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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.11.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011112019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901111201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901111201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
- Tag1901-11-12
- Monat1901-11
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Ämlsölatt des königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes «nd Volizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Anzeige« »Preis die 6 gespaltene Petitzeüe 2S Reclameu unter demRedactiouSstrich (»gespalten) 7S Ld vor deu Familiennach» richten («gespalten) 80 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuannahme 25 (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbesörderung ./l V0.—, mit Postbesörderung 70.—. Fnuahmeschluß für Akyeige«: Sb end-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Lei de» Filialen und Annahmestellen je »iue halbe Stunde früher. Anzeigen sind -et» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Nr. 577. Karlsruhe und Wiesbaden. vdr. Noch ist di« Kluft in der Centrumspartei, die sich in Karl-ruhe aufgethan hat, al» Herr Wacker bei den Landtags wahlen die Gocialdemokvaten unterstützte, um nur ja keinen Na tionalliberalen durchzulassen, nicht geschloffen, und schon klafft ein neuer Zwiespalt in der Centrumspartei. Diesmal im Wahlkreise Wiesbaden-Bieberich-Eltville-Rüdeshrim-Langen- schwalbach-Wehen, und aus ähnlichem Anlässe, wie in Karls ruhe. Auch der „Fall Wedewer" ist über den einzelnen Wahl kreis hinaus bedeutsam, schon deshalb, weil dem Vernehmen nach Herr vr. Lieber vom Krankenlager aus auf die Vor gänge einzuwirken versucht hat. Erster Act: Besprechungen unter maßgebenden Persön lichkeiten der nationalliberalen, der conservanven und der Cen-- trumspartei. Alle hegen den Wunsch, in der Vertretung des Wahlkreises im Reichstage endlich einmal Wandel zu schiffen, da der Freisinn seit geraumer Zeit nur noch auf Krücken in die Stichwahl zu gelangen vermochte, also längst nicht mehr die stärkste unter den bürgerlichen Parteien ist. Aber keine der nicht freisinnigen bürgerlichen Parteien allein kann den Wandel herboiführen. All« hegen die Besorgnis, daß die Socialdemo- krate» siegen, wenn wiederum der Freisinn in die Stichwahl kommen sollte. Man möchte deshalb für die erste Wahl eine Verabredung treffen, damit für die Stichwahl bessere Aus sichten geboten werden. Jeder muß aber dem Anderen reinen Wein darüber einschenken, daß die trennenden Wasser zu tief sind und ein Zusammenkommen nicht recht gedacht werden kann. Und doch geht Jeder mit dem Gedanken ab: wie machen wir's nur, um uns dennoch zu verständigen? Zweiter Act: Eine Polizeipräsident tritt auf. Tadelloser Katholik, bei Hoch und Niedrig gleich beliebt, Aristo krat im besten Sinne deS Worte», allerdings freiconservativ seinem politischen Bekenntnisse nach, aber in allem Uebrigen völlig «lnwandfreier Compromißcandidat, auch für die auf richtigen Gegner der Socialdemokratie im Centrum. Die frei sinnigen Aktien fallen stark im Course. So sehr, daß die Wafferstiefler «in Convenkikrl halten, um allgemein flau zu machen. Sie stxfsen da und dort die Bemerkung fallen, daß sie in einer Stichwahl zwischen dem Polizeipräsidenten und dem Sociakdemokraten männiglich für Letzteren stimmen würden. Dritter Act: D«r niedere Klerus macht den Acheron mobil, um seinen „Oberen" die Lust zum Compromiß mit den nationalen Parteien gründlich zu verleiden. Beschluß der in Eltville versammelten klerikalen Vertrauensmänner, jedenfalls einen eigenen, reinen Centrumscandidaten aufzustellen. Man hat noch keinen, aber man will ihn