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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.11.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011104011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901110401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901110401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
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Das Snd« seiner H«ld«nbahn. Ein neuer Lebensabschnitt eröffnete sich fiir Leopold mit dem Abschluß seiner italienischen Feldzüge. Der bewährte Truppen führer und Soldat sah sich an den Hof versehr, mit in das Getriebe höfischer Jntriguen verflochten. Aber auch hier genügte er mit großem Geschick den Anforderungen der Gegenwart, und ver sicherte sich zugleich daneben auch der Zukunft. Am 28. November 1708schied Leopyld's Mutter Henriette Catharina aus diesem Leben. Der Sohn war in den letzten Lagen ihrer Krankheit nicht von ihrem Lager gewichen. So arm an Lorbeeren, so reich an Ehren und Auszeichnungen hatten sich die letzten drei Jahre für Leopold erwiesen. Nach dem End« des Jahres 1710 war er eine der ein flußreichsten Personen am preußischen Hofe. Bei der Taufe des ersten Sohnes Friedrichs I., des nachherigen Königs Friedrich des Großen, wurde ihm di« Vertretung der auswärtigen hohen Pathen übertragen. Bei dem Besuch Peter's des Großen, des Zaren von Rußland, machte er diesem die Honneurs. Am 2. De- cember erfolgte seine Ernennung zum Feldmarschall und Ge heimen Kriegsvath, und wenig später wurde ihm als eine be sondere Gunstbezeugung vom Kaiser Karl VI. der Titel Durch laucht verliehen, welcher bis dahin mit seiner Fürstenwürde nicht verbunden war. Wenige Jahre später war es Leopold wieder vergönnt, den Degen zu ziehen. Der nordisch Krieg (1700—1721t tobte noch fort. Karl XII., oer Schwedenkönig, kehrte, nach seiner Niederlage bei Puliawa (1709) durch di« Russen, von seinem abenteuerlichen Aufenthalte in der Türkei endlich in seine Staaten zurück. Stralsund bot Karl geeignete Hand habe, seinen Feinden Widerstand zu leisten. Preußen, Sachsen, Hannover, Dänemark und Rußland waren gegen Schweden ver bündet. Den Oberbefehl über die preußisch-sächsische Armee hatte sich Friedrich Wilhelm I. selbst Vorbehalten, die thatsächliche Leitung der gesammten Knegsoperationsarmee fand sich jedoch an Leopold überrragen. Zum ersten Male sollte sich dieser somit in der Führung einer für jene Zeit sehr beträchtlichen Heeres- macht und gegenüber einem Heerführer wie Karl XII. erproben. Das bis dahin unüberwindlich« Stralsund wurde von Leopold genommen, während Karl XII. sich nur durch eilige Flucht retten konnte (1714). Ganz Pommern ging den Schweden verloren. Mit d«m Ausgange dieses Krieges sollte Leopold sich zum Höhepuncte seines Ruhmes aufschwingen. Volle dreißig Jahre sollte ihm von hier ab ein erneuter Verfolg seiner Ruhmes- bahn verschlossen bleiben. Bis zu seinem letzten Lebensjahre ist Leopold von Anhalt-Dessau der klare Denker und Beurtheiler für alle Zweige des Kriegswesens, der faktische Begrün der der preußischen Armee-Organisation, mit dem wir es zu thun haben. In dem Ränkegewirr am preußischen Hofe durch Frau von DlaSspiel und die KlLement'^chen Vorspiegelungen, in dem angeb lichen Complot gegen Friedrich Wilhelm