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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.11.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011104029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901110402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901110402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
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Montag den 4. November 1901. Anzeigen-PreiS die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Neclamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (Ü gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). l?rtra° Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbeförderung ./L 70.—, Ännahmelchluß für Änzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 85. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Tie englische Niederlage bei Bcrkenlaaglc. Es war ein Meisterhieb des Oberstcommandirenden Louis Botha selbst, der den Engländern bei Berkenlaagte unver sehens versetzt worden ist, desselben Louis Botha, den die britischen Truppen am 27. October angeblich unter Zurücklassung seines Hutes, Revolvers und seiner Papiere um ein Haar wcggefangen hätten. Wenn die englischen Tolpatsch-Strategen also geglaubt hatten, dass der „beinahe" gefangene Oberführer in härtester Bedrängniß sei, und völlig eingeschlossen, nicht wisse, wo und wie aus, so hat sie Botha prompt eines Anderen belehrt, denn er bewegt sich so frei, wie je zuvor, und Ueberraschungen glücken i hm, nicht den Feinden. Die Kitchener'sche Depesche vom 2. No vember scheint übrigens absichtlich unklar gehalten oder im Kricgsamt undeutlich gemacht zu sein. Zunächst erfährt man nichi, wie stark die überfallene Abtheilung des Oberst Benson war und an welchem Tage der Kampf stattgefunden hat. Wohl aber weiß Lord Kitchener die Stärke des Gegners auf etwa 1000 Mann anzugeben, und das vergißt er auch nicht, aus drücklich hervorzuheben, natürlich um anzudeuten, daß die Boeren cs wieder geschickt verstanden hätten, mit Uebermacht anzu greifen. Der Angriff erfolgte auf die Nachhut der Engländer, und zwar in nächster Nähe von Trichardsdrift, 20 Kilometer nordwestlich von Bethel, wo derselbe jetzt geschlagene und gc- tödtete Oberst Benson am 22. October ein Boerenlager über rascht hat. Sechs Tage später war der berühmte Tag, wo, wie schon erwähnt, Botha östlich von Ermelo von den Engländern unter den Obersten Riminaton und Rawlinson „beinahe" ge fangen genommen wäre. Ermelo liegt aber 60 Kilometer öst lich von Bethel und mindestens 80 Kilometer östlich von dem Schauplatz dieses letzten, wohl am I. November ausgefochtenen Kampfes. Da nicht anzunehmen ist, daß die Obersten Benson, Rimington und Rawlinson an diesen so nahe bei einander ge legenen Orten, wo es sich um den Fang des feindlichen Ober befehlshabers, also um eine große Sache, handelte, nicht ge meinschaftlich operirt haben sollten, so geht aus dieser Zu sammenstellung mit ziemlicher Sicherheit Folgendes hervor: Die Engländer waren auf dem Rückzüge von Ermelo aus in westlicher Richtung auf das etwa 200 Kilometer entfernte Jo hannesburg oder Pretoria, weil sie sich den sie verfolgenden Boeren unter Botha nicht gewachsen fühlten. Bei Bethel wurde die unter Befehl des Oberst Benson stehende Nachhut von den scharf nachdrängenden, durch den dicken Nebel unterstützten Boeren überraschend angegriffen und völlig geschlagen. Der mit in den Kampf verwickelte Haupttrupp konnte an der Nieder lage nichts mehr ändern und