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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.11.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011107017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901110701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901110701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
- Tag1901-11-07
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VezugS »Preis der Hem-trrpeditto« oder de« im Stadt- beatrk mrd de» Vorort« errichtete« L«s> aadestelle« «bgehvlt: vierteljLhrlrch 4.S0. bei ««malig« täglicher Zustellung in» _ lig« täglich« Zustellung in» S.VO. Lurch die Post bezogen für Deutschlaud u. Oesterreich: vterteljährl. 8. Mo» abonuirt fern« mit entsprechendem Poftausschlag -et de« Postanstalten in der Schwei», gtalle«, Belgien, Holland. Luxem- dm«, Dänemark, Schwede« und Norwegen, Rußland, d« Loaaustaate«, der Europäischen Türkei, Lgypte». Mir olle übrige« Staaten ist der vezag «ur unter Kreuzband durch die ExpÄmou diese» Blatte» mSglich. Li» RstvrgewAusaab« «scheint um '/»7 Uhr, die Ubeuo-Au-gaoe Wochentag» «m ü Uhr. rre-actio« uad ErvedUisqr Johmmisgasse S. Mialeu: Alsted Bah« von». O. Klemm'» Tortim. Uuw«rsitLt»ftraß» 8 (Paultnum), Lout» Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und K»«ia»Platz 7. Nr. 588. Morgen-Ausgabe. WWM.TagMM Anzeiger. Ämtsvkltt -es königliche« Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes nnd Nolizei-Änües -er Lta-t Leipzig. Anzeigen.Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redactionsstrich (»gespalten) 7S H, vor de» FamUiennach- richten («gespalten) SO H. Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend höher. — Bebührrn für Nachweisungen und Offertenannahme 2S H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgeu-Au-gabe, ohne Postbefördermig ./« Üv.-, mit Postbesörderuug 70.—. Fnnahmeschluß für Anzeige»: Abeud-lllu-gab«: vormittag» 10 Uhr. Marge«.Autgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filiale« und Annahmestellen je eine halbe Stunde früh«. Anzeigen sind stet» a» di» Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Donnerstag den 7. November 1901. S5. Jahrgang. der Vernichtung gloichkommen kann. Für solche» Vorgehen mutz der «geeignete Augenblick abgewartet werden, «wo der Feind ent weder unter dem Feuer des Gegners start zu leiden beginnt, oder wo aus sonst einer Ursach« sein Feuer schwächer,wird. Im regulärem Gewehrfeuer wird man sich an den Gegner nur heran pirschen können, wie es der Jäger gegen das Wild macht; dabei wird man oftmals seine Zuflucht zum Kriechen nehmen muffen. Diese» ist zwar im Frieden beim Manöver verpönt, aber in China ist so manche Schützengruppe durch langsames Vorwärts kriechen in eine günstig« Feuerstellung gelangt, von der aus sie dem Gegner schwere Verluste zufügen konnte. Allerdings wickelten sich dabei die einzelnen Gefechtsmomente nicht so rasch ab, wie beim Manöver; denn alle größeren «Gefechte dauerten doch etwa 8 bis 10 Stunden. Mit der Munitionsversorgung hätte es bisweilen gehapert, wenn die Chinesen nicht genau dasselbe Ge wehr und genau dieselbe Munition gehabt hätten, wie wir. Dadurch fand man bei jeder Einnahme einer chinesischen Stellung im Gefechte immer reichlich liegen gelassene Munition vor, die von uns als ein willkommener Ersatz angesehen wurde. Da die Ge fechte vielfach in gebirgigen Gegenden geführt wurden, so er wuchsen daraus für den Nachschub der Munition vermehrte Schwierigkeiten, war