I. siegt« Leopold'» Un schuld und ehrliche Aussprach« mit dem König«, dem er als Preußischer Officier sein Leben zur Verfügung stellte, sofort über jeden wetteren Verdacht desselben in Bezug auf seine Person. In seinem Familienleben war Leopold der glücklichste Mensch. Daß er die Ann«-Liese zu seinem Fürstenstuhk hinauf gehoben, hatte ihm die Herzen zugelentt, und auch die Nachwelt wird es nicht vergessen. Stolz konnte er als Bater sein auf seine Kinder; sein Lebensabend wurde nicht nur durch den eigenen ruhmvollen Abschluß seiner Feldhermbahn, sondern zugleich durch das glänzende Hervortreten seiner Söhne verschönt. Sein« Dessauer Untertanen liebten ihn als rechten Pater des Landes — denn Leopold sah überall hin und sorgte für weise Einrichtungen, vor Allem in gesetzlicher Hinsicht. Von dem alten „Schnurrbart" erzählten sich Bürger und Soldaten viel und gern. Wer kennt nicht die Vorgänge in Halle, wo der Fürst seine Werber auf die Suche nach Studenten schickt«?! Und wem im Volke ist es nicht bekannt, daß Leopold bei all' seiner Derbheit doch ein christlich frommer Charakter war?! Er soll alle Choräle nach der Melodie seines Leibmarsches gesungen haben, und sein Wort: „Ein Soldat ohne Gottesfurcht ist ein rechter Matz!" ist so recht bezeichnend für seine Denkungsart. Unter Friedrich dem Großen war es Leopold be schicken, seine Heldenbahn zu beschließen. Unermüd lich hatte Leopoiv für Verbesserungen im preußischen Heerwesen gearbeitet und war Friedrich Wilhelm I. ein treuer und verständ- nißvoller Berather und Mithelfer in seinen Bestrebungen gewesen. Friedrich der Große hatte Leopold im zweiten schle sischen Kriege (1744—1746) den Oberbefehl über die Armee in Schlesien übertragen, ihm aber nicht die Freiheit im Handeln gegeben, welche der Fürst verdiente. Das verdroß den alten Haudegen. — Während der Wintercampagne in dieser Zeit traf ihn am 9. Februar 1745 die Schreckenskunoe von dem Ableben seiner heißgeliebten Anne - Liese. Der Sonnen glanz war mit dem Verlust seiner treuen Lebensgefährtin auS dem Leben des jetzt sich vereinsamt fühlenden alten Helden ge wichen. In seinem maßlosen Schmerze verweigert« er tage-, wochenlang Speise und Trank, hielt sich von aller Welt abge schlossen und irrte Nachts ruhelos umher. Ja, di« Pflicht des Dienstes, welche sein Leben lang ihre Allgewalt auf ihn aus geübt hatte, schien versagen zu wollen. Ende März 1745 kehrte er, wie an Leib und Seele gebrochen, nach Dessau Heini. — Die Siegesschlachten von Hohenfriedberg und Soor, der stolze Auf schwung des Preußenacrrs gingen fast spurlos an Leopold vorüber. Jedoch Friedrich II. suchte ihn bald wieber für eine neue Befehls führung. Hatten nämlich früher die Sachsen im nordischen Kriege oft Schulter an Schulter mit den preußisck-en Bataillonen, vor Allem in dem Belagerungskriege vor Stralsund, gegen Karl XII. gefochten und sich tapfer geschlagen, so waren sie jetzt, wo Preußen „den Dank vom Hause Oesterreich" für seine früheren Dienst« heimgezahlt erhalten sollte, durch eine intr-iguenhafte Cabinetspolitik ins öst«rr«ichische Lager gezogen worden. Auch waren die übrigen deutsch«» Staaten auf die junge, aufstrebende Preußenmacht etwas neidisch, darunter vor Allem Hannover. Ja, es war selbst am Hofe Friedrich Wilhelm's I., dessen Ge mahlin Sophie