hatte selbst so zu leiden, daß eiligst „Entsatztruppen" von Lord Kitchener erbeten werden mußten, um die Gefangennahme der ganzen englischen Ab theilung durch die Boeren zu verhindern. Zur Beruhigung sagt Lord Kitchener, er nehme an, daß die beiden Geschütze wiedererlangt seien und der Feind sich zurückgezogen habe. Wahrscheinlich ist allerdings, daß die Boeren nach dem ihnen Schutz gewährenden bergigen Gelände östlich von Ermelo nach Beendigung ihrer glänzenden Waffenthat zurückgegangen sind. Warum aber Lord Kitchener annimmt, daß sie die beiden eroberten, ihnen doch sehr nützlichen Geschütze dem besiegten Feinde zurückgelassen haben sollten, ist nicht recht verständlich. Sehr auffallend ist bei den Engländern wieder der enorme Verlust an Officieren. Von Gefangenen schweigt die amtliche Meldung ganz. Eine Nachricht darüber wird, wie gewöhnlich, demnächst folgen. Wenn die Boeren fortfahren, mit solchem Heldenmuth zu kämpfen, und sich nicht scheuen, im richtigen Augenblick auch die nöthigcn Opfer zu bringen, so werden die Engländer voraus sichtlich doch gezwungen sein, ihnen über kurz oder lang ehren volle Friedensbedingungen zu bewilligen. * Pretoria, 3. November. („Reuter's Bureau".) Uebec das Gefecht vom 30. October wird weiter berichtet: Die Boeren griffen die Nachhut Des Obersten Benson an und er beuteten zwei Kanonen. Benson fiel bald nach Be ginn des Kampfes. Major Woods-Sampson übernahm das Commando, sammelte die Truppen und nahm eine Ver- theidigungsstellung ein. Die Boeren machten verzweifelte An strengungen, die ganze Streitmacht der Engländer nieder zuwerfen, und gingen wiederholt auf deren Linien los, wurden aber unter großen Verlusten zurückgeschlagen (?). Der Ge- sammtverlust der Boeren wird auf 200 bis 400 Mann ge schätzt (?). Die Vcrtheidigung der Engländer wurde stand haft aufrecht erhalten, bis Oberst Barter am 1. November früh mit Verstärkungen eintraf. Alsdann zogen sich die Boeren zurück. * Warschau, 3. November. Einer Blättermeldung zufolge hat ein hiesiges Handlungshaus mit der englischen Regierung einen Vertrag auf Lieferung v o n 20 000 P f e r d e n für die englische Kavallerie abgeschlossen. Einige Tausend seien bereits geliefert. , Politische Tagesschau. * Leipzig, 4 November. Daß der Kaiser auf das Wirken des neuen Bischofs von Metz große Hoffnungen setzt, weiß man aus seinem eigenen Munde. Und in diesen Hoffnungen hat sich der Monarch zweifellos bestärkt gefühlt durch die Tischrede, die Bischof Benzler gelegentlich der Feierlichkeiten bei seinem Einzuge in Metz gehalten bat und in der er u. A. sagte: „Ich glaube, auch unser erhabener Monarch ist nicht unberührt geblieben von der Geistesmacht des hl. Vaters, dem er zweimal die Ebre dcS Besuches erwiesen hat; aber andererseits ist auch bekannt, wie Leo XIII. den ritterlichen deutschen Kaiser hochichätzt, verehrt und liebt, so daß wir, wenn es nötbig wäre, uns nur daran ein Beispiel zu nehmen hätten. Ja, wir haben allen Grund, stolz zu sein auf unser« Kaiser". Auch auf einen Tbeil der deutschen Presse haben diese Worte tiefen Eindruck gemacht; die „Franks. Ztg." ziebt aus ihnen sogar Schlüsse, die den Hoffnungen des Kaisers sehr ähnlich sein mögen. Tas genannte Blatt knüpft nämlich an die citirten Worte die folgenden Bemerkungen: „Das wird den Jesuiten des Vactican nicht gerade angenehm in die Ohren klingen. Denn wenn wir auch nicht bezweifeln wollen, daß die persönlichen Gefühle des greisen Papstes dem Keuschen Kaiser gegenüber ebenso freundliche