der Troß an Saumthieren, Kulis u. s. w. an und für sich schon groß genug. Die Feldartillerie gelangte bei Weitem nicht in derselben Weise in Thäti'gkeit, Ivie man dies erwartet hatte. Es lag dies wohl an der mangelhaften Meßbarkeit des ostasiatischen Kriegs theaters; selbst die Gebirgsbatterie mit ihren zerlegbaren Ge schützen konnte nur ganz stellenweise eine ersprießliche Verwen dung finden, die Hauptarbeit verblieb der Infanterie. Tie Cavallerie leistete in der Aufklärung und im Nachrichtenwesen Hervorragendes; neu war die Aufstellung von berittenerJn- fonterie, welche der Cavullerie die dieser fehlende Feuerkraft ver lieh. Zur Berittenmachung der Infanterie dienten Ponnies, di: es in China in unglaublichen Mengen giebt und mit denen unsere Leute vortrefflich fertig wurden- Der berittene Infanterist hatte Vas Gewehr über den Rücken gehängt, das Seitengewehr am Sattel befestigt und einiges nothwendige Gebäck auf dem Reit- thiere untergebracht. — Von den technischen Truppen traten nur diePionierc handelnd im Gefechte auf und ost mit vielem Er folge, wie am Antsulingpaß und bei Kuangschwang, wogegen Eisenbabn- und Telegraphentruppen ausschließlich zu technischen Arbeiten verwendet «wurden. — Außer diesen Erfahrungen, welche ins-brsonderr die Taktik betreffen, wurden auch solche in Bezug auf Bekleidung, Ausrüstung und Verpflegung gemacht, worauf demnächst zurückgekommen werden soll. Der Krieg in Südafrika. Einem interessanten, in der „Schles. Ztg." mitgetheilten Briefe aus Pretoria entnehmen wir das Folgende: Zu spat haben die Engländer ihre Versäumniß auf dem Operationsschauplatze in der Capcolonie eingesehen. Jetzt erst kommen sie zu der Ertenntniß, daß dort der eigentliche Schwerpunkt des Krieges liege. Es ist unbegreiflich und von der englischen Heeresleitung nie zu verantworten, mit welcher Leichtfertigkeit sie über die Ereignisse in der Capcolonie urtheilte, Augen und Ohren schloß, um Alles, was dort vorging, vor der Welt ableugnen zu können. Damals wäre noch Kraft genug gewesen, den Aufstand im Beginne zu ersticken, damals war aber auch der Moment, die englische Regierung kategorisch vor die Alternative zu stellen: „Entweder rasch noch 100000 Mann, oder Aufgeben der Eroberung« n." Ersteres wäre aller dings nicht möglich, dafür letzteres unter einem das englische Prestige rettenden grotzmüthigen Vorwande sehr zweckmäßig ge wesen. Wie viele Lausend« von Menschenleben oder — für die englische Auffassung deutlicher gesprochen — wie viele Millionen Pfund Sterling waren erspart geblieben! Was jetzt noch geschehen kann, ist armseliges Flickwerk. Wie lange dasselbe auch fortgesetzt wird, ein solides Kriegswerk mjt dauerndem Erfolge kann nie mehr daraus werden. So wird Old England weiterstopfen, bis es — wie die böse alte Tante — den Strumpf zornig von sich wirft, um das Blut von den Fehlstichen zu stillen, die eS sich in Schwachsichtigkeit selbst beigebracht. Die Boeren blicken mit Zuversicht in das neue Krieasjahr. Ihr getreuester Verbündeter ist die Zeit. Mit jedem Monate, welchen sieinWaffen ausharren, reducirt sich diebritische Streitkraft; der Zulauf zu den Boerencommandos aber dauert fort und ersetzt die geringen Abgänge weitaus. Das Verfahren Lord Kitchener's gegen die Gefangenen in der Capcolonie schafft ihm nicht nur dort, sondern auf dem ganzen Kriegsschauplätze, neue Gegner. Ich will nicht durch positive Daten zum Verräther iverden, kann jedoch versichern, daß alle Gegenbemühungen