Dorothea die Tochter des Königs Georg I. von Hannover war, ein« anti-preußische Partei. Auch „der alte Dessauer" zürnte gegen Hannover, welches das schon seit Bern hard von Askanien dem Hause Anhalt gehörig« Sachfen-Lauen burg ihm vorenthielt. Die Stellungnahme Oesterreichs und Sachsens gegen Preußen und wurde immer bedrohlicher. Ts mußte „bataillirt" werden! Die Sachsen hatten vor Leopold Leipzig und Torgau preisgegeben und zogen sich auf Dresden zurück. Nach ihrer Vereinigung mit den Ocsterreichern war von der sächsischen Armee b«i Kesselsdorf eine fast uneinnehm bare Stellung bezog«n worden. In kürzester Zeit konnte Karl von Lothringen mit der österreichischen Hauptmacht zu den Sachsen stoßen. Jetzt hielt es Leopold für angebracht, eine Schlacht zu liefern. Bei 12 Grad Kälte und fußtiefem Schnee bivouakirte seine Armee in der Nacht Vom 14. zum 15. December der Kesselsdorfer Stellung gegenüber. Diese war fast unangreif bar. In drei Etagen thürmten sich an d«m Abhang der Höhe, an und auf welcher im Centrum der Sachsen das Dorf Kesselsdorf lag, die feindlichen Batterien übereinander. Der Zschoncngrund mit seinen von Eis starrenden Felswänden lag wie ein unübcr- schreitbarer Festungsgraben dem feindlichen rechten Flügel vor. Leopold aber wollte und mußt« „batailliren". Am 15. December 1745, bald nach 1 Uhr Mittags, stgnd hie preußische Armee zur Schlacht gerichtet, und Sieg oder Niederlöge lagen an dem kurzen Wintertage somit für dieselbe in den wenigen, noch bis zum Einbruch der Dunkelheit verbleibenden Stunden cingeschlossen. Vor der Schlacht erhob Leopold, auf seinem Schlachtroß, vor seinem Regiment Anhalt-Dessau haltend, Hände und Augen zum Himmel im Gebet. Dasselbe ist ;m deutschen Loli« zu bekannt, als daß cs hirr wiedergegeben zu werden braucht. Der Sieg fiel den Preußen zu; Leopold war «S gerade in seinem fünfzigsten Dienstjahre noch bestimmt, durch den Tag von Kesselsdors sich selber zu übertreffen. Sein Sohn, der löwenkühne Moritz, hatte, wie er versprochen, den Zschoncngrund gestürmt. Auch sein Ruhmesstern wird nie erlöschen. In der Schlacht bei Torgau starb er den Heldentco; in der Schloßkirche St. Mariä zu Dessau, neben seinem Vater, schläft er den ewigen Schlaf. Um „den alten Dessauer", den al»» Hclven, War es einsam geworden; im stillen Dessau weilte er bei seinen beiden jüngsten Töchtern. Mehr und mehr fühlte sich sein Geist ernster Einschau und dem Wunsche nach d«r Wiedervereinigung mit seiner Anne- Liese zugewendet. Am 7. April 1747 wurde er beim Erheben von der Tafel von einem Schlagfluß getroffen. Während der nächsten beiden Tage kehrte ihm nur vorübergehend das Bewußt sein wieder. Nach kurzem Todestampf: und unter dem Toben eines Gewitters, wie nach einer handschriftlichen Bemerkung Friedrichs II. zu schließen, hörte gegen 6 Uhr Abends des 9. April sein Heldenherz auf zu schlagen. Auch hierin glücklich, war er sanft und schmerzlos in das bessere J«nseits hinüberg«schlummert. Sein Leichenb«gängniß erfolgt« zu Dessau am 25. Juli 1747 mit all' den einem Ieldmarschall zustehenden kriegirischen Ehren. Unt«r dem Donner der Kanonen und dem Flintengruh seines aus Halle herbeibeorderten Regimentes wuroe seine sterbliche Hüll- in die Gruft der altehrwürdigen Hoftirche zu St. Mariä zu seiner Anne-Liese