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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.11.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190111103
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19011110
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19011110
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
- Tag1901-11-10
- Monat1901-11
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.11.1901
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Der robuste Gallier hat, da der „kranke Maua" am Bosporus von keiner Seite Unterstützung erhalten — wie gern hätte England seine schützende Hand erhoben, wenn es nur eben gekonnt hätte! — seinen Zweck so gut wie voll ständig erreicht. Kein Gramm Pulver ist verschossen worden, nur eines etwas ungewöhnlichen Aufwandes von Kohlendampf hat eS bedurft, der dem Sultan noch lange die Augen beizen wird. Der Erfolg Frank reich» ist ja mit der Zahlung der Lorando- und Tubini- Schuld nicht erschöpft, sein in erster Linie durch die katho lischen Schulen eingebürgerter Einfluß in der Levante ist durch die jüngsten Noten Abdul Hamid'S gewissermaßen sauctionirt und wird sich nun um so rascher auSdehnen — ganz abgesehen davon, daß Frankreichs Prestige im Orient im Allgemeinen sehr erheblich zugenomnien bat. Rußland hielt während deS Verlaufs der Action die Flinte an der Backe, um eventuell ein gewichtige« Wort mitzusprechen; wie eS scheint, ist dies nicht mehr nölhig, der Weltfriede wieder gesichert, England mit dem Schrecken davon gekommen und den Boeren wieder eine Hoffnung genommen. In Heine'S „Radcliff" betetein — Aneigner, bevor er sich anS gewohnte Tagewerk macht. Es ist eine Episodenfignr und der Dichter läßt nicht erkennen, waö aus dem Manne ge worden ist. König Eduard von England wird vielleicht auch nur eine episodische Erscheinung sein — er feierte gestern sein 60. Wiegenfest und wir wünschen ihm nachträglich alles Gute dazu: Glück im Kartenspiel, tadellosen Caviar und unserthalben auch das Unaussprechliche, das diesem welfischen Ritter am häufigsten am Herzen gelegen hat. Ihn beten zu sehen, sind wir nicht begierig. Mancher gute Schauspieler hat uns den König im „Hamlet" dargestellt und wenn der alte Herrgott wirklich der alte geblieben und wenn Gewissen noch immer Gewissen ist, dann wird der oberste Kriegsherr Britanniens sich ebenso resultatloS wie der Kronen- und Landräuber Shakespeare'« vom HauSaltar entfernen müssen: „Gebet ohne Reu' kann nicht zum Himmel dringen." Die Engländer bereuen nicht. Sie betäuben ihr Ge wissen, indem sie sich vorlügen, andere Völker, insbesondere aber die Deutschen im Jahre 1870/7 1, hätten im FeindeSlande nicht anders verfahren als sie jetzt in Süd afrika. Sie finden dabei auffallend wenig Unterstützung bei den — Franzosen, denen doch ein Vierteljahrhundert hin durch jeder deutsche Offizier und Soldat, der in unserem letzten Kriege gekämpft, als berufsmäßiger Pendulen-Mit nehmer geschildert worden ist. Vielleicht besinnen sicd die hitzigsten Franzosen noch auf ihre „guten Ueberlieferungen" und stimmen in den englischen Ton ein. DaS würde uns Deutsche nicht weiter aufregeu. Die englischen Be schimpfungen der reinen Helden des großen Jahres wollen aber anders beurtheilt sein, als die Recriminationen der Besiegten. Gegen sie ist eine Bewegung entstanden, die durchaus volksursprünglich, auch nicht von der Presse, die wir selbstverständlich nicht aus der Volksgemeinschaft heraus heben möchten, in erster Reihe gefördert worden ist. Bürger, Professoren