sind, wir diejenigen, die der Kaiier dem Papste entgegen bringt, so darf man doch mit einiger Berechtigung annehmen, daß ein grosser und recht einfluss reicher Kreis im Vatican andere Gesinnungen hegt. Die schroffe Art, in der ein vom Kaiser ausdrücklich als eine Freundlichkeit gegen die katholische Kirche hervorgehobencr Act. wie der der Ernennung des Professors Spahn, vom Vatican bekämpft und sogar als eine Beleidigung charaktcrisirt wird, bedeutet doch wohl eine persönliche Kränkung des Kaisers, und zwar »ine gewollte und beabsichtigte. Wenn Bischof Benzler nun in so prononcirter Form die Person des Kaisers feiert und namentlich Lessen Wohlwollen gegen die katholische Kirche an erkennt, so stellt er sich damit zu dem Rampolla'schen Kreise in einen Gegensatz, der gerade in den jetzigen Zeitläufen bemerkenswerth ist und vielleicht auch andere deutsche Bischöfe und Geistliche, sowie selbstständige deutsche Katholiken ermuthigt, sich der Beeinflussung durch die geradezu deutschfeindlichen Conventikel des Vatikan nicht mehr so widerstandslos hinzugeben wie bisher nur zu oft." Auffällig ist es allerdings, daß der neue Bischof zur selben Zeit, in der das Sprachrohr des Cardinals Rampolla die vom Kaiser in dem bekannten Telegramm als ein Ereigniß von großer und erfreulicher Tragweite bezeichnete Ernennung des Professors Spahn als eine die katholische Kirche be kämpfende Tbat hinstellt, den Kaiser preist und ihn der Liebe und Verehrung des Papstes würdig bezeichnet. Aber der Schluß, daß Bischof Benzler durch seine Worte sich in Gegen satz zu dem Rampolla'schen Kreise gesetzt habe und selbst ständige deutsche Katholiken ermuthigen werde, das Gleiche zu töun, scheint uns denn doch zu optimistisch. Bevor der frühere Abt von Maria-Laach als Bischof von Metz bestätigt wurde, bat man sich in Rom sicherlich ganz genau über das informirt, was man von ihm zu erwarten batte; er wäre nicht Bischof geworden, wenn er den „Rampolla'schen Kreisen" verdächtig gewesen wäre und Herrn Professor Spahn gerade in den Punkten gliche, die diesen in Rom mißliebig machen. Viel näher liegt die Voraussetzung, daß man ihn in den „Rampolla'schen Kreisen" als einen Mann kennt, der es versteht, die Schätzung der „Geistesmacht des heiligen Vaters" beim Kaiser noch zu vertiefen und dadurch für die römische Kirche mehr zu erreichen, als ein Heißsporn zu erreichen vermöchte. Es ist daher recht wahrscheinlich, daß die Tischrede des Bischofs Benzler dem „Rampolla'schen Kreise" nicht unange nehm, sondern angenehm in die Obren klingt und die Hoffnung erweckt, bei der Ernennung eines katholischen Philo sophie-Professors in Straßburg werde cS unter dem Einflussedes neuen Bischofs von Metz zur Wahl eines zweiten Spahn nicht kommen. Ob der „Rampolla'sche Kreis" in dieser wahrscheinlichen Erwartung sich täuscht, wird sich ja bald genug Herausstellen. Jedenfalls aber ist es mehr als kühn, von der Möglichkeit einer Abkehr deutscher selbstständiger Katholiken von den „Conventikeln des Vatikans" in einem Augenblicke , zu träumen, in dem aus Nom die Meldung kommt, Pro fessor Pastor sei der Verfasser der bekannten Artikel der „Voce della Veritü", der Bischof von Münster habe die dem Cardinal Rampolla hochwillkommene Nachricht, daß Bischof Fritzen seine den Seminaristen gegebene Licenz zurückgezogen habe, überbracht und demnächst werde auch der BriefdeS Bischofs von Rotten bürg veröffentlicht werden, in dem er seine Gründe für den Rücktritt von der Mitarbeit an der „Weltgeschichte in