suchen und in einer späteren Versammlung prockamiren. Vierter Act: Diese „spätere" Versammlung findet statt. Die „Oberen" haben den Compromißgedanken fallen lassen. Mer sie selbst wollen nun den Centrumscandidaten auswählen, der aufgestellt werden soll; er soll ein Mann nach ihrem, nicht nach dem Geschmacke des niederen Klerus sein. 8ie vos, non vodis! Die Radikalklerikalen machen gut« Miene zum bösen Spiel. Mit 76 gegen 6 Stimmen wird der „feingebildete" und „in der besten Wiesbadener Gesellschaft hochgeachtete" Theologe, Professor Or. Wedewer, aufgestillt. „Getragen von Be geisterung, das Herz voll Zuversicht", so trennt man sich in Eltville. Vorläufig letzter Act: Der niedere KleruS — man nennt die Namen zweier Geistlichen von Mittelheim und Lorch — seht dem „feinaebildeten" Manne aus den „besten Wiesbadener Ge sellschaftskreisen" derart zu, daß er von der Candidatur zurück tritt. „Wolle die Partei einen anständigen Menschen, so möge sie sich erst von der Fäulniß des Jntrigantenthums befreien. Der Mittekheimer Geistliche aber reist nach Köln und gewinnt —- Herrn Eduard F uchS, den vielgenannten LandtagSabgeord- neten, nach dessen wiederholten Erklärungen Niemand in den Himmel kommt, der nicht „Centrum wählt". Fuchs wird auf gestellt. DaS CentrumSblatt in Wiesbaden aber erklärt, daß «S „für rein gar nichts zu haben sein werde, so lange nicht die Frage entschieden sei: ob Autorität der Vertrauensmänner versammlung oder Herrschaft des Jntrigantenthums." Da» ist der Aufruhr, wie «r im Buche steht — verursacht durch dieselben Rücksichten, von denen auch in Karlsruhe die ge mäßigte, oder sagen wir: diplomatisch kluge Rich tung im Tentrum sich hat leiten lassen, al» sie gegen den Wunsch und Willen d«S Herrn Wacker dennoch an der Be kämpfung des Socialdemokraten theilgenommen hat. Was in Wiesbaden noch aus dem Falle Wedewer entstehen wird, ist vor läufig nicht abzusehen. Der Gegensatz kommt hier schon weit schärfer al» in Karlsruhe zum Ausdrucke. DaS liegt zum Theil mit an den Personen. In Karlsruhe hat Herr Wacker die Geißel derart.geschwungen, daß die klügere und aus Klugheit versöhnliche staatSerhaltende Richtung wenigstens schweigt. In Wiesbaden sind e» nicht die radikalen Durchgänger, sondern die „Oberen", die in der Presse daS Wort führen. Da wagt man e» noch, den Geistern deS Acheron ein kräftig Wörtlein zu sagen. Der Zwiespalt an sich ist derselbe. Das „BolkSblatt" in Wiesbaden mag ihn al» Gegensatz zwischen Autorität und Jn- triaantenthum behandeln. Am letzten Ende liegt der ScheidungSgrund doch tiefer. DaS Centrum ist eben zu lange schon in unanttelbarr Berührung zu der tatsächlich herrschenden Gewalt in Reich und Tinzrlstaat gekommen, als daß eS die Politik de» blindwüthigen DemvnstrirrnS so, wie in den sieb ziger Jahren, immer noch fortsetzen könnte. Insbesondere hat es mehr und mehr «insehen «lernt, daß mit Socialifien, mit DolUpartei und anderen Radikalen überhaupt kein politischer Ziel mehr zu verfolgen ist. Auf parlamentarischen Wegen be festigt sich der Einfluß und die Bedeutung dei Centrum» weit mehr durch die stete und willig« Mitarbeit mit den — Mittel parteien, intbesvnder« mit den Natioualliberalen! „Dak war «Hedem paradox, aber jetzt bestätigt e« di« Zeit." Die Intransigenten in Lorch, Mittelheim uno Zähringen wollen die» natürlich nicht einsehen und sich nicht entschließen, die Tonseauenz daraus ru ziehen. Was den Gemäßigten als Gebot diplomatischer Klugheit erscheint, ist ihnen einfach ein Greuel. Glauben'jen«, durch immer innigere Beziehungen zu den herrschenden Gewalten im Staate und zu den positiven Elementen in den gesetzgebenden Körpern einen immer größeren Einfluß der Kirche auf Staats- und Volksleben zu erzielen, so