hinabgesenkt. —Nichts in dem weiten Roum« der Kirche erinnert an die gewaltigen Gestalten des Hauses Anhalt, welche von Johann Georg II., dem Vater Lrspold's, ab durch drei Generationen d«n Namen Anhalt-Dessau zu einem der gefeiertsten ihrer Zeit erhoben und so viel zu dem Aufstreben der Weltmacht beigetragen haben, welche, aus dem kleinen Brandenburg hervorgewachsen, jetztdieMacht und Riesenkraft von Gesammt-Deutschland in sich vereinigt hält. Somit können wir mit geschichtlichem Recht sagen, daß die Askanier, da sie auch Brandenburg erobert und gefestigt haben, in doppelter Hinsicht „Vorkämpfer" für Deutschlands Einigkeit und Macht gewesen sind. Dem Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau hat die dankbare Nachwelt in Berlin und Dessau Denkmäler ge seht: das beste Denkmal für ihn steht im Herzen des deutschen Volkes. Leopold von Dessau aber hat die Waffe geschärft und gestählt, welche 1870/71 im blutigen Wafsengange mit Frankreich Deutschland am meisten mit schaffen half. Ihm, dem Alt meister im preußischen Waffenwerk, verdankt unsere deutsche Infanterie das, was sie 1870/71 auf den Schlachtfeldern an Taktik uno Feuer-Disciplin als Hauptwaffe und Sturm colonne geleistet. Somit gebührt All-Deutschlands Dank für immer auch Fürst Leopold von Anhalt-Dessau, einem „V o r k ä m p f e r" für Deutschlands Größe und Macht. Colonial-Nachrichten. Tie Thätigkeit Sc» LtouvkrueiucntS in Samoa. Nachrruck veibolen. UV. Iv. Api a, 30. September. In einer der letzten Sitzungen des Gouvcrnementsrathes ge l-ngte die schädliche Wirkung des Creoitgebens an Eingeborene zur Befprec^ing. Es wurde einhellig anerkannt, daß es ein sehr ungesunder Zustand sei, wenn, wie häufig der Fall ist, ganze Dorfschaften ihre Cocospalmen-Ernte auf Jahre hinaus im Voraus verpfändet haben, für von weißen Händlern bezogene Waaren und Nahrungsmittel, die sie längst schon verbrauch! haben. Eine Commission soll nun untersuchen, wie dem in Zukunft vorzubeuaen sei und wie weit zurück und in welchem Umfangt solche Schulden anzuerkenncn sind. Mataafa be kommt als Alii sili von der Regierung ein monatliches Gehalt von 240 -L. Auch die anderen bedeutendsten Häuptlinge, 15 an der Zahl, wünschten von unbesoldeten zu besoldeten Regierungs beamten zu adanci-ren. Der Gouverneur hatte sie bisher hin- gehalten, sie müßten khre Stellungen als Ehrenämter betrachten, so hielten es in Deutschland sogar die Rcichstagsabgeordneten. Das wollte den praktischen Samoanern jedoch nicht besonders Fruöltetsn. Äus Söcklin's Geisteswerkftatt. Von Theodor Lamprecht. »chdnick »erbot». Es herrscht Wohl heute allgemeines Einverständniß darüber, daß Böcklin und Menzel als die großen, alles Andere über ragenden Gestalten der deutschen Kunst der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert-, ms die repräs«ntaliven deutschen Künstler dieser Epoche anzusehen sind. Menzel: der Niederschlag und künst lerische Vertreter des beobachtenden, sammelnden, naturwissen schaftlichen, exacten 19. Jahrhunderts; Böcklin: der Ausdruck unserer Sehnsucht nach Schönheit, unserer inneren Un- befriediaung, unseres Strebens nach neuen Formen des Lebens und unserer Zuversicht, solche zu finden. Bei dieser Stellung der beiden Künstler ist e» verständlich, daß uns die Persönlichkeit Menzel's