der Engländer ohnmächtig sind, während die Städte fort gesetzt den Boerencommandos Verstärkungen liefern. Der Gedanke, daß die Brüder die Ausübung der Pflichten für Vaterland und Volk mit dem schimpflichen Galgen tode büßen müssen, ersticken alle eigennützigen Erwägungen und drücken die Waffe selbst Solchen in die Hände, die den Kampf längst aufgeqeben hatten. Doch nicht nur Boeren, auch Aus länder, insbesondere Deutsche und Holländer, lassen sich durch Er bitterung und Verachtung in die Reihen der Kämpfenden führen. Waffen und Munition sind im Ueberflusse vorhanden, letztere an den Orten des voraussichtlichen Bedarfs verthcilt und verborgen. So wird Lord Kitchener im kommenden KriegSjahre den Gegner nicht nur stärken, sondern auch k.'.mpfb;giv'g''- nr; ver Wegener finden. Wird heute in Boerenkreisen die Frage aufgeworfen, wie lange der Krieg wohl noch dauern dürfte, hört man die Erwiderung: „ D a r u m sollen sich die En g- länder kümmern, uns ist dies g l e i chg i l t i g! " Deutsches Reich. Berlin, 6. November. (Traditionserlaß und Welfenthum.) Durch Cabinetsordre vom 24. Januar 1899 hat, wie bekannt, der Kaiser angeordnet, daß die preußischen Truppcntheile, welche die alten hannoverschen Krieger aus genommen haben, Träger der Ueberlieferungen der früheren hannoverschen Regimenter seien und deren Auszeichnungen weiterführen sollen. „In den Regi mentern des X. Armeecorps und den sonstigen hannoverschen Die militärischen Lehren aus Len chinesischen Wirren. 8. Mit der Auflösung des ostasiatischen Expeditionskorps und dessen Verminderung auf eine auS allen Waffengattungen zu sammengesetzte Besatzungsbrigade ist der Zcitpunct gekommen, da man einen kurzen Rückblick aus die Erfahrungen und Lehren werfen kann, di« er in militärischer Hinsicht für uns gebracht hat. Hierbei darf man freilich nicht den Maßstab eines Kriege» in großem Stile anlegen, handelte eS sich doch mehr um eine poli- z«rmhe Exekution mit der bewaffneten Macht, die aber bisweilen doch zu blutigen Zusammenstößen mit der regulären chin«sischen Armee führte. Diese entwickelten sich stets zu regelrechten Ge fechten, in denen eine «durchaus moderne Taktik entwickelt wurde. Versuchten doch beispielsweise die chinesischen Truppen bei Kuana- schwcurg am 20. Februkr diese» Jahres einen tadellosen Angriff gegen die vorgehende deutsche Avantgarde mit hinhaltendem Feuergefecht und Uebergreifen eines Flügels mit Druck auf die Flanke. Angesetzt war der Angriff ganz richtig, aber er er lahmte, sobald unsere Leute erst in die Feuerstellung gegangen waren; da zeigte sich die Ueberlogenheit der deutschen Schieß ausbildung, die dem Gegner ziemlich rasch die Stelle deS Ver- theidiger» aufzwang, der dann, nachdem er starke Verluste er litten. über den Haufen geworfen wurde. Von einem Vorstoß mit der blanken Waffe, dem Bajonett, war aber nirgends die Rede; der Feind wurde au» seinen Stellungen herausgeschossen und verließ diese spätesten», sobald die Unseren sich auf 200 bis 300 Meter genähert hatte, wo dann immer «ine hohe Procent- zahl von Treffern erzielt wurde. Es gab fast nur Kopfziele zu beschießen, da das Feuergefecht auf beiden Seiten im Liegen geführt wurde; ganze Figur kam nur vor, wenn die Chinesen die Stelluna räumten und in Eile davonliefen, wobei sie in der Regel recht ansehnliche Verluste erlitten. Ueber deren Gesammtheit wird man von chinesischer Seite kaum jemals etwa» erfahren und w i r können nicht einmal die Zahl der getödteten