und StudirenLe verwahre» sich gegen die Gleichstellung der zum heiligen Kampfe für den Schutz deS angegriffenen Vaterlandes auSgezogeuen Deutschen mit den Miethlingen eines zum Werkzeug ordi nären SpeculantenthumS gewordenen Kronenträgers. Die Versammlungen, die bisher staltgefundcn haben, richteten sich ausschließlich gegen die Beleidigung deutscher Krieger, nicht auch wider den englischen Kriegszug an sich. So bleibt eö hoffentlich. Zwar wäre ein freies Wort gegen den vom Goldhunger verschuldeten Krieg gegen einen kleinen germa nischen ÄolkSstamm nicht verwerflich. Aber man würde in höheren Regionen Proteste dieser Art als Wünsche nach deutschem Dazwischentreten hinstellen und, da keine andere Großmacht Miene zum Interveniren macht, von „politischer Unreife" reden lassen. Haben die deutschen Männer sich doch schon sagen lassen müssen, sie wären mit ihren Boerensympatbien die Puppen ihrer Frauen und Kinder. DaS deutsche Volk und insbesondere die Studentenschaft wird gut thun, sich zu beschränken wie bisher. Dem „höheren" Tadel wird man deshalb doch nicht entgehen. Schon hat ein Berliner Blatt, daS seine „Beziehungen" hat, sich „staatsmännisch" gegen die zweitausendköpfige studentische Protestversammlung gewandt, die am Mittwoch in Berlin stattfand. E» giebt sorglich zu bedenken, ob man der Chamberlain'schen Aeußerung eine Bedeutung beilegen dürfe, die ihr nicht ge bühre. In England nehme man daS, wa« ein englischer Minister derart redet, niemals so wichtig, daß man sich längere Zeit damit beschaffen würde. ES fei zu befürchten, daß lediglich englische Einbildung gesteigert würde, wenn man in Deutschland zur Zurückweisung jener Be merkung noch weiter besondere Veranstaltungen träfe. Mit anderen Worten: man soll die Engländer mit stiller Verachtung strafe». Wir glauben gern, daß die« mancher Stelle bequem wäre. Man würde dann wohl nach London „commeotiren", das deutsche Schweigen beruhe auf der Billigung der englischen Südafrika-Heldenthaten seitens eine« Volke«, da« selbst noch Zehntausend« von Kriegs erfahrenen in seiner Mitte zähle. DaS Beste aber ist ein Zwischensatz in der leisen ossiciösen Zurechtweisung. Eö wird gesagt: „Herr Chamberlain hat in einer Rede, welche in den eng lischen Blättern viele Spalten füllt, sich in einer Bemerkung von fün f Zeilen gleichzeitig auf die Kriegführung Rußland«, Frankreich», Oesterreich-UngarnS und Deutschlands be rufen." ES wird namentlich den Studenten an dieser Warnung vor „Steigerung der englischen Einbildung" neu und interessant sein, daß die Geschwindigkeit der Ehrverletzung die Ehrverletzung abschwäche, wenn nicht gar aufbebe. Welche Menge von Grobheiten muß so ein OsficiosuS einstecken können, ohne zu zucken, ja, ohne sich gekränkt zu fühlen! Gehen doch ein halbes Dutzend „dumme Jungen" gut und gern auf zwei Zeilen. Freilich gewöhnt sich der Mensch allmählich an Alle«. Das die beschönigte Berufung des Herrn Chamberlain auf drei andere Mächte angeht, so muß hervorgrhoben werden, daß der englische Minister dabei nicht Nationalkriege, wie der deutsch-französische einer gewesen, sondern im Grunde ge nommen nur Expeditionen, zum Theil coloniale Expeditionen gemeint hat. Wer den Unterschied nicht empfindet, nun, der empfindet ihn eben nicht. Der Verzicht Württembergs auf die Partikular- »riefmarke ist im Reiche ohne Enthusiasmus, aber mit großer Genugthuung ausgenommen worden. Die Anerkennung der Opferwilligkeit Kouig Wilhelm'S II. ist in allen nationalen Organen zum AuSdrucke gekommen. Einige bayerische „liberale" Blätter, die eine Ausnahme machen, tellten sich damit nur und wiederholt ein Zeugniß ihrer nationalen Gleichgültigkeit für die Fälle auS, in denen man in dem Palais zwischen dem Sendlinger und dem SiegeSthore Neichswärme nicht wünscht. Mit diesem Hinweise auf ei» befremd liches Verhalten einzelner süddeutscher Liberaler soll jedoch durchaus nicht bezweckt werden, die politischen Freunde im glücklich erweiterten Reichsmarkengebiet sür einen Sturm auf die verbliebene bayerische Besonderheit scharf zu machen. Im Gegentheil, die nationalen Parteien sollten nun, unserer Meinung nach, erst recht ruhig sein und die Frucht in sich selbst reifen lassen. WaS die preußische Regierung angeht, so erhoffen wir von ihr in Sachen ver ständiger Bundespolitik schon lange nicht sonderlich viel, aber doch das, daß sie den Eisenbahndirector, der sich gelegentlich wegen des Nebelbildes einer preußisch-bayerischen Eisenbahnzeineinschaft in einer directeu Polemik gegen den Ministerpräsidenten Grafen Crailsheim in amtlicher Eigen schaft über daö Thema zu sprechen erlaubt hat, sür die Zukunft entsprechend „iuformiren" werde. Die beiden Angelegen heiten sind verwandt. Wie man im vssiciellen Bayern da hochwillkommene württembergischeZuzeständniß aufgenommen hat, darüber ist nichts zu erfahre». Daß eS dort beim Alten bleibt, ist gewiß. Eine ZeitungScorrespondenz meint sogar, nun werde Bayern ein doppelte« Gewicht sowohl auf seine „ureigenen" Postwerthzeichen legen, denn eS stehe jetzt — wir citircn nicht wörtlich — „postalisch" als ein Ilnicum in Bezug auf Selbstständigkeit im Reiche und vor dem AuSlande da. Scheinbar ganz richtig. Der Glanz der bayerischen Marke steigt durch den Wegfall der württembergischen, das ist keine Frage. Ob aber auch ihre Beständigkeit? Wer gegen eine große Allgemeinheit ein Privilegium zu wahren hat, ist gemeiniglich besser daran, wenn em Nachbar in der gleichen Lage ist. Jedenfalls wird die bayerische Marke künftig noch mehr ausfallcn als bisher. Doch über diese Sache mag man sich in München den Kopf zerbrechen. Toleranz? In der öffentlichen Versammlung der Katholiken in Leipzig, über die Sie in Nr. 569 deS Tageblattes, nach guter Gewohnheit, ruhig und sachlich berichten, hat Herr Hof prediger Kummer auS Dresden mit seinem Eintreten für die Lehre „von der alleinseligmachenden Kirche" den Vogel abgeschossen, aber eben damit auch bewiesen, daß man das Wort „Toleranz" im Munde katholischer Priester — so wie ichö eben gethan habe — mit einem Fragezeichen versehen muß. Ja, daS mindesten«! Denn sieht man genauer zu, so ergiebt sich, daß bei ihnen von Toleranz, im herkömmlichen Sinne des Worts, nicht die Rede sein kann. Dem einzelnen Kleriker ist daraus kein Vorwurf zu machen und eS verdient vielmehr Aner kennung, daß sich Herr Kummer so offen und ehrlich zur Lehre von der alleinseligmachenden Kirche bekannt und seine Glaubensgenossen an ihr festzuhallen ermahnt hat. Denn dies Dogma ist unleugbar bas Centraldogma der römischen Kirche, die Lehre, von der sie, wenn sie nicht sich selbst auf geben will, kein Iota nachlassen kann. Auch daS Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes, wie seltsam e» uoS anmuthet, ist die logische Conscquenz dieser Lehre. Denn nur wenn in GlaubenSfragcn daS Wort Eines als entscheidend gilt, in der Voraussetzung, daß er an Gottes Stelle rede, ist die Kirche gegen die Gefahr, sich in Sondergemeinschaften zu spalten, genügend sichergestellt. Aber freilich, eine positive Toleranz der Andersgläubigen verträgt sich