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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.11.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011113011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901111301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901111301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
- Tag1901-11-13
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Nurksvkttt des Lönigkichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes «nd Notizei-Ämtes -er Lta-L Leipzig. Anzeigen »Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem Redacttou-strich (-gespalten) 75 vor den Familiennach» richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung (iS.—, mit Postbeförderung ^8 7V.—. Iianahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: BormittagS 10 Uhr. Morgeu-Au-gabe: Nachmittag- - Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. SS. Jahrgang. Mittwoch den 13. November 1901 Die Lösung -er Kreta-Frage. V. 8. Der König von Griechenland ist mit seinem Sohne, dem Generalgouverneur von Kreta, aus Wien nach Athen zurück gereist, ohne daß eine Entscheidung über die Zukunft der Insel getroffen worden wäre. Im Augenblick bleibt demnach Alles beim Alten. Aber daß eine Veränderung der politischen Ver hältnisse auf der Insel in absehbarer Zeit nicht zu erwarten sei, wird im Ernste wohl Niemand glauben. Das Mandat des Prinzen Georg läuft bekanntlich in den nächsten Wochen ab, und bis dahin muß nach der einen oder anderen Seite jedenfalls eine Klarlegung erfolgen. Sollten sich die Schutzmächte, wie wahrscheinlich, bis zum Januar nicht über die Sache einigen können, so ist es möglich, daß Prinz Georg noch einige Wochen die Verwaltung über Kreta führt. Aber nach seinen früher ab gegebenen Erklärungen kann man nicht annehmen, daß er diese Tyätigkeit lange auSübt. Die Frage, ob Kreta unabhängig wird oder sich Griechenland angliedert, muß daher bald ihre Lösung erhalten. Die Stimmung der Kreter, soweit sie wenigstens Christen sind, ist auf den Anschluß an das stammverwandte Königreich gerichtet. Das ist wiederholt mit vollster Klarheit hervor getreten. Vor einem Jahre reiste Prinz Georg an die Höfe der Schuhmächte, um diese sofort zur Einwilligung in die Ver einigung Kretas und Griechenlands zu bewegen. Daß sein Vorgehen von einem großen Theil der Jnselbevölkerung ge billigt wurde, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Als die Mission des Generalgouverneurs scheiterte und die Herrscher und ihre Minister, durch die China-Wirren übermäßig in Anspruch genommen, nichts von der Aufrollung der Kreta- Frage wissen wollten, da hielt man auf der Insel einige Monate nothgedrungen Ruhe. Aber im Sommer wurde die Sache aufs Neue aufgerührt und eine förmliche Kundgebung der Volks vertretung veranstaltet. Der Abgeordnete Michelidatis stellte bekanntlich in der Deputirtenkammer den Antrag, die Einver leibung Kretas in Griechenland von den Schutzmächten zu er bitten. Nun, auch dieser Antrag hatte keinen weiteren Erfolg, als daß er die Mohamedaner erbitterte und fast zu ernsten Zu sammenstößen zwischen diesen und den Christen auf der Insel geführt hätte. Schließlich mußten die Kreter zu der Erkenntniß kommen, daß ihr Wunsch nach einer vorzeitigen Entscheidung weder von Rußland, noch von Frankreich, noch von Italien oder gar von England unterstützt werden würde. Jetzt aber, die AmtSdauer bei P t.nzen bald ihr End« erreicht hat, müssen dies« Empfindungen besonders stark aufleben, und schwerlich wird man sich auf der Insel mit allgemeinen Versprechungen Hinhalten lassen. Sollten die Mächte das doch thun