Chinesen in den ein zelnen Gefechten feststellen, weil 'die Chinesen die Tobten und die Verwundeten so weit als möglich mit sich Zurücknahmen. Im Allgemeinen schossen die Chinesen gar nicht schlecht, und warn unsere Verluste im Berhättniß zu der verbrauchten Patrvnenzcchl trotzdem verhLbtmßmäßig gering waren, so lag dies am der zweckmäßigen A u S n u tz u n g des Gelände» durch unsere L«Ue. Der alte Satz: „Wirkung geht vor Deckung" hat im modernen Feuergefecht« doch mir «ine sehr bedingt« Richtigkeit, denn wenm man auch unter Nichtbeachtung der Deckung vielleicht besser wirken kann, so wird man dafür auch schneller todtgeschossen oder außer Gefocht gesetzt —und dann ist es mit der Wirkung doch auch vorbei. Di« moderne Kriegskunst mit ihrer ^euertaktik modelt den alten Lehrsatz um, der fetzt lauien muß: „Wirkung geht zusammen mit Deckung.* Die Befürchtung, daß der Soldat schwer au» der Deckung herauszubekommen und nach vorwärts zu bringen sei, ist nicht eingetroffen; im Gezcnthcil — sobald eine Feuerüberlegenheit erreicht war, bedurfte cs nur eines Winkes des FüKrer». um die Schützenlinie vorzutragen in eine besser gelegene Stellung. Im fei-isvlichen Gewehrfeuer wird selbst ein sprung weise» Vorgehen immer schwieriger, weil es unter Umständen Truppentheilen", sagte am 24. Januar 1899 der Kaiser tu Hannover, „mögen nunmehr diejenigen, welche der alten Han novecschen Armee angehört haben, ihre volle Heimath finden." Gegen diesen auf eine Aussöhnung der Welfen mit der Ver gangenheit berechneten Schritt hat das Welfenthum ungesäumt mit einer auf das militärische Bewußtsein wirkenden Agitation eingesetzt. Im vergangenen Jahre bereits veröffentlichte der welfische „Volksschriftenverein" eine Serie von An sichtspostkarten, welche die hannoversche Armee deS Jahre» 18S6 darstellen. Jetzt hat derselbe Verein die Beförderung der wek- fischen Gesinnung, besonder» in den Kreisen der ehemaligen Militärs, durch die Herausgabe eines Kunstblattes in Angriff genommen. Dieses Kunstblatt versinnbildlicht u. A., wie der welfischen Monatsschrift „Das Recht" (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen juristischen Zeitschrift) zu entnehmen ist, das Festhalten am welfischen Königshause und den Kampf für die Selbstständigkeit Hannovers. Ferner enthält da» Kunst blatt die Porträts zahlreicher braunschweigischer und han noverscher Welfenfürsten; als Versinnbildlichung der Tradi tionen Ziehen sich Bänder in den hannoverschen und den braun schweigischen LandeSfarben zwischen den Porträts hindurch. Beim Bildniß des Herzogs von Cumberland aber vereinigen sich die Traditionsbänder, „um", wie das „Recht" er klärend hinzufügt, „damit anzudeuten, daß die ruhm vollen Lraditionen der hannoverschen und braunschweigischen Armee auf Se. königliche Hoheit übergegangen sind, entsprechend der That- sache, daß, wie ein Körper ohne Haupt nicht leben kann, auch keine hannoverschen und braunschweigischen Traditionen ohne Se. königliche Hoheit den Herzog von Cumberland denkbar sind". — Vielleicht ist die» die directeste welfische Antwort auf den Traditionserlaß des Kaisers, jedenfalls ist sie die deutlichste. Möge sie an den maßgebenden Stellen in Berlin so gewürdigt werden, wie sie es verdient! /?. Berlin, 6. November. (Rückgängigmachung von Bestätigungsverweigerung ein st und jetzt.) Die Behandlung des Falles Kauffmann durch den Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg läßt die fort schrittliche Presse noch immer