damit nicht. Im Gegentheil, eS gehört die Intoleranz zum Wesen einer Kirche, die sich für die alleinseligmachende auSgiebt. Der Herr Hosprediger vermeidet klüglich daS allzugehässige Wort (Intoleranz), aber er bekennt sich — und auch das wieder offen und ehrlich — zur Sache, mit der Bemerkung, „daß man sich lossagen müsse von Allen, die von der alleinseligmachenden Kirche abfielen", und „Mit leid hegen für die, welche außerhalb der Kirche geboren unv erzogen wurden". Auch die zweit« Forderung ist uralt, und es ließe sich nicht» dagegen einwenden — denn „Mitleid" ist etwas Gutes —, wenn nicht die Versuche, ihr zu entsprechen, zu den grauenhaften Consequenzen, wie sie in den Religions kriegen zu Tage getreten sind, geführt hätten. Aber diese Consequenzen waren unvermeidlich und sind auch von angesehene» Lehrern der Kirche öfter» als solche dargestellt worden. Beispielsweise so: Wenn ein Mensch den Tod im Wasser sucht und ich kann ihn retten: werde ich ihn nicht, auch wider seinen Willen, herauSziehen, um ihn vor der unsühnbaren Sünde de» Selbstmorde« zu behüten? Du sagst: gewiß, daS werde ich thun, aus Mit leid mit dem Aermsten, und so sage ich: „auS gleichem Mitleid handelt die Kirche, wenn sie alles ihr Mög liche versucht, um die Menschen vor dem ewigen Tode zu behüten". Auch ein — freilich mißdeutetes — Schrift wort: „Nöthige sie, hereinzukommen" (LucaS 14,23) ließ sich dafür ansühreu und die blutigsten Verfolgungen Anders gläubiger ließen sich damit begründen. „Was ist am Ver derben de» Leibe- gelegen? Wir retten die unsterbliche Seele!" Nun ist der alleinseligmachenden Kirche zum Glück nicht mehr so viel wie ehedem möglich. Der moderne Staat hat durch seine Gesetze dafür gesorgt, daß auch die kirchlichen Bäume nicht mehr in den Himmel wachsen und allen andern Luft und Nahrung entziehen. Und daS nicht allein. Auch die katholische Laienwelt weiß größtentheil» nichts mehr vom Dogma der „alleinselig ¬ machenden" Kirche, und läßt sie eS noch in der Theorie gelten, so fällt ihr doch nicht ein, dessen praktische Consequenzen zu ziehen. Katholiken und Protestanten leben in gutem Frieden miteinander. Sie vereinigen sich Taz für Tag in gemein nützigen Bestrebungen, in patriotischen Kundgebungen, in gottgefälligen Werke» der Liebe und Humanität. Ja, wie sehr die Kirche dagegen eifer» mag — und auf ihrem Stand punkt mit Recht —: die wahre Toleranz der Gebildeten in beiden Lagern sieht in der Confessionöverschiedenheit sogar kein Hinderniß mehr, in die innigste Lebensgemeinschaft, in die Ehe, miteinander zu treten. DaS sind Fortschritte zum Besseren. Wer eS mit unserem Volk wohl meint, wird sich ihrer freuen und auch als katholischer Christ nicht für einen kirchlichen Orden schwärmen, dessen zugestandene Aufgabe eS ist, den Protestantismus — natürlich: „auS Mitleid mit den Verirrten" — zu bekämpfen und damit unter Denen, die nur als „ein Volk von Brüdern" ihre nationale Aufgabe erfüllen können, Unfrieden zu stiften. v. I). Der Krieg in Südafrika. Tte Boyeottirung der cuglischcu Handelsschiffe. * Amsterdam. 