wollen, so würde wahrscheinlich der Bürgerkrieg auf Kreta wieder aus brechen. Die Entscheidung wird den Mächten immerhin einige Schwierigkeiten bereiten. Es kann sich eigentlich nur um zwei Dinge handeln: entweder wird die Unabhängigkeit Kretas pro- clamirt oder die bereits erwähnte Angliederung der Insel aaS Königreich Griechenland vollzogen. Der Errichtung eines selbst ständigen Fürstenthums Kreta würde die Pforte vielleicht am ehesten zustnnmen, aber es steht ihr die Gesinnung der christliche., Bevölkerung der Insel entgegen. Diese hat keinen Zweifel ge lassen, daß sie nichts Anderes wünscht und verlangt, als die volle Vereinigung mit dem Königreiche. Sie wird dazu be wogen theils durch ein entwickeltes nationales Empfinden, welches die Fehler des Mütterlandes übersieht, theils durch die Erkenntniß, daß Kreta durch seine eigene Kraft seine Selbst ständigkeit nicht würde erhalten können. Der letzteren Thatsache werden sich auch die Mächte wahrscheinlich nicht verschließen können, und so würde dann als einzige Möglichkeit der Lösung der Frage die Vereinigung der Insel mit Griechenland übrig bleiben. Es braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden, daß nicht nur die Pforte, sondern auch England gegen eine der artige Entscheidung Widerspruch erheben würden. Aber die Briten wären kaum im Stande, einem Proteste den nöthigen Nachdruck zu geben. Die Ursachen dieses Unvermögens, die im südafrikanischen Kriege liegen, sind schon so oft erörtert worden, daß es nicht nöthig ist, auch dieses Mal darauf ein- zugehen. Die Türkei wäre somit die einzige Macht, die mit dem Abschluß der Kreta-Frage nicht einverstanden wäre und dagegen wahrscheinlich Widerspruch einlegen würde. Aber auch der würde lediglich auf dem Papier bleiben, weil die Pforte keine genügenden Machtmittel besitzt, um ihren Willen gegen die Schutzstaaten und Griechenland durchzusetzen. Unter diesen Umständen darf man erwarten, daß Griechen lands Wünsche sich schließlich erfüllen und daß es, ungeachtet seiner Niederlagen im Kriege, die Insel erwirbt, auf welche es längst seine Blicke geworfen hatte. Wie die Dinge eben liegen, würden sich aus dieser wahrscheinlichen Lösung kaum sehr ernste Folgen ergeben, wenn nicht die Schutzmächte, namentlich Ruß land und die französische Republik, auch einen Lohn für ihre erfolgreiche Vermittelung der Angelegenheit fordern. Das aber wird sicherlich der Fall sein. Niemand kann doch im Ernste glauben, daß Rußland und Frankreich ein platonisches Inter esse an der Förderung der großhellenischen Pläne des Königs Georg besitzen. Beide Staaten erstreben schon lange eine Er weiterung ihres Einflusses im Mittelländischen Meere; Rußland zumal wünscht einen Stützpunkt für seine Flotte und womöglich die Durchfahrt durch die Dardanellen. Wenn Griechenland wirklich Kreta erhält, so ist es undenkbar, daß Rußland nicht gleichzeitig, im Verein mit Frankreich, ebenfalls seine For derungen geltend macht. Dabei könnten sich allerdings Schwierigkeiten erheben, deren Folgen sich noch nicht bestimmen lassen England ist allerdings durch den Krieg mit den Boe»»nrepubliken andauernd gelähmt, aber es fragt sich doch, ob bei dem Aufleben eines Interessengegensatzes im Mittelländischen Meere die südafrikanischen Dinge nicht zurückstehen würden und ob man sich im Foreign Office nicht zu dem Frieden mit den Boeren entschließt, um seine Macht zum Schutze der Stellung in Slldeuropa frei zu bekommen. Wir wollen nicht behaupten, daß man in London wirklich so denkt, aber diese Möglichkeit ist nicht von der Hand zu weisen. Einstweilen freilich ist von dem Allen nicht die Rede. Lord Salisbury