ebenso durchsichtig, wie die Böcklin's oeheimnißooll ist. Als ein räthselhaftes Phänomen tritt dieser Mann, nach allen Seiten unabhängig, in seinem Werden uncruanich, in seinem Wirken selbstherrlich, in den Kreis der modernen Kunst; und erst die letzten Jahre haben uns anläßlich seine- 70. Geburtstage» und dann seines Ablebens durch Sammrlausstellungen seiner Werke und durch persönliche Mittbrilungen über ihn einige Blicke in sein geistiges Werden und Leben thun lassen. Jetzt aber er fährt unser Wissen über Böcklin mit einem Schlage eine un gemeine Bereicherung. Gustav Flörke, ein aus Mecklenburg stammender Kunsthistoriker, der nahezu ein Jahrzehnt (1881 bis 1889) Mit Böcklin in rNqer persönlicher Fühlung stand, hat wäh rend dieser Zrit den von ihm hochverehrten Künstler auf das Ein- dringendst« studirt, hat wichtige Ansichten, die er von ihm hörte, ausgezeichnet, seine Arbeitswnse beobachtet, kurz ein« große Füll« von Material gesammelt, di« den Zweck hatte, einer Darstellung der künstlerischen Persönlichkeit Böcklin's „nach ihren wesentlichen, also treibenden und unterscheidenden Faktoren" al» Grundlage zu dienen. Diese Monographie ist nicht vollendet worden. Es hat nun aber der Sohn Flörke'S da» gesammelte Material in einem vornrhmeU Band« heraubgegeben, d«r unter dem Titel „Zehn Jahre mit Böcklin" soeben bei der Bruckmann'schen Vrr- lagSonstalt in Münden erschienen ist. Und dieses Buch wi-d fortab al» «in Grundstein de» Böckktn-Studium» zu gelten haben. Denn Flörke ist ein ganz anderrr Mann, al» jener Maler Schick, der nn» gleichfalls wichtig«» Material über Böcklin überliefert ho*. Schick war rin Schüler, der gläubig zu dem Meister aufblickte, übrigen» ein «einer Pedant, der mit der größten Peinlichkeit die verda mnUiotrt sammelt«. Flörke hingegen ist ein durchs»» un abhängig«!, geistvoller, scharf eindringender Kopf, per bi» in den Kern der Persönlichkeit Böcklm'» »ordringt, kein trockener Ma- teriakiensammler, sondern rin selbstständiger Kunst- und Seelen forscher, der, wenn er Aussprüche ÄöcklimS mittheilt, st« auch so fort auf chren Werth für di« Erkenntmß seines Wesen» prüft. Dadurch gewinnt dir» Buch von Fragmenten sein eiqeuthiiMliche» Leben. Roch nie haben Wit Böcklin so nah« gesehen, «och nie so tief« Blicke in seine GeisteSwerkpatt thun dürfen. Die volle Verarbeitung de» hier geboten«» Material» wird lange dauern, aber «in Paa« de« wichtigsten Züge und ihr« Gedeutung für eine vertiefte Kenntniß Böcklin'» lassen sich doch bereit» jetzt feststellen. Vor Allem erkennen wir auch hieraus, daß Böcklin, wie jeder große Künstler, ein durch und durch gesunder Mensch und ein Willensmensch war. Wie sehr, das bezeugt ein Ausspruch vo.: ihm: „Und mag ein Ding auch noch so ungeschickt uno verzeichnet sein, egal, ich will in jedem Striche den Willen sehen, das ist Alles, Correctheit nichts." Diese Willensenergie und Gesundheit des Mannes prägen die Auslassung, die uns Flörke von ihm überliefert hat, selbst aus. Da ist Alles knorrig, kernig, saftig; keine Verwitzelung und Verschnitzeluna; etwas Urmenschliches liegt in seiner wuchtig dreinhauenden Art — wir denken an die mit Baumstämmen zuschlagenden Ariosti'schen Walomenschen, die er auf einem seiner letzten Bilder dargestellt hat. Hiermit aber mischt sich zugleich