8. November. Der hiesige Dockarbeiter- Verband erhielt bisher von 16 Hilfscomitös für die Boeren die Zusicherung, daß diese im Falle des geplanten Dockarbeiter-Aus- standes fämmtlich Gcldsammlungen für die Streikenden ver anstalten werden. Die letzte große englische Niederlage bei Bethel erfährt durch spätere Berichte noch einige interessante Er gänzungen, ganz abgesehen davon, daß das britische Haupt quartier und das Londoner Kriegsamt alles Mögliche thun, um diesen brillanten Erfolg der Boeren abzuschwächcn. Kitchener legt das Hauptgewicht auf die angeblich genau festgestellten Ver luste, welche die Boeren in dieser Schlacht erlitten, und ver zeichnet dieselben mit 44 Tobten und 100 Verwundeten, also zusammen 144 Mann, wogegen die Engländer circa 300 Mann verloren, ganz abgesehen von den beiden Feldgeschützen nebst Munitionswagen u. f. w., welche die Boeren den Engländern abnahmen. Im Uebrigen muß Kitchener selbst wiederholt zu gestehen, daß die Boeren unter Botha mit größtem Elan und ausgezeichneter Tapferkeit den Ansturm auf die britische Brigade ausführten, und dabei nach einem wohlangelegten Plane Botha's einen Umzingelungsversuch machten, der nur daran scheiterte, daß eine andere englische Brigade zur Verstärkung des Obersten Benson bereits ganz in der Nähe war, während andererseits Benson selbst eine vorzügliche Stellung für seine Truppe fand, nachdem seine Geschütze verloren gegangen waren. Jedenfalls kann General Botha mit seinem Erfolg zufrieden sein, vor allen Dingen schon deshalb, weil »in derartiger Boerensieg immer die beste Antwort auf die endlosen Phrasen ist, welche von britischen Ministern mit Bezug auf das sogenannte „langsame Ausbrennen des Krieges" fortwährend gedroschen werden. Eine interessante Meldung kommt aus Capstadt. Sie be sagt, daß in Zukunft entgegen allen früheren Proclamationen der Lords Roberts und Kitchener keine freiwilligen Boercii-bapitttlatiottc» von den englischen Militärbehörden mehr acceptirt werden sollen; derartige Kapitulanten werden ebenso wie alle anderen „Ge fangenen" einfach als solche behandelt und außer Landes deportirt werden. Diese Maßregel bedeutet natürlich nichts Anderes, als einen neuen Gewaltact und einen Wortbruch der Engländer, und wird die natürliche Folge baden, daß freiwillige Uebergaben, so selten sie bisher auch gewesen sind, in Zukunft überhaupt nicht mehr stattfinden werden. Englische Werbc-Anuonce. Aus London, 6. November, wird den „M. N. N." ge schrieben: Im „Natal Mercury" vom 27. September 1901 lesen wir folgende Annonce: Waldons Späher. Hauptquartier: Platrand, Transvaal. Einige gute Leute für obiges Corps gesucht. Maximum- Dienstzeit drei Monate. 75 Procent aller ge machten Beute wird zwischen Officiere und Leute vertheilt. Pferde stellt die Negierung. Guter Profit sicher. Baldige Bewerbung nöthig. Volle Einzel heiten von W. M. H. Waldon O. C. Waldons Scouts 22. September 1901. Platrand. Obige Annonce ist um so pikanter, als der Kriegsminister auf die Anfrage, ob es wahr sei, daß cs in Südafrika so genannte „ Beutecorps " gebe, am 3. October officiell ant wortete: Es giebt keine solchen Corps; Kitchener habe das auf eine Anfrage ausdrücklich bestätigt. „Er flucht wie ei» Soldat", so sagt ein englisches Sprichwort, welches im Allgemeine» auch bei anderen Nationen wohl Aufnahme finden könnte. Dieses Fluchen scheint aber in Südafrika ganz gewaltige Di mensionen angenommen zu haben. Jedenfalls hat sich ein Pfarrer veranlaßt gesehen, Lord Roberts aufzufordern, gegen das unbändige Fluchen der englischen Soldaten ernste Maß regeln zu ergreifen. Lord Roberts hat dem ehrwürdigen Herrn jedoch mitgethcilt, daß dieses Fluchen mehr eine nationale schlechte Angewohnheit, als eine militärische sei. Die alten Soldaten pflegten im Allgemeinen weniger zu fluchen als die Recruten. Bei dieser Gelegenheit erinnert das Lon doner Militärblatt daran, daß der frühere Obercommandirende, Lord Wolselcy, einst einen Erlaß gegen das Fluchen der Sol daten veröffentlicht