fürchten di« Anderen zunächst, daß sie selbst abaedonkt werdrn t» Weiteren auch, daß der streübar« Geist der römischen Kirche derflache. Genug, sie scheuen selbst vor Hinterlist und S5. Jahrgang. Dienstag den 12. November 1901. Jntrigue nicht zurück, wie sie jetzt in Mittelheim und Lorch als Mittel zum Zwecke diente. So ganz ohne Riss« steht also der Centrumsthurm nicht mehr da, selbst wenn er von der Agrarbewegung im Rheinland- und in Bayern auf die Dauer nichts zu fürchten haben sollte. Die in Wiesbaden aufgebrochrnen Gegensätze aber beziehen sich auf das Lebensprincip des Crntrums, auf das Vcrhältmß der Kirche und ihrer Organe zum Staat und zum staatlichen Leben. Und diese Gegensätze sind tief und schroff! Der Krieg in Südafrika. Lor» SaliSturh'S Rede * London. II. November. (Telegramm.) Die Morgen- blätter weoden sich bei der Besprechung der Rede Lord Salis bury'» in Guildhall allgemein gegen seiae Behauptung vou der Ua- bestlmmtheit der über de» südafrikanischen Krieg geäußerten Kritiken. Die „ TimeS " sogen: Denn irgend eine Rechtfertigung für di« schärfere Kritik der Kriegführung vounöthen war, so ist sie durch die von Lord Salisbury an deu Tag gelegte Haltung ungewohnter Sorglosigkeit geliefert worden. Die Behauptung Lord SaliS- bury'S, daß die Regierung ihre Pflicht nicht vernachlässige, erschöpft dte Frage nicht. Man hat zwei Wege, seine Schuldigkeit zu thun; eS muß dem Lande zu Gute gehalten werden, wenn cS fragt, ob nicht Schlaffheit an Stelle von Thatkraft und Wach samkeit im Spiele gewesen ist." — Die „Morning Post" schreibt, Lord Sali-bury würde seine Landsleute zufrieden- gestellt habe», wenn er auf etwa» Bestimmte» hätte Hinweisen köuuen. Seine Rede hätte mehr Ermuthigung ge boten, wenn er einfachere Gründe für seinen Optimis mus hätte ongeben können. — „Daily Mail" meint, die Rede sei keine der glücklichsten Leistungen Lord Salisbury'» gewesen und hab« di« Brg«ist«rung seinrr Zuhörrr vollkommen zum Schwinden gebracht. * London, 11. November. (Telegramm.) Salisbury'» Rede wird fast allgemein al- zu optimistisch gekennzeichnet. Man vermißt i» ihr di« Gründ«, di« deu Optimismus der Regierung rechtfertige« könnten. Verschiede»« Blätter meinen, dem Lande sei zu oft gesagt worde», daß der Krieg vorüber oder so gut wie vorüber sei, daß e» kein wirklicher Krieg, sondern nur eine Art vou Krieg fei, al» daß eS sich mit Worten begnüge» könne; r» wolle Thatsacheu hören. „Daily Mail" schreibt nach einem Hiowei» auf die vielen Jrrthümer der Regierung, daS Ministerium beharrt denThatsachen zu- wider bei einem Verhalten, al» ob eS durchaus sicher wäre, Laß der Krieg im nächsten Monat endigen werde. Während nun kein wirklicher Grund vorhanden ist, das baldige Ende deS Krieges zu erwarten, scheint eS un» eine erstaunliche JndiScretion für «inen eng- lischen Premierminister, öffentlich auSzusprechen, daß nur daS Wohl- wollen unserer Nachbarn un» vor einer Einmischung schützt, die vor SO Jahren erfolgt wär«. — In ähnlichem Sinne äußern sich auch „Daily Chronicle" und „Daily NewS", während die unionistischen Blätter zwischen den Zeile» der Rede lesen wollen, daß die Diug« in Südafrika besser stehen al» allgemein angenommen werde. Al» bedeutsam wird e» auch bezeichnet, daß während Lord Salisbury vor etlichen Monaten erklärte, daß den Boeren kein Fetze« Uoabhäugigkeit gelassen werden dürfe, er jetzt davon spricht, ihnen dieselbe Selbstverwaltung zu gewähren, die andere britische Colonien genießen. Inzwischen meldet ein Capslädtrr Telegramm, daß Kitchener und Sprigg einen Plan sür die Säuberung der Capcolonie von den Boeren durch Heran- ziehung aller Loyalisten der Colonie zum Kriegsdienst auSgearbeitet habe», und einem Durbaner Telegramm zufolge concentriren