in eigenthümlichster Weise der echt schweize rische Zug eines scharfen und nüchternen Verstandes. Alles Un klare, Phrasenhafte, Sentimentale ist ihm in der Seele zuwider; seine ganze geistige Entwickelung läßt sich in einem gewissen Sinne als eine fortgesetzte Bändigung seiner Phantasie durch seinen Verstand bezeichnen. Eine künftige Darstellung seines Lebenswerkes wird bei der Betrachtung seiner Arbeiten un bedingt diesen Faden verfolgen müssen und daran die Schichten seiner Entwickelung erkennen können. Die Gesundheit '.ines Geistes findet zum guten Theil in seiner fortwährenden Erneuerung ihre Erklärung. Sein Geist wurde gleichsam durch einen Strom immer frischer Eindrücke fortgesetzt gereinigt. Böcklin war «in gewaltiger Beobachter, er darf als solcher Männern wie Lionardo und Rembrandt an die Seite gestellt werd«». „Ueberall bohrt er sich hinein, geht er dem Wesen nach." Sein Gedächtniß speichert die Beobachtungen gleichsam auf. Da war eine Fülle von kleinsten und feinsten Reizen neben den allermächtigsten Eindrücken aufbewahrt, und wenn dann die Stund« und di« Gelegenheit kam, da brachen diese Erinnerungen hervor und schmückten seine Bilder mit hundert kleinen Schönheiten, wie Juwelen ein« schöne Frau schmücken. Er selbst gestand einmal: „Wenn ich das Wasser male, dann kommt mir allerlei, so Spielereien, von denen ich nicht m«hr weiß, wann ich st« gesehen habe, die mir aber geblieben find." Dieser Mann setzte sich nicht, wir viele Moderne, vor dir Natur hin und sagte: jetzt will ich die und die Landschaft malen, sondern er lebte nur, er gab sich den Dingen nur hin, ließ Natur und Leben durch weitgeöffnete Thore in seinen Geist einströme», und dann tauchte in einem gegebenen Augenblicke „irgend ein Naturmomenl, welche- irgend einmal, vielleicht in der Jugend, auf die empfäng lich« Seele de» Künstler» Eindruck gemacht hatte, vor seinem geistigen Auge anschaulich auf", und dann stand er allerdings der Natur nicht als Sclav«, sondern al» Herr gegenüber. Aber e» war nicht allein die Natur, aus der er sich in dieser Weise be reicherte, die ganze sichtbare Welt reclamirte er für sich: „Wer nicht aus Allem lernen kann, der lernt nichts." Daher schreibt sich das, wenn ick so sagen darf, Königliche in seinen Bildern. Man hat das Gefühl, vor einem Manne zu stehen, der die ganz« Welt al» sein Eigen betrachtet und sie stolz als Fürst durch schreitet, wahrend wir bei so vielen neueren und neuesten Künst lern di« Empfindung haben, als ob sie sich jämmerlich windrn und abarbeiten, um nur ein kleine» Stück Natur oder Leben, auf da» sie sich freiwillig beschränken, kennen zu lernen. Der Hintergrund feblt ihnen. Dieser Hintergrund aber war nichts Anderes, al» büchst« Geistesbildung überhaupt. „Ich verlange vom Künstler, daß er einer der im besten Sinn« Gebildeten sein«r Zeit sei." Da» war er selbst. Es ist ein großer Zrrthum, zu glauben, dieser Mana hab« nur über Meerweiber, Kentauren und italienische Villen Bescheid gewußt. Wüßten wir auch nicht, daß er dem Problem der Flugmaschine nachsann, daß er, wie Flörke mittheilt, für Maschinenausstellungen Interesse hatte, so würden wir doch au» seinem Werke erkenn»n müssen, daß ein Mann, drr die ganze ' chibore Welt mit solcher Schärfe beobachtet«, überhaupt mit dem Leben unserer