habe. Damals wurde ihm in den Zeitungen der Vorschlag gemacht, er möge inkognito einmal sich unter dke Fuhrleute mischen, die in der englischen Armee in den Manövern bei den Trains Verwendung finden. Wenn der Obercomman dirende, so meinte man, diese Leute gehört habe, so werde er in Zukunft die Sprache der Soldaten für eine sehr milde halten. Deutsches Reich. Berlin, 9. November. (Anarchistisches.) Das Berliner Anarchistenblatt „ NeursL « dcn " verherrlicht in der üblichen Form durch Bild, Poesie und Prosa die am II. No vember 1887 zu Chicago Hingerichteten Anarchisten. „Wir lieben sie, diese unsere Todten", heißt es in dem einen Artikel, „und ihre Namen sino uns theuer und werven nimmermehr bei uns vergessen sein." — In demselben Artikel wird die charak teristische Frage aufgeworfen, „ob Czolgosz, als er den Entschluß faßte, den Präsidenten zu erschießen, an das Bluturtheil vom II. November 1887 dachte?" — Auch Emma Goldmann kommt in der gleichen Nummer in einem Artikel über die Anarchie und die Anarchisten zu Worte. Die vielgenannte Agita torin legt darin das Bekenntniß ab, „daß dieAnarchiesich nicht ohne Gewalt behaupten wird und daß das dieselbe Gewalt ist, welche bei Thermopylae und Marathon den Sieg davontrug". — Die klassische Anspielung ist lediglich phrasenhaft, die Hauptsache bleibt das Eingeständniß der Ueber- zeugung, die Anarchie nur mit Gewalt sich behaupten zu sehen. Berlin, 9. November. (N a tio na l li b e rale und Freisinnige i n W i e s b a d e n.) Sehr eingehend und mit Anwendung persönlicher Polemik beschäftigte sich die „Freisinnige Zeitung" in den letzten Tagen mit der Wiesbadener Reichstags ersatzwahl, wobei denn auch in sachlicher Beziehung die Dinge geradezu auf den Kopf «gestellt wurden und unter Anderem be hauptet wurde, die naiionalliberale Parteileitung in Wiesbaden hätte erklärt, den Freisinn nicht einmal in der Stichwahl mit den Socialdemokraten unterstützen zu können. Gegenüber diesen Ver drehungen ergreift das nationalliberale „Frankfurter Journal" das Wort zu folgender Abwehr: „Die „Freisinnige Zeitung" ist bekanntlich in den Besitz eines Rundschreibens gelangt, welches die nationalliberale Parteileitung in Wiesbaden an ihre Ver trauensmänner verschickt hat, um ihnen die Sachlage bei Beginn der Wahlarbeit zu erläutern. Das Rundschreiben stellt wahr heitsgemäß dar, was auch oer heute uns vorliegende Wahlaufruf der natioaallibcralen Partei in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt, daß die Gefahr eines socialbemokratischen Wahlerfolges immer größer geworden ist, insbesondere auch deshalb, weil der spccifische Wiesbadener Communalfreisinn es verstanden hat, weite Kreise der gemäßigten Liberalen durch sein Parteiregiment im Rathhause vor den Kopf zu stoßen und zu verbittern. Das Rundschreiben gebt von dec Besorgniß aus, daß diese Kreise im Falle einer Stichwahl zwischen Freisinn und Socialdemvkratie dem an sie ergehenden Appell der Parteileitung nicht Folge leisten, also den Freisinnigen auch in der Stichwahl nicht wählen würden. In der „Freisinnigen Zeitung" wird diese Aeußerung der Be sorgniß in ihr Geaentheil verkehrt, als ob die Parteileitung in Wiesbaden „erklärt" hätte, „den Freisinn nicht einmal in der Stichwahl mit den Socialdemokraten unterstützen zu können." Die „Freisinnige Zeitung" leistet den Interessen ihres Partei- candivaten in Wiesbaden einen schlechten Dienst, indem sie auch noch durch Entstellungen das leider schon hohe Maß von Ver bitterung steigert. Dazu noch die verletzende Darstellung, als