26 lagen" (Tübingen 1914), von der wir noch sprechen werden. Eine schon sehr viel früher erschienene Spezialschrift über unser Thema, betitelt „Wesen und Wert der öffentlichen Meinung" von Franz von Holtzendorff (München 1879), behandelt das Problem fast ausschließlich von der staatsrechtlichen und rechtsphilosophischen Seite. Sie bringt zwar manche überraschend geistvolle Erkennt nisse, geht aber von gänzlich veralteten Vorstellungen über die treibenden Kräfte des öffentlichen Lebens aus. Als erster erfolg reicher Systematiker großen Stils aber wird Ferdinand Tönnies gelten müssen, und zwar trotz mancher Lücken und trotz mancher Umwege, auf denen sich seine Theorien bewegen. Vor allen Dingen sei hier betont, daß mit der wissenschaftlichen Analyse des Begriffs der öffentlichen Meinung die Probleme, die sich aus diesem Sproß der Sozialwissenschaft ergeben, keineswegs abgeschlossen sind. II. Die zeitgeschichtliche Macht der öffentlichen Meinung. Ist die öffentliche Meinung erst eine Sozialerscheinung neueren Datums oder besteht auch sie schon seit menschlichen llrzeittagen wie Sitte, Gesetz, Religion? Wir haben allerdings ein gewisses Recht, sie als eine typische Erscheinung der neueren Zeit zu be trachten, müssen uns aber darüber klar sein, daß sie nicht erst von einer bestimmten Epoche ab vorhanden war, sondern schon im fernsten Altertum sich überall aufspüren läßt, allerdings meist nur keimartig und unrein, weil mit anderen soziologischen Bildungen vermischt. Solange das Volk einen sehr engen Gesichtskreis hat und auf untersten Bildungsstufen verharrt, bleibt auch der In halt dessen, worauf sich öffentliche Meinung bezieht, unendlich klein. Die Masse folgt den aus Naturbedürfnis und Gewohn heiten sich ableitenden Instinkten. Die einzelnen Wertgebiete, auf denen sozialer Wille sich betätigen kann, sondern sich noch nicht klar voneinander ab. Daher können auch öffentliche Meinungen sich zunächst nur ganz keimartig äußern. Jede Wirkung ist vor allem dadurch eingeengt oder ausgeschaltet, daß sich das öffent liche Leben durch den religiös verankerten Kult bestimmt. Des halb wird man sogar bei dem Kulturvolk der alten Juden kaum von einer öffentlichen Meinung reden können, weil sich eine mit