nicht zur Ruh« kommen; dieseBlatter sind eifrig bemüht, Fälle auszugraben, in denen di« Bestätig»«-* versag', naa, erfolgter Wieoerwayt oes Nichibestätigicu aber ertheilt worden ist. So stellt jetzt die „Freisinnige Ztg." fest, daß der jetzige Oberbürgermeister von Stettin, Haken, in Colberg im Jahre 1864 zum Bürgermeister gewählt, ober nicht bestätigt wurde; 1865 zum zweiten Male gewählt, wurde Haken abermals nicht bestätigt; als er aber im Deccmber 1866 zum dritten Male gewählt wurde, erfolgte im Januar 1867, also kaum einen Monat später, die Bestätigung. Ein freisinniges Organ bemerkt zu diesem Falle: „Vielleicht wird wieder einaeweirdet, daß inzwischen Königgrätz geschlagen und der VerfassunqSconflict beigelegt war. Aber poli tische Ereignisse können unmöglich für die rechtliche Auslegung einer gesetzlichen Bestimmung in Betracht kommen." Gewiß nicht, aber auch der Fall Haken kann nicht für die rechtliche Auslegung in Betracht kommen, denn Niemand bestreitet, daß im Falle der Wiederwahl eines Nichtbestätigten die Vorlegung der Acten a n den König und daraufhin möglicher Der Typhus. Ein hygieinisches Mahnwort anläßlich der Epidemien in Westfalen. Von vr. Curt RudolfKreuschner. Nachdruck verboten. Bo« den schweren infectiösen Krankheiten, welche seit Jahr hunderten und Jahrtausenden die Menschbcit Heimsuchen, ist eine Anzahl der schlimmsten, wie Pest, Cholera, Rückfallfieber, Fleck typhus, schwarze Pocken, Lepra und andere gegen di« neueste Zeit hin immer seltener geworden. Di« Gründ« dieser Erscheinung sind -um Zchtkl räthselhaft; der zunehmende Reinlichkeitssinn de- Europäer» und die Fortschritte des öffentlichen Sanitäts- wesm- und der Hygiein« spielen dabei gewiß eine wichtige, aber keineswegs die allein entscheidende Rolle; denn schon lange, ehe vg« mvdemer Gesundheitspflege die Rode sein konnte, haben di« meisten dieser Krankheiten in unseren Ländern eine mächtig« Tendenz zur Abnahme gezeigt, und e» bleibt daher nur die An nahme übrig, daß der SäftechemiSmu» der europäischen Rassen durch die verheerenden Seuchen der Vergangenheit «ine Immunität erlangt hat, welche unsere Völker bis auf oevhältnißmäßiz wenig zahlreich« Suönahmen gegen die verheerenden Invasionen dieser Krankheiten sichert. Leider asst diese smrst so erfreuliche Thatsache nicht von allen Jnseetion-rrankheiten. Die Diphtherie wird zwar durch die Ent deckung de» Bchrinz'schen HeikserumS einigermaßen eingedämmt; aber Masern und Scharlach wüthen mit fast unverminderter Heftigleit. Die Ruhr ist gerade nn Sommer und Herbste diese» Jahre» t« Deutschland in einigen Seuchen von solcher Heftigkeit ausgetreten, wie man «» seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat, und obendnm hat sich hierzu «n einigen Orten unseres Vater land«» noch der Unterleib»- oder AbdomtnaltyphuS in einer Form und Verbreitung gesellt, welch« »war für die große Allgemeinheit kein« besondere Gefahr bedeutet, aber in den schwer dadurch be troffenen Städten — man denk« nur an Gelsenkirchen, wo kaum ein Hav« mehr frei von Erkrankungen ist — wahrhaftes Entsetzen verbreitet und da« Interesse aller Kreise wieder einmal auf diese Krankheit lenkt, welch» in unseren großen Städten übrigens nle- mal» vollkommen erlischt. Mit Absicht ist hier der Typbu«. wrlcher «ben jetzt den Aerzten und Hygieinlkern wieder viel »u denken giebt, all „Ab- dvminal- «der Unterkei-Styphu»' bezeichnet worden, und zwar zu dem Zwecke, um gleich am Anfänge d« Betrachtung zweier