ob die Nationalliberalcn, nur vom „wilden unv blinden Mandats hunger fanatisirt", das Lanotagsmandat als Preis der Unter stützung des freisinnigen Candidaten bei der Reichsta'gswahl ver kannt hätten. In Wirklichkeit liegen die Dinge doch so, daß jetzt und in alle Zukunft das freisinnige Reichstagsmandat ohne Beistand aller bürgerlichen Parteien unmöglich zu halten ist und daß der Freisinn lediglich die Wahl hat, welcher Partei er dafür die unerläßliche Concesswn machen will. Wäre es der frei sinnigen Pa^te! etwa lieber, dem Centrum oder den konservativen den Preis zu zahlen? Es ist nichts weniger als Mandats hunger, was die Nationalliberalen veranlaßt hat, den Frei sinnigen da^ Compromiß anzubieten, sondern der Wunsch, die beiden Mandate in liberalen Händen zu halten. Doch das Compromiß ist schroff abgclchnt worden und die Folgen werden sich ja zeigen. Keinesfalls werden sie aüer dadurch abgSwehrt. daß die „Freisinnige Zeitung" nun mit besonderer Gehässigkeit über die „wunderbare Art nationalliberaler Staatsmänner in Wiesbaden" sich ausläßt. -s-Berlin, 9. November. (Die Wohnungsfrage und die Berliner'Stadtverordneten.) Will man den richtigen Maßstab an die Beschlüsse der Berliner Stadtverordnetenversammlung zur Linde rung der Wohnungsnoth anlegen, so muß man sie mit den Maßnahmen vergleichen, die ander« Gemeinden in derselben Richtung ergriffen haben. Einen derartigen Vergleich erleichtert der vom Mannheimer Oberbürgermeister Beck zu den Untersuchungen der Wohnungsfrage, die der Verein für Social politik heransgegeben hat, gelieferte Beitrag („Neue Unter suchungen über die Wohnungsfrage", 2. Band. Leipzig, Dunckcr L Humblot.). Legt man diesen vergleichenden Maßstab an, so ergiebt sich, daß die Donnerstagsbeschlüsic der Berliner Stadt verordnetenversammlung zivar einen Fortschritt bedeuten, daß durch sie aber noch lange nicht alle die Mittel erschöpft sind, di« eine Gemeinde z»ir Beseitigung der Wohnungsnoth ergreifen kann. Die Ablehnung des Baues städtischer Wohnungen für die städti schen Arbeiter und Beamten wird am wenigsten überraschen. Auch Oberbürgermeister Beck nennt den Eigenbau von Häusern durch sie Gemeinde oder andere öffentliche Verbände das letzte Mittel bei der Förderung gemeinnütziger Bnuthätigkeit, und 'in Preußen ist dieses Mittel unseres Wissens noch nicht zur Anwendung ge langt. Der zweite Beschluß der Stadtverordneten, durch Er weiterung der Statistik möglichst alljährlich ein genaues Bild der Wohnunqsverhältnifse zu beschaffen, ist an sich billigenswerkh, für die praktische Lösung der Wohnungsfrage jedoch nur eine Vor arbeit. Der dritte Beschluß, die unbebauten Grundstücke wirk samer als bisher, vielleicht nach dem gemeinen Werthe (anstatt nach dem Jahresertrage) zu besteuern, bedeutet vom praktischen Standpuncte aus schon mehr. Auch die Erweiterung de» städti schen Geländes, das für den Bau kleiner Wohnungen verkauft werden soll, ist zu begrüßen. Allerdings entsteht in Bezug hierauf die Frage, ob sich die Stadt, wenn sie Gelände für den Bau kleiner Wohnungen verkauft, nicht gleichzeitig sich einen vertrags mäßigen Einfluß aus die Höhe der' Mieth« in den zu erbauenden Häusern sichern soll Daß die Reichshauptstadt bei diesem Mittel, i die Bauthätigkeit von Gemeinde wegen zu fördern, erst Gebrauch I macht, nachdem eine aelnze Rcihe anderer Städte, z. B. Danzig, I Greifswald, Stolp, Stralsund, Kiel, Göttingen, Hannover, j Frankfurt a. M., Aachen, Düsseldorf, Köln mit dem guten Bei-
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