hat eben in der Guildhall-Rrde die Entschlossenheit bekundet, den Krieg in Südafrika bis zum Aeußersten zu führen, -d ko lang« er noch am Ruder bleibt, wird dieser Standpt" . aufrecht erhalten werden. Die Lage ist deshalb für Griechenland und den Zweibund für etwaige Unternehmungen äußerst günstig. Vollzieht sich die Angliederung Kretas an Griechenland, womit auch die Dreibundmächte sich zufrieden geben werden, so bedeutet dieses daher in letzter Linie einen be- merkenswerthen Fortschritt des Zarenreiches in seinem histo rischen Wettkampfe mit England. Der Krieg in Südafrika. FricDenSverhandlungcn? * Lindau, 18. November. „Tally Mail" veröffentlicht eine an« geblich authratisch« Mitthellang av» dem Präsidenten Krüger nahe stehende« Kreise«, i« der eS heißt, daß Krüger die Eröffnung von FrtedeuSunterhaudlungen ernstlich in Erwägung ziehen werd«, wenn dieselbe ihm direkt von einem annehmbaren Vertreter England» angebote« werde und auf folgenden Bedingungen be ruhe: Amnestie für die Aufständischen, sofortigrrRücktranSport der Ge fangenen und der übrigen in den Lager« oder an anderen Orten fest- gehaltene« Personen, Zurückziehung aller britischen Truppen aus dem Gebiete der Republiken, Wiederaufbau aller zerstörten Farmen oder Zahlung einer Entschädigung sür alle materiellen Verluste und schließlich Abschluß eines von Frankreich and Rußland garantirten Vertrages, welcher den Boeren unmittelbare Autonomie und alle Rechte der Selbstverwaltung unter der Afri kander-Flagge gewährt, wogegen die Boeren al- Gesammt- krirgscntschüdigung den Witwatersrand nnd die Goldfelder an England abtreten. London, 12. November. (Telegramm.) Im Lause einer gestern in Aberdeen gehaltene» Rede erklärte Campbkll Banner mann, der Krieg müsse zu erfolgreichem Abschluß gebracht werden. AlSdann werde die Regelung der Verhältnisse in Südafrika den wichtigsten Punct der Erörterung bilden. Bon einer Unab hängigkeit der Boeren könne nicht die Rede sein, aber eine unabhängige Selbstverwaltung unter britischer Oberhoheit könnte zur Versöhnung deS Boerenvolkes führen. (Boss. Ztg.) * Haag, 12. November. (Telegramm.) Präsident Krüger erhielt gestern in Hilversum den Besuch Wolmarans. Ueber einen Aufenthalt deS Präsidenten in Südfrankreich ist noch nichts entschieden. Brakenlaagte. Noch immer laufe» ergänzende Nachrichten über den Ueber- fall bei Brakenlaagte ein, der Benson das Leben und seiner Abtheilung schwere Verluste gekostet bat. Der Berichterstatter der „Morning Post" hat sich nach Brugspruit begeben und giebt von dort au» folgende zusammenfassende Darstellung: Oberst Benson säuberte, nach Gefangennahme von 37 Boeren am 2l. October, das Thal deS Steenkoolspruit. Er hatte beständig Gefechte, das heftigste am 25. Ok tober, wo 7 Boeren fielen. Er erfuhr von Gefangenen, daß die Boeren schon am nächsten Tage einen Angriff auf sein Lager planten. Grobelaar hatte drei Commandos ge sammelt, die etwa 500 Mann stark waren. Als Benson aufbrach, theilten sich die Boeren in der Erwartung, daß die britische Colonne den einen Theil angreifen würde, in welchem Falle der andere Theil den Briten in die Flanke und in den Rücken fallen sollte. Die Boeren trugen Khaki- und Cavalleriemäntel. Als sie aber fanden, daß ihr Anschlag erfolglos war, vereinigten sie sich wieder und folgten der britischen Colonne. Am 30. October be gannen sie die Nachhut heftig zu beschießen. Botha — nach Kitchener brachte Botha die Verstärkungen selbst — war verstärkt worden am Nachmittage, so daß seine Streit kräfte auf 1400 Mann angewachsen waren. Die Colonne kreuzte eine Drift von Osten nach Westen, und Benson ver stärkte seine