung fortführen will, kann nicht überraschen, und man wird zuaeben müssen, daß die Ehre der englischen Arme« in Südafrika zu stark engagirt ist, als daß sich die gegenwärtig« englische Regierung zum Aufgeben der Offensiv« entschließen könnte. Unbegreiflich aber bleibt, wie Mr. Chamberlain glaubt cs verantworten zu können, die Kämpfe von 1870 und die deutsche Nothwehr gegen Franktireurs mit Thaten in Parallele zu setzen, di« — durchaus glaubwürdigen Berichten zufolge — von englischen Soldaten in Südafrika gegen Wehrlose, Weiber unv Kinder, und nicht etwa nur vereinzelt, verübt worden sind. Es ist wiederholt von dem verantwortlichen Leiter der deutschen ReichSangelcgenheiten unter Zustimmung seitens deS Reichs tags vargelegt worden, welche Gründe unS, trotz des lebhaf testen Mitgefühls mit dem Schicksal des .kleinen Boerenvolkes, zwingend veranlassen, die dem deutschen Reiche, insbesondere auf dem Wege über Paris, zugemuthete Vermittlerrolle abzu lehnen; wir haben peinliche Neutralität gewahrt. Auf welcher Seite in diesem Kriege die Sympathien des deutschen Volkes, trotz aller berechtigtenStaatsraison, sich befinden, und wo sie sich nicht befinden, dürfte in England doch wohl nicht ganz unbe kannt sein. Wenn Herr Chamberlain glaubt, durch eine Der - zerrungderEreignissewährenddrsd«u^sch- französischen Krieges und auf Kosten der Mensch lichkeit und Manneszucht deutscher Krieger ein« Irrefüh rung der englischen öffentlichen Meinung herbeiführen zu sollen, so ist das seine und des englischen Vol kes Sache. Nur wird man sich jenseits des Canals nicht wun dern dürfen, wenn das Echo, das Herrn Chamberlain's An schuldigungen in der deutschen Presse aller Parteien erwecken werden, den Engländern nicht allzu angenehm in die Ohren klingen wird!" Chamberlain sucht vielleicht durch Brüskirunq Deutschlands Ausweg aus südafrikanischer Klemme. Deutschland wird ihm diesen Gefallen nicht thun, aber England wird sich eines Tages über das Deficit in seinem deutschen Guthaben nicht wundern dürfen. MpMerTagtlM Anzeiger. Ämtsölatt -es Königliche« Land- un- Äintsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Volizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig.
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