di« Boer«« sich bet DrakeaSberg, um in die reichen Gefilde von Ost-Griqualand einzufallen. (Voss. Ztg.) Gt>s<ätzißu»D«c»»missi»ii. * L«»d<». II. November. (Telegramm.) Ju der heutigen Sitzung der SutschädtgungScommissiou theilte der Regierung«- Vertreter Ardagh mit, daß do» Abkommen mit der niederlän dische» Regierung über die Zahlung einer Pauschalsumme vou 37 500 Lstrl. in Wirklichkeit abgeschlossen sei, wenn auch einige minder wichtige Punct« noch nicht geregelt seien. Das schlt«»fte Schandmal, welches die Engländer ihrem Ehrenschilde in Südafrika auf-, gedrückt haben, — daS langsame Hin morden der Frauen und Kinder der Boeren in den Con cent ra t i o n S l a y e r n , — will sich trotz aller officiellen und officiösen Bemühungen nicht kurzer Hand aultilaen lassen, im Segentheil, — e» finden sich immer mehr Beweise für die Richtigkeit der gejzen die Regierung und die oberste Hecrführung in Südafrika gerichteten Anklagen, sowie immer mehr Stimmen, die diese Anklagen klar und deutlich vor der britischen Nation au«sprechen. Neuerdina» ist eS da» hervorragendste englische Organ der medirinischen Profession, „The British Medical Journal", welche« in unparteiischer Weise eine Analyse der officiellen SterblichkeitSziffern jener Stätten des größten Elend» vornimmt. Da» vornehme Blatt kommt dann auch auf Grund der Statistiken der letzten vier Monate zu dem Schluffe, daß die jährlich« Todesrate unter den zusammen gepferchten voerenkindern 322,6 per Tausend beträgt, mit anderen Worten, daß von je drei Kindern eines per Jahr stirbt. Dai Journal glaubt nicht, daß Masern-Epidemien allein für diese enorme Rate verantwortlich sind, sondern behauptet, daß Ruhr und Diarrhoe in großem Umfange grassiren. Dazu bemerkt das „B. M. I." noch wörtlich: „Wahrscheinlich haben unpassende Nahrung und ungenügende Kleidung in hohem Grade dazu bei- getragen, daß diese» betrübende Resultat zu verzeichnen ist." ES ist ja längst eine anerkannte Thatsache, daß in den Lagern meisten» nicht nur ungenügende, sondern auch mehr oder weniger verdorbene und direct lebrntgefährliche Lebensmittel (besonders für Kinder) §ur Luttheiluna gelangen, und so wird e» denn auch mehr wie verständlich, daß in vier Monaten über 6000 Menschenleben diesem barbarischen Sy st em zumOpfergefallen sind. Gewisse offiri'öse Kreise und Zeitungen in London wollen diese hohe Sterblichkeit rundweg mit der „bekannten Unreinlichkeit und Wasserscheu der Boeren rechtfertigen, eine pharisäerischc Ausflucht, die dem inedicinischen Journal Veranlassung giebt, sich wie folgt zu äußern: „Sollte dies wirklich der Fall sein, so wäre es nur noch ein weiterer schwerwiegender Grund, um die Fortdauer der Concentratron so vieler Personen unter solch' unbefriedigenden Umständen nicht zu gestatten." , , Im Uebrigen läßt sich wohl behaupten, daß auch der primi tivste Boer von den Durchschnitts-Soldaten der glorreichen britischen Armee an physischer und moralischer Unreinlichkeit noch um 1000 Procent übertroffen wird, ein Umstand, für den eben falls zahlreiche mündliche und schriftliche AuSsprüche medi- cinischer Autoritäten in England und Südafrika als Beweise vorliegen. Das „Journal" verurtheilt das ganze Lagersystem durchaus und meint, daß „die einzige Mög lichkeit, um eine befriedigende Aenderung zu schaffen, darin liege, daß man die großen Lager in eine Anzahl von bedeutend kleineren umwandele, die dann aber an gesünderen und über haupt geeigneteren Plätzen anzulegen sein würden". Einstweilen scheint jedoch noch absolut keine Aussicht dafür vorhanden zu sein, daß die Regierung resp. das Kriegsamt sich wieder zur Vernunft und Menschlichkeit bekehren lassen wird. Mr. Brodrick sprach von den ungeheuren Kosten, die eine Ver legung