Nachhut, die aus Leuten des 3. berittenen In fanterie-Regiments bestand, durch eine Schwadron schottischer Reiter und gab ihr zwei Geschütze bei, da zwei Pompons schadhaft geworden und zurückgesandt worden waren. Unter dessen rückte das Gros unter dem Commando des Majors WoolS-Sampson in« Lager. Der Train wurde lagermaßig aufgestellt, und die Geschütze der Nachhut wurden auf einer Anhöhe 2000 m vom Lager entfernt eingegraben. Tie Yorkshire und die schottischen Reiter übernahmen den «schütz der Kanonen, bei 'denen sich auch Benson und sein Stab befand. Zn dem Augenblicke, wo die Cavallerie sich zu einem Galopp fertig machte, machten die Boeren unter Christian Botha'S und Grobelaar'S Leitung einen Angriff, der allein durch die mutbige Vertheidigung der schottischen Reiter, der Dorkshire und der Bedienungsmannschaft auf der Anhöhe abgewiesen wurde. Unglücklicherweise lag unmittelbar vor der Front der Anhöhe eine Deckung, von der auS die Boere» auf kurze Entfernung feuerte» und die Bertheidiger durch zwei ungeheure Salven unmittelbar niederschossen. Einem Kanonier, der die Hand erhob, um den Verschluß von dem einen Geschütz zu entfernen, wurde die Hand abgeschossen. Er nahm darauf drc andere, verlor aber von ihr drei Finger. Einige Boeren stürzten nun gegen die Anhöhe vor, wurden jedoch durch das woblgezielte Granatfeuer rineS beim Gros befindlichen Geschützes vertrieben. Major WoolS-Sampson hatte inzwischen einige bei der Vertheidigung deS Lagers ent behrliche Leute zu Major Eustace gesandt, der eine unwichtige Stellung im Süden mit 25 Mann berittener Zafanterie hielt. Die Trainsoldaten betbeiligten sich muthig bei der Der theidigung deS Gros. Die Haltung der Leute aaf der Anhöhe war musterhaft. Die Yorkshire pflanzten, al» sie ihre Munition verschossen hatten, die Bajonnette auf und legten sich nieder m der Hoffnung, die Boeren, die sich in kurzer Entfernung auf der Rückseite der Anhöhe befanden, würden sich in einem Angriff mit den anderen vereinigen und ihnen danu Gelegen heit geben, von den Bajonetten Gebrauch zu machen. Die Boeren zogen nach Einbruch der Dunkelheit die Geschütze mit Seilen von der Anhöhe. Zm Verlaufe des Gefechte« schirrten die Fahrer der Munitionswagen, als sie sahen, daß die Be spannung der Geschütze abgeschossen worden war, ihre Pferde ab und kamen zurück, um die Geschütze fortzuschaffen: sic sielen sännntlich. Deutsches Reich. -V. LI. 0. Berlin, 12. November. (Deutschlands Marine-AuSgaben und diejenigen der Weltschiff- fahrtSstaaten.) Deutschlands Marine-AuSgaben haben 1001 196,7 Millionen Mark erreicht. So relativ groß diese Summe für sich allein erscheinen mag, so gering ist sie doch im Vergleich zu den Aufwendungen der übrigen Großmächte. Nach dem Flottenjahrbuch 1902 wurden für die Marine ausgegeben und zwar in den beiden Jahren 1880 und 1901 in Frankreich 146,5 bezw. 205,4 Mill. Mark, in Großbritannien 214 bezw. 652,1 Mill. Mark, in Rußland ohne Finland 62,8 bezw. 213,6 Mill. Mark und in den Vereinigten Staaten 65,9 bezw. 328,2 Mill. Mark. Deutschland giebt sonach pro Kopf der Bevölkerung 190 t nur 3,46 „L für die Marine aus, England 15,94 Amerika 4,30 und Frankreich 6,86 ^2 Deutschland steht somit wenig höher als Italien mit 3 als Kopfquote. Daß Deutschland übrigens seine See-Interessen noch lange heute nicht in dem Maße schützt, wie andere Mächte, dürfte die folgende Uebersicht klar erkennen lassen: .6 Deutschland. ...... 74,5 Frankreich 258, l Großbritannien ..... 56,9 Rußland (ohne Finland) . . 270,1 Ver. Staaten von Amerika . 