Charakterbildern" darlegt. Wer aus der Zurückziehung der Centrümscandidatur We derer bei der »eiiyotaiz^eisiiiztvahl i» Wicovaoc« den Schluß gezogen hatte, das Centrum werd« überhaupt auf den Kreis verzichten, sollte sich bald getäuscht sehen. Wie gemeldet wird, soll der Landtagsabgeordnete Fuchs aus Köln als Centrumscandidat aufgestellt werden. Man darf sich nicht verhehlen, daß diese Kandidatur die Aussichten des Centrums, in die Stichwahl zu kommen, verbessert. Herr Wederer soll zwar im Wahlkreise awgesehen und populär sein, aber er soll zugleich eine zurückhaltende Gelehrtennatur sein, und eine solche eignet sich nicht für einen Wahlkampf, der rücksichtslos geführt werden muß, wenn er bei der in Wiesbaden vorhandenen Parteiconstellation irgendwelche Aussichten auf Erfolg haben soll. Für einen solchen rücksichtslosen Wahlkampf aber ist Herr Fuchs der geeignete Mann: er ist ehrgeizig, rcdefertig, avbeitet gehörig mit Schlagworten und spielt sich auf den besonderen Förderer des Mittelstandes hinaus. Er wird sicherlich besonders unter den „kleinen Leuten" Anhänger schaft bekommen unddavurch den Freisinnigen und den Socialdemv- kraten manche schwankende Stimme abwendig machen. Wollen die Nationalliberalen mit einiger Aussicht auf Erfolg iw den Wahlkampf eintreten, so werden auch sie eine besonders populäre Persönlichkeit ausfindig machen müssen, die vor den Blühen häufiger Wahlversammlungen nicht zurücksthreck:. Herr Fuchs wird es an nachdrücklicher Agitation nicht fehlen lassen, auch der freisinnige Kandidat, Genossenschaftsanwalt Illr. Crüger, befindet sich bereits im Wahlkreise und hat Wahl versammlungen abgehalten, und was die Socialdemokrateir anlangt, so lassen sie es ja nie an Rührigkeit fehlen und sind außer dem die stärkste Partei im Wahlkreise. Sie sind also sicher, in die Stichwahl zu kommen, und es handelt sich nur darum, welcher von den vier Kandidaten sich darin mit ihnen zu messen haben wird. Deshalb sollten sich die Narionalliberalen gehörig rühren. Die Erörterungen der Pariser Presse über die französische Flotteudcmonstrulion gegen Sie Türkei gehen übereinstimmend dahin, daß mit der Regelung des Falles Lorando die Sache noch nicht abgethan sei. So telcgraphirt man dem „Temps" aus Konstantinopel Folgendes: Die Angelegenheit Lorando stellt nur einen besonderen Fall der Forderungen Frankreichs dar, und selbst wenn sie in gehöriger Form er ledigt sein sollte, glaubt man hier zu wissen, daß die französische Regierung ihr Vorgehen diesmal nicht auf die Lösung von Zwischenfällen dieser Art zu beschränken gedenkt. Das kräftige Vorgehen, das sie der Türkei gegenüber auszuführen entschlossen ist, muß einem allgemeineren und wichtigeren Ziele dienen. Es handelt sich darum, zu erlangen, daß die allgemeine Lage Frankreichs im Orient nicht blos in materieller Hin sicht, sondern auch vom moralischen Gesichtspunkt von Stund an gesichert sei gegen jegliche Angriffe. Es handelt sich darum, die Bürgschaft dafür zu erlangen, daß diese Lage unbe stritten ist, und der Pforte die Ueberzeugung beizubringen, daß Frankreich fest entschlossen ist, Alles zu thun, was noth- wendig ist, um zu diesem Ziele zu gelangen. Der „Temps" bezeichnet als die erwähnten weiteren Ziele die Frage der französischen Schulen im Orient und das traditionelle Protektorat Frankreichs über die Katholiken und deren Anstalten. Die „Döbats" haben ihren Leitartikel ohne Kenntniß der Bapst'schcn Depeschen geschrieben, wonach die Pforte nachgebe. Dennoch kommen sie