der Concentrationslager bedingen würde, und so wird also der Kindermord im Großen vorläufig seinen Fortgang nehmen ad mazorem Lritaunias gloriam. Wie sich im Uebrigen die brilische Regierung dazu stellt, daß die Wahrheit über die grauenhaften Zustände in diesen Lagern bekannt wird, geht am besten aus der per Kabel von Capstadt gemeldeten Thatsache hervor, daß Miß Hob House, jene muthige Dame, welche seiner Zeit bekanntlich die ersten Ent hüllungen an Hand ihrer eigenen Erfahrungen in Südafrika über die Lage der unglücklichen Frauen und Kinder der Boeren veröffentlichte, ihre vor drei Wochen angetretene zweite Aus reise nach dem Kriegsschauplätze nicht hat vollenden können, indem sie, wie gemeldet, bei ihrer Landung in Capstadt kurzer Hand „arretirt" und mit dem nächsten Dampfer nach Europa zurückgeschickt wurde. Wie das freie England eine solche Ver gewaltigung motiviren rind entschuldigen will, ist und bleibt un erfindlich. Deutsches Reich. Berlin, 11. November. (Deutsche Postbeamte für den Colonialdienst.) Die Postanstalten in den deutschen Colonien und Schutzgebieten haben, wie die „Monats blätter für Post und Telegraphie" ausführen, in den letzten Jahren eine bedeutende Vermehrung erfahren. Da der Dienst bei sämmtlichen Postanstalten, mit Ausnahme weniger Post agenturen, durch Post-Fachbeamte wahrgenommen wird, ist auch der Bedarf an Postbeamten für den Tropendienst gegen früher gestiegen. Noch vor einigen Jahren wurde von den Beamte», welche sich für den Colonial Postdienst meldeten, in sprach licher Beziehung im Allgemeinen nur die Kenntniß des Eng lischen und des Französischen beansprucht und ihnen im Uebrigen überlassen, sich die weiter erforderlichen Sprachkenntnisse am Orte ihrer Beschäftigung in den Colonien selbst anzueignen. Diese Maßnahme hatte indessen mancherlei Unzuträglichkeiten zur Folge. Besonders bei dem Bau neuer Telegraphen leitungen in unseren afrikanischen Besitzungen wurde es als Uebelstand empfunden, daß der bauführende Telegraphenbeamte, der fern von seiner Station oft viele Monate hindurch lediglich auf die Hilfeleistung der Eingeborenen angewiesen war, sich mit diesen in ihrer Muttersprache nur schwer oder gar nicht verständigen konnte. Mit Rücksicht hierauf werden jetzt die be treffenden Beamten schon vor ihrer Entsendung nach den Colonien in der für ihre künftige Verwendung erforderlichen Sprache ausgebildet. Es wird deshalb während des bevor stehenden Wintersemesters wiederum eine Anzahl jüngerer Post beamten, die bei sich darbietender Gelegenheit in den Colonien, in deutschen Schutzgebieten oder bei dem kaiserlich deutschen Postamt in Konstantinopel Verwendung finden sollen, das Orientalische Seminar in Berlin besuchen. Die Ausbildung erfolgt entweder im Chinesischen oder Türkischen und Neu arabischen oder in Suaheli, Guzerati und Hindustani. — Im Uebrigen wird von der Reichspostverwaltung unter den Be amten, welche sich für den Tropendienst melden, strenge Aus wahl getroffen. Bewerber nm derartige Stellen müssen in Führung und Leistungen durchweg befriedigt haben, im besten Mannesalter stehen, gesund, kräftig und »nverheirathet sein, gute Umgangsformen haben, sowie umsichtig und selbstständig sein, um erforderlichenfalls dringende Anordnungen ohne höhere Entscheidung treffen zu können. Hinsichtlich ihres Ge sundheitszustandes werden die Bewerber durch einen in Tropcn- hyaieine erfahrenen Berliner Arzt gründlich untersucht. Dank dieser besonderen Vorsicht, sowie der verbesserten sanitären insbesondere auch der Wohnungsverhältnisse in den Schutz gebieten gehören schwere Erkrankungen der daselbst thätigen Be amten jetzt zu den Seltenheiten. Eine nicht geringe Anzahl der Beamten kehrt sogar mit dem Wunsche in die Hcimath