319,5 Japan 266,7 s e 8 ZV? 4t "Z-I »-L AZ? -L. — ZLZ k <9 Proc. 43,7 4,4 18,6 28,4 6,9 34,6 70,6 5^6 38,7 10,3 8,6 86,3 15,1 5,4 28,1 25,8 23,3 137,0 -r- Berlin, 12. November. (Nationalliberale und Freisinnige in Wiesbaden.) Ter „Freis. Ztg." ist es ersichtlich unbequem, das; der Generalsekretär der national- Die Optik des Theaters. Ein Beitrag zur Psychologie des Schauspielers. Bon Camillo Heyden. »i-<btru- vertolen. Von dem berühmten französischen Schauspieler Mol« wird erzählt, daß er eines Abends mit seiner Leistung im Theater sehr unzufrieden gewesen sei, und daß er seine Unzufriedenheit so begründet habe: „Ich habe mich zu sehr yingegeben, ich bin nicht Herr über mich geolieben, bin zu lebhaft aus die Situation ein gegangen; ich war die Person selbst, nicht mehr der Schauspieler, der sie darstellt. Ich bin so wahr gewesen, wie ich es bei mir zu Hause sein würde; für die Optik deS Theaters muß man ander- sein." „Die Optik deS Theaters" — ein überaus geistreicher, jedoch für den mit den Verhältnissen deS Theaters nicht genau Ver trauten schwer verständlicher Ausdruck. Wenn wir unter Optik die Bedingungen verstehen, unter denen oie Phänomene sichtbar werden, so muß man unter der Optik des Theaters die Be dingungen verstehen, unter denen die Darstellung auf dem Theater so wirkt, wie sie wirken soll. Wahrheit — diese am häufigsten an die Bühne gestellte Forderung ist gerade die, die e- unter keinen Umständen erfüllen kann. Und doch muß das Theater den Schein der Wahrheit erwecken. Wie wird das errejcht? Wie steht es ganz besonders in diesem Falle um den Schauspieler selbst? Darf und soll er, der uns an seinen Schtvermuth, seinen Zorn, seine Eifersucht, seinen Wahnsinn glauben machen will, selbst während seines Spiele- schwer- inükhig, zornig, eifersüchtig, dem Wahnsinn nahe sein? Mol« hat, wie angeführt, diese Frage entschieden verneint. Durchaus tm gleichen Sinne hat der berühmte Talma sie beantwortet. Ihm flüsterte während des Spiels einmal seine Partnerin zu: „Nehmen Sic sich in Acht, Talma, Sie sind bewegt!- Und Talma hat hierzu die Bemerkung gemacht: „Wirklich ist die Er regung die Quelle der Verwirrung! Die Stimme stockt, da- Sedächtniß versagt, die Gesten sind falsch, der Effect ist ge stört." Aber, so fragt wohl dieser oder jener Leser entrüstet, sollen wir uns denn unser« Schauspieler als empfindungslose und nüchterne Verstandesmenschen denken? Ist es nicht eben die schöne Wärme und Kraft der Empfindung, die wir an ihnen schätzen? Der Einwurf ist berechtigt; zu beantworten ist er nur, wenn man «inen Blick in die Entwickelung wirft, die ein Schau spieler durchmacht von dem Momente an, da er mit einer dra matischen Gestalt zuerst bekannt wird, bis zu dem Augenblicke, wo er sie dem Publicum vollendet vor Augen stellt. Für jetzt muß aber noch einmal festaestellt werden, daß die völlige Herr schaft über sich für den Schauspieler eine unerläßliche Noth- wendigkeit ist. Die Bühne steckt voller Fallen: jeder Teppich, jeder Stuhl, jeder Leuchter sind geschworene Feind« des Schau spielers; auf sie alle muß er Acht geben, er muß seine Schlag wörter abpaffen, muß stets di« Controlle darüber behalten, ob seine Stimme, ob sein« Bewegungen ihm gehorchen, — kurz, er muß, wie sein College Shakespeare ihm so dringend ans Herz gelegt hat, mitten im Strom, Sturm und Wirbelwinde der Leidenschaft Maß, Ruh« und Besonnenheit behalten. Wie gelangt er dazu? t Der Schauspieler beginnt sich mit einer dramatischen Ge stalt zu beschäftigen. In anhaltender Arbeit bemüht er sich, tief in sie einzudringen. Er analysirt sie, er leuchtet in die versteck testen Winkel ihres Lebens hinein. Da geht er weit über das Drama hinaus, in das die Gestalt hineingehört. Das Drama ist