anderer der schwersten Jnf«ction»koankheit«n, nämlich de» Kitckfalltyphu» uckd de» Flecktyphus au-zuscheiden, welche mit dem erstgenannten ätiologisch nicht» gem-in haben, die man jedoch früher von diesem nicht zu trennen wußte, so daß man all, drei wegen der auf fälligen, schweren Betäubung der Kranken nach dem von Hippo- kiww» in di» medicinrsch« Terminologie eingefllhrten Kunstall»- dr»<« d. i. »Dunst, Stumpfsinn, Blödsinn" al» Typhus schlechthin bezeichnete. . Mr wissen heute durch di« Entdeckungen von Koch und Ebert, welche fast gleichzeitig im Jahre 1880 den Krankheitserreger auf fanden, daß der Abdominaltyphus durch einen specifisch wirken den, besonderen Bacillus hervorgerufen wird, der Stäbchenform besitzt, etwa zwei- bis dreimal so lang, als breit ist und zahlreiche Geißelfäden trägt, welche ibm die Fähigkeit lebhafter Fort bewegung verleihen. Durch die Darmentleerungen der Kranken kommt er in die Außenwelt, wo er sich nicht nur auf längere Dauer am Leben zu erhalten, sondern unter günstigen Be dingungen auch tvriter zu vermehren im Stande ist. Daß er in feuchten Jahren besser gedeiht, als in trockenen, ist eine Eigen schaft, die er mit den meisten Krankheitserregern theilt. Seltsamer Weise fallen aber die meisten Thphusepidemien nicht in die heißeste Zeit des Jahres, welche man geneigt sein konnte, als die für sein« Fortpflanzung geeignetste anzunehmen, sondern in den Spätsommer und Herbst bis tief in- den Winter hinein, und zwar besonders dann, wenn nach hohen Grundwasserständen wieder ein Fallen der letztiren eintritt. Dadurch werden bedeutende Schichten des Grundes und Bodens unserer Städte bloßgelegt; die Un mengen von der Zersetzung und Verwesung fähigen Auswurf stoffen. welche der Untergrund trotz Canalisation und Wasser leitung unausgesetzt aufnchmen muß. wo Menschen dichtgedrängt beieinander wohnen, gcrath-n in Fäulniß, und der Typhus- bacilluS findet nun hier einen so vorzüglichen Nährboden, wie ihn der Bakteriologe auf seinen Nährge!atinen im Brutschränke ihm nicht besser bieten kann. Von dort geräth er sammt den von ihm produrirten Giftstoffen in die Wasserleitungen, die leider »och immer hier und da durch Wasser gespeist werden, welches offenen und stark verunreinigten Flußläufen entnommen ist, oder ec bahnt sich seinen Weg zu denselben durch irgend «inen Defect im Röhrrnsystem, welche» ja beim besten Willen der Tiefbau-Jn- genirure nicht mit hermetischer Dichte hergestellt werden kann, und eine» Lage- wird durch die vertheilung de» Typhus über da» ganze Leitungssystem auS der -iS dahin nur in sporadischen Einzelfällen aufgetretenen Krankheit «ine gewaltig« Epidemie, welche sich über Hunderte und Tausende disponivter Individuen verbreitet. Natürlich giebt eS noch andere Wege der Expansion. Da die Brutstätten de» TyphuSgifteS die Aborte sind, in welche die Ent- keerunaen der Kranken geschüttet werden, nistet sich die Krankheit, wenn vie Anstalten nicht tadellos sunctioniren, leicht in einem be stimmten Hause oder in einzelnen Theilen desselben dauernd ein und aiobt oft iede» Jahr zu neuen TyphuSfällen Veranlassung. Ebenso häufig ist die Verbreitung durch Kleider, Wäsche und Bekt- stücke der Typhu»kranken, welch« mit deren Exerementen verun reinigt sind und namentlich die mit der Reinigung betrauten Per sonen gefährden. Kommen dann Letztere m»t ihren Händen in Berührung mit dem Essgeschirr, so können natürlich auch Andere, die davon speisen, den Krankheittkeim in sich aufnehmen, der