zurück, später wieder in den Tropen beschäftigt zu werden. So ist erst neuerdings, wie bereits berichtet, der Postrath Puche, der mehrere Jahre in Afrika thätig gewesen ist, nach China entsandt worden, um dort die Leitung der neu zu begründende» deutschen Ober-Postdirection in Shanghai zu übernehmen. Berlin, 11^ November. (Bestrafte Ruhmredig keit.) Als di« Socialdemokraten bei den Berliner Stadt- verordnetenwahlen der dritten Abtheilung unbestreitbar einen großen Erfolg errungen hatten, nahm der „Vorwärts" den Mund derart voll, daß er erklärte: „Das Vertrauen der Berliner Bürgerschaft gehört der Social demokrati e". Im Vertrauen auf dieses Vertrauen forderte er vie „Genossen" auf, auch in der zweiten und der ersten Ab theilung sich an der Wahl zu betheiligen und für Paul Singer zu stimmen. Wir wollen dem .vorwärts" nicht unterstellen, daß r» sich der Erlvartuiig hingegeben hätte, Singer könnte in irgend einem Bezirke durchdringen, aber wenn inan seine Aufforderung mit der oben angeführten AeußeruNg zusammenhält, so hat er doch zweifellos angenommen, e< würde sich in allen Bezirken zu sammen auf Singer «ine Stimmenziffer vereinigen lassen, die einer Demonstration gleichsam,. Und da« Ergebniß? In der zweiten Abtheilung sind inSgesammt 12 784 Stimmen abgegeben worden, »ondenenauf Herrn Singerganz« 83 ent fiel««, »lso etwa zwei Drittel Procent. Au» diesem Er gebmß mag der „Vorwärts" ersehen, daß der Satz, di« Sorial- oemokratie genieße das Vertrauen der Berliner Bevölkerung, denn doch einer sehr starken Einschränkung bedarf. Denn hätten die bürgerlichen Parteien nicht in einer Reihe von Be zirken der dritten Abtheilung die Flinte ins Korn geworfen, so würven in allen drei Abteilungen zusammen sicherlich min destens ebensoviel bürgerliche Stimmen abgegeben worden sein, wie socialocmokratische. Und dies« bürgerlichen Stimmen ge hören doch sozusagen auch zur „Berliner Bevölkerung". — In Verbindung hiermit sei beiläufig ein höchst eigenartiger Grund angeführt, den sich die „Köln. Volksztg." für den Ausgang der Wahlen der dritten Abtheilung zurcchtgelcgt hat. Sie meint, ein guter Theil ver der Socialdemokratie zugefallenen Stimmen sei auf die Rechnung durchaus nicht socialistischer, sondern sehr monarchisch gesinnter Leute zu setzen, die ihrer Opposition gegen die englische Politik des Kaisers und der Regierung damit hätten zum Ausdruck verhelfen wollen. Mr wollen ge miß nicht bestreiten, daß diese Opposition in Berlin ebenso stark ist wie im ganzen Reiche, aber wir glauben, daß darum auch nicht eine einzige Stimme mehr der Socialdemokratie zugefallen ist. Die Vermuthung des rheinischen Blattes aber ist Wohl nicht ganz absichtslos ausgesprochen: man braucht nur daran zu denken, daß speciell in Berlin die antienglischen Elemente wohl zum größten Theile Kreisen angehören, die für den Kleri- kalismus nicht viel mehr Sympathien besitzen, als für die Eng länder. D Berlin, l l. November. (Telegramm.) Zur gestri gen FrübstückStafel beim Katserpaare waren geladen Prinz Eitel Friedrich, Herzog von Sachsen-Coburg, Erb prinz von Hobenlohe-Langenburss, bayer. General Reichl in von Meldegg mit Gemahlin, bayer. General von Endreß, Gereralteutnant von Brun, Lord und Lady Gough, General von Löwenfeld. An der Abendtafel nahmen Theil Prinz Eitel Friedrich und der Herzog von Sachsen-Coburg. — Heute Morgen von 9 Uhr ab körte der Kaiser den Vortrag deS Cbef» deS Civil- cabinets, vr. von LucanuS. Zur FrühflückStafel ist der Reichskanzler Graf von Bülow geladen. D Berlin, 1l. November. (Telegramm.) Die „Nordd. Allgem. Ztg." schreibt: Der Reichskanzler hat sich beute Mittag nach Potsdam zum Vortrag beim Kaiser begeben. — Heute Nachmittag tritt unter dem Vorsitz deS Ministerpräsidenten Graf v. Bülow daS Staats ministerin»» zusammen, um über die von den Buckdess- rathSauSschüssen vorgeschlagenen Abänderungen zum Zolltarif-Entwurf und über die in dieser Sache für da» Plenum des BunbeSratheS gestellten Anträge sich schlüssig zu machen. An der Sitzung wird auch der Staatssekretär Frei herr v. Tbielmann theilnehmen. D Berlin, 1l. November. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" veröffentlicht ein allerhöchstes Patent, betreffend Abänderung der Bestimmungen des von Kaiser Wilhelm l. am 9. November 1859 gestifteten Schtller-reiseS zweck besserer Verwirklichung ver von dem erhabenen Stifter gehegten Absicht. Die Bestimmungen kommen das erste Mal für den am 10. November 1902 zu ertbeilenden Preis zur Anwendung. Dem Art. 3 der Ab änderung zufolge hat die Commission, wenn sie mehrere Werke deS Preises würdig erachtet, dieselbe» in ihrem Be richte unter Angabe der Reihenfolge namhaft zu machen. Die Auswahl unter diesen Werken behält sich der Kaiser vor. A Berlin, 11. November. (Telegramm.) Der „RenhSanzciger" veröffentlicht die Ernennung deS außer ordentlichen Professors Martin Spahn in Bonn und des Privatvocenten Friedrich Mcinecke-Berlin zu ordentlichen Professoren der philosophischen Facultät ver Universität Straßburg. D Berlin, 1 l. November. (Telegramm.) Die Kreuz zeitung" hört, Consistorialrath Reicke, der seit einiger Zeit commissarisch im NcichSversicherungSamte thatig ist, wurde nunmehr zum ständigen Mitgliede daselbst ernannt. L. Berlin, 11. November. (Privattelegramm.) Der Unterstaatssekretär im ReichSamt deS Innern, Wirkl. Geh. Ratb Rothe, wird dem Vernehmen der „Nat.-Ztg." zufolge demnächst in den Ruhestand treten. — Für den diesjährigen Iagdbesuch de» Kaiser» in Obersch lesien ist nunmehr der December in Aussicht ge nommen und zwar zunächst ein Jagdaufenthalt beim Fürsten Henckel von Donnersmarck aus Neuveck am 6., 7. und 8. December. — Eine große „MilcbsLwemme" erwarten binnen Kurzen« die Berliner Milchhändler. Sie erklären, daß nicht nur keinerlei Milchmangel mehr zu spüren sei, sondern daß die Milchzufuhr in vier Wochen da» Maß des Bedarfs er heblich überstiegen haben und damit die Absicht des Milch- ringeS vollständig vereitelt sein werde. Durch Regelung der weslpreußischen Milcheinfuhr und Verfrachtung ver Milch in größeren Mengen dürfte auch bald eine Verbilligung de« Preises erzielt werden. — Die Wiener „Neue fr. Pr." erhält von besonderer Seite aus München eine Meldung, wonach die fortschritt lichen Parteien und die Socia listen im deutschen Reichstag fest entschlossen seien, nicht durch Obstruc- tion, aber durch gründliche Berathung nicht nur des Zolltarifs mit seinen tausend Positionen, sondern auch de» Budgets die Verabschiedung de» Zolltarifgesehes bi» zum 31. December 1902 zu verhindern. DaS sei der letzte Tag für die Kündigung der Handelsverträge, und wenn di» dahin der Zolltarif nicht erledigt ist, können die Handelsver träge nicht gekündigt werden, sie laufen dann still schweigend bis Ende 1904. In diesem Falle würden die deut schen Reichstogswahlen von 1903 sich unter dem Schlagwort „für oder geoen den Zolltarif" Vollzügen, und damit wäre der Tarif gefallen (?). Der deutsche Reichstag gehe be wegten Tagen entgegen, der Zolltarif werde an seiner Aus führlichkeit zu Grunde gehen, und daran werde sich kaum etwas ändern, ob der' parlamentarischen Minderheit Graf Bülow oder ein anderer Reichskanzler geaenüberstehe. „Der Kampf ailt dem agrarischen Uebermuth, seinen Verbündeten und fflr- dcrern " — Wir verzeichnen dies« Meldung In der Gewißheit, daß bei dem Wiener Blatte oder seinem Gewährsmann« d«r Wunsch der Vater des Gedankens grwesen ist.
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