eine Quintessenz, das Ergebniß eines ungeheuren Contcn- sirungSprocesseS. ES preßt lange verwickelte Gedankenreihen in wenige Zeilen, furchtbare Orkan« der Leidenschaft, die im Leben Monate zu ihrer Entwickelung brauchen würden, in eine Scene, Menschenschicksale in fünf Acte zusammen. Der Schauspieler leßt des Dichters Weg in umgekehrter Richtung noch einmal zu rück. Bon der majestätischen Breite des Lebens gelangte der Dichter zur dramatischen Condensirung, von der dramatischen Condensirung sucht der Schauspieler seinen Weg zur ganzen Fülle deS Lebens zurück. Er vertieft sich in die Vorgeschichte des DramaS, er stellt sich bis in- Detail hinein alle jene Begeben heiten und Zwischenglieder vor, die wir uns al» die Verbindungen der im Drama behandelten Höhepunkt« zu denken haben; er öffnet der dramatisch zusammengepreßten Leidenschaft die Schleusen und läßt sic in ungehemmter Macht und Breite dahin rauschen. Kurz, er kehrt von der Kunst zum Leben zurück, um au» dem Leben wieder zur Kunft zu gelangen. Und ivenn er nun seine Rolle praktisch zu stumren beginnt, bann hält er sich nicht an ihre Worte; nein, er läßt den Mann ganz anders reden, läßt ihn reden, wie er sich denkt, daß er in diesem Falle reden würde, läßt ihm die Freiheit drei und zehn Mal so breit, wie e» im Drama geschieht, seine Empfindungen auszudrücken, er laubt ihm, die nur angedeuteten Uebergänge ausführlich darzu stellen, die überschlagenen Zwischenglieder in der Stufenleiter der Empfindungen zum Ausdruck zu bringen. So schlüpft er allmählich in die Seele der darzustellenden Persönlichkeit hinein. Indem er das Wert der strengen dramatischen Kunst in volles Leben auflöst, lernt er, alle Empfindungen dieser Persönlichkeit mitzuleben. Er rast, fleht, verzweifelt mit ihr; mit ihr empfindet er die Wonnen der Liebe, die Qualen der Eifersucht, den bren nenden Trieb des Ehrgeizes, das Gift des Neides, die Nacht der Verzweiflung. Er spricht, auch wenn er von dem Texte seiner Rolle abgeht, in dem Stile und Geiste, in dem die dramatische Gestalt sprechen muß, er vermag sie sich mit völliger Anschaulich keit in jeder beliebigen Situation handelnd und sprechend vor zustellen. Das ist der erste Act in der Arbeit oes Schauspielers. Jetzt aber beginnt für ihn seinerseits die Arbeit der Condensirung. Jetzt gilt cs, den unermeßlichen Strom des Lebens, in dem ec sich bisher frei bewegen durfte, einzuvämmen in die Grenzen der dramatischen Kunst. Aus der ganzen Breite dessen, was erlebt worden ist, kommen nur einzelne Puncte zur Darstellung. Aber in diesen wenigen Momenten muß die Quintessenz der ganzen Lebensfülle zusammengefaßt sein. Aus einer ganzen Scene, die der Schauspieler sich zusammenphantafirte, werden jetzt zwei Zeilen, die uns als Andeutung eines ganzen Erlebnisses ge nügen müssen. Eine bedeutsame Wendung in dem Gefühlsleben des Helden, die der Schauspieler in ihrer Entwickelung sich genau durchgcdacht hat, schmilzt jetzt oft zu einer Pause zu sammen, die uns das Stutzigwerden und Umwenden des Geistes klar machen muß. Hat die erste Phase seiner Arbeit den Schau spieler mit all der Leidenschaft und Empfindung erfüllt, deren er zur Darstellung bedarf, so giebt ihm die zweite Phase die Herrschaft über die Leidenschaften und über sich. In dieser Phase ist es der Verstand, der das Scepter führt; und so frei sich im Beginn seiner Arbeit der Schauspieler gehen lassen durfte, um sich den darzustellenden Menschen in seiner ganzen Körperlich keit vorzustellen, so streng muß er sich jetzt im Zügel halten, um seiner beschränkten Technik Alles abzuaewinnen, was er ihr ab gewinnen muß. Es ist ein unausgesetztes