Zeit, oem inneren wie de n äußeren, aui das G -- .laueste vertraut sein mußte. Die ungeheure Bildung, die sich in Böcklin's Werken aussprichl, unterscheidet ihn auf daS Schärfste von den gegenwärtig herrschenden Richtungen unser» Kunst, du sich modern nennen uno rühmen, aber thatsächlich m t unser-.n Leben nicht in Fühlung stehen. Böcklin selbst empfand die Un bildunc der Künstler. In seiner derben Weise sagte er einma. von einem Restaurant, es sei da sehr nett und anständig ge- wescn: „es waren keine Maler und Bildhauer da." Ebenso er klärt sich seine Vorliebe für den Umgang mit gebildeten Nicht künstlern. Ihn Widerte das Atelieraeschwätz an; was er allein .anerkannte, das war schärfste», mit Anschauung gesättigter, auf reichster Geistesbildung begründetes Denken. Diese Verstandesschärfe kommt nun in seinen Werken auf das Entschiedenste zum Ausdruck. Ja, in den Werk«» dieses „Phan tasten"! Sein« Entwickelung ist die gewesen, daß er nut der höchsten Consequenz immer schärfer bei jedem Bilde allein e i n Ling, dieses aber mit rastloser Klarheit, mit vollstänoiger Deut, lichkeit auszudrücken strebte. Flörke stellt ihn geradezu als «in« Art Rechenkünstler vor seinen Bildern dar: er wägt bi- auf Deci- malstellen ab, er giebt unbedenklich die schönsten Dinge preis, um nur vie Hauptsache zur Geltung zu bringen. Nehmen wir ein« typische moderne Landschaft. Da sehen wir Sonnenschein, Ääume, Wiesen, Kühe, Blumen, Alles, so gut es der Künstler konnte, dargestellt —, und über diesem Vielen sehen wir gar nichts. Böcklin hingegen behandelte, was nicht zum Ausdruck« der Hauptsache dient«, absolut als nebensächlich; «» kam ihm gar- nicht darauf an, einen Menschen auf seinen Bildern einet Ohres zu berauben, wenn das im Bild« nicht nöthig oder gar hinderlich war. In den Schack-Bildern war «r von Lberschäumender Phan tasie, 1887 nur noch „giuckiLio", dort war «r frisch und reich, hier groß, monumental. Er reiht sich in dieser Art, ganz bewukt zu arbeiten, seine Bilder auf da- Strengst« zu durchdrnken, sie zu einem logischen Exempel zu machen, wiedrrum den größten Künstlern der Vergangenheit, einem Lionardo, Michelangelo, Dürer an. Sr vertrat mit voller Klarheit die bewußte Kunst gegenüber dem „rechenschaft»los«n Geschmack". Wir müssen un- darüber klar sein, daß da» in gewissem Sinne «in Lode»urth«il für das Verfahr«» der Modernen ist. Gewiß in Böcklin'» Sinne bemerkt Flörke mit bitterer Ironie über di« Modernsten: „Jetzt soll das bewußte (empfundene, besonnen«) Kunstwerk aufhoren (ali ob da» ginge) und einem mit scheinbarem Unbewußtsnn kokettirenden Platz machen." Und: „Heut« sind di, selig, die d« geistig arm sind". Man hat Böcklin bis zum Ueberdruss« gewiss« Fthler und Verzeichnungen in seinen Werken zum Vorwurf« grmacht. Dies« Fehler sind aber von ihm zum großen Theil« mit klarem Be wußtsein begangen oder zugelassen worden. Denn e» kam ihm nich. darauf an, in jedem einzelnen Fall« »u zeigen, daß «r ein Bein oder einen Baum richtig zeichnen oder di« Perspectiv« correct darstellen könne, sondern e» kam ihm allein darauf an, daß Alle», wa» im Bild« gegeben wurde, zu dem «inen Ziel« zusammer». wirkte, den eigentlichen Gedanken des Bildes auszudrücken und klar zu machen. Er war so konsequent, den Satz aufzustellen: nicht Richtigkeit, sondern