wohl regelmäßig durch den Mund und die Speiseröhre in den Körper gelangt, wogegen ein« unmittekbar« Ansteckung durch di« Au», dünsiungder Erkrankten unbedingt in Abrede gestellt werden muß. Ginnlose Angst vor dem Kranken, wie vor einem mit Pest und Lutsatz vehafteSen, ist oks« nicht „rechtfertigt. und «S ist «ne unnütze GrauLamkeit, wenn dre Angehörigen denselben ou» der häuslichen Pflege dem Hospitale überantworten; auch für die Allgemeinheit erwächst aus der Behandlung im Hause leine besondere Gefahr, falls die Personen der Umgebung mit den Grundzügen der Reinlichkeit und Desinfection vertraut sind. Zuweilen zeigt der Abdominaltyphus die seltsamsten Launen bei seiner Verbreitung. Obwohl Schmutz und Fäulniß die selbe begünstigen, giebt es andererseits wieder Orte, z. B. einen Stadttheil in Tübingen, wo, wie Professor Jürgensen berichtet, „trotz der schauderhaftesten Verwahrlosung der TyPhuSkeim nie mals recht zur Entwickelung kommt". Besonders verdient cs der Beachtung, daß nach dem Aufgraben der oberflächlichen Erd schichten sehr häufig der Typhus sich einsiellt, wie es z. B. vor einigen Jahren 'beim Bau der nördlichsten Pacisicbahn von Kanada nach Vancouver der Fall war. Erdarbeiter, in jungfreu- lichom Boden in Wald und Feto sind dabei selbstredend lange nicht so gefährlich, wie wenn man das Eingeweide der Erde in alten Städten aufreißt, wo der Schmutz der Jahrhunderte ab gelagert ist, wie z. B. in Pola, wo vor wenigen Jahren dis An lage einer Wasserleitung zu einer explosionsartigen Epidemie Veranlassung gab. Die individuelle Disposition wird sichtlich durch das Ledens- alter beeinflußt. Menschen in mittleren Jahren sind am meisten der Erkrankung ausgesetzt, während Greise und Kinder seltener ergriffen wrrden, und Frauen, di« stillen oder sich in anderen Umständen befinden, fast als immun bezeichnet werden können. Wenn wir nun zu einer kurzen Beschreibung des KraukheitS- brldc» übergehen, so muß zunächst bemerkt werden, daß der Typbus sich nie rapid in wenigen Stunden oder Tagen entwickelt. Vom Momente der Jnfectron bis zum Auftreten schwerer Krank- heitSerscheinungen vergehe» di» zu 14 Tagen und 3 Wochen, und der Umstand, daß sich anfangs nur leichte» Unbehagen mit herab gesetzter Leistungrfähigkeit und dem Gefühle dcr Ermüdung, mit Eingenommenheit d«S Kopfe», Derminaerunz de» Appetite». Launenhaftigkeit und Verdauungskxschwecd-n geltend macht, führt dazu, daß di« AnfangSstadien leid« fast niemals beachtet werden. Im Dünndärme und Dickdarme, .velche der eigentliche Sitz d«S Kraukheittprocesses sind, hat sich inzwischen Folgendes er»ign«t. Tie Bakterien, welche unzrrstön den Magen passirt haben, erzeugen durch ihre reichliche Vermehrung aus der Darm schleimhaut zunächst einen latarrhalischtn Zustand; die oberfläch lichen Schichten sterben ab, zerfallen und schaffen vavurch Raum für zahllose GeschwürLildungen, Vie m hundertfachen Heerden da» Darminmre bedecken und dadurch den giftigen Stoffwechsel produkten der Bakterien, den Toxinen, oi- Pforten eröffnen, durch welche dieselben in den GäftekoeiSlauf geratben. Dir An schwellungen der Mandeln, Nieren, Mil« und Leber sind Processe, welch« nur von nebensächlicher Natur find im vergleiche mit der schweren Durchgiftung de» Körper» vom Darm« auS; denn in dem Maße, wie letztere sich auSdrhnt, wachsen die beängstigenden Sylnptome, welch« namentlich von dem gegen das TyphuSgift sehr emvfindlichen Nervensysteme autgehen. Fiebrr und