Pcobiren im Ton, Tempo, Klangfarbe, Accentuirung u. s. w. Dies gleichsam Mechanische in der Arbeit des Schauspielers, das der Laie nur zu leicht übersieht, darf man nie vergessen. Und ist nun die Arbeit vollendet, tritt der Schauspieler mit dem fertig gestalteten Bilde vor das Publicum, so werven wir ihn jet leichter verstehen können. Er hat all« Stürme oer Leiden schaft, alle Hoffnungen uns Qualen, die seinem Helsen beschieden sind, durchgclebt — durchgelebt in Wonnen unv Schmerzen und bis zur äußersten Erschöpfung. Diese Erlebnisse sind nie mehr aus seiner Seele zu verwischen; sie werden ihm immer die Wahr heit und Kraft Ser Empfindung geben, deren er bedarf uns die wir schätzen. Aber die mühselige Arbeit durch die Kunst und für Sie Kunst hat ihn wieocrum über Diese Erlebnisse hinaus- achobcn, hat ihn zum Herren über Sie Leidenschaften gemacht. Je schärfer, je plastiscl)er, je condensirter er sie mit seiner schau spielerischen Technik sarzustellcn, d. h. gewissermaßen wer sich selbst hinzustellcn verstanv, um so freicr wurve er. So befreite sich Goethe Durch seinen Weither von Weltschmerzqualcn, und so befreit sich der Schauspieler durch sie künstlerische Darstellung wieder von sich selbst. ES ist also kein Widerspruch, wenn rin Schauspieler auf der Bühne zu gleicher Zeit ganz voll von ven zärtlichsten oder von sen gewaltigsten EmpfinDungen ist uns Doch zugleich DaS nüchternste Auge für die Bühne und für seinen Partner und Die vollständige Controle über sich hat. Der Beweise Dafür, Daß geraDe Die beDeutenDsten Künstler die volle Herrschaft über sich haben, lassen sich unzählige anführcn. Ich erinnere mich, mit einer unserer beDeutenDsten Tragödinnen in einem Gespräche über recht nüchterne Dinge begriffen gewesen zu sein, als das Zeichen sie auf die Bühne abricf. Dort entwickelte sie eine gewaltige und großartige Kraft der Leidenschaft, Die die Zuhörer wie immer hinriß, und dann, hinter die Coulissen zurückgekehrt, setzte sie das Gespräch mit mir, als ob nichts geschehen sei, gerade an dem Puncte fort, wo mir aufgehört hatten. Freilich sind die Indivi dualitäten der Künstler unendlich verschieocn. Es giebt Viele, die unbedingt Der Mittel beDürfen, »m sich in die Stimmung zu versetzen, Die ihre Rolle erfordert. Bon dem großen englischen Schauspieler MacreaDH wiro erzählt, saß er jeoes Mal, bevor er als Ihhlock nach Der Entführung Der Jessika auftrat, hinter den Coulissen eine Leiter an die Wans lehnte und bei ihrem Anblick wüthend fluchte. So suchte er sich in die Seele des um seine Tochter und seine Juwelen betrogenen venezianischen Juden hineinzuvcrsetzen. Sarah BernharDt soll, wie cs heißt. Darauf halten, daß an Tagen, an Denen ihr eine große Rolle bevorsteht, Farben, Töne unD Menschen eine Stimmung um sie verbreiten. Die geeignet ist, sie allmählich in Den Stimmungsgehalt ihrer Rolle hineinzugeleiten. Die von mir erwähnte, lciDer allzu früh verstorbene Deutsche Tragödin hielt an Tagen, an Denen sie die Iphigenie spielen sollte, streng darauf, Daß ihr alles Unheilige uns Weihelose fernblieb. So haben viele Schauspieler ver» schieDene Mittel, um Die Erinnerung an innere Erlebnisse, die ja zum Theil schon weit hinter ihnen liegen, neu zu beleben und neu ru verjüngen. Wie sie aber auch verfahren mögen, — „Wahrheit' im landläufigen Sinne giebt Keiner. Nur ein Spiegelbild Ser Wahrheit geben sic, ein Bild, das sie selbst erst nach lange» Mühen und unter großen Umwegen, oft dem Er liegen und der Verzweiflung nahe, formen lernen nach jenen gr-- heimnißvosscn Gesetzen, Die wir Die Optik ses Theaters nennen.
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