Deutlichkeit. Zur „Deutlichkeit" rechnete er aber z. B. auch, „daß er einen Hausknecht nicht wie einen jungen Gott malt." Wie selbstverständlich! ruft hier «in Leser. Nun, ich hab« jüngst ein Bild „Perseus und Anvromeva" von Louis Corinth gesehen, auf dem die Andromeda ein überaus häßliches, gemeine» und plumpes Modell war. Welches Interesse konnte wohl ein Perseus haben, sich in Kampf und Gefahr für eine Person zu stürzen, der man nur so fern als möglich zu bleiben wünscht? An solchem Beispiele erkennt inan die Tiefe des Böcklin'schen SatzeZ. „Richtig" war diese Andromeda schon, d. h. das Modell war correct abgemalt, aber sie war nicht „deutlich", d. h. es war eben keine Andromeda. Böcklin's Deut lichkeit bedeutet die künstlerische Wahrheit im bewußten Gegensätze zu der Corinth'schen „Richtigkeit", der rohen Naturwahrheit. Ein eingehendes Studium widmet Flörke einem der wich tigsten und feinsten Kunstmittel Böcklin's: dem Wirken durch Gegensätze. Schon Schick hatte mitgetheilt, wie viel Werth Böcklin darauf legte, durch Contrastwirkung die Farben zu ihrer Geltung zu bringen. Aber nicht nur bei Farben arbeitete er so. Er hatte die Bedeutung der Verhältnisse in der Kunst voll erkannt. Alles wirkt auf unser Auge nur durch cas Verhältnis, das unS zu einem Vergleich« nöthigt. „Im Gegensätze liegt di« Kunst", sag: Victor Hugo. Blicken wir auf ein beliebiges Bild von Böcklin, z. B. auf die hier repro-ducirten „Herbstgedanken", so bemerken wir gleich den Gegensatz zwischen der Unruhe der zackigen Pla tanenblätter in der Luft und der tiefen Ruhe der in sich ver sunkenen Frauengestalt. Auf allen Redactionen der „Todten ins«!" fällt auf den Eingang zu der Chpreffengrupp« ein Helles Licht, die unS die düstere Kälte im Schatten der schweigenden Bäurn« schaudernd empfinden läßt. Ich möchte hirr noch rin klassisches Beispiel für die Bedeutung des Contrastes in der Kunst geben. Auf Raffael'» viel gefeierter „Heilige Cacilia" in Bologna ist die zweite Frauengestalt schlechtweg gleichgiltig dar gestellt, und da- hat viele Kunsthistoriker und Kritiker sehr genirt. Nun hat aber Raffael die heilige Cäcilie keineswegs in einer dramatischen Ekstase (im Stile der Tizianischen Assunta), sondern in einer stillen, reinen lyrischen Entzückung dargestellt. Indem er jedoch die schön« Frau daneben setzt, di« sich in reiner Freude ihrem Dasein hingiebt, steigert er di« Wirkung d«r Haupt person unendlich; ihr Empfinden, ihr Erlebniß scheint un» um so viel gewaltiger, tiefer, erregender, wenn wir ihren hingebung»- voll«n Ausdruck mit dem der vollen Ruh« der anderen Frau ver gleichen. Man wird aus diesen wenigen Andeutungen ersehen, wie reiches Licht Flörke auf Böcklin's Wesen und Schaffen wirft. Vielen wird drr Künstler hier al» ein ganz Neuer erscheinen. Wenn drr Herausgeber bemerkt, daß viele» in dem Buche Aus gesprochen« für die Modernen inzwischen Gesetz und Glaubens satz geworden sei, so ist da» zutreffend. Aber in vieler Beziehung wiederum schließt sich das Buch unzweifelhaft den Bestrebungen an, die di« Grundprincipien de» Verfahren» unserer modernen Künstler für verfehlt halten und die Anknüpfung an di« strenam Arbeitimethoden der großen älteren Künstler für unerltßlich halten.
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