Schüttel- frost, schwrre Benommenheit, Phantasiren gegen Abend und zur Nachtzeit, Theilnahmlostgkeit gegen die Umgebung, Druckemfind- ttchtett am Unter«,fbe. Diarrhöen, schwere Träume, die den Schlaf stören, Schwerhörigkeit und allgemeine^ Abstumpfung des Be wußtseins zeigen den Eintritt schwererer Stadien an. Obwohl aber der Kranke dabei keine besonderen Schmerzen erleidet und in einem Zustande von Betäu'bung daliegt, welcher nur ab und zu durch eine zitternde Bewegung der Lippen und ein paar hinge- murmeltc Wort« unterbrochen wird, ruht das Gehirn nicht, sondern bewegt sich in überstürzten Bildern und Vorstellungen, welche unter Umständen zu einem plötzlichen Wuthanfall oder zu dem Versuche, sich aus dem Fenster zu stürzen, führen können. Diejenigen, die überhaupt sterben, verfallen sodann in tiefe Em- pfiwdungslosigkert und Unbesinnlichkeit und gehen im Laufe der dritten bis vierten Woche meistens durch Stillstand des Herzens und der Athmuirgsthätigkeit, selten«? wegen Durchbohrung des Darmes mit nachfolgender Bauchfellentzündung zu Grunde, während die Anderen unter sehr allmählichem Nachlassen der KrankheitSerscheinungrn und langsamer Wiederkehr eines ruhigen und wirkliche Erquickung gewährenden Schlafes genesen. Es kam: nicht die Aufgabe dieser Darstellungen sein, die Be handlungsmethoden ausführlich anzugeben, da Typhus immer eine Krantbert von solcher Schwere <rst, daß sie die volle Auf merksamkeit eines gesckmlten Arztes erfordert. Nur so viel mag hier gesagt sein, daß reichliches Trinken Von tadellosem Wasser, innerliche Verabreichung von Chinin und Kalomet und eventuell fieberwidrigen Mitteln, wie Antipyrin, den Ablauf erleichtern. Viel 'wichtiger ist ein« richtige Diät, welche den Darm nicht be - lastet, aber von Anfang an auf Erhaltung der Kräfte Bedacht nimmt. Milch, Caeao, Bouillon mit Ei und kräftige Alkohole, wie starker, aller Wein und Cognac oder andere Naturschnäps«, sind daher hier am Platz«. Am segensvollsten wirken die von Brand in Stettin in die Therapie eingeführten kalten Vollbäder. Früher hatte nämlich der Kranke im Allgemeimn vier Chanc«n für sich und eine gegen sich, das heißt mit anderen Worten: von 100 Kranken starben etwa 20. Seitdem man über di« Bluttemperatur der Kranke« dadurch andauernd niedrig hält, daß man dieselben bei Lag und Nacht, so lange die Blutwärme über 39 Grad Celsius hinauögehen will, etwa alle drei Stunden in ein Bad von 24 Grad und 6 dir 7 Mnruten Dauer seht, wobei di« Wassertemperatur durch Au giessen am Fußende bis auf 20 Grad erniedrigt wird, ist die Sterb lichkeit der also behandelten Fälle auf «in Minimum herabgedrückt. Besondere Auftnerksennkeit erfordert auch die manchmal recht langwierige Reconvaletcenz, weil dte Kranken leicht zu schweren Nachkrankheiten, wie Lungenentzündung, Brustfellentzündung, Parotiti» und Nrerrnentzündung di»ponir«n. Die Prophylaxe fällt für di« Gesammtheit mit den allgc meinen Ausgaben der Hygieine zusammen, di« schon im Eingänge ihre Würdigung gefunden haben. Die Umgebung de» Kranken kann sich dagegen vor Ansteckung nur durch peinliche Desinfektion der AuSscheiaungen und oller Gebrauch-gegenstände sichern. M> das LeltungSwasser verdächtig ist, muß dasselbe natürlich vor jedem Gebrauche (auch zur Seschirrreinigung) obgekocht werdcp. Für denjenigen Gesunden aber, dem e» die Verhältnisse gestatten, ist es freilich sick-rer, den Ort, in dem di; Epidemie wüthet, zu verlassen.
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