zu dem Schluß: „Das Nachgeben der Pforte in diesem Punkte soll unser Geschwader nicht hindern, die Fahrt fortzusetzen. Die Gelegenheit ist günstig, um einige andere Fragen zu regeln. Und so lange diese nicht zu unserer Zufriedenheit erledigt sind, wird es gut sein, daß unsere Schiffe in den türkischen Gewässern verbleiben." Beide Blätter bemühen sich, die weitergehenden Actionen Frank reichs nicht allein aus französischen, sondern auch aus den all gemeinen europäischen Interessen heraus zu begründen. Der „Temps" erinnert zu diesem Zwecke an den Zwischenfall mit den europäischen Postämtern und an die gewaltsame Vertreibung deutscher Concessionäre der anatolischen Bahn von den ihnen ge hörigen Grundstücken. „Ganz Europa", erklärt das Blatt, „zählt in diesem Augenblick die vor fünf Jahren in der a r m e - nischen Bewegung begangenen Fehler. Es wird ohne Zweifel genöthigt sein, allmählich nach Möglichkeit das Ansehen wiederzugewinnen, das es gegenüber den orientalischen Völkern verloren hat. Die Umstände haben es gefügt, daß Frankreich es ist, das augenblicklich zu handeln hat." Die „Dobats" erörtern diesen Gedanken, indem sie von Neuem ausführen, daß der Hauptgrund der Langmuth Frankreichs das Bestreben war, die europäischen Mächte nicht zu beunruhigen und ihnen die Gradheit der Absichten Frankreichs Feuilletsn. 3) Rittergut Tresfin. Roman von R o b e r t M i s ch. Nachdruck verbotcn. ,.Au verflucht! Gott Strambach, da bin ich aber eklig 'rein geschliddert! — Na, Sie werden doch discret sein und Onkel und Tante nichts sagen —?" Lisbeth nickte lächelnd: „Ich habe cs ja zuerst langweilig gefunden. Also Diskretion gegenseitig!" „Ich war doch schon einige Male hier, aber von einer Nichte habe ich nichts vernommen." „Ich bin auch nur zum Besuch in Berlin." „Und welcher Ort hat das Vergnügen, Sie zu seinen Mit bürgern —?" „Gar kein Ort ... ich stamme vom Lande .... Ritter gut Tressin bei Klühow in Pommern. Es gehört meinem Vater." „Vom Lande? — Sie wissen gar nicht, wie mich das inter- essirt. Von Ihrem Papa habe ich schon reden hören, oder vielmehr von seinen Zuchtversuchen. Er schreibt ja auch zu weilen für Fachblätter. Ich bin nämlich auch Landwirth." „Sie —? Sie sehen aber gar nicht so aus." Es kam so drollig-erstaunt heraus, daß er lächeln mußte- „Warum denn? Gehen bei Ihnen in Pommern die Herren etwa in Flausröcken zum Souper?" „Das gerade nicht, <tb«r — Sie machen einen so groß städtischen Eindruck. — Aa, nun lachen Sie mich aus!" „Ja, wissen Sie — ich stamme nämlich aus 'ner Groß stadt, aus Königsberg — und au» einer Stadtfamilie; und ich habe in Berlin an der lcmdwirthschaftlichen Hochschule studirt. Und wir jüngeren Landwirth« haben uns da» rustikale Aeußerr schon ein bischen abgewöhnt." „Und was mackM Sie hier in Berlin?" Lisbeth war selbst erstaunt darüber, wie unbefangen sie mit dem „netten" Menschen plauderte; aber merkwürdig — ihm gegen über fühlte sie gar keine Verlegenheit, al» wäre er ein alter Be kannter, während da drinnen. . . „Offen gesagt — ich bummle . . . Offieiell höre ich noch ein paar Vorlesungen — zum Beispiel auch bei Ihrem Onkel über Bodenchemie. Wir kennen uns schon von meiner Studien zeit her." „Dann waren Sie eigentlich noch gar nicht praktischer Land wirth?" „O ja, sehr — in Ostpreußen auf Gurtschinen. Ich sehe nämlich jünger aus, als ich wirklich bin. Macht das solide Leben! — Aber wir sprechen immer nur von mir. — We gefällt Ihnen denn das nette Städtchen hier?" „Oh!" . . . „Aha, — verstehe . . . ganz weg, überwältigt!" „Nun ja . . . wenn man noch nie aus seinem Dorf heraus gekommen ist' Manchmal ist mir, als ob ich bisher nur geträumt hätte und jetzt erst lebe." „Ja, Anfangs . . . aber das stumpft sich Alles ab. Auf dem Lande lebt sich's doch am schönsten. Landwirth sein, natür lich ein selbstständiger, das ist für mich der schönste Beruf. Freilich, im Winter, wenn daheim Erde und Natur schlummern, frische ich mich gerne ein bischen hier auf . . . dann holt man sich wieder Anregung auf ein ganzes Jahr." „Haben Sie denn ein eigenes Gut?" „Nein, aber ich will mir eins kaufen." Sie plauderten noch ein Weilchen; aber dann fielen dem späten Gaste plötzlich seine Sünden ein. Er hätte eine Abhaltung gehabt, hätte noch im letzten Moment absagcn wollen, sei aber schließlich doch noch gekommen .... „Und wahrhaftig, es thut mir nicht leid", fügte er galant hinzu und schob sich dann mit höflicher Verbeugung und einem leichten Seufzer ins Wohnzimmer hinein, aus dem das Stimmen gewirr jetzt verstärkt ertönt«. Lisbeth wartete noch einige Minuten, eh« sie in die Gesell schaft zurückkehrte — so harmlos, als hätte sie keine Ahnung von dem neuen Gaste. Uebrigens fand sie die Situation im Damen salon einigermaßen verändert. Der junge Landwirth stand in mitten einer Gruppe von Damen, die sich riesig zu amüsiren schienen. Auch waren jetzt einige Herren der Cigarre untreu geworden; und so sah es denn nicht mchr gar so feierlich-steif aus, wie vorher. Sie bemerkte erröthend, daß die lustigen, braunen Augen des jungen Mannes die ihren suchten. Er ließ sich ihr feierlich vor stellen, als kenne er sie noch nicht. Sie hatten also jetzt ein Ge heimnis, mit einander. Auch bemerkte sie wohl, daß er immer wieder, ohne gerade aufzufallen, ihre Nähe und Unterhaltung suchte. Der Abend erschien ihr plöhkich in ganz anderem Lichte. Sie fand e» reizend, hatte sich noch nie so gut unterhalten. Ihr« Augen glänzten; und es war ihr, als ob sie und er der Mittel punkt der Gesellschaft wären. Er hatte ein so liebenswürdiges Lächeln und so gute, etwas schelmische Augen. Sie erschrak förmlich, als die ersten Gäste sich verabschiedeten und die anderen ihnen bald folgten. Herr Platen >war einer der Letzten. Er wechselte noch ein paar Worte mit dem Professor und seiner Frau und wußte es so geschickt zu drehen, daß ihn die Hausfrau aufforderte, morgen Vormittag mit ihr und ihrer Nichte das Museum zu besuchen. Es würde ihm ein großes Vergnügen sein, aber natürlich nur, wenn es dem gnädigen Fräulein nicht unangenehm wäre. Dabei schaute er ihr muthwillig fragend in die Augen, und sie schüttelte unter heißem Erröthen den Kopf. Als er fort war, rieb sich die Frau Professorin freudig ihre weißen, ringgeschmückten Hände. So befriedigt von oiwer ihrer Gesellschaften hatte sie sich lange nicht gefühlt. Ihr gutmüthiges, rundes Gesicht strahlte im Hellen Triumph. Der Abend war reizend gewesen, und Lieschen hatte sich offenbar köstlich amüsirt. Zwar, der Doctor Menk und der Oberlehrer mit der Glatze hatten Beide versagt; und sie nahm sich vor, sich nicht weiter um diese hartgesottenen Junggesellen zu kümmern, die der Cigarre und den Karten kaltblütig die Gesellschaft einer so reizenden jungen Dame opferten. Aber dafür der Aridere, an den sie gar nicht gedacht hatte, auf den sie anfangs so wüthend gewesen, weil er ohne Absage bei Tische gefehlt und dadurch die Platzord nung umgestoßen hatte. Diesmal hatte ihr lieber Mann den Vogel abgeschossen, denn die Einladung dieses netten, jungen Menschen, der erst seit Kurzem wieder in Berlin war, ging von dem Professor aus. Lieschen war durch Herrn Platen ordentlich aufgethaut und hatte entschieden Eindruck auf ihn gemacht. Denn ihr, der Frau Professorin, zu Liebe oder aus wissen schaftlicher Begeisterung ging er doch nicht mit ihnen ins Museum. Dafür kannte sie die Männer zu gut. Und ihre erregte Phantasie schmiedete bereits Pläne und zwei goldene Ringlein. Sie be schloß, sich näher nach seinen Verhältnissen zu erkundigen. Nach herzlichem „Gutenacht" an Onkel und Tante lief Lies beth schnell in ihr Zimmer und scholb den Riegel vor. Sie mußte durchaus jetzt allein sein, um Alles ungestört noch einmal zu über denken. Mit strahlendem Lächeln und träumerischen ülugen saß sie in der Ecke ihres Sophas und rief sich Wort für Wort, was er und sic gesprochen, ins Gedächtniß zurück — vom ersten Moment der lustigen Begegnung im Vorzimmer bi» zu seinem langen Ab- schiedSblick. Sie sah sein heiteres, lebensfreudiges Gesicht ganz deutlich vor sich. Und wie galant er gewesen war! Man kann fast sagen, -- sie erröthete heiß —, er hatte ihr ordentlich die Cour geschnitten. Ueberhauvt, wirklich mal ein netter Mensch! Ganz anders, wie alle anderen jungen Herren, die sie kannte. Sie machte sich ein Vergnügen daraus, sic einzeln mit „ihm" zu vergleichen. Da war der Referendar R. in Klützow — der hatte auch in Berlin studirt und spielte sich nun auf den blasirten Lebemann hinaus, der „weltmüde" ist. Oder der junge Baron v. W. auf L., der mit seinen Schmissen und Duellen brillirte, den Reserveofficier herausbiß und in den höchsten Schnarrtönen die größten Banali täten wie Offenbarungen zum Besten gab. Da war der junge Doctor C., der in Scat und Bier aufging und die Weiber für öde erklärte, obwohl sich die Mütter und Töchrer in Klützow um ihn rissen. Dann so viele Andere, die einfach Fachsimpel und Bauern stoffel waren, richtige „Stoppelbopsec", wie Fritz sie nannte, die nichts, als ihre Wirthschaft kannten und nach einer guten Partie angelten. Sie hatten ihr von dem Augenblick an nickt mehr den Hof gemacht, als sie erfuhren, der Oekonomieraih gäbe weder Mitgift, noch Aussteuer her. Er dagegen! Er war auch Landwirth, was ihr beinahe um wahrscheinlich vortam. Aber was wußte er nicht Alles, was hatte er nicht Alles gesehen! Und er prahlte gar nicht damit, war fein, bescheiden, liebenswürdig. Sie kleidete sich langsam aus und preßte die Hand erröthend aufs Herz, wenn sie daran dachte, daß er sie und die Tante morgen nach dem Museum abholen wolle. Das war doch eigentlich fahr — deutlich; und sie hätte kein junges Weib sein müssen, wenn sich nicht ein heißes Glücksgefühl in ihr geregt hätte. Wirklich, Beilin kam ihr jetzt noch einmal so schön vor. Was für dumme Gedanken! Sie war das einzige junge Mädchen in der Gesellschaft gewesen. Natürlich hielt er sich an sie und machte ihr ein wenig den Hof, wie er ihn morgen einer Anderen, einer Dritten und Vierten machen wird. Und da er nichts weiter zu thun hatte — das Studiren schien ihn nicht allzusehr in Anspruch zu nehmen —, so vertrieb er sich die Zeit damit, die Damen ins Museum zu begleiten — nichts weiter! Er wollte den ganzen Winter und noch länger in Berlin bleiben. In drei Wochen — wenn es hoch kam, in vier, mußt« fle wieder heim. Sie wurde ganz ernst bei dem Gedanken, wenn sie sich auch auf das Wiedersehen mit Fritz freute- Da gab'S dann wieder Arbeit und Schelte und di« Milch,
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